Oskar Meding
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Oskar Meding

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XVII.

Der Markgraf Gabriel Malaspina war mit den Seinigen in Begleitung des Grafen Girolamo Riario so schnell als die Pferde vermochten nach Imola geritten.

Girolamo wurde auf dem Wege nicht müde, auf die Ungeschicklichkeit der Verschwörer zu schelten, welche eine Sache halb gemacht, die dann besser gar nicht gemacht worden wäre.

»Es wäre ja leicht gewesen,« sagte er zornig, »eine Verständigung mit Lorenzo zu finden und vielleicht wäre das auch jetzt noch möglich. Ich bin unschuldig an diesen unglückseligen Vorgängen, welche entweder zu spät oder zu früh gekommen sind. Aber man wird mir in Florenz nicht trauen, Ihr aber, edler Markgraf, seid ganz der Mann, um die Brücke wieder zu bauen und das Vertrauen wieder herzustellen. Warum seid Ihr aus Florenz geflohen, Ihr hattet doch dort nichts zu befürchten, wenn die Medici in ihrer Stellung bleiben, waret Ihr doch im Begriff, Euch mit ihrem Hause nahe zu verbinden.«

»Ich habe Florenz verlassen,« erwiderte Malaspina, »weil ich die Meinigen nicht in einer Stadt lassen wollte, in der gegenwärtig das Leben eines jeden von einem wütend erregten Pöbel abhängt und weil ich nicht will, daß man mir, der ich dort Gast war im Hause der Medici, eine Schuld beimessen möchte an dem Blutbad, das die entfesselte Volkswut angerichtet und an den Frevelthaten gegen die Diener der Kirche – hat man doch Euren Neffen, den Kardinal Raffaello nur mit Mühe in eine alte Sakristei gerettet und wer weiß, ob er nicht dennoch den Wütenden zum Opfer gefallen ist.«

Girolamo schüttelte den Kopf.

»Sie werden es nicht wagen,« sagte er, »am besten wäre es wohl,« fügte er mit einem lauernden Blick auf den an seiner Seite reitenden Markgrafen hinzu, »wenn Ihr, mein edler Freund, nachdem die Ruhe wieder hergestellt ist, nach Florenz zurückkehren und dort versuchen wolltet, Lorenzo das Vertrauen zu mir wiederzugeben, ich wäre wohl am besten im stande, alle Mißverständnisse aufzuklären und alle Zerwürfnisse beizulegen.«

»Das wird schwer sein,« erwiderte Malaspina, »ich fürchte, Lorenzo würde mir kaum verzeihen, daß ich in diesem Augenblick Florenz verlassen und Ihr wißt, edler Graf, wie sehr ich seiner Heiligkeit ergeben bin. Wenn es zu einem ernsten Bruch käme, was ich fürchte, so soll mich wahrlich Euer erhabener heiligster Oheim nicht auf der Seite seiner Gegner finden. Wenn Seine Heiligkeit es mir befehlen würde, eine solche Vermittelung, zu übernehmen, dann wäre es etwas anderes.«

Die beiden Damen, welcher in unmittelbarer Nähe folgten, hatten das Gespräch gehört.

Giovanna drängte ihr Pferd an die Seite des Markgrafen und rief stehend mit thränenden Augen:

»O mein Vater, weise den Rat des edlen Grafen nicht zurück, noch ist vielleicht alles zum Guten zu wenden – denke an mich, denke an das Lebensglück deiner Tochter!«

Malaspina erwiderte rauh und heftig:

»Mische dich nicht in ernste Dinge, bei denen Weiberherzen nicht in Frage kommen – du wirft wohl noch einen anderen Gemahl finden als diesen Knaben Cosimo, der bei Gott! nicht auf der Höhe meines Hauses steht. Ich habe deiner Neigung nachgegeben in der Voraussetzung, daß die Medici feststünden und sich die Gnade Seiner Heiligkeit erhalten würden, obwohl Francesco de Pazzi, den ich im Dom noch fallen sah, doch wohl ein besserer Gemahl für dich gewesen wäre – jetzt bin ich wahrlich nicht geneigt, zu einer Verbindung mit den Rucellai herabzusteigen, die nur im Abglanz der Medici etwas bedeuten.«

Giovanna blieb schmerzlich seufzend zurück.

