Oskar Meding
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Oskar Meding

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VIII.

Nach Cosimos Rückkehr herrschte große Freude im Hause Tornabuonis. Die Verlobung des jungen Rucellai mit der Marchesina Giovanna von Malaspina wurde verkündet und die Hochzeit sollte im Anfange des Sommers stattfinden.

So hoch auch die Medici und ihre ganze nähere Verwandtschaft in Achtung standen, so war doch die Verschwägerung mit dem Hause Malaspina von Fosdinuovo, das zu den vornehmsten Geschlechtern Italiens gehörte, ein allen erfreuliches und ihrem Stolz und Ehrgeiz schmeichelndes Ereignis.

Der Palast der Medeceischen Bank entfaltete bei der Verkündigung der Verlobung des jungen Paares den höchsten Glanz seiner Festräume und die vornehmste Gesellschaft Roms versammelte sich, um der Feierlichkeit beizuwohnen.

Auch Girolamo Riario war erschienen und bezeigte dem Brautpaar die freundschaftlichste und liebenswürdigste Aufmerksamkeit.

Auch Francesco Pazzi fehlte nicht, er brachte Giovanna in wohlgesetzter Rede seine Glückwünsche, welche diese verlegen und errötend anhörte und hatte auch für Cosimo, den er sonst hochmütig wie einen Knaben zu behandeln gewohnt war, freundliche und herzliche Worte der Teilnahme, so daß auch Giovanna glaubte, er habe die Vergangenheit vergessen oder sie selbst habe ihn vielleicht mißverstanden und eine galante Schmeichelei zu ernst genommen.

Mit Tornabuoni sprach er offen und frei, er drückte ihm sein Bedauern aus, daß der Papst den Medici das Schatzmeisteramt abgenommen.

»Lorenzo hat selbst Schuld daran,« sagte er, »sein Haus steht zu hoch und zu mächtig da, als daß der Papst die Weigerung der verlangten Summe nicht hätte als eine Kränkung aufnehmen sollen, uns aber könnt Ihr's nicht übel deuten, wenn wir die uns von seiner Heiligkeit erwiesene Gnade dankbar angenommen haben und lieber das Schatzmeisteramt einem florentinischen Hause sichern, als es etwa in ganz fremde Hände übergehen zu lassen.«

»Ihr habt recht gehabt« – erwiderte Tornabuoni, »freilich habt Ihr eine Last auf Euch genommen, die uns oft peinlich geworden ist, der Papst stellt hohe Anforderungen, die oft unsere Kräfte überstiegen und wir sind in unseren Geschäften freier, wenn wir uns unabhängig durch irgend welche Rücksichten bewegen können. – An unserer Ergebenheit für den heiligen Stuhl zu zweifeln, hat übrigens Seine Heiligkeit keinen Grund und wir werden stets beweisen, daß wir für ihn thun, was in unseren Kräften steht.«

Die Sache war damit zwischen beiden abgemacht und das Festmahl verlief in allgemeiner Heiterkeit, da auch der Papst selbst durch den Kardinal Orsini dem Brautpaar seine Glückwünsche gesendet hatte, freilich mit besonderer Betonung der treuen Ergebenheit, welche das Haus Malaspina der Kirche und ihrem Oberhaupte stets bewiesen.

Nach Aufhebung der Tafel, während in den Nebensälen die Musikaufführungen von den vorzüglichsten Sängern und Sängerinnen Roms stattfanden, zog der Graf Girolamo Tornabuoni in ein kleines Seitenkabinett.

»Mein lieber Freund,« sagte er, »es ist mir ein Bedürfnis, Euch zu sagen, daß der unangenehme Zwischenfall meine Gesinnungen für Euch und das Haus der Medici nicht verändert hat, ich beklage es, daß Lorenzo in seinem Eigensinn, – denn Ihr müßt gestehen, daß es ein Eigensinn war, – wenn er die von Seiner Heiligkeit geforderte Summe nicht beschaffen wollte –«

»– nicht beschaffen konnte« – fiel Tornabuoni ein.

