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1. Theil.

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Erster Brief.

Meine gnädigste Gräfin!

I Ich biete Ihnen hier einen Kranz aus dem Leben eines Ihrer ruhmvollsten Ahnherrn dar, wozu Sie Selbst mir die Blumen gepflückt haben. Denn sein ganzes thatenreiches Leben zu schildern, wonach er, ein zweiter Radetzky, noch mehr als 80 Jahre alt, Ungarn vor den Türken erretten half, und endlich, fast neunzigjährig als Oberfeldherr des ganzen Königreichs sein müdes und lorbeerreiches Haupt zur Ruhe legte, überschreitet die Grenzen der dichterischen Gestaltung. Zudem hat er in dem schönen Abschnitt seines langen Lebens, den ich zu behandeln gedenke, auch die höchste Probe seiner und jeder heroischen Tapferkeit zu Tage gelegt, nämlich »die Selbstüberwindung«. Er ist traun! ein Ritter im edelsten Sinne des Wortes, ein Charakter, wie er etwa nur in den Zeiten der Kreuzzüge vorgekommen sein mag; darum habe ich ihn auch mit Recht den »getreuen Ritter« genannt und hoffe ich, seine Darstellung werde jedes unverdorbene Gemüth auf das Innigste bewegen. Ich wähle für diese Darstellung jedoch auf Ihren Wunsch die chronikalische Form, über deren Sinn, Wesen und Bedeutung für die erzählende Poesie, ich mich hinlänglich in der Vorrede zum dritten Theil meiner » Sidonia« ausgesprochen habe. Denn dadurch wird die Illusion fast zur historischen Wahrheit gesteigert, indem die berüchtigte Gnome: »Die Welt will getäuscht werden, darum werde sie es,« in der Moral zwar ein höchst unmoralischer, aber in der Aesthetik ein höchst moralischer Grundsatz ist. Denn der höchste formelle Zweck fast aller schönen Künste ist ja eben die Täuschung.

Hierzu kommt, daß die moderne deutsche Sprache in stetem Rückschritt begriffen ist. Wir haben ihr seit längerer Zeit dieselbe bunte Narrenjacke von Gräcismen, Latinismen, Gallicismen, Anglicismen, und der Henker weiß, von welchen »cismen« sonst noch umgehängt, die wir allen unsern Institutionen und Constitutionen umgehängt haben, und lassen sie außerdem noch, wie den Staat selbst, auf hohlen und inhaltleeren Metaphern den Stelzengang durch die Zeit thun, den wir »Fortschritt« nennen.

In einer solchen Sprache ist es fast unmöglich, die alte Zeit naturgetreu zu schildern, und namentlich eins ihrer wesentlichsten und interessantesten Elemente, das »Naive«. Wir wollen also das wunderbare Jugendleben Ihres Ahnherrn in der alten Sprache hören, wie er es seiner Familie und seinen Freunden wiederholt erzählt, und einer der letzteren etwa es aufgezeichnet haben möchte, da er selbst, wie er sagt, des Schreibens wenig kundig war. Die nothwendigen Reflexionen über jene wunderbare Zeit geben mir zugleich und um so mehr die Briefform an die Hand, als Ihr eigener, reichgebildeter Geist sich so gerne der Betrachtung überläßt, und diese Form zugleich, wie ich hoffe, einen ebenso angenehmen, als lehrreichen Ruhepunkt für den Leser in der Erzählung selbst abgeben dürfte. Es möge also unser Sigismund beginnen, wie folgt:

Jugendgeschichte des Helden.

