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Fünfter Brief.

E Eine dritte Ursache der schnellen Verbreitung der Reformation, meine gnädige Gräfin, war die eigenmächtige Aufhebung der Klostergelübde, und in sonderheit des Cölibats, welche sich Luther erlaubte.

Diese christliche Freiheit mundete Mönchen und Nonnen dermassen, daß sie bekanntlich in ganzen Rudeln aussprangen, sich verehelichten und nun natürlich das reine, lautere Wort vom heiligen Ehestande, der auch den Priestern gemein sein müsse, mit um so größerem Erfolge dem Volke verkündigten, als so manche biblische Stelle, insonderheit nach der lutherischen Uebersetzung ebenso laut für die Unchristlichkeit des Cölibats zu sprechen schien, als die Vernunft für seine Grausamkeit.

Aber die biblischen Stellen scheinen eben auch nur dafür zu sprechen. Es ist hier nicht der Ort zu beweisen, wie Christus selbst auf die Nothwendigkeit des Cölibats für seine Kirche Matth. 19, 9-12. Vers 29., und Lucas 18, 29, 30. hindeutet, noch wie die apostolische Praxis in diesem Punkt wirklich beschaffen war, oder mit Mehrerem zu erläutern, weshalb die griechische Kirche der niedern Geistlichkeit die Ehe frei giebt, da die diesfallsigen Beschlüsse der Trullanischen Synode (692) nie von der occidentalischen Kirche angenommen sind; nur das sei hier kürzlich bemerkt: daß die meisten jener unglücklichen Mönche und Nonnen, welche sich auf die Autorität Luthers hin verehelichten und nun im eigenen Interesse das katholische Bewußtsein beim Volke zu unterdrücken suchten, sich selbst das größte Elend bereiteten, daß Bauer und Edelmann sie häufig in ihrer Noth verschmachten ließen, ihnen, wie Luther schon klagte Hauspostille bei Walch XIII. 2536. Tout comme chez nous: Auch ich habe fast nie ohne Anordnung von Zwangsmaßregeln den Bauer zur Reparatur der Pfarrzäune bewegen können., nicht einmal mehr einen »Zaun« machen wollten, ja sie die »Kühe und Säue« hüthen ließen »gleich den andern Bauern,« wodurch der Stand der Geistlichen in solche Verachtung gerieth, daß Niemand seine Kinder mehr Theologie wollte studiren lassen Georg Lauterbecks (Protestant) Cornelius 1563. f. 25. a., da die Amtleute keinen Unterschied mehr zwischen Bauern und Priestern machten, ihnen kühn ihre Privilegien und Immunitäten nahmen, und auch an den Fürstenhöfen es sich nur »pfaffete« Sarcerius (Protestant) Mittel und Wege die wahre Religion zu fördern. Eisleben 1554 f. 312., weshalb man, wie der gleichfalls protestantische Wizel sagt » ripps, rapps zu Priestern nahm, was nur lesen konnte, es sei gerecht oder ungerecht, allein daß es ein Weib haben müßte«. Apologie A. h. a. 13. a. Ja, waren doch Einige, wie Luther selbst klagt, schon dahin gekommen, daß sie die Priester verlachten, das Buch fortwarfen und sagten: du bist ein Narr, willst du viel nach der Predigt fragen, oder noch aufgeklärter und gänzlich in der Denkweise unserer Zeit: »Was durfen wir mehr den Pfarrer und Prediger, können wir doch selbst daheim lesen.« Hauspostille bei Walch Xlll., 39. vergl. 1816. Daß übrigens die fast allgemeine Verachtung der lutherischen Geistlichen auch noch andere Gründe hatte als ihre Verehelichung und die daraus hervorgehende Verarmung, ist mir sehr wohl bekannt, und wird später an seinem Orte bemerkt werden.

Dies waren die sauberen Folgen der Aufhebung des Cölibats, wovon wir noch so viele Beispiele im Laufe unserer Erzählung sehen werden.

Dagegen haben nun unsere protestantischen Moraltheologen den Grundsatz aufgestellt: daß bei dem Allen der Cölibat ein unnatürlicher Zustand sei, und Jedermann weiß, wie in tausend Schriften und unzähligen Romanen dieser Grundsatz verbreitet, beschönigt und ausgemalt ist. Denn was kann für unsre sentimentale Zeit rührender und zugleich empörender gegen das Joch der katholischen Kirche sein, als die Leiden einer verliebten Nonne oder eines heirathslustigen Priesters, die aber durch ihren Stand auf immer gebunden sind.

Aber hier, meine gnädigste Gräfin, merken sie einmal recht die inconsequente Sophistik dieser unsrer Zeit.

Verwerfen unsre Moraltheologen auch den Cölibat als Unnatur, so legen sie doch mit dem ihrigen dem Manne und insonderheit dem künftigen Geistlichen die Verpflichtung auf, bis zur Schließung der Ehe in jungfräulicher Reinheit zu beharren. Da aber heut zu Tage die allerwenigsten Männer und insonderheit die Theologen, vor dem 38 oder 40 Jahre angestellt werden, und mithin nicht im Stande sind, sich zu verehelichen; so entsteht doch wohl die ganz natürliche Frage: ob diejenigen, welchen man bei Strafe der Nichtanstellung die Verpflichtung auferlegt, die Natur in der Jugend zu bemeistern, diese Natur auch nicht im heranrückenden Alter sollten bemeistern können? –

