Oskar Meding
Palle
Oskar Meding

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X.

Das Pfingstfest war nahe gekommen, und immer reicher entfaltete sich der Blütenschmuck, welcher die Blumenstadt Florenz mit seiner farbenreichen duftigen Pracht umgiebt und auch die Stadt selbst in ihren Straßen und Plätzen, in ihren öffentlichen Gebäuden und Palästen, legte schimmernden Schmuck an, um die Gäste zu begrüßen, welche in diesem Jahre das Pfingstfest noch glänzender als sonst gestalten sollten.

Der Erzbischof von Pisa war gekommen und in dem Hause der Salviati abgestiegen; die Signorie hatte ihn begrüßt, die Brüder Medici hatten den angekommenen Kirchenfürsten, den sie so lange von seinem erzbischöflichen Stuhl ausgeschlossen, mit allen, seinem Stande gebührenden Ehren empfangen und das Bestreben gezeigt, die Vergangenheit vergessen zu machen, so daß die Pfingstzeit sich zu einem Versöhnungsfeste gestalten sollte zwischen der florentinischen Republik und dem Papste, der in der Verweigerung der Anerkennung des von ihm eingesetzten Erzbischofs eine schwere Verletzung seiner Autorität erblickte und nun über die Beilegung der Streitigkeiten, durch die Unterwerfung unter seinen Willen, eine wohlwollende versöhnende Botschaft gesendet hatte.

Graf Girolamo Riario, der in Imola mit der Befestigung und Ausschmückung seines neu erworbenen Besitzes beschäftigt war, hatte für die Pfingstzeit seinen Besuch angekündigt und einen fast zärtlichen Freundschaftsbrief an Lorenzo de Medici geschrieben, mit der Versicherung, daß er kommen werde, um des Papstes Segensgrüße zu bringen und der Republik seine treuen freundnachbarlichen Gesinnungen zu beweisen.

Alles aber wurde überstrahlt durch den Besuch des Kardinals Rafaello Riario, der seine Studien auf der Hochschule zu Pisa abgeschlossen hatte und sich nun nach Perugia, dem Sitz der ihm übertragenen Legation, begeben sollte, und zu seinem Empfange bereitete sich alles mit besonderer Freude vor, da, wie man wußte, der so sehr begünstigte Großneffe des Papstes einen ganz außerordentlichen Glanz auf seinem Zuge entfalten sollte, und das schaulustige Volk von Florenz sich von seiner Anwesenheit viel festliches Gepränge versprach.

Zwar hatte der Kardinal in Montughi, der nahe vor der Stadt liegenden Villa der Pazzi, sein Absteigequartier genommen, ein Beweis, daß der Papst den ihm geleisteten Dienst hoch anschlug und durch gnädige Aufmerksamkeit zu vergelten strebte. Doch hatte der Kardinal Rafaello auch seinerseits einen außerordentlich verbindlichen Brief an Lorenzo geschrieben und so schien denn auch in dieser Richtung das Dunkel sich zu lichten, und eine freundliche Versöhnung sich zu entwickeln, um so mehr, da Jacopo sowohl, als auch Francesco Pazzi, bei jeder Gelegenheit den Medici mit Aufmerksamkeiten entgegen kamen.

An einem schönen Sommernachmittage in der Woche vor Himmelfahrt saß die schöne Fioretta Govini in dem kleinen, von hohen Taxushecken eingeschlossenen Rondel vor ihrer Wohnung in dem Hinterhause des Antonio de San Gallo, auf einer kunstvoll zusammengestellten und von einer duftenden Blütenlaube umgebenen Moosbank.

Die alte Ginevra hatte den kleinen Giulio fortgetragen und in seine Wiege gebettet, neben der sie, ein leises Schlummerlied singend, selbst eingeschlafen war. Fioretta war in tiefes Sinnen versunken und ihre Augen blickten trübe wie von Thränen umflort.

»Wie schön ist es hier,« sagte sie seufzend, die blühenden Zweige zu sich herabbeugend und den Duft einsaugend, »muß ich nicht glücklich sein mit dem Geliebten und dem Kinde, die meine ganze Welt sind und mein ganzes Leben umfassen, in Gegenwart und Zukunft? Und doch will mir oft das Herz zerspringen in banger Unruhe und ich vermag den Thränen nicht zu wehren, die mir den Blick verschleiern, der sich freuen möchte an dem blauen Himmel und dem goldenen Sonnenlicht der Gegenwart – – und der Zukunft –« sprach sie nach kurzem Schweigen weiter, indem ihre feuchten Augen einen starren Blick annahmen. – »Die Gegenwart halte ich wohl in meinen Händen und berausche mich an ihrem Duft und ihrer Glut, aber die Zukunft? Die Zukunft das ist mein Kind, mein süßer Giulio und wie wird sie sich gestalten, für ihn, der keinen Namen hat und sich verbergen muß vor den Augen der Welt, während ich ihn doch jubelnd aller Welt zeigen möchte, wenn er so klug blickt und so süß lächelt und weit hinaus rufen möchte: Seht ihn an, das ist mein Kind, mein süßer Giulio, der in Blick und Lächeln so ähnlich ist seinem Vater, und ihm ähnlich werden soll an Kraft und Schönheit, an Stolz und kühnem Mut – warum bin ich hier verborgen, in dieser Heimlichkeit –«

Sie sprang auf und ging unruhig auf und nieder, zu den Taxusbäumen aufblickend, die, fest aneinander geschlossen, eine Mauer zu bilden schienen und nur einen kleinen Ausgang offen ließen, der von außen wieder durch eine vorgeschobene Hecke verschlossen war, so daß man in den kleinen runden Platz nur durch einen schmalen Gang eintreten konnte, wie in den, bei der damaligen Gartenkunst so beliebten Irrgärten.