»Gut,« sagte Riario lachend, »ich will darüber nicht streiten, Ihr müßt wohl so sprechen, aber glauben werde ich es dennoch nicht, daß eine solche Summe für die Medici unerschwinglich gewesen sei. Doch gleichviel, die Sache ist erledigt, ich werde darum als Herr von Imola nicht minder der florentinischen Republik ein guter Nachbar sein und Montesecco, der dort meine Truppen befehligen soll, wird sich in allem an Lorenzos Rat halten. Ich beklage es tief, daß dies alles stattgefunden hat, der Papst ist erzürnt und hat seinem Unmut in der Übertragung des Schatzmeisteramtes an das Haus Pazzi Ausdruck gegeben, das läßt sich jetzt nun nicht mehr ändern, aber mir liegt daran, daß in allem übrigen das getrübte Einverständnis wieder hergestellt werde, denn weder der heilige Stuhl, noch die florentinische Republik, noch die Medici können von einer dauernden und dann auch stets wachsenden Verstimmung Vorteil haben.«

»Gewiß nicht,« sagte Tornabuoni seufzend, »und ich werde meinerseits, wie ich Eurer Excellenz schon sagte, gern und eifrig alles thun, um den Mißklang verschwinden zu lassen.«

»Das wird schwer sein, mein lieber Freund,« sagte Girolamo achselzuckend, »Ihr werdet es begreifen, daß der Papst nicht Unrecht haben will und auch wenn er das Vorgefallene bedauert, kein Unrecht einräumen kann. Es giebt nur ein Mittel, alles wieder auf die freundlichste Weise in das richtige Gleis zu bringen –«

»Und das wäre?«

»Der schleunigste Besuch Lorenzos hier in Rom – Ihr wißt selbst, wie freundlich der Papst für ihn gesinnt war und wie hoch er seinen Charakter und seine glänzenden Eigenschaften schätzt. Wenn Lorenzo kommt, so bürge ich dafür, daß der Papst ihn empfängt und ich bin gewiß, daß der persönliche Verkehr alle Differenzen, die sich in der Entfernung immer mehr verschärfen, aufklären und erledigen wird. Lorenzo wird kaum nötig haben, ausdrücklich ein Unrecht anzuerkennen oder abzubitten, es wird sich alles von selbst machen und nicht nur für uns alle hier, sondern auch für ganz Italien wird die Wiederherstellung der alten freundlichen Beziehungen ein großes Glück sein.«

»Gewiß,« stimmte Tornabuoni lebhaft bei, »gewiß wird Lorenzos warme und klare Beredsamkeit Seine Heiligkeit davon überzeugen, daß bei allem, was seinerseits geschehen, kein Mangel an Ehrerbietung und Dienstbereitwilligkeit gegen den heiligen Stuhl zu Grunde gelegen hat. Doch es wird schwer sein, Lorenzo unter diesen Umständen zu einer Reise hierher zu bewegen, er ist stolz, weniger noch für sich als für die florentinische Republik und wird sein Erscheinen hier nach der offenen Ungnade, die der Papst vor den Augen aller Welt über ihn verhängt hat, als eine Demütigung empfinden.«

»Er soll sich überzeugen,« rief Girolamo, »daß davon keine Rede ist und daß ihm hier alle Ehre erwiesen wird, die er sowohl persönlich wie als Vertreter der florentinischen Republik in Anspruch nehmen kann, ich selbst werde ihm schreiben und ich bitte Euch nur, daß Ihr meine Einladung unterstützt und im gleichen Sinne auf ihn einwirkt.«

»Das soll geschehen,« erwiderte Tornabuoni, »und ich wünsche von Herzen, daß es gelingen möge, ihn zu der Reise zu bewegen, wenn Ihr versichert, daß ihn hier keine unangenehme Aufnahme erwartet.«

»Das versichere ich Euch,« rief Girolamo, »auf mein Wort, ich schwöre Euch, daß durch seinen Besuch hier alle Streitigkeiten, die Euch und uns das Leben verbittert haben, für immer ihr Ende finden sollen.«

Die Worte des Grafen hatten einen seltsamen Klang, der Tornabuoni aufhorchen ließ. Aber Girolamos Gesicht war so heiter, als ob er nur von inniger Freude bewegt sei, einen Ausweg aus der peinlichen Verwickelung gefunden zu haben.

»Gut denn,« rief er, Tornabuonis Hand drückend, »so ist alles abgemacht und ich werde stolz und glücklich sein, sowohl dem heiligen Stuhl als der florentinischen Republik einen für ganz Italien wichtigen Dienst geleistet zu haben.«

Er drückte Tornabuoni die Hand und kehrte zur Gesellschaft zurück.

Tornabuoni sah ihm kopfschüttelnd nach.