Bei dem weiblichen Geschlecht springt diese wahnsinnige Sophistik jedoch noch weit mehr in die Augen. Von ihm fordert man in allen Ständen, noch vorzugsweiser als vom Manne, die strengste Sittenreinheit bis zur Verehelichung. Da aber schon die natürliche Ueberzahl der weiblichen Bevölkerung es unmöglich macht, daß alle unsere Töchter verehelicht werden können, so frage ich abermals: wo dürfen sie leichter den Kampf mit der Natur bestehen, im Kloster, wo sie nichts sehen, hören und thun, was ihre Sinnlichkeit rege machen könnte, oder in der Gesellschaft, wo mit Bällen, Concerten, Unterhaltungen, Schauspielen, Romanen u. s. w. auf ihre Keuschheit völlig Sturm gelaufen wird? Sehen Sie, darum baute das barmherzige Alterthum »Frauenklöster.«

Aber wir haben sie niedergerissen oder in Fabriken und Branntweinbrennereien verwandelt, und so weit ist es gekommen, daß die Jungfräulichkeit, welche selbst den rohesten Barbaren der alten wie der neuern Zeit Ehrfurcht abgewann, nun zu Witzeleien, und eine alte Jungfrau, wie unbescholten sie geblieben, und wie ritterlich sie aus dem langen und heut zu Tage unausbleiblichen Kampfe ihres Fleisches hervorgegangen, sogar zum Gegenstand des Gespöttes dient. Und doch ist die katholische Kirche grausam, welche das zarte Weib jederzeit aus ihre Mutterarme genommen, es mit Mutterzärtlichkeit und Muttertreue gepfleget, dem verlassenen Brod und Friedensstätten dargeboten und dem verspotteten die Ehrenkrone des jungfräulichen Erlösers und seiner jungfräulichen Mutter aufgesetzt?! – Das reime einmal, wer es kann! – Indeß da ich über diesen beweinenswürdigen Zustand unsers socialen Lebens mich ausführlicher in den Schlußbetrachtungen zu meiner Sidonia ausgesprochen habe, mag ich füglich hievon abbrechen, und unsern Siegmund fortfahren lassen, wie folgt:

Johannes Forst, der Pfarrer zu Altensteig, will sich verheirathen.

Und war ich noch nit zween Tage zu Hause gearriviret, als unser neue Priester, Er Johannes Forst von seiner Hochzeit zurückkehrete, aber ohne Frau.

Hatte eine ausgesprungene Nonne, Namens Käthe von Quilefeld aus Sachsen, liebgewonnen, wo er ehender gelebet, und mein Vater, da er sonsten ein tüchtiger Gesell war, auch die Messe nicht verredete wie die andern Lutherischen, ihm solchen Ehstand, als in Gottes Wort gegründet, mildiglich nachzusehen gar gerne verheißen. Darum verwunderten wir uns über die Maaßen, als mein Priester ohne die Braut heimkehrete. Aber er sprach: ihm wäre das Hochzeiten vergangen, und er hätt seiner Braut den Handel abgeschrieben, anerwogen er also gräuliche Dinge unterwegs erlebet, daß es nit zu sagen wär. Denn das Volk wäre aller Orten also übermüthig durch den Sieg der schmalkaldischen Bundeshäupter worden, daß die Bauern widder thäten, was sie wöllten, und, wenn es also blieb, in kurzer Zeit alle Priester würden ausgerottet und vertilget sein. Insonderheit hätte ihn ein Fürfall auf der Böhmischen Grenzen hinterdenklich gemacht und zur Umbkehr bewogen. Wäre an einem Sonnabend Abend vor ein Dorf kommen, wo ein Rudel Bauern mit Aexten das Standbild des heiligen Antonius umbgehauen, und als er gefraget: was sie allhie für hätten? hätten sie zur Antwort geben: ei, wir hauen nur unsere alten Götzen umb, und unserm Pfaffen solls morgen nit besser ergehen, dieweil er halb papistisch und halb luthrisch ist.

So beschloß ich, sprach Er Johannes, in dem Dorf zu nächtigen, und ginge zu meint Priester und erkündigte mich nach dem bösen Handel. Und kam mir gleich sein jung Weib heulende und schluckende entgegen. Hätte ein klein säugend Kind an der Brust, und ein feiner Bengel bei drei Jahren lief ihr an der Schürzen. Klagete über ihren Hausherrn, daß er von dem papistischen Aberglauben nit lassen wölle, wodurch er sie alle ins Verderben stürze. Und hätte sie das ehe gewußt, wölle sie lieber ein Bauern genommen haben, denn ihne etc.

Aber ihr Eheherr hatte guten Muth. Sprach: der ganze Handel kam von eim Schneider, Namens Luger, her, der Lutheri Schriften gelesen und gerne Priester allhie werden wölle Denn man stellte, wie der protestantische Prediger Zepper klagte, Leute aus den Geringsten im Volke, Schneider, Schuster, Soldaten und Idioten auf die Kanzel ( polit. eccles. bei Grosch Vertheidigung wider Arnold S. 497), weil sich Niemand mehr zu dem verächtlichen Handwerke eines Geistlichen hergeben wollte. Ebenso ging es nach Gallus Brandenb. Gesch. Thl. 3 S. 146. in den Marken zu. Die Kirchen-Visitation von 1541 ergab nicht einzelne, sondern ganze Schaaren von Predigern, welche unwissende Handwerker waren. Auch die 17 Jahre später erfolgte Visitation von 1558 zeigte kaum ein besseres Resultat., anerwogen er dem Schulzen versprochen, wenn er ihme zu solchem Dienst verhülf, alsbald seine Tochter zu freien. Aber er, verstehe den alten Priester, verzage nicht. Denn mehr als die halbe Gemein wär ihme zugethan, und hätts der Dorfschmidt auch wiederhohlentlich zugesaget, schon das Wort für ihne zu führen, daß der Schulze und sein Anhang zu Schanden würden.