Ihre Mutter reichte ihr die Hand und sagte:

»Warte, mein Kind – jetzt ist nicht der Augenblick, um Entschlüsse zu fassen, warte, wie das Schicksal sich wendet – wer unseren Namen trägt, muß auch dem eigenen Herzen gebieten können.«

Girolamo versank in tiefes Nachdenken, er trieb sein Pferd schärfer an und immer eiliger wurde die Reise fortgesetzt.

Am Abend langte man in Imola an.

Die Stadt, das alte Forum Cornelii machte einen düsteren kriegerischen Eindruck, überall waren Bastionen errichtet; die nach Florenz bestimmten Truppen waren auf Monteseccos Befehl wieder zurückgekehrt und als der Reiterzug auf die heute noch bestehende und immer wieder ergänzte Allee von seltenen ausländischen Bäumen dem Thor zusprengte, trat eine starke Wache heraus. Das Gitter wurde geöffnet. Vor kurzem war auch die Bedeckung des Kardinals zurückgekehrt und die Soldaten erzählten, daß Jacopo de Pazzi, der sie aus der Stadt geführt, sich von ihnen getrennt habe und seitwärts zwischen die Dörfer hineingeflüchtet sei, die Straßen waren belebt, das Gerücht von den ungeheuerlichen Vorgängen in Florenz war unter der Bevölkerung verbreitet und jeder war begierig nach neuen Nachrichten.

Girolamo führte den Markgrafen und die Damen nach dem alten Schloß, das heute nicht mehr vorhanden ist und bat sie, seine Gäste zu sein.

Seine Gemahlin Katharina de Sforza, eine schöne stolz und feurig blickende Dame, mit dem Ausdruck einer fast männlichen Willenskraft in ihren feinen, an die Antike erinnernden Zügen trat ihnen in der Vorhalle entgegen und fragte unruhig, was geschehen sei, da in der ganzen Stadt das Gerücht von der Ermordung der Medici sich verbreitet habe.

»Wäre es so,« rief Girolamo, »dann würde wenigstens etwas ganzes geschehen sein und man wüßte, woran man sich zu halten hat, aber es ist nicht so, Lorenzo lebt und das ist schlimmer, als wenn gar nichts geschehen wäre – die Zukunft ist dunkel und wir müssen uns für jede Wendung, die sie nehmen kann, vorbereiten.«

»Lorenzo lebt,« rief die Gräfin mit funkelnden Augen, »o dann ist die Zukunft gewiß, wir haben einen Feind, einen unversöhnlichen Feind, wir müssen ihn vernichten oder unsere Pläne aufgeben.«

Sie begrüßte Malaspina und die Damen.

»Es freut mich, Euch hier zu sehen, edler Markgraf,« sagte sie, »in Rom wird man es nicht vergessen, daß ihr nicht gezögert habt, Euch auf die Seite des wahren und einzigen Rechts zu stellen. Seid mir willkommen in meinem Hause – ich hoffe, daß es mir gelingen wird, Euch die Gastfreundschaft der Medici zu ersetzen und auch Ihr, meine teure Giovanna, sollt an mir eine Freundin finden, die, mit Eurer Mutter vereint, sich bemühen wird, Euch einen Traum vergessen zu lassen, von dem es wohl besser ist, wenn er nur ein Traum bleibt.«

Giovanna konnte ihre Thränen nicht zurückhalten und antwortete nur mit schluchzender Stimme einige kaum verständliche Worte.

»Seid mutig und stolz,« sagte die Gräfin, Giovannas Stirn küssend, »ich bürge Euch dafür, daß diese schönen Augen wieder hell strahlen und diese frischen Lippen wieder glücklich lächeln werden – im Frühling unseres Lebens mag immerhin eine erblühende Knospe fallen, es werden andere Triebe an ihre Stelle treten und –«

»Und,« fiel Girolamo ein, »vielleicht ist auch diese Knospe noch nicht verloren, der Markgraf kann, wie ich meine, noch eine Verständigung und Versöhnung erreichen.«

»Das glaube ich nicht und das wünsche ich nicht,« sagte die Gräfin, stolz den Kopf zurückwerfend, »diese trotzigen Florentiner und die falschen hochmütigen Medici werden niemals aufrichtig und ohne Hinterhalt unsere Pläne unterstützen oder nur ihre Ausführung dulden und alle guten Worte, die sie jetzt vielleicht geben möchten, um einen Sturm zu beschwören, werden nur falsch und heuchlerisch sein.«

Girolamo schwieg.