»Der Vogel freilich,« sprach sie weiter, »zieht sich in sein stilles verborgenes Nest zurück zu friedlichem Glück, aber er darf auch die Schwingen ausbreiten zu weitem Flug, um sich zu erfrischen in der freien reinen Luft, unter dem großen blauen Gewölbe des Himmels. Ich aber bin eingeschlossen, wie in einem Käfig. – Und schmückt man nicht auch des gefangenen Vogels Käfig mit grünen Zweigen und frischen Blüten? Und doch wird der Vogel krank und muß endlich sterben in seinem Gefängnis, das ihm den freien Flügelschlag im Sonnenlicht unmöglich macht, den er bedarf zu seinem Leben. – O, ich vertraue meinem Guiliano, wie ich der Liebe und Gnade Gottes selbst vertraue; aber wenn ich bösen Zweifeln Raum geben wollte, wie sie zuweilen in der Einsamkeit sich zu regen beginnen, könnte nicht dies reizvolle Geheimnis, das mir hier geschaffen ist, ein Käfig sein, den gefangenen Vogel zu täuschen über den Verlust seiner Freiheit, könnte dies Geheimnis nicht ein Schleier sein, der ein tändelndes Spiel des Augenblicks verdecken soll? O mein Gott,« rief sie, die Hände zum Himmel erhebend, »bewahre mich vor solchen Gedanken, bewahre mich vor Zweifeln an der Liebe und Wahrheit dessen, dem ich mein ganzes Leben hingegeben. Aber solche Gedanken kommen von der Entbehrung der freien Bewegung, ich will nicht mehr gefangen sein, ich will einmal wenigstens mein Auge erfrischen an dem weiten Blick über diese Hecken hinaus!«

Sie trat in den engen Gang zwischen den Taxushecken und kam durch den verschlungenen Weg in den großen, reich und geschmackvoll angelegten Garten, mit seinen schattigen Bäumen, seinen frischen Rasenflächen, seinen blühenden Sträuchern und Blumenbeeten und seinen Marmorbassins mit frischem Wasser.

»O, wie schön ist das alles hier,« rief sie, entzückt über den weiten Ausblick, der sich ihr öffnete, »o, es ist unrecht, daß mein Giuliano mir all diese Schönheit verbergen will! – Sind wir denn nicht auch hier vor den neidischen Blicken sicher? und ich fühle es wohl, ich würde ihn mehr noch lieben, hier in dem freien hellen Licht, unter dem weiten blauen Himmel, als dort in dem kleinen Versteck, das mir die Seele bedrückt.«

Der große Garten war völlig leer. Die Dienerschaft befand sich im vorderen Teile des Hauses und Antonio de san gallo pflegte erst am späten Abend von seinen Werkstätten zurückzukehren.

Sie trat zu einem von schimmernden und duftigen Blumenbeeten umgebenen Bassin, in dessen krystallklarem Wasser kleine Goldfische spielten.

Mit kindlich glücklichem Lächeln freute sie sich des reizvollen Anblicks und warf einige Blüten in das Wasser, um das Spiel der Fische zu beleben.

»Ist es nicht dennoch unrecht von mir,« sagte sie wie erschrocken, »daß ich Giulianos Gebot überschreite, – hat er mir nicht gesagt, daß unser Glück abhängig sei von dem Geheimnis?«

Wie trotzig schüttelte sie dann den Kopf.

»Nein nein, für ihn mag wohl jenes kleine verborgene Nest um so reizender sein, da er in der großen weiten Welt draußen lebt, aber er sollte, er darf nicht vergessen, daß auch ich nach der Freiheit mich sehne und nur in der Freiheit glücklich sein kann.«

Sie wendete sich einer schattigen Allee von Platanen zu und ging schnellen Schrittes, als wolle sie in der Bewegung ihre Zweifel unterdrücken, vorwärts.

Der von dem grünen Blätterdach der hohen Bäume überdeckte Gang führte nach der Mauer hin, welche den Park einschloß.

Plötzlich sah sie eine kleine Gitterthür vor sich, welche den Ausgang zu einer Seitenstraße bildete, die, an einzelnen reizend gelegenen Villen vorbei, aus der Vorstadt hinausführte.

Erschrocken fuhr sie zurück, denn hinter dem Gitter der Thür stand ein Mann, in einem äußerlich unscheinbaren, aber außerordentlich eleganten Anzug von grauer Seide. Er war an dem Schloß der Thür beschäftigt, und fuhr bei dem Geräusch ihrer Schritte auf dem feinen Kies erschrocken auf.

»Ach, da seid Ihr, schöne Fioretta,« sagte er, als sie zitternd stehen blieb und dann eine Bewegung machte, um sich rückwärts zu wenden – »so führt mir ein guter Geist Euch entgegen, da ich auf dem Wege bin, Euch in Euerm Versteck aufzusuchen.«

»Zu mir kommt Ihr –?« fragte sie, mit ängstlicher Verwunderung, den Besucher ihres Hauses bei San Donino erkennend, der sich ihr nur Bernardo genannt hatte, »und hier auf diesem Wege, der doch nicht der Eingang des Hauses ist – so kennt Ihr Herrn Antonio und –«

Sie stockte errötend.

»Ich kenne ihn nicht,« fiel Bernardo schnell ein, und darum suche ich mir diesen geheimen Weg zu Euch, um Euch zu warnen und zu retten vor unwürdigem Betrug, um Euch zu befreien, wenn Ihr mir vertrauen wollt, wie Ihr zu Eurem Unglück falschen Freunden Vertrauen geschenkt habt. Kennt Ihr mich nicht wieder, da Ihr mir doch mehrmals in Eurem Hause einen Trunk und eine Erfrischung an Euern schönen Früchten geboten habt; wenn ich ermüdet vom scharfen Ritt bei Euch vorsprach?«

»Wohl kenne ich Euch wieder,« sagte Fioretta, fast unwillig, »ich habe Euch gern bewirtet, so gut ich's vermochte, aber Ihr wißt wohl, daß ich Euch nicht mehr aufnehmen durfte, seit Ihr Worte spracht, die ich nicht hören durfte und nicht hören wollte.«