So ging ich nu des andern Tags auch in die Kirch, allwo die ganze Gemein versammelt war. Und hielt in Wahrheit mein Priester ein fast rechtschaffene Predigt, als welcher ich erst kürzlich gedenken muß, damit Männiglich sehe, wie böse Schälke der große Haus ist, deme Luther die Kirche befohlen.

Zum ersten, sprach er, muß ich Euch billig strafen, daß Ihr das Bild des heiligen Antonius umbgehauen und selbiges ein Götzenbild geschimpfiret. Denn ein Götzenbild, wie Ihr alle wisset, bedeutet eine Creatur, die nirgend fürhanden und nirgend erfroren, denn in dem tummen Hirn des Götzendieners selbsten; hergegen ein Heiligenbild eine Creatur in Christo bedeutet, die in Wahrheit fürhanden gewesen, durch ihre Tugenden wie das Sonnenlicht gestrahlet und die anjetzo widder bei Christo im Himmel ist, wie er selbsten gesaget Ioh. am 12., wo ich bin, da soll mein Diener auch sein; item Johann, am 16.: Vater ich will, daß wo ich bin, auch die bei mir sein, die du mir gegeben, daß sie meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast. Also wärs auch ohne Zweifel mit dem heiligen Antonio, so sie umgehauen, und den Heiligen selbst in seinem Bilde geschändet, etwan wie ein Kind seinen redlichen Vatern noch in der Erden schände, wenn es seine Bildniß von der Wand reiße und in den Koth wärs. Aber er verhoffe, sie wurden reumüthig umbkehren, und den großen Nutzen betrachten, den die Heiligenbilder auf denen Landstraßen, nicht minder denn die Galgen daselbsten vor alle Menschen hätten, so mit bösen Dingen in ihren Gedanken umbgingen. Denn, sprach er, ich nimm an, es wäre Jemand, der mit seinen Gedanken umgehet zu morden, zu ehebrechen, zu rauben und zu stehlen, Summa eine große Uebelthat zu begehen, so wird ers Niemand sagen, besondern zur Nachtzeit ausgehen, wenn die Leute schlafen, und je näher er dem Ziele rucket, desto mehr werden seine bösen Gedanken wachsen, also daß er letzlich aus eigner Kraft seines Gewissens und seiner Sinnen nit mehr mächtig, sondern gänzlich umstricket ist, wie ein wildes Thier von dem Netz des Jägers. Da trifft er auf seinem einsamen Pfad ein Heiligenbild, und flugs reißt das liebe Bilde ihm ein Loch ins Netze, durch welches seine Seele nur zu kriechen braucht, wenn sie will, umb dem Verderben zu entfliehen. Denn er möge nu wöllen oder er möge nit wöllen; so muß er ein Weil auf andre Gedanken gerathen und den Stachel seines Gewissens empfinden, als welches zuerst durch das Löchlein kreucht, und ihme vor seine eigene Uebelthat die Gutheit des Heiligen, so ein Mensch wie er gewest, vor seine Seele stellet. Aber ist auch dieses vergeblich; nimmt er des Löchleins nit wahr, um sich gänzlich vor der Umstrickunge zu retten, und geht weiter, ja, geräth er bald widder so tief in das Netze, daß er sich nit aus eigenen Kräften lösen kann; siehe, so steht ein dräuender Galgen auf der Höhe, und reißet selbiger ihm übermalen ein Löchlein in das Netze. Denn er möge nu wöllen oder er möge nit wöllen, so muß er wiederumb auf andere Gedanken kommen, und sein Gewissen durch das Löchlein kriechen und ihme zurufen: laß ab, laß ab von dem, was du fürhast und kehre umb, eh Meister Hansen dich auch hineinhängt. Ists nu dennoch umsonst, und nimmt er auch dieses letzten Löchleins nit wahr, so kommt seine Seele billig in dem Netz des Satans um, und führet mit Recht zur Höllen. Darumb, wer ein Heiligenbild umbhauet, sündiget, als wer ein Galgen umbhauet, oder einen Priester verstöret; denn es seind zwo hölzerne Seelsorger, so noch in dem Gewissen reden, wann Nichts umb dich ist, denn die Nacht, und seind gesetzet: das Heiligenbild, dich durch die Liebe, und der Galgen, dich durch die Furcht aus der Umstrickunge des Satans zu erretten. Und in Wahrheit haben beide auch schon Wunderdinge bei den Kindern des Verderbens bewirket, wies die Erfahrung bezeuget, und vielen Priestern im Beichtstuhl fürgekommen.

Solche löbliche Predigt schien auch den Bauern beizugehen, und waren sie noch stille. Aber als er nunmehro auf das Sacrament zu sprechen kam, und wie er vor seinem Gewissen es nit verantworten und selbiges ihnen in beiderlei Gestalt geben könne, erhobe sich bereits ein Rumoren, worauf er ein Weil anhielt und dann weiters sprach: er wüßte wohl, was sie fürhätten, verhoffe aber, seine Freunde allhie würden dem bösen Fürhaben wehren, denn in diesem Punkt wär er mit nichten lutherisch, anerwogen Christus nur seinen Jüngern den Kelch gegeben. Selbigen wäre aber Priester gewesen und keine Bauern. Darum möchten sie sich berathen: ob sie das Sacrament nach alter Weiß haben wöllten oder nit, und wäre es also, wie er zu Gott verhoffe, söllten sie ihme rufen; er ginge zu Hause, umb nit etwan ein Zeuge allhie von böser Gotteslästerunge zu sein, so sein Herze abfressen würd; verhoffe aber, der gerechte Gott und seine Freunde würdens schon machen; worauf er den Seegen sprach und aus der Kirchen ging.