Die Gräfin führte die Damen nach den für die Aufnahme der Gäste bestimmten Gemächern. Beide entschuldigten sich mit ihrer Aufregung und Ermüdung, wenn sie den Abend allein blieben und Giovanna zog sich bald zur Ruhe zurück, um wenigstens ihren Schmerz allein ausweinen zu können, da sie auch bei ihrer Mutter das volle Verständnis für ihre Gefühle nicht fand.

Girolamo durchritt, von dem Markgrafen begleitet, noch einmal die Stadt, ließ die Wachen an den Thoren noch mehr verstärken und alle vollendeten Befestigungswerke vollständig kampfbereit machen – war es doch immerhin möglich, daß das aufgeregte Volk von Florenz einen Angriff wagen könnte, wenn es den Verdacht einer Teilnahme des Grafen an der Verschwörung gegen die Medici fassen sollte. Als er dann mit dem Markgrafen und seiner Gemahlin bei dem späten Abendmahl die Unruhe des Tages zu vergessen suchte und durch gelegentliche Bemerkungen sich bemühte, den Markgrafen einer Vermittelung günstig zu stimmen, kamen noch Botschaften auf Botschaften an durch die Anhänger das Hauses der Pazzi, denen es gelungen war, die Stadt zu verlassen und die eine schützende Zuflucht in Imola suchten. Sie brachten die Kunde von dem schauerlichen Tode des Erzbischofs und der Verhaftung des Kardinals, sowie von dem mörderischen Wüten des Volkes gegen alle an der Verschwörung Verdächtigen.

»Den Erzbischof haben sie aufgehängt,« rief Girolamo in aufloderndem Zorn, meinen Neffen, den Kardinal, wagten sie zu verhaften!«

Und noch heftiger loderte sein Zorn auf, als er erfuhr, daß auch Montesecco in Haft genommen sei.

»Den Führer meiner Truppen verhaftet, das ist eine Beleidigung und der Papst wird hoch entrüstet sein, daß sie es gewagt, Hand an die hohen Priester der Kirche zu legen!«

»Und noch,« sagte die Gräfin bitter, »möchtest du an eine Verständigung denken? Ich nicht – ein solcher Frevel kann nicht ungesühnt bleiben, einen solchen Eingriff in seine heiligen Rechte kann Sixtus niemals verzeihen. – Der Kampf steht bevor, wir müssen uns rüsten und Bundesgenossen suchen, womöglich da, wo Lorenzo seine Freunde zu haben wähnt. Ich werde morgen nach Mailand reifen, mein Oheim Ludovico beherrscht dort die Regentschaft, welche die Herzogin Bona nur zum Schein über ihren unmündigen Sohn führt – er wird, er darf nicht gegen uns auftreten. Ich weiß, daß er trotz seines Bündnisses mit Venedig und Florenz Lorenzo im Herzen verabscheut und an die Aufrichtung eines unabhängigen Lombardischen Reiches denkt – mir wird es gelingen, dessen bin ich gewiß, ihn für uns zu gewinnen und ihn jedenfalls zu verhindern, sich gegen uns zu stellen.«

»Die Gräfin hat recht,« sagte Malaspina eifrig, »auch ich halte eine Versöhnung für unmöglich und käme sie zu stande, so würde sie nicht von Dauer sein und Lorenzo nur Zeit gewähren, sich noch stärker zu rüsten.«

»Es mag sein,« sagte Girolamo finster, »und bei Gott! wäre ich unbedingt des Sieges sicher, so würde ich keinen Augenblick zögern, Lorenzo niederzuwerfen und dies trotzige Florenz ohnmächtig zu machen; aber,« fuhr er mit einem fragenden Blick auf seine Gemahlin fort, »der heilige Vater ist leider ein alter Mann, auch er ist dem Gesetz der Sterblichkeit unterworfen und unter den Kardinälen habe ich wenig Freunde, die Borgia vor allen sind mir feindlich, kaum darf ich hoffen, daß der künftige Papst mir und meinen Plänen günstig gesinnt sein möchte.«