»Ihr wolltet nicht hören, daß ich Euch liebe,« rief Bernardo, mit leidenschaftlich aufglühenden Augen – »Ihr hattet unrecht daran, ich wollte Euch meine Hand reichen und Euch vor der ganzen Welt als meine Gemahlin anerkennen.«

»Und darum,« fragte Fioretta unwillig, »kamet Ihr immer, wenn mein alter Jacopo in San Donino zum Markt abwesend war, oder auf dem Felde zu thun hatte? – Ihr begreift wohl, daß mir das kein Vertrauen zu Euch einflößen konnte und dann,« fuhr sie errötend fort, »habe ich Euch ja gesagt, daß ich Eure Worte nicht verstehen wollte und nicht verstehen durfte, weil – weil –«

»– weil,« rief Bernardo, »Euer Herz auf einen Irrweg geraten war, den Ihr schwer bereuen werdet. Da seid Ihr nun hier in diesem geheimen Versteck eingeschlossen, wie eine Gefangene, und der Euch hierher führte, der Euch hier eingeschlossen hält, wird schwerlich den Willen haben, Euch jemals frei vor der Welt seine Gemahlin zu nennen.«

»Lästert nicht,« rief Fioretta zornig, »ich habe nichts mit Euch zu thun, was wollt Ihr hier – wie habt Ihr den Weg hierher gefunden?«

»Ich habe den Weg gefunden, Fioretta, weil ich Euch liebe, mehr als irgend ein anderer Euch lieben kann, mehr gewiß, als Euer Kerkermeister, der Euch eingeschlossen hält, als das Spielzeug müßiger Stunden – und was ich hier will? – Ich will Euch den Weg der Rettung öffnen, wenn Ihr gerettet sein wollt.«

»Gerettet –« rief Fioretta, mit drohend blitzenden Augen, »gerettet vor meinem höchsten Glück? Geht, geht, Ihr betrügt mich – vor Euch würde ich Rettung suchen müssen, wenn mich nicht dieses Haus hier vor Eurer Verfolgung schützte.«

»Dies Haus schützt Euch nicht,« erwiderte Bernardo, »vor der warnenden Stimme der Liebe, die mich hierher trieb, Euch zu suchen und hätte Euch nicht der Zufall in dieser Stunde hierher geführt, so wäre ich zu Euch gedrungen, um Euch meinen Beistand zu bringen.«

Er öffnete mit einem kleinen Schlüssel das Schloß der Thür und trat über die Schwelle.

Sie stieß einen Schreckensruf aus und wollte fliehen. Er aber faßte ihre Hand und sagte:

»Fürchtet Euch nicht, Fioretta, Ihr seid bei mir so sicher, als hinter den Mauern jenes Hauses und nur Euer freier Wille soll und kann Euch retten, wenn Ihr mir glauben und vertrauen wollt.«

»Ich glaube Euch nicht,« rief sie, ihre Hand schnell zurückziehend, »ich habe nur einen Glauben, den Ihr nicht aus meinem Herzen reißen sollt durch tückische Verleumdung.«

»Ich zürne Euch nicht, Fioretta, wegen Eurer harten Worte, ich verstehe es ja, daß es Euch schwer wird, der Täuschung zu entsagen, die Euch glücklich macht, aber was Ihr Verleumdung nennt ist die Wahrheit. Er, dem Ihr gefolgt seid, in thörichter Aufwallung Eures Herzens, er wird Euch niemals das sein, was Ihr von ihm hofft, und wenn Ihr ihn kennt und die Welt versteht, so müßt Ihr selbst davon überzeugt sein –« fügte er mit lauerndem Blick hinzu.

Fioretta zuckte erbleichend zusammen.

Sie schwieg einen Augenblick.

Dann aber rief sie:

»Ich kenne sein edles Herz, in dem nur die Wahrheit und die Treue wohnen und das keiner Lüge, keiner Täuschung fähig ist.«

»Und wenn,« sagte Bernardo, »die Worte, mit denen er Euch verlockt, keine Lüge waren in dem Augenblick, in dem er sie aussprach, so werdet Ihr Euch überzeugen, daß er selbst nicht die Macht hat, sie zur Wahrheit werden zu lassen.«

»Mich überzeugen?« rief sie, »niemals! – Beweist was Ihr sagt, oder verlaßt mich sogleich, wenn ich nicht Hilfe herbeirufen soll.«

»Der Beweis ist leicht,« erwiderte Bernardo, »folgt mir nur wenige Schritte, – in jener Straße, welche dort an der Ecke vom Lande hereinführt, werde ich Euch den Beweis liefern, daß ich Euch die Wahrheit gesagt, Eure eigenen Augen sollen mir als Zeugen dienen.«

Fioretta stand zitternd da.

Sie wich ängstlich einen Schritt zurück.

»Euch folgen,« sagte sie mit unsicherer Stimme, »in Eure Gewalt sollte ich mich begeben?«

»In meine Gewalt? Ihr seid thöricht – würde ich Gewalt über Euch haben, selbst wenn ich Euer Feind wäre, auf der offenen Straße, inmitten zahlreichen Volks, das sich dort schon versammelt, um ein Schauspiel von Glanz und Pracht zu sehen? Frei seid Ihr dort wie der Vogel in der Luft. Den Schlüssel dieser Thür will ich in Eure Hände legen, so daß Ihr jeden Augenblick zurückkehren könnt. Warum wollt Ihr diese wenigen Schritte nicht wagen, um den Zweifel, der dennoch wohl in Euerm Herzen sich regt, für immer auszurotten, wie Ihr es ja meint.«

»Ja,« sagte sie nach kurzem Besinnen, »ich will sehen, ich will mich überzeugen, daß Ihr mich betrügt, obgleich ich nicht verstehe, was ich sehen soll.«

»Ihr werdet es verstehen. Kommt, dort werden die Stimmen der Menge immer lauter, Ihr habt meinen Beweis verlangt, ich bin Euch schuldig, aber verhüllt Euer Gesicht, Ihr sollt völlig unerkannt bleiben und niemand soll in Euern Mienen lesen, was in Euch vorgehen möchte.«

Fioretta warf schnell das Spitzentuch, das sie um ihre Schultern trug, über den Kopf, so daß ihr Gesicht fast verhüllt war. Dann trat sie festen Schrittes auf die Gasse hinaus. Bernardo verschloß die Thür und gab ihr den Schlüssel. Dann legte er ihre Hand auf seinen Arm und führte sie, schnell vorwärts schreitend, nach der Ecke hin, wo die Gartengasse in eine breite Straße mündete, die von den waldigen Hügeln des freien Landes her in die Stadt führte.