Wissend Junkers, daß ich auf der Burg meiner Ahnen hieselbst Mittwochs nach annuntiationis Mariae 1525 geboren bin. Dieweilen mein Vater Sebastian, ein alter Feldobrist, aber das Zipperlein hätte und meine Mutter Maria von Hohenegg an Hauptbläde litte, item mein Brüderlein noch klein war und die Schwestern sittsam im Weiberhaus gehalten wurden, bin ich als ein rechter Augenspiegel vor alle Junkers aufgewachsen, will sagen, als ein wilder, trotziglicher und verwegener Bube. Thät meinem Vater gar großen Schaden und Aerger Tag vor Tag. Verstach ihm ofte muthwillig seinen Krückstock, wollte er mir das Wamms ausklopfen, und lief alsbald von dannen und zog ihm noch wohl in der Fernen ein Geckenmaul. So sollt nun zwar unser Burgpfaff, Johannes Heidtvogel mich abstrafen; allein selbiger war auch ein alter, steifer Mann, und sah's mir immer nach. Item war er auch zufrieden, wenn ich Nichts lernte, wie denn auch geschah. Denn wiewohl ich mich nachgehends in denen Studiis merklich vervollenkommete, auch lateinisch und wälisch etlichermassen sprechen lernte, ist mir die liebe Schreibekunst doch immer sider dieser Zeit ein schwer Ding geblieben, also daß ich auch jetzo noch wohl ein A vor ein B, und ein X vor ein U mache. Also ward ich ein Junker bei 14 Jahren, konnte kaum ein wenig lesen und das Ave Maria beten, und nahm nur von Tag zu Tag in der Wildheit zu, wie ein junger Eber.

Alle Bubenstücke, so ich begangen, aufzuzählen, trag ich ein merklich Bedenken, und will mithin nur offenbaren, warum mein Vater also erzürnete, daß er mich, wie einen leibeigenen Knecht verschenkete.

Wissend also Junkers: selbiger Vater mein hatte sich zwei schöne schwarze Rappen gekauft, ich sprich nit mehr umb welchen Preis. Humpelte alle Tage an seinem Krückstock in den Stall, um sie zu besehen, item fuhr mit selbigen oftmalen nach dem See, zu lugen, ob es dort wildes Geflügel hätte, item in den Wald, wo er Schlingen vor das Wild geleget hatte.

Dieweil ich nun aber kürzlich ein Paar Gäule gesehen, welchen die Schwänz auf englische Weiß verschnitten waren, so daß sie selbige gar niedlich wie die Hündlein trugen, wollte ichs in meiner Dummheit nachmachen, und schnitte beiden Rappen die Schwänze ab, verwunderte mich aber, als sie selbige mit nichten aufrichten wollten, wie es die andern gethan.

Als solches mein Vater entwahr wurde, stieg ihm der Pfeffer in die Nase und zürnete also heftig, daß ihm schier der Athem verging, und dieweil damalen sein alter Waffenbruder, Ritter Jagello Odrawsky aus Böheimb bei ihm eingesprochen, schenkete er mich selbigem als einen leibeigenen Knecht. Würd' ich ein Einsehn thun und mich bessern, wölle er selbigem Ritter nach etlichen Jahren mich wieder mit 80 ungarischen Gulden lösen, so ich aber in meiner Wildheit und Bosheit verharrete, wöllte er hinfüro nit mehr mein Vater sein, sondern möge der Ritter mich behalten, und als einen leibeigenen Knecht gebrauchen mein Lebelang. Solches stellte mein Vater mir in Anwesen des Ritters für; aber ich muthwilliger Bube lachte sein; hielt das Ding für ein Scherzen. Aber o wehe! es war bitterer Ernst, und sollte ich bald Weinen vor Lachen erndten, wie ich's auch in Wahrheit verdienet. Denn schon Tags darauf am frühen Morgen kömmt der böse Ritter vor mein Bette und schreiet: »nu wohlauf Schelm, nimm deinen Bündel und folge mir, mein Rollwagen ist allbereits fürauf gefahren auf der Straßen gen Weitra!« – Hatte mich auch kaum eingekleidet, als er meine Faust greift, und mich in den Burghof zeucht, ohne daß er mir gestattete meiner Sippschaft, weder meinem alten Vatern zu valediciren. Solches erbarmete mich also, daß ich zu weinen begunnte, worauf aber mein Ritter sprach: warte nur, ich werde dir schon zu weinen geben! Lachete auch höhnisch in die Höhe, als wir jetzunder an die Gänsebucht auf dem Schloßhof kamen, und gläubete ich schon, daß er also über mich gelacht; sollt aber bald ein Andres erfahren. Denn, als wir an den Rollwagen gelangeten, der ein Endeken vor dem Flecken Altensteig hielt, lag selbiger fast gänzlich voller todter Gänse, und hätte gleich ich schwören mögen, daß es meinem Vater seine Gänse gewest, dieweil ich die eine wohl an ihrem hohen Tüppel erkannte, item an dem Schlitz am rechten Fuß. Doch sagete ich Nichtes, dieweil ich mich fürchtete. Habe auch in Wahrheit, nachdem ich heimbgekehret, es also befunden, angesehen der Schalk die Nacht die fetten Gänse durch seinen Gutscher hatte stehlen und todtstechen, davor aber von einem Gänsetreiber wieder magere ankaufen und in die Bucht setzen lassen. Die eine hätte einen Zeddul umb ihren Hals gehabt, worauf die höhnischen Wort zu lesen gewest:

»ja, ja, ja, ja, mein lieber Herr Hager,
Gestern waren wir fett, heut sind mer mager!

Hieraus kann nu Männiglich abnehmen, welch ein böser Schalk der Ritter Jagello Odrawsky gewest. Sollts aber bald noch anders spüren. Denn er hieß mich bei dem Gutscher sitzen, und wann ein kleiner Berg kam, mußte ich in währendem Fahren immer absteigen und zu Fuß laufen, damit seine Klepper bei der schweren Fuhre nicht überhalset würden, wie er sagete. Dabei gab es nicht naß noch trucken, bis am späten Abend, in währendem mein Ritter doch weidlich in jedem Kretscham sich zu Gute thät, und auch seinem Gutscher abtheilete. Auch litt er nicht, daß ich ein Wort sagete, sondern verbot mir gleich das Maul. Also ging es etzliche Täge, daß ich schier vor Hunger und Müdigkeit verzagete, bis wir des dritten Tages vor seine Burg angelangeten, die im Walde lag an der bairischen Grenze, und von dem Volk, etwan von den vielen Schweinen, so der Junker hielt, die Säuburg benamset wurde. Und waren wir kaumb in die Burg getreten und hatte mein Ritter seinen Schaafspelz ausgezogen, als er an die Wand zur Hundepeitschen griff, und mich, ohne ein Wort zu sagen, also abbläuete, daß ich hätte in ein Mäuseloch kriechen mögen. Als er nu den Athem fast verloren und ihm die Faust müde worden, rief er: so Junge, das ist dein Willkomm! Ich werde dir schon den Gehorsam lernen! Nun wisse und merke: dein Amt ist des Tages die Säue zu hüthen, und des Abends gehst du bei meinem Pfarrherrn Caspar Krowalky in die Schule und lernst den lutherschen Glauben; ich werds schon mit deinem Vatern ausfechten. Hüthest du gut und lernest du gut, so bist du angenehme; hauest du hergegen wieder in die alte Kerbe, so kriegst du alle Abend den blauen Willkommen, verstehst du mich? und hiemit langete er mir noch einmal über die Lenden. – So, nu lauf zur Köchin drunten und hohle dir die Abendkost; mit der Sonnen treibt du jeden Tag aus und nach der Sonnen treibest du ein; lauf Schelm! –

O wehe, welch elendig Leben war mir anjetzo angebrochen! Bereuete tausendmahl, daß ich nit Vater noch Mutter gehöret, und wäre gerne, wie der verlorene Sohn umgekehret und meinem Tyrannen entlaufen, wenn ich den Weg gewußt und böhmisch gekonnt; denn alles Volk sprach hier böhmisch und nur die Köchin deutsch. Von selbiger mußte ich alle Morgen mir auch die Kost für den Tag abhohlen, will sagen einen Topf mit Grünkohl oder Grütze und ein Stück Brods, so mit dicken Erbisen anstatt der Butter bestrichen war. Fleisch gab es nimmer, weder vor mich, noch vor das andere Volk, und nur zweie Male in der Wochen ein Stichlein Schweineschmeer. Also war die Atzung beschaffen, und von den Gänsen meines Vaters habe ich kein Knöcheken gesehen: Ward gehalten wie die leibeigenen Knechte, und mußte auch bei selbigen schlafen. Dieweil nun aber der Säue zu hüten mir viel Mühe machete, angesehen die Heerde sehr groß war, verspürete ich bei dieser Kost einen solchen Abgang meiner Kräfte, daß ich zu Abend, wann der Pfarrer mich in sein Stüblein rufen ließ, umb mir die Lektion aus dem lutherschen Katechismus zu verhören, vor Müdigkeit einschlief, worauf er mir denn auch weidlich das Wamms besah. Zu meinem Glück aber ward ich selten gerufen, inmaaßen der Pfarrherr fast alle Abend mit dem Ritter im Brett spielen mußte, wobei sie wacker zecheten und immer gute Räusche fielen. Nun begab es sich aber, daß ich der deutschen Köchin mein buntseidin Tuch lehnen mußte, umb damit in die Kirche zu gehen. Solches Tuch hatten die anderen gelobet, und wollte sie mirs darumb abzwacken; wolle mir die Woche vor zweimal auch dreimal Schweineschmeer geben, ohne daß es die Herrschaft erführe. So bestünde ich nun auf 4mal, item daß sie mir eine alte eiserne Pfanne verehrete, was sie letzlich auch Alles verjahete, umb nur das Tuch zu kriegen.