»Und darum gerade,« fiel die Gräfin ein, »müssen diese Pläne ausgeführt werden, so lange uns noch der Schutz des heiligen Vaters gewiß ist, so lange seine Macht uns stützt, muß das Herzogtum der Romagna so fest begründet sein, daß niemand es mehr unseren Händen entreißen kann.«

»Du hast wohl recht,« sagte Girolamo, indem er ehrerbietig die Hand seiner Gemahlin küßte und mit Bewunderung in ihr schönes lebhaft bewegtes Gesicht mit den funkelnden Augen blickte. »Ihr seht, mein edler Freund Malaspina, daß meine Gemahlin bereit ist, das Schwert zu führen, das ich nur zögernd aus der Scheide ziehen möchte.«

»Nicht das Schwert,« sagte die Gräfin lächelnd, »das überlasse ich den Männern, Klugheit und unbeugsamer Mut sind wohl eben so viel wert als blinkende Waffen. Ich reise morgen nach Mailand und werde uns einen Freund gewinnen oder wenigstens dem verhaßten Lorenzo und seinen Florentinern einen Verbündeten entziehen. Hält sich Mailand zurück, so wird Venedig noch viel weniger um der Florentiner willen sich mit dem heiligen Stuhl verfeinden und es wird endlich dennoch gelingen, diese Medici, die über alle Fürsten Italiens hinauswachsen möchten, in den Staub niederzuwerfen!«

Am nächsten Morgen machte sich die Gräfin schon in aller Frühe auf den Weg nach Mailand, nachdem sie noch in der Nacht einen Boten auf schnellem Pferde abgeschickt hatte, um ihre Ankunft anzuzeigen. Als Girolamo, der sie mit Malaspina bis zum Thor begleitet hatte, wieder zur Stadt zurückritt, begann er trotz der Entschlossenheit seiner Gemahlin dennoch wieder über die Möglichkeit einer Versöhnung zu sprechen und versuchte von neuem, den Markgrafen zur Vermittelung zu bestimmen.

Dieser schwankte. Obwohl er sich den Medici, als sie noch auf dem Gipfel ihrer Macht standen, angeschlossen hatte, so trug er doch den hochmütigen Haß der alten Adelsgeschlechter gegen die Emporkömmlinge im Herzen und würde die Niederwerfung der florentinischen Republik mit Freuden begrüßt haben. Da er aber bei Girolamo zögernde Besorgnis fand, so wurde auch er wieder zweifelhaft und als er zu seiner Gemahlin zurückkehrte, sprach er von der Möglichkeit, nach Florenz zurückzukehren, da er alle diese Wirren vielleicht dennoch freundlich lösen könne.

Die arme Giovanna, welche die Nacht in bangen Sorgen schlaflos zugebracht hatte, schöpfte wieder Hoffnung und bat um die Erlaubnis, Cosimo einen Boten senden zu dürfen, um ihn über ihr plötzliches Verschwinden zu beruhigen.

Der Markgraf gab ihr eine ausweichende Antwort, verbot aber bestimmt, ohne seine Erlaubnis nach Florenz zu schreiben. Er wollte zuvor die nächsten Ereignisse abwarten, um danach seine Stellung zu nehmen.