»Wenn ich ihm trauen könnte,« sagte er, »aber ich vermag es nicht – weder ihm noch Francesco Pazzi, noch auch dem Papst selbst vermag ich freundliche Gesinnungen für uns beizumessen. Lorenzo hier allein unter den allmächtigen Feinden, welche wohl schon Kühneres gewagt haben – es ist furchtbar daran zu denken, aber ich vermag es nicht, ihm zu raten, ich muß zur Vorsicht mahnen, mag er selbst entscheiden.«

Girolamo hatte sich in den Musiksaal begeben, in welchem eben ein vierstimmiger Gesang vorgetragen wurde.

Francesco Pazzi stand in der Thür.

»Er wird kommen,« sagte ihm der Graf lebhaft, ohne unter den Klängen der Musik seine Stimme besonders zu dämpfen – »er wird kommen, wir werden ihn in unseren Händen haben.«

Francesco legte die Hand auf des Grafen Arm und sah ihn mit einem warnenden Blick an.

Hinter ihm standen Acciaiuoli, augenscheinlich vertieft in das Anhören der Musik.

»Bah,« flüsterte Girolamo, »man hört hier nichts und was man hören möchte, kann man nicht verstehen.«

Er nahm Francescos Arm und beide zogen sich, in leisem Gespräch, in eine Fenstervertiefung zurück. Acciaiuoli trat auf die Thürschwelle und verschwand dann unbeachtet im Nebenzimmer.

Er begegnete Tornabuoni, der, noch in Nachdenken versunken, nach dem Musikzimmer zurückkehrte.

Mit gleichgültiger Miene trat Acciaiuoli zu ihm heran.

»Ihr hattet den Grafen Riario soeben gesprochen?« fragte er.

»So ist's,« erwiderte Tornabuoni, sich vorsichtig umblickend, ob niemand in der Nähe sei, der ihn hören könne – »er wünscht das gute Einvernehmen wieder herzustellen und glaubt dafür bürgen zu können, daß der Papst dazu die Hand bieten werde – er will Lorenzo einladen, hierher zu kommen und hat mich gebeten, diese Einladung zu unterstützen – vielleicht hat er recht – persönlich gleicht sich Vieles besser aus als schriftlich und –«

»Nein,« rief Acciaiuoli lebhaft, »das darf nicht sein, Lorenzo hier in den Händen seines Feindes, der von dem Löwen die Macht und die Tücke hat – die Spur würde aus der Höhle nicht wieder hinausführen.«

»Sollten sie es wagen?« fragte Tornabuoni, »das wäre eine Herausforderung der Republik.«

»Was ist die Republik ohne Lorenzo? – Giuliano könnte ihn nicht ersetzen und sein Leben ist zu kostbar, um es in solchem Wagnis aufs Spiel zu setzen: – Er würde sicher verloren sein und die Republik nach ihm.«

Er beugte sich zu Tornabuoni und flüsterte ihm einige Worte ins Ohr.

Tornabuoni erbleichte und sah ihn entsetzt an.

»Es ist wie ich Euch sagte,« flüsterte Acciaiuoli, »ich habe scharf gehört, auf nichts anderes können sich die Worte des heimtückischen Girolamo bezogen haben. – O wie würden sie triumphieren, wenn ihnen ein solcher Streich gelänge, Lorenzo darf nicht kommen, Ihr müßt im gleichen Sinn ihm schreiben, wie ich.«

»Das soll geschehen« – sagte Tornabuoni schaudernd.

»Mein Gott, wie sollte man es glauben, daß ein solcher Anschlag ersonnen werden könne unter dem Schutze desjenigen, der sich den Statthalter Christi auf Erden nennt.«

»Ich glaube nicht, daß der Papst darum weiß,« entgegnete Acciaiuoli, »er ist vielleicht wirklich geneigt zu einem persönlichen Ausgleich, der ja auch wohl für beide Teile das Beste wäre und der meuchlerische Dolch des Grafen Girolamo würde auch wohl des apostolischen Segens entbehren können.«

»Gleichviel,« sagte Tornabuoni, »es giebt auch Gefängnisse in Rom, in denen man auf wunderbare Weise stirbt – jedenfalls sind wir einig, daß Lorenzo nicht kommen darf.«

»Vollkommen einig,« sagte Acciaiuoli, »heute noch soll ein Kurier nach Florenz abgehen, um womöglich vor dem Boten Girolamos dort anzukommen.«

Er nahm Tornabuonis Arm und trat mit ihm gemächlich, wie in leichter heiterer Plauderei, in den Musiksaal zurück.

Der Vortrag war beendet.