Und hatte ich kaumb die Pfanne und den Schmeer, als ich mir bei meiner Heerden ein lustig Feuer anzündete, und alle Tage etzlichen Säuen die Schwänze und die Ohren abschnitte, selbige im Bache auswusch und mir ein sauberes Mittagsessen in der alten Pfannen anrichtete; das Salz dazu nahm ich mir heimblich in der Küchen, wenn die Köchin dem Volk die Kost auftrug, und Alles blieb lange Zeit stille, so daß ich schon wiederumb anfing, frische Kraft zu gewinnen, auch besser lernete, worauf der Pfaff mich lobete, vermeinende, seine Prügel hättens gethan.

Aber da kartete Satanas es eines Tags, daß 7 Säue, welchen ebenmäßig die Ohren wie die Schwänze zur Hälfte fehleten, in etzlichen Maulwurfshügeln am Bach wühleten, als mein Herr mit der Hetzpeitschen und den Winden angeritten kam. Hielt sogleich das Roß an und schriee: »Junge, warum fehlen allen Säuen allhie die Ohren und Schwänze?« Sprech ich: gestrenger Herr, solches hat mein Hund Wachtel gethan. Wird er ein zeitlang stille, reitet umher, steigt vom Roß, so ich halten muß, greifet sich ein Schwein, greifet zwei und drei, und schreiet letzlich: ei du böser Schelm! hätts der Hund gethan, müßten Ohr und Schwänze unebenmäßig zurißen und zufetzet sein, aber allhie sind sies alle ebenmäßig, und ist leichtlich an denen Narben zu judiciren, daß sie abgeschnitten seind. Summa: er riß die Peitsche herab und bläuete mich also lange, bis ich ihm beichten mußte. Und als ers in Erfahrung gezogen, verpustete er sich bei einer Viertelstunden, und setzte sich auf einen Stein, umb Luft zu gewinnen. Darauf schnarchete er mich an: ob ich die Pferdeschwänz bei meinem Vater auch aufgefressen, stieß mich mit dem Fuß, schwur, daß ich hinfüro gar kein Schmeer mehr haben sölle, nahm mir die Pfanne weg, item mein Messer, so ihme doch nicht gehörete, und machte sich letzlich noch einmal über mich mit seiner Peitschen. Aber dieweil er heute einen guten Rausch sich getrunken, was ich an seinem Speien verspürete, so er oftermalen in währendem Schlagen thät, hatt' er nicht die Macht mir so wehe zu thun, als sein Begehr war, ansonst, achte ich, er mich wohl todt geschlagen.

Summa: nun hob mein Hungern wieder an. Dieweil es aber im Vurjahr war, wo die Vögel Eier legen, war kein Vogelnest mehr auf dem Felde und im Walde, so ich nicht geplündert, item kam ich mit den Säuen zu Hause, spürte ich zur Morgenzeit den Hühnern nach, und kein Ei mochte mir entgehen, dieweil ich wie ein Marder kletterte. Selbige Eier trank ich dann roh aus, oder kochete sie in meinem Essenstopf; denn mein unholdseliger Herr hatte Wort gehalten, und durfte mir die Köchin bei harter Strafe keinen Schmeer hinfüro geben.

So sorgte ich nur, wie ich mein jämmerlich Leben fristen wollte, wenn die Eierzeit fürüber, und hätte gar gerne eine Armbrust gehabt, um mich im Schießen des Gewildes zu üben, so es in der Gegend gar viel hatte, dieweilen die Burg ringsum von Wasser, Wiesen, Bächen und dichten Wäldern eingeschlossen war.

