Oskar Meding
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Oskar Meding

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XII.

Im Palast der Medici herrschte auch spät noch die regste Bewegung, die Dienerschaft war noch beschäftigt in den Prachtsälen, die Tafeln mit kostbarem Gerät herzurichten und überall reichen Blumenschmuck anzubringen. Die Köche waren eifrig beschäftigt, alles für das große Prunkmahl einzurichten, so daß am nächsten Morgen nur noch die Feuerherde ihre Schuldigkeit zu thun hatten.

In Lorenzos kleineren Empfangszimmern waren, nachdem Madonna Clarice mit den Kindern in ihre Gemächer zurückgekehrt, einige Freunde beisammen, die er bei sich zu versammeln pflegte, um sich von den Anstrengungen der Repräsentation und der politischen Arbeit zu erholen. Hier war der junge, feurige Politiano und der schon ältere Grieche Demetrius Chalkondylas, mit dem seinen geistvollen, etwas blassen Gesicht. Heute war auch der etwa fünfunddreißigjährige Maler Sandro Botticelli gekommen, um Lorenzo die Skizze eines Gemäldes vorzulegen, welches bestimmt war, zwischen den zwei Thüren der Kirche Santa Maria novella seinen Platz zu finden.

Lorenzo betrachtete aufmerksam prüfend die nur einige Fuß hohe Farbenskizze, welche zwischen zwei Armleuchtern auf einer Staffelei vor ihm aufgestellt war. Botticelli erklärte die Figuren und Politiano und Chatkondylas standen seitwärts, mit Aufmerksamkeit dem Vortrag folgend.

Das Bild stellte die Anbetung der drei Könige aus dem Morgenlande vor und war mit wunderbarer Meisterschaft bis in die kleinsten Details hin ausgeführt.

Der älteste der drei Könige beugte sich tief vor der Madonna und küßte ehrfurchtsvoll den Fuß des Jesuskindes, zum Zeichen, erklärte Botticelli, daß der mächtige Fürst des Morgenlandes in dem neugeborenen Heiland den Herrn aller irdischen Könige durch die Erleuchtung Gottes erkannt habe.

Lorenzo blickte lange in das ausdrucksvolle Gesicht der Königsgestalt auf dem Bilde, dann sah er Botticelli fragend an und sagte bewegt:

»Dieser morgenländische König gleicht meinem Großvater Cosimo so sehr, daß ich noch nie ein ähnlicheres Bild gesehen, es ist unmöglich, daß der Zufall euern Pinsel geführt hat.«

»Das ist auch nicht geschehen, erlauchter Lorenzo,« erwiderte der Maler, »konnte ich dem morgenländischen Könige, der, von dem leuchtenden Stern des Himmels geführt, zur Anbetung des Erlösers der Welt daher gezogen kam, eine bessere und würdigere Gestalt geben, als die Euers edlen Großvaters, der sich auch wie jener in frommer Demut vor dem Mensch gewordenen Sohn Gottes beugte?«

»Ihr habt recht,« sagte Lorenzo bewegt, »mein Großvater war ebenso demütig vor Gott, als stolz und fest vor den Menschen. Doch hier,« fuhr er fort, »dieser zweite König, der vor dem Kinde kniet und anbetend die Hände erhebt, das ist ja Giovanni, mein Oheim.«

»Er ist es,« erwiderte Botticelli, »und ich glaube, mit Recht trägt das Bild seine Züge. – War nicht Giovanni dem Treiben des äußeren Lebens fern und war nicht sein stilles Leben der Ausdruck des Wortes: »Ich und mein Haus, wir wollen dem Herrn dienen –«

»Doch hier der Letzte,« rief Lorenzo, »noch ein Jüngling, der dem Heiland die reichen, kostbaren Gaben darbringt, das ist Giuliano, mein teurer Giuliano, als ob er lebendig vor mir stände! – O, hier verstehe ich Euch, mein Bruder Giuliano ist, bei Gott! mit den kostbarsten Gaben ausgerüstet, die einem Menschen nur verliehen werden können und er wird alle diese herrlichen Gaben dem heiligen Gottesdienst darbringen, dessen erste Pflicht es ist, das Vaterland, das ja Gott selbst uns gab, zu lieben und ihm alles, was wir sind und was wir haben, hinzugeben.«

Botticelli lächelte.