Eine schnell anwachsende Menge war hier versammelt und schien sich in Erwartung eines außergewöhnlichen Ereignisses zu befinden.

Die neugierigen Blicke wendeten sich bald nach außen hin, bald dem Innern der Stadt zu und lebhafte Gespräche wurden ringsum geführt.

»Von hier werdet Ihr alles sehen,« sagte Bernardo, hinter der letzten Reihe der Neugierigen stehen bleibend.

»Was soll ich sehen,« fragte Fioretta, ängstlich stehen bleibend, – »o, ich hätte Euch nicht folgen sollen.«

Ehe Bernardo antworten konnte, drängte sich die Menge weiter nach der Straße hin, alle Häupter wendeten sich nach der letzten Biegung des Weges vom Lande her.

»Da kommen sie,« rief es hier und dort, »das ist Seine Eminenz, der Kardinal, der Erzbischof von Pisa reitet an seiner Seite – wie viele Herren ihm folgen!«

»Der Kardinal,« flüsterte Fioretta, »o mein Gott, wäre es möglich!«

Sie trat einen Schritt vor und streckte spähend ihren Kopf dem Zuge entgegen, der vom Lande her nahte.

An der Spitze ritt auf edlem reichgeschirrtem Pferde der Kardinal Raffaello in einem eleganten Gewand von schwarzer Seide, mit purpurner Verbrämung, auf dem Haupt mit dem gelockten Haar das Purpurbarett; um seinen Hals hing an goldener Kette ein großes, reich mit Edelsteinen besetztes Kreuz. Sein etwas bleiches, noch ganz jugendliches, fast mädchenhaftes Gesicht mit den großen, dunklen Augen, zeigte eine gewisse ängstliche Befangenheit, als ob er sich noch unsicher in seiner hohen Stellung fühle, und durch die auf ihn gerichteten Blicke der zahlreichen Menge befangen und eingeschüchtert sei. Seine ganze Erscheinung hatte etwas Schülerhaftes, war aber doch vornehm sympathisch und als er mit einer natürlichen Anmut nach allen Seiten hin grüßend, den Kopf neigte, klang ihm manches freundliche Willkommen aus der Menge entgegen.

Zu seiner Rechten ritt der Erzbischof Salviati in stolzer und sicherer Haltung, zu seiner Linken Francesco de Pazzi in prächtigem, von Brokat- und Goldstickerei schimmerndem Anzug, und hinter ihm folgte eine große Anzahl von Herren seines Gefolges, denen sich eine reiche Zahl in Gold und Silber schimmernder Diener anschloß.

»Wie sieht er zart aus, der junge Kardinal,« sagte eine alte Frau, welche neben Fioretta stand, »so sanft und fromm, als ob der Himmel selbst ihn sich zu seinem Dienst erbeten.«

»Jung und zart –« murrte ein alter behäbiger Bürger, »wie ein Schüler sieht er aus, der noch viel lernen könnte, ehe er andere belehrt – ja ja, wer den Papst zum Oheim hat, der kann wohl leicht Kardinal werden, und wenn er auch von der Schulbank geholt wird, auf der andere noch lange sitzen müssen, ehe sie nur die erste Weihe erhalten.«

Langsam kam der Zug näher.

Fioretta hatte ängstlich den Kardinal angesehen und betrachtete dann forschend alle seine Begleiter.

Sie atmete erleichtert auf. Es waren lauter ihr fremde Gesichter.

Da ertönten von der Straße her laute jubelnde Stimmen, man vernahm deutlich die schnell heranbrausenden Rufe:

»Palle – Palle!«

»Was bedeutet das?« fragte Fioretta.

»Das ist der Ruf,« sagte Bernardo, »mit dem das Volk die Medici begrüßt, die in Florenz herrschen und in ganz Italien gefürchtet werden – hört Ihr, wie sie den Mächtigen zujubeln, von denen alle Gunst und Gnade abhängt. Gebt wohl acht,« fügte er mit einem hämischen Ton hinzu, bei dem Fioretta zusammenschauerte, »daß Ihr sie deutlich seht, die Allgewaltigen, Ihr habt nicht nötig, vorwärts zu gehen – sie überragen das Volk auf ihren hohen Rossen. Seht Ihr wohl, der Kardinal, der Neffe des Papstes, hält sein Pferd an, um die Gebieter von Florenz zu erwarten.«

»Palle – Palle!« klang es ringsum.

Auch der Bürger, welcher vorhin über die Jugend des Kardinals gespottet, rief mit weithin schallender Stimme den Mediceischen Gruß.

Da sprengte dem glänzenden Zuge voran Lorenzo auf einem hochedlen, aber einfach gezäumten andalusischen Pferde heran.

Er war in einen schwarzen Anzug von Seidenbrokat gekleidet, eine goldene Kette, von kunstvoller venetianischer Arbeit, hing um seine Schultern, an dem Griff seines Degens funkelten kostbare Edelsteine.