Und sollte ich bald durch sonderliche Schickung Gottes gewinnen, was ich also sehnlich gewünschet. Denn nachdeme, als mein Herr in Erfahrung gezogen, daß sein Nachbar, der Junker von Schwammberg etzliche hundert polnischer Ochsen, so er feist gemachet, gen Prag treiben wolle, bot er all sein Burgvolk auf, ihm selbige abzujagen.

So wurde nun ein Jeglicher bewaffnet, und empfinge ich deßgleichen eine alte Armbrust aus der Rumpelkammer. Ei, ich sollte meinen, daß ich mich gefreuet hätte! Mein Herre selbsten zog uns fürauf, und hohleten wir auch die Ochsentreiber in einem Hohlweg ein. Aber sie hatten sich fürgesehen und waren alle bewaffnet, worauf dann ein harter Kampf begunnte, und der Kornschreiber meines Herrn, so sich etwas sehen lassen wollte, mit einer Hackenbüchsen unter die Treiber schoß. Davor erschracken sich die Ochsen, und etwan 10 an der Zahl sprangen die Wand an dem Hohlweg in die Höhe, und wollten feldüber in den Wald rennen. Als ich solches entwahr wurde, lief ich den Ochsen in die Richte, und trieb sie eilends zurücke, den Weg nach der Sauburg zu. War auch schon ein ganz Endeken bis in den Wald gelanget, als mein Herr mit seinem Volk hinter mir her geloffen kam, angesehen die Ochsentreiber die Obhand gewonnen und etzliche seiner Knechte erschlagen, etzliche aber verwundet hatten. Und war wohl Ursach, daß sie uns nicht verfolgeten, weil sie nicht entwahr wurden, daß ich ihnen das Viehe abgetrieben. Darumb freuete sich mein Herr, daß es mir also geglücket; sagete, sein Junge wäre klüger denn der Kornschreiber, und solle ich hinfüro auch wieder Schmeer haben. So faßte ich mir ein Herze und bat ihne um die alte Armbrust, mich im Pfeilschießen zu üben, und als ers zusagete, faßte ich mir weiters ein Herz, bittende, daß er mich doch adelich halten möge, und nicht hinführo wie einen leibeigenen Jungen der Säue hüthen lassen. Darüber lachete er und sprach letzlich: wenn du gut hüthest, bis ich die Säue verkauft und fleißig luthrisch lernest, will ichs beschlafen; lief darauf an die Ochsen, befühlete und belobete sie, und wie sich der Schwammberg ärgern werde, wenn ers in Erfahrung zöge! – Summa: ich hatt' es nunmehro wieder eine Weile gut, schoß mit seiner Armbrust Vögel und Gewilde aller Art, und da ich den Schmeer auch wirklichen widder erhielt, item die alte Pfanne, so mein Herr in der Küchen abgegeben, von der Köchin zum andern Male losbettelte, hatte ich gut Fleischessen alle Tage, wie in Altensteig in der Burg meines Vatern.

Aber unsern Herr Gott verdroß ein solch unadlich Leben, und nun merkend, was geschah! Nach etzlichen Wochen war meines Herrn Geburtstag, wo er immer ein groß Gesäufte allen seinen Freunden gab. An selbigem Tage hüthe ich im Thal auf dem Anger und dieweil der Hirte, so die zweite Heerde trieb, krank worden, mußte auch dieser fürstehen, was mir fast unerträglich fiel, angesehen nicht ich, weder mein Hund einen Augenblick vom vielen Rennen zur Ruhe kam. Als nun die Weinhähne auf der Burg im besten Krähen waren, also daß man es weithin auf dem Anger vernähme, treten alsbald vier Männer aus dem Gebüsch, unter welchen auch der Ritter v. Schwammberg, so ich aber nicht kenne.

Gott grüß dich, spricht er, mein Junge! nun wirst du es hinfüro gut haben, denn ich habe deinem Herrn heute die ganze Heerde abgekauft. Hier hast du auch dein Schwanzgeld, worauf er mir 20 Weißgroschen in meine Hand gab. Ein solch Glück war mir noch nicht fürgekommen, bedankete mich, und sprung wie ein junges Ferkel, denn ich gedachte schon, wie der Gutscher mir vor das Geld aus Schönau sölle rechtschaffene Pfeile mitbringen, umb desto baß das Gewilde zu erlegen.