»Ich bewundere es,« sagte er, »wie scharf Eure Magnifizenz in meine Gedanken zu blicken versteht, – so habe ich's mir wohl gedacht, wenn auch vielleicht nicht so klar, wie Ihr's eben ausspracht.«

»O möge,« sagte Lorenzo tief bewegt, »der Himmel das Bild zur Wahrheit werden lassen! Euch aber danke ich von ganzem Herzen, edler Meister, daß Ihr so der Meinigen gedacht und ihnen einen Platz gegeben habt, der sie vor der Nachwelt ehrt und doch auch ihre Demut zeigt, die jeder sterbliche Mensch sich bewahren soll, wenn er auch von Gottes Hand auf die Höhen des Lebens geführt wird. Ich danke Euch auch,« fügte er lächelnd hinzu, »daß Ihr mir keinen Platz auf diesem Bilde gegeben habt, meine Züge möchten auch wohl nicht dem Geist der Schönheit entsprechen, den der Künstler in seinen Werken zum Ausdruck bringen soll.«

»Ich habe Euch nicht gemalt,« erwiderte Botticelli, schnell und fast unwillig Lorenzos Scherz zurückweisend, »weil ich fürchte, man könnte dies für eine Schmeichelei ansehen, von der ich fern bin, trotz der Verehrung, die ich für Euch hege.«

Lorenzo drückte ihm die Hand und sagte:

»Da Ihr es so vortrefflich versteht, die Meinigen im Bild wiederzugeben, so möchte ich Euch bitten, meine Gemahlin Clarice zu malen, damit ich und unsere Kinder auch für die Zukunft ihr Jugendbild behalten. Und dann noch Eines,« sagte er, mit sinnendem Blick die Skizze betrachtend, »auch meinen Bruder Giuliano sollt Ihr malen, nicht wie hier in fremder Gestalt, sondern ganz wie er unter uns lebt und atmet in seiner blühenden Jugendschönheit, so recht lebendig mit seinem lächelnden Munde und seinem leuchtenden tief zum Herzen dringenden Blick, damit auch diejenigen, die ihn selbst nicht kennen, nach solchem Bilde sich eine Vorstellung von ihm machen können.«

»Es wird mir eine Freude sein, Euern Wunsch zu erfüllen,« erwiderte Botticelli, »und ich zweifle nicht,« fügte er mit leichtem Lächeln hinzu, »daß mein Bild dem edlen Giuliano Liebe und Verehrung gewinnen wird, wenn Ihr dasselbe fremden Freunden schicken wollt, die ihn selbst nicht kennen.«

Lorenzo warf dem Maler einen schnellen, forschenden Blick zu und sagte dann in fast gleichgiltigem Ton:

»Wir haben ja zu meiner Freude viel Freunde auswärts, mit denen eine persönliche Begegnung nur schwer und selten zu erreichen ist und da möchte ich bei Gelegenheit gern im stande sein, auch ihnen ein lebenstreues Bild meines Bruders Giuliano geben zu können.«

Botticelli nickte lächelnd mit dem Kopf.

Das Gespräch wurde durch den Eintritt eines Dominikaner-Mönchs unterbrochen, dem der Diener ohne vorherige Anmeldung die Thür öffnete.