Diese Ereignisse aber sollten Giovannas Hoffnung schnell zerstören. Die von Florenz kommende Nachricht, daß Montesecco nach einem scharfen Verhör, in welchem er über die Vorbereitungen des florentischen Staatsstreichs ausführliche Aussagen gemacht, auf Befehl der Signorie enthauptet worden sei, erbitterte den Grafen Girolamo auf das Tiefste, da er in dem Todesurteil über den in seinen Diensten stehenden Capitano eine persönliche Beleidigung erblickte und jede Aussicht auf eine Verständigung schwinden sah. Dazu aber kamen in den nächsten Tagen Boten von Rom, welche berichteten, daß der Papst über die schmachvolle Hinrichtung des Erzbischofs und die Gefangenschaft des Kardinals in einen außerordentlichen Zorn geraten sei und die schärfsten Maßregeln zur Sühne eines solchen Eingriffs in die Rechte der Kirche beschlossen habe. Bald erhielt auch Girolamo den Befehl seines erhabenen Oheims, seine Truppen so viel als immer noch möglich zu vermehren und zur Verteidigung von Imola um jeden Preis bereit zu halten, selbst aber sogleich nach Rom zu kommen, um die Befehle für einen unvermeidlichen Feldzug einzuholen. Damit war jede Versöhnung ausgeschlossen und der Versuch einer Vermittelung dazu hätte selbst dem so hoch begünstigten Nepoten den Zorn des Papstes zuziehen können, dazu sendete die Gräfin von Mailand günstige Nachrichten und Berichte, daß man sich dort in keinem Fall dem römischen Hof gegenüber feindlich verhalten würde, so daß also der Sieg über die alleinstehende Florentinische Republik mit Sicherheit zu hoffen sei.

Girolamos Unschlüssigkeit war vollständig verschwunden, sein Haß gegen Florenz und gegen die Medici besonders brach ohne Rückhalt hervor, er baute in seiner leicht erregbaren sanguinischen Natur Pläne auf, um das ganze florentinische Gebiet dem Herzogtum der Romagna zu unterwerfen und versprach dem Markgrafen Malaspina die Statthalterschaft in Florenz, wenn erst die Pöbelherrschaft niedergeworfen und das Pillengift der Medici, wie er hohnlachend sagte, unschädlich gemacht sein würde.

Malaspina, der nun ebenfalls an den sicheren Untergang Lorenzos glaubte, suchte sogleich seine Gemahlin auf und sagte mit bitterem Spott zu Giovanna:

»Du sollst an den kleinen Cosimino schreiben, die Zeit dazu ist gekommen, er soll nicht lange mehr in Unruhe schmachten und die thörichte Hoffnung hegen, sich mit den Malaspina von Fosdinuovo zu verbinden. Bald wird dieser Lorenzo nicht mehr mit seiner schulmeisterisch vornehmen Miene, die ihm so schlecht ansteht, auf die Fürsten Italiens herabblicken und mit ihm werden alle die Eintagsfliegen verschwinden, die in seinem falschen Sonnenlicht umherflattern. Auch ich werde Lorenzo schreiben, er soll hören, wie ein großer Herr zu einem reich gewordenen Bankhalter spricht und auch der kindische Cosimo soll den Unterschied erkennen lernen, der zwischen einer Tochter des Hauses Malaspina und den Rucellai besteht.«

»Um Gotteswillen, mein Vater,« rief Giovanna flehend, »willst du kein Erbarmen haben mit dem Herzen deiner Tochter, der du doch selbst das höchste Glück gewährt hast – ich liebe Cosimo, du weißt es, und werde ihn ewig lieben.«

»Sprich dies Wort nicht aus« – rief Malaspina drohend, »politische Klugheit, welche in einem Hause wie das unsere ihr Recht geltend macht, hat mich bewogen, gegen mein Gefühl und gegen den Stolz meines Blutes jene Verbindung zu gewähren, da die Macht der Medici fest begründet schien und es notwendig war, mit dieser Macht zu rechnen und ich hoffe, daß auch du nur aus Rücksicht auf solche Notwendigkeit dich hast entschließen können, zu einem Rucellai herabzusteigen. Jetzt ist es anders, der Stamm des Mediceischen Hauses ist durchsägt und bald wird die Blätterkrone fallen, die ihre Schatten über ganz Italien breitete. Du bist frei von der Fessel, welche die Klugheit unserem Hause auferlegte und ich verspreche dir einen Gemahl, der deines Namens und deines Blutes würdig ist.«

»Niemals, mein Vater, niemals« – rief Giovanna, »werde ich einem anderen meine Hand reichen, als Cosimo, dem mein Herz gehört und dem ich Treue gelobt habe – niemals werde ich ihm schreiben, was nicht aus meinem Herzen kommt und eine Lüge gegen ihn und gegen Gott wäre.«

Sie war aufgestanden und blickte mit thränenden Augen, aber mit dem Ausdruck mutiger Willenskraft ihren Vater an.