Hinter ihm folgte der Markgraf Gabriele Malaspina mit seiner Gemahlin und seiner Tochter. Neben Giovanna ritt Giuliano, in heiterem Gespräch mit der Braut seines Freundes Cosimo, scherzend und lachend. Er war glänzend in leuchtende Farben gekleidet, kunstvolle Stickereien und kostbare Edelsteine schmückten seinen Gürtel, sein Degengehänge und den Griff seines Dolches, sowie die Agraffe seines Baretts mit den weißen Federn, sein reiches Haar wehte im Winde. Er überstrahlte alle an Glanz und Schönheit, und »Palle – Palle!« klang es ringsum noch lauter und feuriger, als er sich mit Anmut verbeugte und von Giovanna trennte, um seinem Bruder zu folgen.

»Seht genau hin,« flüsterte Bernardo der mit einem leisen Wehruf erbebenden Fioretta zu, »und prüft wohl, ob ich Euch den Beweis für meine Worte erbracht.«

Fioretta stützte ihre zitternde Hand auf seinen Arm, ihre Kräfte verfügten, kaum vermochte sie sich aufrecht zu halten.

Aber hatte Giuliano ihr nicht gesagt, daß er reich sei und stolze Verwandte habe, die er erst mit der Wahl seiner Gemahlin versöhnen müsse – war es nicht natürlich, daß er hier seinen Platz fand, im Gefolge Lorenzos, wenn sie auch nicht geglaubt hatte, daß er gar so hoch über ihr stände.

Sie wendete sich schnell von Bandini ab und fragte die alte Frau, welche neben ihr stand:

»Wer ist es, der dort mit der schönen Dame spricht und sie nun verläßt, um seinen Herrn einzuholen?«

»Seinen Herrn?« fragte die Alte, »Ihr kommt wohl von weit her und waret noch nie in Florenz, daß Ihr den erlauchten Giuliano de Medici nicht kennt, den Bruder des prächtigen Lorenzo?«

»Giuliano de Medici,« flüsterte Fioretta, indem sie ihr einen Augenblick herabgesunkenes Tuch schnell wieder vor dem Gesicht zusammenzog, »o mein Gott! So ist es wahr, wirklich wahr –«

Ihre Knie wollten zusammenbrechen; sie raffte ihre Kräfte zusammen und nahm halb bewußtlos die stützende Hand, die Bernardo ihr reichte.

»Seht nur,« sprach die Alte weiter, »wie schön er ist, wie herrlich er zu Pferde sitzt, wie seine Augen leuchten.«

Und Fioretta sah unverwandt hinüber, alle ihre Kraft vereinigte sich in ihren Augen, sie war wie gebannt von diesem Anblick, der ihr den Geliebten zeigte in so glänzender Herrlichkeit, wie sie ihn noch nie gesehen, und zugleich ihr Herz in Todesqual erstarren ließ.

Der Kardinal hatte die beiden Brüder fast scheu, wie mit schülerhafter Ehrerbietung begrüßt und hörte noch aufmerksam den Worten Lorenzos zu, der mit herzlichem Wohlwollen zu ihm sprach, während das Gefolge in großem Halbkreise umher hielt.

»Und wer,« fragte Fioretta die Alte, »ist jene Dame, an deren Seite der hohe Herr heranritt?«

»Das, ist die Tochter des Markgrafen von Fosdinuevo,« erklärte die Frau eifrig, »die mit ihren Eltern hier im Palast der Medici zum Besuch ist.«

»Das ist wohl die Braut des Herrn Giuliano?« fragte Fioretta hastig mit rauher tonloser Stimme.

»Nein,« sagte die Alte lachend, »nein, die schöne Signora Giovanna, sie ist wohl eine sehr vornehme Dame und wird den Medici verwandt werden durch den jungen Rucellai, ihren Verlobten, aber so hoch darf sie doch wohl die Augen nicht erheben bis zu dem erlauchten Giuliano, für den ist wohl eine Herzogin, oder gar eine Prinzessin aus königlichem Stamme bestimmt – man spricht schon davon, daß irgend so etwas im Gange ist, und wahrlich, des herrlichen Giuliano Gemahlin zu werden, das ist wohl auch für eine Königstochter das höchste Glück, das sie auf Erden finden kann.«

»Das höchste Glück –« wiederholte Fioretta, die Worte der Frau mit dumpfem Ton nachsprechend, und wieder dann starrte sie hinüber nach dem Schauspiel, von dem sie ihre Augen nicht abzuwenden vermochte, ohne Bernardo zu antworten, der ihr zuflüsterte:

»Habt Ihr genau gesehen – seid Ihr überzeugt, daß ich es treu gemeint habe mit meiner Warnung?«

Der Kardinal begrüßte den Markgrafen und die Damen, sowie die übrigen Herren des Gefolges der Medici und ritt dann, die beiden Brüder zur Seite, nach der Stadt hin, um in dem Mediceischen Palast der Donna Clarice sich vorzustellen und später dem hohen Rat seinen Besuch zu machen.

Die Volksmenge drängte dem Zuge nach.

Immer ferner klang das Palle – Palle, das man nicht müde wurde, den Medici nachzurufen, und bald blieben Bernardo und Fioretta allein.

»Nennt Ihr mich noch einen Betrüger?« fragte Bernardo, »erkennt Ihr es jetzt, daß ich wohl recht hatte, Euch zu warnen?«

Fioretta hatte sich umgewendet und ging eiligen Schrittes den Gartenweg entlang.

Fast schon hatte sie die kleine Pforte erreicht, als Bernardo ihre Hand faßte.

»Ihr wollt,« fragte er, »zurückkehren in Euer Gefängnis, nachdem Ihr erkannt, daß Ihr das Opfer eines leichtsinnigen, frevelhaften Spiels geworden seid?«

»Und was denn, meint Ihr, daß ich thun sollte? Ist dort nicht mein Sohn, mein süßer Giulio, dem ich Schutz und Sorge schuldig bin, den ich bewachen muß, damit er niemals erfährt, wer sein Vater war –.«

Sie hatte die letzten Worte kaum hörbar geflüstert, zog heftig ihre Hand zurück und schritt schnell weiter.