Es war ein noch junger, schlanker Mann, dessen gelblich bleiches Gesicht mit der stark vorspringenden Nase, dem großen, aber schön geformten Munde und den dunklen, etwas tiefliegenden Augen von dichtem, schwarzem Haar umrahmt war, das von dem über die Brust und den Rücken herabhängenden, weißen Scapulier bedeckt wurde. Der weiße Ordensrock und der schwarze Mantel mit der niedergeschlagenen Kapuze hingen weit und faltig um die hagere Gestalt.

Er streifte die Anwesenden mit einem flüchtigen Blick und neigte gegen Lorenzo leicht das Haupt.

»Es freut mich, ehrwürdiger Bruder,« sagte dieser, »daß Ihr mir noch einmal vor Eurer Abreise die Freude Eures Besuchs und die Gelegenheit bietet, Euch mit meinen Freunden bekannt zu machen: dem gelehrten Chalkondylas, dem beredten Politiano und hier dem Meister des Pinsels Sandro Botticelli, der mir soeben ein herrliches Werk seiner Kunst gebracht hat, das in vollendeter Ausführung bestimmt ist, die Kirche von Santa Maria novella zu schmücken. Der Bruder Girolamo Savonarola,« fuhr er fort, während die von ihm Genannten sich artig verbeugten, »ist in Angelegenheiten seines Klosters in Bologna auf Reisen und hat mir Grüße seines ehrwürdigen Priors gebracht, – Ihr werdet Euch freuen, Fra Girolamo, dieses Bild anzusehen, da die bildliche Darstellung unserer heiligen Geschichte wohl ebensoviel dazu beitragen mag, den Glauben und die Frömmigkeit zu verbreiten und befestigen als die Rede, die Ihr mit solcher Meisterschaft beherrscht.«

Der Mönch blickte auf die Farbenskizze hin. Dann verdüsterte sich sein Gesicht und kopfschüttelnd sagte er:

»Das Bild ist schön, ich kann es nicht leugnen und die Anbetung der Könige des Morgenlandes ist wohl ein Gegenstand, um die Herzen zu erwärmen und mit der unerschöpflichen Liebe Gottes zu erfüllen; aber ich sehe, daß in diesem Bilde nicht die Hingebung an den heiligen Gegenstand, den es darstellt, allein den Pinsel geführt hat, sondern daß irdische Eitelkeit hineingemischt ist. Ich kenne wohl Euern Bruder Giuliano, den ich hier gesehen und auch Euern Großvater Cosimo, dessen Züge mir aus andern Bildern bekannt sind. Das ist nicht,« fuhr er fort, indem seine dunklen Augen aufflammten und seine tiefe, wohlklingende Stimme zu mächtigem, das ganze Gemach erfüllenden Ton sich erhob, »das ist nicht der Geist, der ein dem Dienste Gottes geweihtes Bild erfüllen soll. – Ich hoffe und wünsche, daß Euer Großvater und Euer Bruder von demselben Geist demütig gläubiger Anbetung durchdrungen worden sind, der jene Könige des Morgenlandes zu der Krippe in Bethlehem führte, aber das bedarf keiner bildlichen Darstellung vor den Augen des Volks. Dies Bild hier ist eine Verherrlichung sündiger Menschen, welche der Demut widerspricht, die allein den Weg öffnen kann zu dem ewigen Urquell der Erbarmung und Liebe, deren erlösende Botschaft die Engel in der heiligen Nacht verkündeten und denen allein der Stern der Offenbarung leuchtet, welcher den Königen des fernen Ostens den Weg zu der demütigen Geburtsstätte des Weltheilands zeigte, wo Gott selbst irdische Gestalt annahm, um die Sündenschuld der Menschheit in dem Opfer seines Leidens und Sterbens zu erlösen. Der stolze Pharisäer gehört nicht dahin, wo Gott selbst den reuigen Zöllnern seine Gnadenhand reicht.«

Der Mönch hatte, ruhig und langsam jedes Wort scharf betonend gesprochen, aber es war, als ob aus seiner Rede ein inneres Feuer hervorglühte.