So war selbiger kaumb aus der Kirchen, als mein Schneider in feim alten blauen Rock und ein groß Bündel Schriften unterm Arm auf die Kanzel stiege; In solcher Kleidung trat man in der Regel auf. Vergl. den Brief des Bischofs zu Freysingen wider Luther. Alt. Ausg. II. 88. a. hielt erstlich ein gar verworren Gebet und sprach dann, daß er das »reine, lautere Wort« allhie zuerst der christlichen Gemein aus allen Kräften verkündigen wolle. Er hieße, wie Männiglich wisse, Luger, und hätt ihm nur der Teufel den einen Buchstaben verwechselt, anstatt er auch ein Luther wär. Aber die christliche Gemein sölle keinen Abbruch verspüren! Er wisse die Schriften des theuren Mannes Gottes, der die Welt vom Teufel und Pabest in Rom erlöset, fast auswendig, und verwundere er sich, daß ein christl. Gemein den tummen Pfaffen allhie, welcher seinen Götzendienst entschuldigen wöllen, und von Werkgerechtigkeit geschwätzet, nit mit der Faust von der Kanzel geholet, besondern solch heidnisch Geschwätze geruhlich angehöret. Ei lieber, wer anjetzo noch sorgen wölle um gute Werk?

Der theure Gottesmann Dr. Martinus, Gottes herzliebester Engel, hätts ja klärlich wie der Tag aus der Schrift bewiesen, daß die Werke zu unsrer Seligkeit nit von Nutzen wären! denn, wenn wir noch Werke thun söllten wie im blinden Pabestthumb; so wäre Christus vergeblich am Kreuz für uns gestorben, und sein theures, kostbares Blut würde durch diese verfluchte Lahr des leidigen Pabstes geschändet. Nach Wizel (Protestant) epist. ad M. B. F. M. 3. a. N. a. war dies die gewöhnliche Redeweise, und fand die Unterbrechung des Geistlichen auf der Kanzel öfter statt; ja in Pommern finden sich davon noch Spuren in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts.

So trat nu der Schmied herfür und sprach: mit Vergunst, ein Wort hierauf Meister Michel! Ich acht, wenn wir keine guten Werke mehr thun söllen, wird bald Niemand in unserm Dorf mehr seins armen Lebens sicher sein, wie denn jetzt schon der Augenschein beweiset; worauf der auf der Kanzel zur Antwort gabe:

Ihr verstehet nit, Meister Martens, was Ihr saget und setzet. Habet Ihr den heiligen Geist, wie ich fast bezweifle; so folgen die guten Werk Eurem Glauben von selbsten, wie der Baum von sich selbsten Frucht bringet, als der theure Gottesmann Dr. Lutherus an hundert Orten gelehret; aber selig könnet ihr durch solcherlei Werk mit nichten werden, besondern allein durch den Glauben.

Und als der Schmied solches verreden wollte, schrie mein Schneider: was, und er wölle klüger sein, denn Gottes Herzliebester Engel Dr. Lutherus selbsten? Ein christl. Gemein könn es auf jedem Blatt lesen, daß nit die Werke, besondern der Glaube allein, wie St. Paulus sage, uns gerecht und selig für Gott mache, und wölle er aus der Predigt, so dieser zwete Elias zu Jena am Pfingstmontag gehalten, nur einen Spruch anführen, wie lächerlich es sei, im hellen Licht des Evangeliums auf die Werke zu bauen.

Packete also seinen Bündel auseinander und las für, wie folget, und ich schier wörtlich behalten hab: »Keine Sünde ist mehr in der Welt, denn der Unglaube. Andere Sünden in der Welt sind Herrn Simons Sünden; wenn mein Hannsichen oder Leinchen in den Winkel hofirt Im Orginal steht das pöbelhafteste Wort hierfür. Siehe Walch Thl. XIII S. 1480.; deß lachet man, als sei es wohl gethan. Also machet auch der Glaube, daß unser Dreck nicht stinket vor Gott. Summa Summarum: an den eingeborenen Sohn Gottes nit gläuben, das ist allein die Sünde in der Welt, darum die Welt gerichtet wird.«

Als er solches fürgelesen, erhob er ein groß Gelächter auf der Kanzel und all sein Anhang mit, worauf der Schulz herfürtrat und sprach:

Da sähe man, daß die christliche Gemein keinen gelahrtren Hirten überkommen könne, denn diesen Meister Luger, der vom heiligen Geiste selbsten belehret wär und nicht, wie die katholischen Pfaffen vom Pabst und seinen lateinischen Meßeseln; denn ein Räuber und Mörder, sprech der theure Mann Lutherus, wär besser, als ein solcher Pfaff; Altenb. Ausg. II. S. 30. darumb weg mit ihrem alten Pfaffen! dieser Luger wär auch ein gar demüthiger Mensch, und wolle jedem Bauern jährlich einen Scheffel Getreidig am Meßkorn schenken, wenn sie ihne vor ihren Seelsorger annähmen, item auch das Pfarrhaus selbsten decken, da er des Handwerks verstünde; nur mit dem Umhüthen möge man ihn verschonen. Ob also die christliche Gemein diesen rechtschaffenen Hirten haben wolle; so sölle sie mit Ja antworten; nachgehends wölle er mit zween Andern das Amt des heiligen Geistes an ihme wahrnehmen und ihn in sein Amt einsetzen, und letzlich wöllten sie alle zur Communion gehen, und das wahrhaftige Blut ihres Herrn und Heilandes Jesu Christi zum ersten Mal nießen, so der papistische Bösewicht, wie sie eben gehöret, ihnen nit geben wölle. Ein Weib hätte sich der Schalk genommen, und Fleisch fräß er am Freitage auch, und dennoch wölle er in allem Uebrigen nit von dem papistischen Sauerteig lassen, darum weg mit dem Schalk und Seelenmörder, noch heut am Tage! Und nu frug er noch einmal, ob sie einen so mildiglichen Mann, der ihnen jährlich einen Scheffel Getreidigs aus christlicher Lieb erließ, vor ihren Pfarrherrn annehmen wöllten, oder nit?

So schriee der ganz Hauf und auch die Freunde des alten Priesters ja, ja! und bliebe nur der Schmied noch fast alleine übrig mit wenig Anderen, die sich aber allbereits auch schon hinter den Ohren kratzeten, und ein breit Maul machten, also daß er leichtlich judiciren konnte, der Handel würde ein böses Ende nehmen. Denn es zitterte ihme die Stimm, als er wiederumb anhob: aber wer hat euch das Recht geben einen Priester abzusetzen und wegzujagen? worauf der Kerl von der Kanzel ihme die Antwort nit schuldig blieb und sprach:

Dieses Recht hat jeder christlichen Gemein der theure Gottesmann gegeben, ja er spricht: daß ein Priester noch ehe mag von ihme abgesetzet werden, denn ein Jeder, der in weltlichen Sachen ein gemein Amt unter ihnen verwaltet, dieweil der Schad der unreinen Lahr um so größer. Wollend Ihrs nit gläuben, so lesend selbsten. Meister Schmied passet auf! ich wirf die Schrift nieder; wo ich das Eselsohr eingebrochen, werdet Ihrs befinden, und also wurf er die Schrift Lutheri: »Wie man Diener der Kirchen wählen und einsetzen soll« Diese wirklich wahnsinnige Schrift des großen Reformators v. Jahre 1524 steht Altenb. Ausg. II. S. 492-515. Als ihm nach dem Bauernaufruhr auch in diesem Punkt wieder die Augen aufgingen, führte er bekanntlich die Ordination ein, deren Nothwendigkeit aber von Einigen gar nicht anerkannt wurde z. B. von dem Stralsundischen Superintendenten Joh. Frederus, welcher sich deshalb nach Luthers Tode gar heftig mit den Wittenbergischen Theologen überwarf; S. von Balthasar jus ecclesiasticum pastorale I. fol. 247. Ueberhaupt verlangte Luther anfänglich nichts zu einem guten Prediger als 1) eine gute Stimme und Aussprach, 2) ein gutes Gedächtniß und andere natürliche Gaben.« Altenb. Ausg. II. 29; denn alles Uebrige würde nach seiner Meinung schon der heilige Geist thun. von der Kanzel nieder, daß alle Blätter aufweheten und sie knisternde und knasternde zur Erden kam. Aber mein Schmied zitterte für Zorn, nahm mit nichten das Büchlein auf, sondern schriee: und wenns also wär; wer hat Euch Bauern das Recht geben einen Priester widder einzusetzen, welchen Ihr wöllet?

Hierauf gab mein Schneider zur Antwort: das hat derselbe theure Gottesmann gethan. Ei Gevatter Schulze, hebet doch das Büchlein auf, und lesets der lieben Gemein für, daß sie es gläube! Wo ich das zweite Eselsohr eingeklemmet, werdet Ihrs befinden, und mag es ein Jeglicher selbsten lesen, welcher lesen kann, damit er nit ferner zweifle, sondern gläube.

Und hobe auch mein Schulze das Büchelchen von der Erden und las also für: »So ihr denn zu Euch erfordert habt und zu euch freiwillig kommen sind alle die, welcher Herzen Gott bewahret hat, daß sie einmüthig und eines Sinnes sind mit euch; alsdann so fahret fort in dem Namen des Herrn, erwählet, wen und welche ihr wollet, die ihr dazu würdig und tüchtig erkennen werdet; darnach: die die Fürnehmsten sind unter euch, legen ihnen die Hände auf und bestätigen sie also, und befehlen sie dem Volk der Kirchen oder Gemeine, und durch das Einige sollen sie eure Bischöfe und Hirten sein. Amen.« A. a. O. S. 512. Vergl. die fast noch ärgeren Stellen S. 497, 503, 506, 509, wonach er jedem Hausvater das Recht einräumt zu predigen und die Sakramente zu verwalten.

Allhie sähe die christliche Gemein ihre Vollmacht, und hätt der liebe Gottesmann das heilige, theure Schwur-Wörtlein »Amen« nach Weiß des Heilandes und seiner Aposteln hinzugefüget, damit Niemand zweifeln sölle. Darumb hätt er, verstehe meinen Schulzen, die Fürnehmsten auserlesen, als nämlich ihne, den Wassermüller Jaechel und den Gerichtsmann Tummel, und wöllten sie jetzo in Gottes Namen ihren neuen Pfarrer in sein heilig Amt einführen, worauf mein Schmidt abermalen die Stimme erhob: und wenns auf die Fürnehmsten ankäm, verhoffe er doch wohl fürnehmer zu sein, als der Gerichtsmann Tummel? Aber ihm wär es gleich; er wölle Nichtes mehr mit dem Gräuel zu schaffen haben, worauf er polternde aus der Kirchen ging.