»O, fürchtet nicht,« sagte Bernardo, der sie dennoch verstanden hatte, »für Euer Kind – Giuliano ist großmütig, er wird für den Knaben sorgen – Ihr seid frei, ganz frei, und könnt nach solcher schmerzlichen Täuschung wohl noch neues blühendes Glück finden. Euch messe ich keine Schuld bei, ich werde Euch mit fester Hand durchs Leben führen – folgt mir, Ihr sollt schnell in Sicherheit sein, niemals wird er Euch entdecken.«

»Mein Kind verlassen?« rief Fioretta, ihre Schritte verdoppelnd – »das wagt Ihr zu sagen, das wagt Ihr meine Rettung zu nennen? Was meine Zukunft bringen mag, das weiß ich nicht, aber meinem Kinde gehört mein Leben, und mein Weg auf Erden wird niemals mit dem Eurigen sich begegnen. Ich danke Euch nicht, daß Ihr mir eine Wahrheit gezeigt habt, die wohl auf andere Weise sich freundlicher enthüllt haben würde, und ihm aber, dem mein Herz für alle Ewigkeit gehört, danke ich für das selige Glück, das er mir gegeben; an seine Liebe werde ich glauben, ob auch die harte und kalte Welt Felsenwände zwischen uns aufrichtet!«

Sie hatten die Gartenthür erreicht.

»Ihr seid wahnsinnig,« rief Bernardo grimmig, »es ist ein Zauberbann, der Euch gefangen hält, Ihr dürft nicht weiter dem Wege Eures Verderbens folgen, ich darf und will Euch nicht preisgeben und, wenn es sein muß, werde ich Euch zwingen, mir auf dem Wege Eurer Rettung zu folgen!«

Er faßte ihren Arm und wollte sie mit sich fortziehen. Sie stieß ihn heftig zurück, ließ das Schleiertuch von ihrem Haupte herabfallen und rief mit drohend blitzenden Augen:

»Wagt es, ich werde die Kraft finden, Euch zu widerstehen, mein Hilferuf wird gehört werden und Ihr werdet der Strafe solchen Frevels nicht entrinnen.«

Er trat erschrocken zurück und blickte umher.

Wohl war die Straße fast menschenleer, ein Knabe blickte nur eben noch aus einem Heckengang zurück, aber von fern her hörte man Stimmen – eine gewaltsame Entführung war unmöglich.

In einem Augenblick veränderte sich seine drohende Miene.

»Verzeiht mir, Fioretta, wenn ich auch selbst wider Euren Willen Euch retten wollte, Ihr seid jetzt erregt, aber Ihr werdet es einsehen, daß ich Euer Bestes will. Denkt über alles nach, was ich gesagt und was Ihr gesehen, ich werde stets zu Euern Diensten bereit sein, ich werde das Haus, das Euer Gefängniß geworden ist, bewachen, es wird mein einziger Gedanke sein, Euch zu befreien und einem neuen glücklicheren Leben Euch zuzuführen. Ihr werdet einsehen, daß Ihr mir Unrecht gethan, des bin ich gewiß und wollt Ihr mich rufen, so befestigt an dieses Gitter einen grünen Zweig, wenn ich dieses Zeichen sehe, so werdet Ihr mich am Abend hier finden, um Euch mit schnellen Pferden in Sicherheit zu bringen. – Es könnten Dinge geschehen, die Euch solche Sicherheit unter meinem Schutz ersehnen lassen möchten. Noch einmal, zürnt mir nicht, ich bin gewiß, wir werden uns wiedersehen!«

»Habe ich Euch Unrecht gethan,« sagte sie, »ihm die Hand reichend, »so verzeiht es, aber glaubt mir, daß mein Leben auf keinen anderen Weg zu lenken ist und nichts mit dem Eurigen gemein haben kann.«

Sie schloß die Thür auf und trat in den Garten.

»Nehmt den Schlüssel mit Euch,« sagte er, »ich werde den Weg zu Euch finden, wenn Ihr meiner bedürft.«

Sie nahm den Schlüssel und eilte durch die Platanenallee nach dem Hause zurück. Der Garten war leer und, von niemand bemerkt, kam sie in ihr Zimmer.

Im Nebengemach war es still.

Als sie lauschend einen Blick durch den Thürvorhang warf, sah sie die alte Ginevra neben der Wiege sitzen. Das Kind schlief sanft und auch die Alte hatte in leichtem Schlummer das Haupt auf die Brust sinken lassen, ihre Hand lag auf dem Bette des Kleinen, als ob sie jede Bewegung des schlummernden Knaben bewachen wolle.

Fioretta trat, mit unhörbaren Schritten über den weichen Teppich hingleitend, heran, drückte ihre Lippen flüchtig wie ein Hauch auf die Stirn des Knaben und flüsterte leise:

»Gott segne ihn, Gott segne ihn dennoch, den ewig Geliebten für alles Glück, das er mir gebracht und du, mein Giulio, sollst im Dienste des Himmels den Vater finden, den dir die Erde geraubt.«

Sie kehrte in ihr Wohnzimmer zurück und sank wie gebrochen auf ein Ruhebett nieder.

Sie vermochte es nicht zu fassen, was sie erlebt und was in wenig Augenblicken den ganzen Glückstraum ihres Lebens zerstört, ohne doch ihre Liebe erlöschen zu lassen.

Sie war keines klaren Gedankens fähig und versank in eine Art von Halbschlummer, in welchen nur das Gefühl ihrer brennenden Schmerzen lebendig blieb.

Die Sonne sank tiefer und tiefer herab, die hohen Taxusbäume warfen ihre Schatten durch die Fenster herein und immer noch lag sie bewegungslos da, nur von Zeit zu Zeit flüsterten ihre bebenden Lippen mit unendlich schmerzvollem Ton:

»Giuliano – Giuliano de' Medici –«

Die Thür des Korridors wurde schnell geöffnet und Giuliano trat ein.