Botticelli schien um eine Antwort für diese strenge Kritik seines Bildes verlegen.

Lorenzo aber sagte sanft und ehrerbietig:

»Ihr urteilt vielleicht zu streng, ehrwürdiger Bruder, – ich habe keinen Teil an dieser Verkörperung meiner Familie in dem heiligen Bilde und habe Ähnliches wie Ihr, soeben dem edlen Meister Sandro gesagt, der gerade mir keinen Platz auf seinem Bilde gegeben, um den Schein einer Schmeichelei zu vermeiden, weil mir besonders das vielleicht unverdiente Vertrauen des Volks und der Regierung unserer Republik sich zuwendet. Wenn er den Mitgliedern meiner Familie hier einen so ehrenvollen Platz an der Geburtsstätte des Erlösers gegeben, so hat er's wohl nur gethan, um auch der Nachwelt zu zeigen, daß der Geist der demütigen Anbetung, der jene Könige nach Bethlehem führte, auch mein Haus erfüllt und allezeit erfüllen soll.«

»So ist es,« sagte Botticelli schnell, »der erlauchte Lorenzo hat ganz richtig meine Gedanken erfaßt und gedeutet. In diesen Gestalten hier, ehrwürdiger Bruder, liegt nicht nur eine dankbare Anerkennung der Vergangenheit des edlen Hauses der Medici, sondern auch ein Gelöbnis für dessen Zukunft –«

Das meine Nachkommen treulich erfüllen werden,« fiel Lorenzo ein, »wenn sie meiner würdig sein wollen, wie ich mich bestrebe, meiner Vorfahren würdig zu sein.«

»Ich glaube gern, daß es so ist,« erwiderte Savonarola, indem er seinen durchdringenden Blick zu Lorenzo wendete, der vor demselben die Augen niederschlug, »und hoffe für Euer Haus, daß es auch in Zukunft so sein wird; aber wozu bedarf ein solches Gelübde einer prunkenden Ausstellung auf einem Bilde zur Ehre des Herrn, der da sagt: Ihr sollt mich anbeten im Geiste und in der Wahrheit? Auch in der äußeren Demut kann der Stolz sich bekunden und nicht alle, die da Herr Herr sprechen und ihre Knie beugen vor den Augen alles Volkes, werden den Weg zum Himmelreich finden! Das ist ja,« fuhr er lebhafter fort, indem er unter dem faltigen Mantel hervor den Arm ausstreckte, »das ist ja der Fluch, den der menschliche Stolz und die menschliche Eitelkeit über die heilige Kirche gebracht hat, daß in äußerer Religionsübung und geheuchelter Demut das Wesen des Christentums und des heiligenden Gottesdienstes gesucht wird, während Stolz und Hoffart die Herzen erfüllen und verhärten. – Am Dienst des Scheins krankt die Kirche und die menschliche Gesellschaft; die Priester, welche die Demut und die Liebe Predigen und in ihrem Beispiel verkörpern sollen, hängen an der irdischen Eitelkeit und Hoffahrt und verfolgen mit neidischer Feindschaft alle, die ihren Plänen im Wege stehen. Der Statthalter Christi auf Erden vergißt, daß der Heiland in der Krippe geboren ward und daß er in Armut und Entsagung unter den Niedrigen lebte und sprach, es werde eher ein Schiffstau durch ein Nadelöhr gehen, als ein Reicher in das Himmelreich gelangen. – Er aber umgiebt sich mit dem stolzen Prunk der weltlichen Könige und die unter ihm die Kirche hüten, die Bischöfe und Prälaten, ahmen ihm nach und streben nur nach irdischen Schätzen und irdischer Ehre. Das Volk sucht den Weg zu Gott in äußeren Religionsübungen ohne Opfer und Arbeit, statt sich dem inbrünstigen Gebet zuzuwenden und durch Glaubens- und Liebeswerke den in die Ewigkeit aufragenden Tempel zu erbauen, der, erfüllt von dem Geist des Heilands, die ganze Menschheit in brüderlicher Eintracht und kindlicher Einfalt unter seinem Dache vereinigen soll. – In Haupt und Gliedern muß die Kirche umgestaltet werden, zurückgeführt zur Demut und zum Glauben, der die Berge versetzt und die festen und stolzen Burgen in den Staub niederwirft.«