Spricht hierauf der Ritter: nun komm aber auch und hilf uns die Säue ein Eck Wegs weiter treiben. Hierzu war ich gar gerne bereit, nahm meine Armbrust auf die Schulter, meinen Essenstopf in die Hand und hetzete die Säue an, in währendem mein Ritter nach den Burgfenstern schauete, aus welchen der Brülllärm herfürtobte, und wie der Fuchs am Hühnernest lachete. Unterwegs fraget er mich: ob ich der Junge wär, so dem Ritter von Schwammberg die fetten Ochsen weggetrieben, und als ichs verjahete, belobete er mich und vermeinete: das schade dem Ritter nichtes, er würde sich ansonst wohl schadlos halten. So gelangeten wir bis dicht an den Hohlweg, und waren unweit einer Burg, so rings von Wasser und Wiesen umgeben, und drunten im Thale auf einem kleinen Hügel lag. Dies war der Schwammberg; aber ich wußte es nicht, denn der Ritter schwiege auf alle Fragen, so ich selbsten thät, fein stille, als hätt er nichts gehöret, noch verstanden. Anjetzo aber gab er mir meinen Abschied, sprechende: nun seind wir über die Grenze und die andern Männer werdens schon selbsten zwingen; lauf darumb nur zu Hause, und grüße deinen Herrn! – Hei wie lustig war ich dummer Junge anjetzo! Sang und pfiff die schönsten Lieder, und dieweil es noch nit Abend, ging ich auf die Jagd, und schoß ein Auerhuhn, so ich in meinen Essenstopf steckete, und darauf, als es mählig Abend worden, pfeifend auf den Burghof schlenkerte.

Allhie hatten die Säudirnen, wie sie denn pflegeten, schon den Schweinen das dampfende Futter in die Troge geschüttet, und stunden mit dem Ruhrstock daneben, verwunderten sich darumb, als keine Schweine kamen, worauf ich lächelnd sprech: ei, der Herr hat sie ja alle verkauft. Solches gab ein groß Aufsehen, und mächtig Laufen in der Burg Trepp auf, Trepp nieder. Kummt alsbald die Hausfrau, so noch ärger war, als der Herre selbsten, schreiet, wie eine Furie: wo die Säu wären? und als ich zur Antwort gab: der Herr hätte sie verkauft, schreiet sie zurücke: Du leugst; der Herr soll dich todtschlagen, du verlaufener Schelm! und stürzet mit den Worten: ja, ja, ich muß es ihm sagen, so besoffen er ist, von dannen. Hier-zwischen aber hatte sich die gute deutsche Köchin bereits hinter einen Pfeiler gestellt, reichet mir ein Stück Brods mit Schmeer hin, und bläset mir heimblichen zu: Junker, laufend, laufend; er schläget euch todt! –

Und als ich schluckend zur Antwort gab: wo soll ich hin, ich kenne den Weg nicht, so kann ich auch nit böhmisch? raunete sie weiters: lauft zum Junker von Schwammberg; denn etzliche der Unsern haben bereits gesehen, daß es der Junker gewest, so euch die Schweine abgetrieben. Befolgete also, was mir die treue Magd riethe, machte mich alsogleich auf den Rückweg zum Schwammberg; war aber noch nit weit gekommen, als der Kornschreiber, auf einem guten Klepper nebst etzlichen Burgleuten mir nachsetzeten, mit also lautem Geschrei wie auf der Hetzjagd. Darum sprang ich aus dem Feldweg, umb sobald als möglich den Wald zu gewinnen, und da ich nun wegen der besseren Atzung wieder bei Kräften war, und mir weder im Klettern noch im Laufen es Niemand nicht zuvorthat, gewinn ich in Wahrheit den Wald, unangesehen mein Kornschreiber aus allen Kräften jagete, und wie ein verzweifelter Mensch umb Hülfe brüllete. Ja, ich meine, sein Herr wird ihm mit der Kehlen geantwortet haben, wenn's nit mit der Hundepeitschen geschehen ist! –

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