»Du wirst gehorchen,« rief Malaspina grimmig, indem er drohend die Hand gegen sie erhob, »denn ich sage dir, niemals wird jener Cosimo dein Gemahl werden, du hast nur die Wahl zwischen dem trotzigen Eigensinn deines thörichten Herzens und dem Fluch deines Vaters!«

»Es ist nicht Eigensinn, nicht Trotz, mein Vater,« erwiderte Giovanna, »fordere von mir was du willst, ich will gehorchen, nur verlange nicht, daß ich eine Lüge aussprechen soll gegen ihn, dem mein Herz gehört und der davon tödlich getroffen werden muß – frage meine Mutter, sie mag entscheiden, ob ich solchem Befehl gehorchen darf.«

»Er wird sich zu trösten wissen,« sagte Malaspina spöttisch, »besser zu trösten über den Verlust seiner Liebe als über den Sturz von seiner Höhe, die er unter dem Schutz der Medici erklommen und deine Mutter weiß zu gut, was sie ihrem Namen schuldig ist, um dich in deiner Thorheit zu bestärken!«

»Höre mich an, meine Tochter,« sagte die Markgräfin, »ich fühle wohl, was dein Herz leiden mag, aber dein Vater hat recht, die unerbittliche Notwendigkeit gebietet es, eine Verbindung zu lösen, die unserem Hause verhängnisvoll werden kann und die auch unseren Pflichten gegen die Kirche und dem von Gott gesetzten Oberherrn über die Christenheit zuwider ist. Der heilige Vater würde es nie vergessen und vergeben, wenn die Malaspina in die Reihe seiner Feinde treten in einem Augenblick so schwerer Kämpfe, – schmerzlich genug ist es schon, daß deine Schwester als Gemahlin Soderinis auf Seiten Lorenzos stehen muß.«

»Ganz recht, ganz recht,« rief Malaspina,« »du hörst, daß deine Mutter denkt und empfindet wie ich.«

»Diese Notwendigkeit, mein Kind,« fuhr die Markgräfin fort, »ist hart für dich und hart gewiß auch für Cosimo Rucellai, aber würde es nicht am härtesten für ihn sein, wenn er mit trügerischen Hoffnungen hingehalten würde? Den Schlag, der unwiderruflich und unerbittlich gefallen ist, kann ein mutiges Herz tragen und überwinden, darum wenn du Cosimo liebst, mußt du ihm den Mut geben, das Unabänderliche männlich zu tragen, das ist der letzte Liebesdienst, den du ihm erweisen kannst, so allein wird er im stande sein, auch seine Pflichten, die ihn auf die Seite der Medici stellen, zu erfüllen; du selbst aber wirft leichter die Kraft finden, das Leben zu ertragen, das dir doch wohl vielleicht noch andere Blüten bieten kann.«

»Und ich soll,« rief Giovanna schluchzend, »seine Liebe von mir werfen, wie ein flüchtiges Spielwerk, – ihm die Treue brechen, die ich ihm gelobt für mein Leben!«

»Das sollst du nicht,« sagte Malaspina mit milderem Ton, »du sollst ihm nur, wie deine Mutter es will, die Kraft geben, welche die Ergebung in ein unabänderliches Schicksal bringt, und ihm die Qual einer langsam ersterbenden Hoffnung ersparen.«

Giovanna bedeckte ihr Gesicht mit den Händen und weinte still.

Dann richtete sie langsam den Kopf auf und sagte mit matter Stimme:

»Ich will gehorchen, mein Vater, wenn Ihr mich nicht zwingen wollt, eine Lüge zu schreiben – ich werde Gott bitten, daß Cosimo mich vergessen möge, aber er soll mich nicht verachten.«

Ihre Mutter umarmte sie und stellte dann das Schreibgerät für sie zurecht. Giovanna nahm bleich und ruhig die Feder und sagte mit leicht zitternder Stimme:

»Befehlt, mein Vater, was ich schreiben soll!«

Malaspina trat an ihre Seite und diktirte, indem sein Blick ihrer zitternden Hand folgte:

»Ihr werdet begreifen, Cosimo Rucellai, daß die Verbindung zwischen uns nach den unglückseligen Ereignissen der letzten Zeit nicht stattfinden kann und für immer unmöglich geworden ist, da mein Vater sich niemals von denen trennen kann, deren Feind Ihr zu werden gezwungen seid. Vergeßt darum, was nunmehr niemals geschehen kann und tragt wie ich mutig und ergeben die unabänderliche Notwendigkeit.«

Giovanna hatte langsam, bei jedem Worte innehaltend, geschrieben.