So wurd man nu strittig, ob der neue Priester ein Meßgewand umthun solle, oder nicht. Letzlich aber wurd es beschlossen und Etzliche abgeschicket, dem alten Priester Alles abzufordern, was zur Kirchen gehöre, an Meßgewand, Stolen, Ciborien etc., item ihme zu sagen, daß er sich von Stund an packen und das Pfarrhaus räumen sölle, anerwogen die christliche Gemein einen neuen Priester einsetzen wolle.

Und kamen die Kerls auch bald mit allerlei Kirchengeräthe zurücke, worauf mein Schneider sich lächelnde das bunteste Meßgewand aussuchte, und es vor dem Altar anzog. Alldieweil aber seine Braut auch in der Kirchen war, und ihr ein gelbes besser gefiel, zog er das bunte widder aus und das gelbe an, worauf mein Schulz, der Wassermüller und der Gerichtsmann in den Altar traten, und dem Schneider, so auf seine Kniee gefallen, die Hände uf den Kopf legeten und ein »Vaterunser« über ihm beteten, worauf sie ihne der christlichen Gemein als ihren Seelensorger und Bischöfen fürstelleten, der ohne Platten, Schmeer und Chrysam anjetzo in Vollmacht des heiligen Geistes von ihnen eingesetzet worden.

Und ging alsbald die Kirchthüre auf und trugen 4 Kerls einen großen Bräukessel voll Weins, item an die 20 Essenstöpfe in die Kirchen, und setzten Allens in den Altar nieder, um das Abendmahl zu halten. Man glaube durchaus nicht, daß dieß Uebertreibung sei. Selbst in Wittenberg während der Abwesenheit Luthers auf der Wartburg, war eine solche Entheiligung des Sacramentes eingerissen, daß der berühmte Jurist Hieron: Scharff, obgleich er Luther noch »den wahrhaftigen Apostel und Evangelisten zu dieser Zeit« nennt, gleichwohl in einem Bericht an den Kurfürsten Friedrich eingestehen muß, daß nicht bloß Bürger und Studenten vermeinten gute Christen zu sein, wenn sie nicht zur Beichte gingen, Priester verfolgten, an Fasttagen Eier und Fleisch äßen, Bilde abbrächen etc., sondern daß »oft auf einen Tag nu hundertmal und vielmehr das Abendmahl allein in der Pfarr zu Wittenberg gehalten wurd,« woraus, wenn man die Einwohnerzahl des Ortes in Betracht zieht, und auch die übrigen Kirchen noch mit veranschlaget, fast nothwendig hervorzugehen scheint, daß das Volk tagtäglich am Abendmahlswein besoffen war. Alt. Ausg. II, 93 u. S. 88. a., wonach das Abendmahl auch in verschiedenartigen Trinkgeschirren verreicht wurde. Darum, als Luther nun in dieser Zeit der Karlstädtischen Bewegung plötzlich und unvermuthet zurückkehrte, schien er augenblicklich seine Lehre vom Glauben beim Anblick so vieler Gräuel vergessen zu haben; denn er sagte in seiner ersten Predigt gradehin katholisch: » daß der Glaube ohne die Liebe Nichts sei.« A. a. O. S.100.
Indeß meint er in der 5ten Predigt S. 110:
»Daß Andere, welches sie (die Gemeine) gethan, hätte Gott Alles können leiden, aber das kann und mag Gott nicht leiden, daß ihr den Leib und das Blut Christi selbst mit den Händen so durstlich und so frevlich ohne alle Scheu und Furcht angegriffen. Das, meint er, hätte ihn am meisten bei den herrschenden Unordnungen betrübt, und dennoch (welch eine unerklärliche Inconsequenz in fast allen seinen Behauptungen!) sagt er schon wieder ein Paar Blätter darauf, nämlich Seite 121:
»Nu ists ja gewiß, daß es eitel Menschen Zusatz und Lehre ist, daß man beider Gestalt nit brauchen, mit Händen nit angreifen, mit ungeweihten Kleidern in gemeinen Häusern und Gefäßen nicht handeln solle« u. s. w.
Diese letzte Vorschrift schien sich denn auch ein Kapellan in der Nähe von Nürnberg gemerkt zu haben, welcher das Abendmahl seinen Gläubigen, die ihm wahrscheinlich zu viel Wein verschlangen, in einem Löffel mit den Worten reichte: » Nimmb hin, das ist der Löffel des Neuen Testamentes.« Dies erzählt der große Reformator selbst in einem Schreiben an Amsdorf bei De Wette V, 463. Natürlich schimpft er nun wieder auf den armen Kerl, und ruft aus: » vide ridenlem et ludentem Satanam in re tam adoranda!«

So consecrirte nu mein Schneider Brot und Wein auf seine Weiß, und gab erstlich eim Jeglichen das Oblat in die Hand, und darauf den Fürnehmsten, so ihne introduciret, den Meßkelch, denen Uebrigen aber die Essenstöpfe, worauf die Bauern also wacker prosteten, daß es ein Gräuel war.