Er trug noch den kostbaren Anzug wie bei dem Empfange des Kardinals, nur das Oberwams hatte er abgelegt, und dadurch erschien seine fast athletisch kräftige und doch so schlanke und schmiegsame Gestalt um so anmutiger.

Er blieb auf der Schwelle stehen und sah mit entzückten Blicken zu der auf dem Ruhebette ausgestreckten und von dem Schimmer des Abendrots übergossenen Gestalt Fiorettas hin.

Leise ging er zu ihr heran, beugte das Knie und drückte ihre Hand an seine Lippen.

Ohne die Augen zu öffnen, flüsterte sie:

»Giuliani, Giuliano de' Medici –«

In jähem Schreck sprang er auf.

»Giuliano de' Medici,« rief er heftig, »dieser Name in ihrem Munde – was bedeutet das, was ist hier geschehen – welche Hand hat den Schleier des Geheimnisses zerrissen, das sie vor schmerzlichen Sorgen bewahren sollte? – Hätte Antonio mich verraten? – Nein, nein, das ist unmöglich, sein Herz ist treu wie Gold, böse Geister müssen die Hand im Spiele haben.«

Er hatte in seiner Erregung laut und heftig gesprochen.

Fioretta sprang auf; mit starrem Blick sah sie ihn an, als ob sie an eine Verkörperung ihrer schmerzlichen Gedanken glaube. Dann aber wurde ihr Blick klarer, sie erhob sich; zu ihm hineilend, umschlang sie ihn mit ihren Armen, lehnte sich an seine Brust und sagte, zu ihm aufblickend, mit einem unendlich rührenden Ton, in welchem Glück und Schmerz zusammenklangen:

»Giuliano, mein Giuliano, ich liebe dich und werde dich ewig lieben!«

Er machte sich fast rauh aus ihren Armen los, legte die Hände auf ihre Schultern und sagte, ihr fest in die Augen blickend:

»Du hast einen Namen genannt, Fioretta, als ich zu dir trat, einen Namen, den du niemals von mir vernommen, wie kommt jener Name auf deine Lippen? – Bei unserer Liebe antworte mir, ich verlange die Wahrheit!«

»Giuliano de' Medici,« sagte sie schmerzlich und doch zugleich stolz zu ihm aufblickend, »o ich hätte es wissen müssen, daß du der sein müßtest, der so hoch über allen anderen steht und doch zu mir herabgestiegen ist mit dem herrlichen Geschenk seiner Liebe. – Ich danke dir für das Geheimnis, in das du dich gehüllt, – habe ich doch ein Glück genossen, dessen Erinnerung mein künftiges einsames Leben überstrahlen und mir Kraft geben wird für meinen Giulio, deinen Sohn, zu sorgen.«

»Dein einsames Leben?« – rief Giuliano, »wie hat dein Geist sich so verwirren können, daß du an mir zweifeln magst, an meiner Ehre und Treue, auch wenn du weißt, wer ich bin – und da du es weißt, wirst du begreifen, daß ich zu kämpfen habe für das Glück meines Herzens, du wirst begreifen, daß ich dir die Sorgen dieser Kämpfe ersparen und dir früher nicht meinen Namen nennen wollte, bevor ich dir den Weg frei gemacht habe, um an meiner Seite vor die Welt zu treten, in die mich das Schicksal gestellt. Doch,« fuhr er heftig auf den Boden tretend, fort, »woher kennst du meinen Namen – wer hat dies Geheimnis enthüllt, das nur so wenigen bekannt war?«

Sie zögerte einen Augenblick.

Darauf erzählte sie, frei zu ihm aufblickend, daß sie unter dem Druck der Einsamkeit leidend, den verschlossenen Garten verlassen, daß sie an der Thür einen Mann wiedergefunden, der sie früher in ihrem Hause aufgesucht, um eine Erfrischung zu erbitten und ihr endlich von Liebe gesprochen, so daß sie ihm verboten habe, wiederzukommen, daß dieser Mann sie durch die Hinterthür auf die Straße geführt und ihr, von der Volksmasse verborgen, die Begrüßung des Kardinals durch die erlauchten Medici gezeigt habe.

»O glaube mir, mein Giuliano,« sagte sie mit feuchtem Blick, ich zürne dir nicht, und wenn mein Herz leidet unter der Notwendigkeit, dich zu verlieren, so ist es nur darum, weil du mir so viel, so unendlich viel gegeben, zuviel fast für ein einziges Menschenleben!«

»Und wer,« fragte Giuliano, sie heftig unterbrechend, »wer war jener Mann, der sich eindrängt in mein stilles Glück, mir dein Herz zu rauben? Bei Gott, von meiner Hand soll er fallen, wenn er es wert ist, daß Giuliano de' Medici sich in ritterlichem Kampf ihm entgegenstellt!«

»Ich kenne ihn nicht, bei Gott!« beteuerte Fioretta, »er hat mir nur seinen Namen Bernardo genannt und ich habe dir damals von seinen flüchtigen Besuchen bei mir nichts gesagt, weil mir die Augenblicke deiner Gegenwart zu kostbar waren, um sie durch eine Sache zu trüben, die mir selbst kaum der Beachtung wert schien.«

»Gleichviel,« sagte Giuliano, »es giebt einen Menschen auf Erden, der mein Geheimnis kennt und dem daran liegt, mein Glück zu zertrümmern, er hat mir deine Liebe und dein Vertrauen rauben wollen, und es ist ihm nicht gelungen, weil er meine Fioretta nicht gekannt hat und die heilige Macht der Liebe deines treuen und reinen Herzens. So darf es nicht bleiben, es wäre Feigheit, die Entscheidung hinauszuschieben, zu der alles drängt. Weißt du nicht, daß des Priesters Hand uns zu unauflöslichem Bunde vereinigt – hast du denken, von mir glauben können, daß ich dich durch ein frevelhaftes Spiel hätte täuschen mögen oder daß ich imstande wäre, das heiligste Band zu mißachten, das des Himmels Weihe um zwei Menschenherzen auf Erden schlingen kann?«