»Das ist genug,« sagte Malaspina, »jedes weitere Wort wäre überflüssig.«

Sie durchlas noch einmal die wenigen Zeilen.

Dann schrieb sie rasch mit fester Hand darunter:

»Lebt Wohl und seid gewiß, daß ich stets zu Gott »für Euch beten werde!«

»Wozu das?« fragte der Markgraf unwillig, »er dient unseren Feinden!«

»Und dennoch,« erwiderte Giovanna fest und bestimmt, »werde ich für ihn beten aus vollem Herzen – dies ist die Wahrheit, was kümmern mich die Streitigkeiten der Welt, welche Menschenherzen von einander reißen? Diese eine heilige Wahrheit werde ich ihm sagen, oder mein Brief wird nicht in seine Hände kommen.«

Sie faßte das Papier, als ob sie es zerreißen wollte.

»Warum nicht,« sagte die Markgräfin, die ebenfalls herangetreten war, »sollen wir doch auch für unsere Feinde beten.«

»So sei es,« sagte Malaspina mürrisch. – »Unterzeichne!«

Giovanna schrieb ihren Namen.

Der Markgraf nahm das Blatt und wollte fortgehen.

Giovanna hielt ihn zurück.

»Ich habe Eurem Befehl gehorcht, mein Vater, nun aber habe ich eine Bitte an Euch, die Ihr mir nicht verfügen dürft. Mit diesem Brief habe ich das Todesurteil über alles Glück meines Lebens geschrieben, ich habe mit der Welt nichts mehr zu thun und will mich dem Dienst des Himmels weihen, der erbarmungsvoller ist, als die Menschen, und mir allein die Kraft geben kann, das Leben bis zu Ende zu ertragen. Ich verlange in das Kloster der Karmeliterinnen aufgenommen zu werden und zwar ohne Verzug, dort allein werde ich die Ruhe der Ergebung erringen können.«

»Das ist ein neuer Trotz!« rief Malaspina heftig. »Meine Tochter im Kloster! Dir stehen die Höhen der Welt offen und da mir der Himmel einen Sohn versagt, sollst du wenigstens meines Namens würdig mein Blut fortpflanzen.«

»Ich habe das Recht,« erwiderte Giovanna fest und bestimmt, »zu verlangen, was ich erbeten, und wenn Ihr es versagt, mein Vater, so werde ich den Schutz des Bischofs und, wenn es sein muß, des heiligen Vaters selbst anrufen, er kann es mir nicht verweigern, mich dem Dienst des Himmels zu weihen, wenn meine Seele danach dürstet!«

Auch die Augen der Markgräfin hatten sich mit Thränen gefüllt.

Malaspina stand einen Augenblick in finsterem Sinnen; er begriff, daß er kein Mittel hatte, seine Tochter an der Ausführung des Entschlusses zu verhindern, wenn sie wirklich den geistlichen Schutz anrufen würde.

Dann aber nahm sein Gesicht wieder einen freundlichen Ausdruck an.

»Vielleicht hast du recht, meine Tochter,« sagte er, »ich begreife, daß du schwer erschüttert bist und die Ruhe im Kloster wird dir wohl thun – ich werde dich dem Kloster der Karmeliterinnen übergeben, ein Jahr muß ja ohnehin vorübergehen, eh du den Schleier nehmen kannst und während der kritischen Zeiten, denen wir entgegensehen, wirst du dort am besten Sicherheit und Ruhe finden, aber ich verlange dein Versprechen, daß du, wenn die Prüfungszeit vorüber ist, keinen unabänderlichen Entschluß fassen sollst, ohne mich und deine Mutter noch einmal zu sehen und anzuhören.« »Ich verspreche das« erwiderte Giovanna, »aber mein Entschluß wird sich nicht ändern.«

»Gott ist allmächtig,« sagte die Markgräfin, ihre Tochter umarmend, »er lenkt die Menschenherzen nach seinem Willen und vermag auch Deinem Herzen wieder Trost und Lebensmut zu geben.«

Giovanna schüttelte schweigend den Kopf, ihre Kräfte begannen zu versagen.