Anerwogen nu aber der Bräukessel bald ledig, und ein junger Geselle noch nichtes überkommen, rief er laut: »er wolle auch das wahrhaftige Blut seines Herrn und Heilands Jesu Christi trinken,« und kroch eim alten Bauern zwischen die Beine, hub durch das Gegitter des Altares den Bräukessel in die Höhe und an sein Maul, und that einen so langen Schlurf, daß es einen zweien verdroß der auch noch Nichtes gekriegt, und selbiger ihme den Bräukessel aus den Händen schlug, daß er rasternde zu Boden fiel und der Wein im Altar versprützete, worauf der Schulz ergrimmete, und beede Kerls, von welchen der junge Gesell ein ganz schwarz Maul und Händ gewonnen, aus der Kirchenthüren schmiß. Und folgte ich ihnen nunmehro von selbsten, dieweil ich den Gräuel und die Eintheiligung nit länger mit ansehen konnte. Aber ich sollte annoch Gräulicheres sehen und hören. Denn, als ich in das Haus des alten Pfarrherrn kam, suchte sein boshaftig Weib ihne unter allen Betten und in allen Schränken, immerdar schreiende; wo ist der verdammte Kerl, wo ist der papistische Bösewicht, der mich und meine Kindleins unglücklich gemacht! Aber er war nirgend zu finden. Doch als sie letzlich auf den Boden stieg, hube sie jählings an zu schreien, als ob die Welt untergehen sölle: hier hänget er, hier hänget er am Nagel, wie Judas der Erzschelm, kommt herauf, er hat sich selbsten erhenket! Döllinger führt in seinem vortrefflichen Werke: »Die Reformation« (3 Thle., Regensburg 1846), das mir aber augenblicklich nicht mehr zur Hand ist, viele Fälle von Selbstmord unter den Predigern der neuen Lehre an, auf welche Schrift ich hier, wie überall meine Leser dringend verweise.

Aber ich mochte nit hinaufkommen. Alle meine Haar sträubeten sich und wurden lebendig auf meim Haupte, also daß ich von dannen flohe, und vor der nächsten Stadt meiner armen Braut den Abschiedbrief schriebe.

Als Er Johannes solches gesprochen, entsatzten wir uns Beede gar mächtiglich, bis mein Vater sprach: Es thut mir leid, daß Ihr solche Rede führet in Anwesen meines Sohnes, dieweil ich befahre, daß Ihr dadurch nit minder ihme den Ehestand verleidet, denn Euch selbsten. Hab ihne schon oft gebeten, ehe ich ab fahre von dieser Welt mir eine Schnur ins Haus zu bringen, anerwogen ich zuvore noch sogerne ein Enkelken auf meinem Knieen wiegete; aber er hat es immer verredet, fürgebende: er sei annoch zu jung. Was wird ers jetzo nicht verreden, nachdeme Ihr ihme solche Gräuel verzählet!

Aber Ehre Johannes gab lächelnd zur Antwort: Euer Sohn ist alt genung, als daß er nit wissen söllte, welch Unterscheid zwischen einer adlichen und einer Priesterhochzeit ist. Nit wahr Junker? und wüßt ich auch wohl ein Bräutlein für Euch.

So vermeinete ich, er hätt Charitas von Spiegelfeld im Sinn (so der Vater mir öfter zugedacht, anerwogen sie ihme von allen unsern adlichen Jungfern so wir 4 im Hause hätten, Jeder angesehene Ritter hatte Edelknaben und Edeldirnen zur Bedienung. Namentlich mußten sie ihn im Bade bedienen und zu Nacht den Schlaftrunk (Wein mit Gewürz) kredenzen. Selbst angesehenen Gästen wurde auf diese Weise von edlen Dirnen aufgewartet. Raumer's Taschenbuch auf 1837, S. 238 ff. nach der Muttern Tode am besten gepfleget, und auch immerdar viel umb mich handthierte, augenwinkete und seufzete, wenn wir alleine waren), denn selbige Jungfer trate just als ers sprach mit eim Teller in die Thür. Darum entfuhr mir unversehends das Wort: nein, die will ich nicht! was die arme Jungfer also erschreckete, daß sie den Teller zur Erden fallen ließ, und er vor meinen Füßen zubrach.

Aber Er Johannes rief: nein, ich meine keine Jungfer von unserm Mannhardsberg, sondern ein Endeken weiter ist das schöne Mädel vor Euch gewachsen, von deme ihr mir sonst verzählet. Sie heißt Julia von Althan, und bin ich ihr auf der Grenze in einem Kretscham Wirthshaus. mit dem alten Klausner begegnet, bei deme sie, gleich Euch, an die sieben Jahre in die Schule gangen, und nunmehro ins Kloster gehen will.

Als ich solches hörete, sprang ich empor und rief: was, sie ist im Kloster, sagt Ihr? wo trafet Ihr sie, was macht sie, was sprach sie; was macht Ihr guter Ohm? o erzählet; warumb habet Ihr mir das nit gleich gesaget?

Da schlugen Beede ein lang und laut Gelächter uf, inwährendem die arme Charitas sich die Hände vor ihre Augen hielt, und widder zur Thüren hinausging. Und hob Er Johannes allendlich an: sehet Ihr wohl, daß ich das Ziel mit dem Pfeil troffen? Wollte Gott, es wär Amoris Pfeil! Ich sah sie im Kretscham zu Weitra hinterm Tische sitzen und warmer Milch trinken, den alten Klausner aber in seim langen, weißen Bart hinterm Tisch. Wollte seiner lieben Päthen den letzten Liebsdienst erweisen auf dieser Erden, und sie in ein Kloster bringen. Als ich aber beeder Namen hörete und mich nunmehro als Euren Pfarrherrn kund thät, wurden sie froh, und das Mägdlein sprunge auch gleich auf, griff mich bei der Hand und sprach, just so begierig wie Ihr: was macht der liebe Mundel, denket er mein noch, ist er groß worden, hat er noch den Stecken mit dem Kreuz? worauf ich ihr Alles erzählte, was ich wußte; aber als sie hörete, daß Ihr in den Krieg gezogen, hub sie an zu weinen und sprach; Ohm ich sorge, sie haben ihn todt geschlagen!