»Ei, ei, ehrwürdiger Bruder,« sagte Botticelli, »Ihr sprecht kühne Worte – wenn die Fürsten der Kirche oder gar Seine Heiligkeit in Rom davon hörten, so möchten sie nicht davon erbaut sein.«

»Können sie anders sprechen, als ich,« rief Savonarola, »wenn sie Diener des Worts sein wollen, das die ewige Wahrheit in sich schließt, wenn sie die Nachfolger der Apostel sein wollen, die, dem Heiland gleich, in Armut und Niedrigkeit durch die Welt zogen, um die himmlische Botschaft den Mühseligen und Beladenen zu verkünden? – Wenn heute der Heiland herniederstiege, er würde viel auszutreiben haben aus seiner Kirche, wie er die Wechsler und Verkäufer aus dem Tempel zu Jerusalem trieb und unter diesen würden wohl nicht wenige sein, die sich seine Diener nennen, sein Kreuz auf der Brust tragen und sein Evangelium verkünden! Und wenn es leider so mit der Kirche bestellt ist, dann kann man sich nicht wundern, daß in der ganzen Welt Stolz und Eitelkeit und Gier nach Macht und Reichtum herrschen, daß das Volk unterdrückt wird in seiner freien Bewegung von den Königen und Fürsten, den Mächtigen und Reichen, die es wohl im Munde führen, daß sie ihre Kronen der Gnade Gottes verdanken, aber ihre Macht und Gewalt gebrauchen zu tyrannischer Willkür, als ob der Teufel sie auf ihr Haupt gesetzt habe, und die es verdienen, daß diese Kronen ihnen einst zu glühendem Erz werden auf ihren harten trotzigen Schädeln! – Der Glauben, die Liebe und die Freiheit klingen durch das Evangelium und sollen eine Wahrheit werden in der Zukunft der irdischen Welt, wie sie eine Wahrheit sind im Himmel und vor dem Thron Gottes und wer Gott dienen will, wer ein Priester sein will seiner im Geist und in der Wahrheit lebendigen Kirche, der soll diese Wahrheit verkünden, bis sie siegreich die Welt durchklingt, unbekümmert um die heuchlerischen Pharisäer und die trotzigen Gewalthaber, die den Heiland verfolgten und ans Kreuz schlugen! – Wer die Wahrheit nicht glaubt und bekennt und die Freiheit nicht zu erlösen ringt von dem Joch, das geistlicher und weltlicher Übermut den Völkern auf den Nacken gelegt, der ist nicht wert, ein Priester der Kirche zu sein, deren ewiges reines Licht hervorstrahlt aus der niederen Krippe von Bethlehem!«

Die schmächtige Gestalt Savonarolas hatte sich hoch aufgerichtet, er streckte die Arme wie beschwörend aus, ein wunderbarer Glanz strahlte aus seinen Augen.

Alle waren bewegt und erschüttert durch seine Worte, selbst von Chalkondylas Lippen war das feine ironische Lächeln verschwunden.

Einige Augenblicke herrschte tiefes Schweigen in dem Gemach.