Tornabuoni begab sich zu dem Sänger, um ihm in schmeichelhaften Worten seinen Dank und Anerkennung auszudrücken.

Noch stand Girolamo mit Francesco Pazzi in der Fenstervertiefung.

»Ich bürge für das Gelingen,« sagte Francesco, der dem Grafen aufmerksam zugehört hatte, »wenn Ihr nur einen sicheren Mann hier habt, der seines Stoßes gewiß ist – ist Lorenzo beseitigt, dann werden wir mit Giuliano dort in Florenz schon fertig werden und endlich wird Florenz von seinem Tyrannen befreit sein.«

»Und Ihr,« sagte Girolamo lachend, »werdet auch Eure Rechnung dabei finden, ich weiß es ja, daß Ihr närrisch in diese kleine Marchesina Giovanna verliebt seid, die Euch in kindischer Thorheit diesen unreifen Rucellai vorgezogen hat. Sind diese Medicis nur erst von ihrer Höhe herabgestürzt, dann wird der alte Malaspina, wie ich ihn kenne, kaum mehr geneigt sein, die Hand seiner Tochter einem unbedeutenden Knaben zu geben –«

Eine düstere Freude flammte in Francescos Blicken.

»– einem geächteten,« ergänzte er des Grafen Worte, »denn sind einmal die demagogischen Tyrannen zerschmettert, dann bei Gott soll auch für ihre Sippschaft kein Platz mehr in Florenz sein.«

»Um so besser,« sagte Girolamo, sich die Hände reibend, »das ganze Nest muß ausgeräuchert werden und der alte Malaspina, der es schon bedauern wird, sich durch seine älteste Tochter mit den Soderini verbunden zu haben, wird zu dem Bunde mit den Pazzi dann freudig die Hand reichen und Ihr werdet es dann wohl verstehen, diese kleine Widerspenstige zu zähmen und sie ihren flaumbärtigen Cosimino vergessen zu lassen.«

Francesco lachte hochmütig, sein unheimlicher Blick streifte zu Giovanna hin, welche die Hand auf Cosimos Arm gestützt, inmitten einer Gruppe von Gästen stand und strahlend vor Stolz und Glück die Huldigungen anhörte, welche ihr von allen Seiten dargebracht wurden. Nachdem das Fest zu Ende war, zog sich Tornabuoni mit Acciaiuoli in sein Arbeitszimmer zurück.

Beide setzten in Gemeinschaft ein langes Schreiben auf, mit welchem noch in der Nacht einer der stets bereitstehenden Boten den Ritt nach Florenz antrat.


In Florenz war das Leben ruhig und gleichförmig seinen Weg gegangen.

Lorenzo de' Medici betrieb neben den Staatsgeschäften, welche bei der augenblicklichen politischen Lage keine besonderen Anstrengungen erforderten, eifrig die Vorbereitungen für die Bauten in Poggio Cajano und seinen übrigen Landsitzen und widmete sich gelehrten Studien mit geistreichen Männern, unter denen Politiano, der Erzieher seines ältesten Sohnes, eine hervorragende Stelle einnahm.

So ging das Osterfest vorüber, und die Stadt Florenz bereitete sich vor, im Schmuck der Frühlingsblüten ihren vollen Zauber zu entwickeln, denn zahlreiche vornehme Gäste sollten dort zu den bevorstehenden Festen zusammentreffen.

Der junge Kardinal Raffaello Riario, des Papstes Großneffe, hatte seinen Besuch angesagt. Graf Girolamo, sein Oheim, wollte, nachdem er den Besitz von Imola angetreten, mit diesem Neffen, der für die Legation in Perugia bestimmt war, in Florenz zusammentreffen, und auch der Erzbischof Francesco Salviati, der nun endlich sein Amt in Pisa übernommen, wollte erscheinen, um den Kardinal zu begrüßen.

Das gastfreie Haus der Medicäer rüstete sich, den hohen Kirchenfürsten und Nepoten des Papstes würdig zu empfangen, und das Volk freute sich auf die Prachtentfaltung, welche bei dieser Gelegenheit seiner stets regen Schaulust eine hohe Befriedigung versprach. Auch die Markgräfin von Malaspina war mit ihrer Tochter Giovanna von Rom nach Florenz gekommen, um dort die Vorbereitungen für die zum Sommer geplante Vermählung des Brautpaares zu treffen, und im Palast der Medicäer abgestiegen. Cosimo Rucellai hatte die Damen begleitet, und die Anwesenheit des jungen glücklichen Paares brachte frohes Leben mit sich.