»Ich habe nichts gedacht,« sagte Fioretta, mit gefalteten Händen demütig zu ihm aufblickend, »als daß ich, die arme Fioretta Govini, niemals an der Seite des erlauchten Giuliano de' Medici in die stolze Welt einzutreten das Recht haben könne, unter deren Fürsten dein Name voranklingt.«

Er blickte tief bewegt in ihre klaren treuen Augen, dann faßte er ihre beiden Hände und sagte ernst und feierlich:

»Ich will und kann dir nicht zürnen, Fioretta, daß du an mir hast irre werden können; ist doch den Stimmen der bösen Geister die Macht gegeben, die Seelen zu bethören und in Versuchung zu führen und habe ich vielleicht auch Unrecht gehabt durch das Geheimnis, in das ich mich auch vor dir gehüllt und das jenen bösen Stimmen den Eingang in die Seele geöffnet. Aber höre mich an und glaube mir: ich schwöre dir, daß es kein frevelhaftes Spiel war, das ich mit dir getrieben, daß jener Mönch des Klosters San Donino, der uns verbunden, ein geweihter Priester des Herrn war. Unser Bund ist unauflöslich, du bist meine Gemahlin vor Gott und sollst es, ehe drei Tage vergehen, auch vor der Welt sein! – Ich will keine Berührung mit jener Welt haben, bevor du nicht in derselben den Platz an meiner Seite einnimmst. Heute vermag ich nicht mit meinem Bruder zu sprechen, da er durch den Besuch des Kardinals in Anspruch genommen ist, auch morgen nicht, denn es findet ein großes Frühmahl in unserem Hause statt, nach welchem der Kardinal dem Gottesdienst im Dom beiwohnen will – ich werde dem Mahl fern bleiben, eine Unpäßlichkeit, die ich heute schon vorschützte, um zu dir eilen zu können, wird mir zum Vorwand dienen und wenn dann der Kardinal nach der Villa Montughi zurückkehrt, dann werde ich meinem Bruder Lorenzo mein Herz öffnen. Er wird, ob er auch vielleicht anderes im Sinne habe möchte, dich mit offenen Armen als seine Schwester empfangen, dessen bin ich gewiß, denn er ist gut und liebt mich wie ich ihn liebe, selbst, wenn dies nicht wäre, hätte er keine Macht, meine Wahl zu beschränken. Das wird für den Verleumder, der es gewagt, sich in das Geheimnis der Liebe zu drängen, die beste Strafe sein, besser noch als wenn ich mein Leben gegen das seine wagte, wobei doch der Einsatz vielleicht zu ungleich wäre. Der Höhe,« fügte er stolz sich aufrichtend hinzu, »auf der du an meiner Seite stehen sollst, wird sich niemand mehr zu nahen wagen.« O mein Giuliano,« sagte Fioretta, indem sie vor ihm auf die Knie niedersank, »ich bin eines solchen Opfers nicht wert, ich bitte dich, geh deinen Weg und laß mich in meiner Dunkelheit, welche die Erinnerung an meine Liebe erleuchten wird.«

»Niemals,« rief Giuliano, »niemals würde ich dich verlassen, auch wenn das heilige Band, das uns verknüpft, für Zeit und Ewigkeit lösbar wäre – du hast mein Gelübde gehört, daß ich die Welt des Glanzes und Stolzes meiden will, bis du an meiner Seite stehst und sie vor dir sich beugen muß. Ich werde dies Gelübde halten und nur drei Tage verlange ich von dir, um unsere Liebe, die bisher im süßen Dämmerlicht blühte, dem hellen Sonnenstrahl zuzuführen. Jetzt kein Wort weiter – noch einmal wollen wir im Schatten des Geheimnisses der Vergangenheit gedenken, dann soll eine strahlende Zukunft sich unserem Leben öffnen.«

Er faßte ihre bittend zu ihm erhobenen Hände, zog die Zitternde zu sich hinauf, um sie in inniger Umarmung an seine Brust zu drücken.

Antonio trat ein und blieb lächelnd auf der Schwelle stehen.

Giuliano eilte ihm entgegen.

Er erzählte dem Freunde kurz und hastig, was geschehen und was er beschlossen und gelobt hatte.

»Du hast recht, Giuliano, tausendmal recht,« rief Antonio, »dies Geheimnis mußte ja doch enden und je schneller du ein Ende machst, desto besser ist es. Aber,« sagte er dann mit finsterer Miene, »ich bin zu sorglos gewesen, da es möglich war, daß dieser Freche hier eindringen konnte, ich werde Wache aufstellen hier rings im Garten und bei Gott! wenn sie ihn fangen, so soll er als diebischer Einbrecher seiner Strafe nicht entgehen.«

»Thue das,« sagte Giuliano, »um Fiorettas willen – ich will ihn nicht kennen und nicht rückwärts blicken, wo so holdes Glück mir entgegenblüht – heute wollen wir weder der Vergangenheit grollen, noch der Zukunft bangen.

Ich habe mich als unpäßlich von dem Fest zurückgezogen, das heute im Hause der Pazzi für den Kardinal stattfindet und ich werde auch morgen noch zu leidend sein, um bei dem Frühmahl in unserem Hause zu erscheinen. Fioretta mag mir diese Unwahrheit verzeihen, die ich begangen, um bei ihr sein zu dürfen, künftig werden wir solcher Mittel nicht mehr bedürfen.«

Er führte Fioretta, welche unter seinem zuversichtlichen Blick ihr kindlich heiteres Lächeln wiedergefunden hatte, noch einmal nach dem Schlafzimmer, um den kleinen Guiliano zu sehen und mit über das Haupt des Kindes gefalteten Händen ein Abendgebet zu sprechen.

Antonio hatte inzwischen schnell die draußen bereits hergerichtete Tafel hereintragen lassen und bald saßen die drei so heiter und glücklich beisammen, als ob keine finstere Wolke mehr die Sonne der Zukunft verberge.


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