»Ihr spracht schöne und leider auch wahre Worte, ehrwürdiger Bruder,« sagte Lorenzo, das sinnende Haupt aufrichtend, »wenn Ihr auch wohl zu scharf und zu allgemein in Euerm Tadel seid, denn es giebt doch genug der wahren und aufrichtigen Diener des Evangeliums, welche die göttliche Botschaft im Herzen tragen und die Liebe und Demut predigen –«

»Und sich einhüllen,« fiel Savonarola bitter ein, »in den Purpur, den die Kirche von den weltlichen Tyrannen entlehnt und den die Schergen dem Heiland zu Hohn und Spott um die Schultern warfen.«

»Nun,« sagte Lorenzo lächelnd, »die Freiheit, die Ihr für die Völker und auch für die Armen und Niedrigen verlangt, als einen Ausfluß der christlichen Liebe und Brüderlichkeit, – hier bei uns wenigstens findet Ihr sie. – In der florentinischen Republik ist das Volk frei und die Bürger sind sich gleich in bürgerlicher Eintracht.«

»Und dennoch,« rief Savonarola, »seid Ihr, Lorenzo de' Medici, in dieser Republik der Herr und Gebieter, dennoch stehe ich hier vor Euch in Euerm schimmernden Palast, der Euch in seiner Pracht und Herrlichkeit den Königen gleichstellt! – Wißt Ihr nicht, daß der Heiland dem reichen Jüngling sagte: Verkaufe Deine Habe und verteile das Geld unter die Armen, wenn Du mir nachfolgen willst?«

»Wenn ich eine Macht ausübe,« erwiderte Lorenzo »in dieser Republik, so hat sie das freie Vertrauen des Volks mir gegeben und kann sie mir wieder nehmen und kein Armer geht ohne Erquickung und Hilfe von mir.«

»Das mag sein,« sagte Savonarola finster, »doch ist ein Geschenk der Gnade, das kein Opfer auferlegt und den Reichtum nicht schmälert, ein Band der Brüderlichkeit? Ich allein vermag die Welt nicht zu ändern,« fuhr er seufzend fort, »aber bekennen und verkünden will ich es überall, soweit meine Stimme reicht, daß sie der Änderung bedarf im Leben der Kirche und des Volks an Haupt und Gliedern, wenn sie würdig werden soll der Wiederkehr des Herrn und der Aufrichtung des tausendjährigen Reiches. Ihr, Angelo Politiano, ich kenne Euch wohl, Ihr übt die Dichtkunst und seid Meister der Worte, aber Eure Poesie dient der Macht und dem Glanz, der irdischen Lust und Herrlichkeit – ich aber will ein Lied singen – und die Welt soll es vernehmen –von dem Ruhm der Kirche, von dem wahren Ruhm, der sich nicht mit Gold und Purpur schmückt und dennoch heller leuchtet als alles irdische Licht.«

Er blickte wie in Verzückung aufwärts. Dann fielen seine Arme schlaff herab, seine Gestalt nahm wieder ihre etwas gebeugte Haltung an, seine Augen blickten kalt und ruhig.

»Ich danke Euch, Lorenzo de' Medici,« sagte er, »für die Zuwendungen, die Ihr meinem Kloster gemacht und werde die Briefe, die Ihr mir für unsern hochwürdigen Prior übergeben, getreulich in dessen Hände legen. Jede gute That, wenn sie den guten Willen hat, ist wohlgefällig vor Gott und wird auch Euch angerechnet werden.«

»Und ich danke Euch, ehrwürdiger Bruder,« erwiderte Lorenzo, »daß Ihr frei vor mir gesprochen und kann ich auch nicht überall Euer Urteil teilen in seiner ganzen Schärfe, so sind doch Worte, wie Ihr sie gesprochen, eine gute Arznei für die Krankheit, welche leider die Welt und auch die Kirche angesteckt hat.«

»Hier wäre eine Stätte für Eure Worte,« fuhr er nach kurzem Nachdenken fort, »das Kloster von San Marco möchte ein würdiger Platz für Euch sein und bei den Bürgern unserer Republik, bei mir zumeist, würdet Ihr aufmerksames Gehör finden. Ihr habt mir die Macht vorgeworfen, welche das freie Volk in meine Hände gelegt, wollt Ihr, so steht Euch diese Macht zu Gebot, um Euch die Pforten von San Marco zu öffnen zu einer Stellung, von der Euer Wort weiter in die Welt hinausklingen wird, als aus der Zelle von Bologna!«