Francesco Pazzi war schon früher wieder nach Florenz gekommen in geschäftlichen Angelegenheiten seines Hauses und in dem Palazzo dei Pazzi sollte auch der Erzbischof Salviati als Verwandter glänzende Aufnahme und Willkommen finden.

An einem schönen Frühlingstage ritt Lorenzo de' Medici, von wenigen Dienern begleitet, nach seiner Besitzung zu Casagiolo, um dort neu angelegte Kulturen zu besichtigen. Es war dies ein einfacher Landsitz, aber selten schön gelegen auf sanfter Höhe am Abhang der etruskischen Apenninen, und bot in dieser Jahreszeit das wunderbar liebliche Panorama des blühenden Geländes. Lorenzo war sonst wenig hier, aber aus Pietät für seinen Großvater Cosimo, den Begründer der Macht seines Hauses, pflegte er diese Besitzung mit besonderer Sorgfalt, denn es war Cosimos Lieblingssitz gewesen, der scherzend zu sagen pflegte, daß von hier aus sein Auge nur sein Eigentum überschaue. Nachdem er Felder und Weinberge besichtigt, kehrte er ins kühle Haus zurück, und begab sich in ein Gemach, das, mit dem Bilde Cosimos geschmückt, ihn zu wehmütiger Erinnerung stimmte. Sinnend trat er an das grün umrankte Fenster, um sich an der herrlichen Aussicht zu erfreuen, und schien befremdet, als er von der Landstraße nach Imola her einen Reiter, von Dienern gefolgt, den Hügel heraufsprengen sah. Wenige Augenblicke später meldete ein Diener, der Capitano de Montesecco bäte um die Erlaubnis, Seine Magnificenz begrüßen zu dürfen. Einen Augenblick durchzuckte Lorenzo die Erinnerung an die ihm von Tornabuoni gesendeten Warnungen und der Gedanke an irgend einen geplanten Handstreich, aber er lächelte über solche Anwandlung und befahl den Gemeldeten einzuführen.

Montesecco trat ein, sich tief verbeugend, den Hut in der Hand, in der kleidsamen Reitertracht jener Zeit, die noch keine Uniformen kannte. »Ich bitte Eure Magnificenz um Verzeihung,« sagte er, »daß ich Euch in Eurer Muße störe, ich sah das Banner auf dem Dach dieses Hauses, das Eure Anwesenheit kund thut, wehen und wollte nicht verfehlen, mich gleich bei Euch zu melden. Mein erlauchter Herr, der Graf Girolamo Riario befahl es mir, und soll ich Bericht erstatten über die Sendung, die mich nach Imola geführt hat.«

»Ich danke Euch,« erwiderte Lorenzo artig, »und freue mich, einen Kriegsmann kennen zu lernen, dessen Name rühmlich genannt wird, auch hörte ich von Eurem Kommen nach Imola, und daß ihr Truppen in großer Zahl dort zusammen zieht.«

Forschend ließ er seine Blicke auf dem Capitano ruhen, der ruhig erwiderte: »Die Zeiten sind wechselnd und der Graf Riario möchte Sicherheit schaffen, um sein neues Besitztum auch fest in der Hand zu haben, wenn unbotmäßige Unterthanen oder Nachbarn es ihm zu bestreiten wagen sollten. Er übersendet durch mich Eurer Magnificenz den Plan der Befestigungsarbeiten von Imola und ein Verzeichnis der angeworbenen Truppen, in der Hoffnung, daß dies Eure Teilnahme erregen wird, da ja seine Stellung in Imola auch für die florentinische Republik von Bedeutung ist. Der Herr Graf hegt für Euch, erlauchter Herr, Freundschaft und Ergebenheit, und ich soll Euch die Versicherung geben, daß Ihr an ihm stets einen guten und getreuen Nachbar haben werdet, auf den ihr rechnen könnt.«

»Daran zweifle ich nicht,« sagte Lorenzo mit kühler Artigkeit, »da Graf Riario mich mehrfach schon seiner freundlichen Gesinnungen versichert hat, Ihr bestätigt Sie mir und das freut mich, das von einem tapferen Kriegsmann zu hören, den ich nun persönlich kennen gelernt.« Er reichte mit edlem freien Anstand dem Capitano die Hand, die dieser, nachdem er die Handschuhe ausgezogen, mit tiefer Verneigung ergriff.