Doch ich vertröstete sie, und daß der alte Dietrichstein geschrieben: wie Ihr nächstens widder mit ihme zu Hause kommen würdet, daß sie froh ward und zum Ohm sprach: Ach lieber Ohm, wie schön wärs, wenn der Mundel mit mir ins Kloster gehen wollte! So lächelte der ehrwürdige Mann, und gab zur Antwort: Kind, das geziemt sich nicht!

Illa: Warumb denn nicht? Meinet Ihr etwan von wegen des Umhalsens?

Ille: Allerdings von wegen des Umhalsens. Du weißt ja, die Mannesklöster seind besonders und auch die Frauenklöster.

Illa: Aber so kann er mich doch besuchen! Saget ihme, sprach sie: er solle balde kommen; es würden dorten auch Vogelnester sein, so wir suchen könnten, und wöllte ich ihme Kränzlein winden und Beeren pflücken wie zuvore.

Als sie nu ihr Ohm zu dem Gutscher sendete, daß er anspannen sölle, sprach der gute Greis: »Ihr sehet, sie ist annoch gänzlich ein Kind und weiß nit, obgleich bei 19 Jahr alt, daß und warumb zween Art Menschen auf Erden seind. Und dennoch reget sich überall, wo sie gehet und stehet Mutter Eva in ihr, nach dem Wort Gottes zum Weibe, Genesis 3. V. 16.: » Und nach dem Manne wird dein Verlangen seinNach der Septuaginta. Luther übersetzt mit der Vulgata: »Dein Wille soll deinem Manne unterworfen sein.« Aber welche Tiefe enthält die obige, richtigere Uebersetzung!

Darumb hab ich ihren zarten Leib bewahret, daß das verlangende Feuer sich nicht entzünde. Denn nun wirds ohne Kampf in ihr verglimmen, wie das kalte Feuer des Glühwürmleins von sich selbsten erlischet, wann die Morgenröthe in sein stille Zelle scheint; worauf er sich nach den lutherischen Händeln erkundigte, und als ich ihme hurdi purdi über Hals und Kopf. (denn die Roß stunden allbereits für dem Wagen) berichtet, was geschehen, gab er zur Antwort: Er freue sich über Nichts mehr, denn daß er nu bald in die Erde kriechen würd. Hätte auch sein Grab sich bereits seit langer Zeit gegraben, drinnen er alle Nächt schliefe, und sehne sich des Dirnleins los zu werden, umb bald auf immer hineinzukriechen.

In währendem wars aber selbsten wieder lieblich hinzugesprungen, hatte einen Kranz gewunden, und gab ihn mir und sprach: da, den bringet dem Mündel mit; es seind viel Vergißmeinnicht drinnen, und sölle er nur bald ins Kloster kommen, denn ich sähe gerne selbsten wie groß er worden, und ob er auch wie das andere Mannsvolk, einen alten, rauhen Bart gewonnen?

Schrei ich wieder: wo ist der Kranz, zeiget mir doch den Kranz, worauf er ihn auch flugs holete, und hätt ich ihne gern geküsset, wenn ich mich nit geschämet. Darumb fragte ich verstöret, wie sie denn jetztunder als Jungfer ausgesehen, und was sie angehabt, worauf Er Johannes zur Antwort gab: in Summa Junker! sie war rank, schlank, roth, weiß, im grünen Röcklein, schön wie die Riecherbse in ihrer Blüth, daß ich kaumb jemalen ein schöner Frauensbild gesehen, und das will vor einen Sachsen, bei deme die hübschen Mädchen aus der Erde wachsen, doch wohl viel sagen, mein lieber Junker!

Als ich solches Alles gehört, webete und wallete mein Herze und ganz Geblüte, wie ichs hiebevorn nie verspüret, und sprach: ei lieber Vater, die muß ich zum Weibe haben, wenn der barmherzige Gott es also füget, daß sie noch nicht als Nonn eingekleidet ist; so Ihrs erläubet, sattle ich alsogleich den braunen Wallach.

So wars mein Vater gerne zufrieden, umhalsete und gesegnete mich, und daß ich nur machen sölle, aus der Burg zu kommen. Darumb verkleidete mich alsofort in den besten Zeug, so ich mir in Cöln hatte anfertigen lassen, als ein sammit Wamms, auf der einen halbe roth, auf der andern grün, item die sammitnen Hosen waren just so, und ein Hand breit über dem Knie ein sammiten Band, das auf beeden Seiten herfürstand, mit einem Rösel; item ein Biret, auch auf der einen halbe roth, auf der andern grün, mit einer Straußensfeder. Umb meinen Hals hatte ich das saubere Hemdlein bei dreier Finger Breite niedergeschlagen, und hinge daran ein güldene Schnur mit güldenem Quast mir auf die Brust. Vergaß auch des langen Schwertes nit, noch der Misericorden, Ein dolchartiges Messer, auf der Jagd wie im Kriege geführt, um damit den Gnadenstoß zu ertheilen. Jene drollige halbirte Kleidung ist übrigens die, wie man sie jetzt noch in manchen Zuchthäusern findet. und sprengete also, von unserm Knecht Claus geleitet gen Murstätten, das Kränzlein, so ich unterwegen ofte herfürholete und küssete, unter meim Wamms verborgen haltende.

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