»Ich danke Euch für Euern guten Willen –« erwiderte Savonarola, »meinen Willen aber habe ich unterworfen den Geboten des Ordens. – Würde ich je einer Zuflucht bedürfen, so werde ich an Eure Thür klopfen, nicht um Eurer Macht zu dienen, sondern um den Ruhm der Kirche im Geist und in der Wahrheit zu verkünden den Mächtigen wie den Armen. Ihr habt mir Gastfreundschaft unter Euerm Dach geboten, ich nehme Abschied von Euch mit dem Worte des Segens, das der Gast, den Ihr um Christi willen aufnahmt, Euch schuldig ist und werde beten, daß der Geist Gottes unter Euerm Dache lebendig werde und auch Eure Seele von der irdischen Eitelkeit und Hoffart reinige. – Morgen werde ich mich auf den Weg machen und Euch nicht mehr in Euren Geschäften stören.«

Er machte mit der Hand das Zeichen des Kreuzes gegen Lorenzo, der sich ehrerbietig verneigte, grüßte die Übrigen mit kurzem Kopfnicken und ging hinaus.

»Ein sonderbarer Heiliger,« rief Politiano, »der die ganze Welt mit Büßern bevölkern möchte – mich wird er zu seiner düsteren Lehre nicht bekehren, das Licht und der Glanz sind so schön, zu Lust und Freude hat der Schöpfer die so blühende und strahlende Welt uns gegeben und sollen wir nicht seine Geschenke dankbar genießen?«

»Und doch,« sagte Lorenzo, »hat er wohl recht, wenn er sagt, daß die Welt, und die Kirche vor allem, der Besserung bedarf in Haupt und Gliedern. – Wir müssen ja,« fügte er halb zu sich selbst sprechend hinzu, »es bitter empfinden, daß das Oberhaupt der Kirche selbst nach vergänglichem Glanz für sich und die Seinen strebt und auch über Haß und Zorn die christliche Liebe vergißt. – Mir hat es scheinen wollen, als ob aus seinen Worten der Geist der Zukunft zu mir sprach, einer Zukunft, welche vielleicht der Wetterwolken bedürfen wird, um die Luft zu klären und zu reinigen, die jetzt schwül auf uns lastet!« »Ich danke Euch noch einmal, Sandro Botticelli,« sagte er, nach kurzem Schweigen des Malers Hand drückend, »für Euer Bild, ich werde es stets anschauen ohne Hochmut und Stolz als einen Ausdruck der Demut der Mitglieder meines Hauses und wenn Ihr einmal meine Gestalt auf eins Eurer Bilder bringen wollt,« fügte er lächelnd hinzu, »dann wählt den Zöllner dazu, der seine Unwürdigkeit fühlt und doch auf die göttliche Barmherzigkeit hoffen darf.«

»Und um die Gestalt des Pharisäers werde ich nicht in Verlegenheit sein,« erwiderte Botticelli, »dafür werde ich genug Modelle finden im Purpur der Kirche und im weltlichen Fürstenmantel.«

Lorenzo mahnte die Ruhe zu suchen, da der Tag morgen frühe beginnen müsse.

Seine Gäste verabschiedeten sich und als er allein geblieben, sagte er ernst und nachdenklich:

»Man hat in Rom begonnen, mir offene Feindschaft zu zeigen – auf die Versicherung Girolamos vertraue ich wenig, wenn es mir nicht gelingt, ihn durch seinen eigenen Ehrgeiz zu beherrschen. Ich muß gefaßt sein auf die Verteidigung und vielleicht wäre es ein gutes Mittel für den offenen Kampf gegen Rom, auch die geistigen Waffen zu schärfen und zur Hand zu haben – ich werde diesen Mönch im Auge behalten.«


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