Schwankenden Schrittes ging sie hinaus, um die Einsamkeit ihres Zimmers aufzusuchen.

Der Markgraf aber schrieb noch einen Brief an Lorenzo und sendete dann sogleich einen Boten nach Florenz.

Am nächsten Morgen suchte er die Vermittelung des Bischofs von Imola nach und brachte dann mit seiner Gemahlin Giovanna nach dem Kloster der Karmeliterinnen.

An der Pforte nahm er von seiner Tochter kurzen Abschied und überließ es seiner Gemahlin, Giovanna zu der Äbtissin zu führen, welche einem vornehmen italienischen Geschlecht angehörte und durch den Bischof über alle Verhältnisse ihrer Schutzbefohlenen unterrichtet war.

Für Giovanna war eine einfache standesgemäße Wohnung eingerichtet und als sie eine Zelle wie andere Novizen verlangte, berief sich die Äbtissin auf den Befehl des Bischofs, nach welchem Giovanna nur unter den Schutz des Klosters gestellt sein solle, um in einsamer Stille ihren Entschluß reif werden zu lassen.

Sie führte ihr dann eine junge Frau in schwarzwollenem Trauergewande zu, deren schönes aber bleiches und unendlich schmerzvolles Gesicht von einem schwarzen Kopftuch umhüllt war.

»Hier,« sagte sie, »ist Eure Dienerin, sie hat wie Ihr Schmerzliches erlebt und den Entschluß gefaßt, als dienende Schwester in den Orden zu treten; doch auch sie muß das Novizenamt durchmachen und ich habe sie Euch zugeteilt; vielleicht werdet Ihr beide mit einander Trost und Ergebung finden. Claudina ist ihr Name, sie führt hier keinen anderen und steht ganz zu Eurer Verfügung.«

Claudina blickte mit inniger Teilnahme auf die junge, so schöne und so vornehme Dame, welche, wie sie, die Welt verlassen wollte.

Sie verbeugte sich stumm und küßte ehrerbietig Giovanna die Hand.

Die Marchesa nahm wehmütig Abschied von ihrer Tochter und Giovanna blieb mit der ihr zugewiesenen Dienerin allein.

»Zum Dienen bin ich gekommen,« sagte sie, Claudina die Hand reichend, »um im Dienste des Himmels Ruhe zu finden, nicht Eure Herrin darf ich und will ich sein. – Wenn Ihr gelitten habt wie ich leide, so werdet Ihr begreifen, daß hier die Schranken fallen müssen, welche in der Welt da draußen die Menschen von einander trennen. Nur einen Dienst noch bitte ich von Euch – geht und ersucht die hochwürdige Äbtissin um ein Trauerkleid für mich, wie Ihr es tragt, hier ist kein Platz für den Glanz und die Farben, welche mich an die Welt erinnern, die ich zu vergessen gekommen bin.«

Claudina verbeugte sich stumm und ging hinaus.

Giovanna sank erschöpft auf ein Ruhebett, ihre Kräfte schwanden, sie versank in tiefen Schlummer, indem leise noch Cosimos Name von ihren Lippen klang.

Nach kurzer Zeit kehrte Claudina zurück.

Sie brachte ein schwarzes Gewand, wie es Giovanna verlangt hatte.

Als sie die Schlummernde erblickte, zog sie einen Sessel heran und setzte sich mit gefalteten Händen nieder.

»Wie schön sie ist!« sagte sie leise. »Auf den Höhen der Welt hat sie das Leid getroffen, auch sie will Trost suchen im Dienste des Himmels und doch kann ihr Schicksal kaum so hart und schwer sein als das meine. – Ihr Vater und ihre Mutter haben sie hierher gebracht und ich, – was ist mir geblieben? – Ich habe alles verloren, alles, was ich auf der Welt befaß, ihn, den einzig und ewig Geliebten und die wiedergefundene Schwester!«

Sie faltete die Hände und senkte, leise weinend, das Haupt auf die Brust.


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