Ein Diener trat ein und meldete, daß die Tafel bereit sei, und Lorenzo forderte seinen Besuch auf, sein Gast zu sein. Die Thüren wurden geöffnet und beide traten in das Speisezimmer, wo die Tafel mit Silber und Krystall reich besetzt, bereit stand.

Mit der ihm eigentümlichen Sicherheit und Gewandtheit führte Lorenzo die Unterhaltung. Durch seine Freundlichkeit ermutigt, trat auch Montesecco aus seiner Zurückhaltung hervor, und erzählte von seinen wechselnden Kriegserlebnissen. Der feurige Wein, der seit Cosimos Lebzeiten in den Kellern geruht, funkelte in den Gläsern und belebte und erhöhte die Stimmung. Nach der Tafel wurden die Pferde vorgeführt, und Lorenzo bat scherzend seinen Gast, ihn auf dem Heimweg nach Florenz zu beschützen.

Freudig stimmte Montesecco zu und rief, an den Degen schlagend:

»Gegen alle Räuber wollt ich Euch schützen, edler Herr, und bei Gott, stände ich in Eurem Dienst, so solltet Ihr von allen Euren Feinden nichts zu fürchten haben.«

»Nun,« sagte Lorenzo lächelnd, »was heut nicht ist, kann künftig werden! Die Republik Florenz kann tapfere Kriegsleute brauchen. – Wollt Ihr mein Gast sein in Florenz?«

Etwas befangen, fast unmutig, erwiderte Montesecco: »Verzeihung, edler Herr, dies allzu gütige Anerbieten kann ich nicht annehmen. Ich muß bei meinen Soldaten, die den Kardinal geleiten, mein Quartier nehmen.«

»Ihr habt recht,« erwiderte Lorenzo, »doch mein Haus steht Euch stets offen, wenn Euch Euer Weg wieder nach Florenz führt.«

Lorenzo stieg zu Pferde, auch Montesecco schwang sich in den Sattel und, von den Dienern gefolgt, ritten sie den Hügel hinab, zu der nach Florenz führenden Straße hin.

Lorenzo war heiter und führte während des ganzen Weges mit Montesecco eine lebhafte und anregende Unterhaltung. Dieser erzählte, daß Carlo Manfredi, der Herr der an Imola stoßenden Grafschaft Faenza, schwer erkrankt sei und daß der Graf Girolamo ihm den Auftrag erteilt habe, mit der Familie Manfredi über den Verkauf einesteils ihrer Besitzungen an den Grafen zu verhandeln, er habe Entgegenkommen für die Wünsche des Grafen Girolamo gefunden; er wisse aber wohl, daß der Graf auch bei diesen Verhandlungen hohen Wert darauf legen werde, Lorenzos Zustimmung und womöglich wohlwollende Unterstützung zu erlangen. »Der Graf hat sich vorbehalten,« sagte er, »mit Eurer Magnificenz selbst über den Gegenstand zu sprechen, aber da mir nun die Ehre zu teil geworden ist, bei Euch so bereitwilliges Gehör und eine so freundliche Gesinnung für den Herrn Grafen zu finden, so meine ich, daß es gut ist, wenn ich Euch sogleich auch von diesen Plänen und Wünschen meines Herrn unterrichte.«

Lorenzo ritt einige Augenblicke schweigend weiter, dann sagte er mit Nachdruck:

»Ich danke Euch für Eure offene Mitteilung, tapferer Capitano und meine, Ihr seid ein kluger und geschickter Unterhändler für die Sache Eures Herrn. Ich sage Euch offen, hätte ich das, was Ihr mir mitgeteilt, auf anderem Wege erfahren, so würde es mich vielleicht betroffen gemacht haben, Euer Bericht aber beweist mir, daß Ihr bei Euerm Herrn nicht die Absicht voraussetzt, ein verdecktes Spiel zu treiben. – Ich will Euch also ebenso frei und offen meine Meinung sagen und vielleicht werdet Ihr durch die Mitteilung derselben dem Grafen einen Dienst leisten. Durch die Erwerbung noch eines Teiles der Besitzung von Faenza würde der Graf, in dessen Händen sich schon Imola befindet, ein gar mächtiger Nachbar der florentinischen Republik werden, mit Nachbaren aber muß man in einem klaren Verhältnis stehen. Will der Graf ein guter und treuer Nachbar sein, so wird er für alle seine Pläne meine Zustimmung und auch meine volle und kräftige Unterstützung finden – müßte ich fürchten, daß er jemals mein Feind werden könnte, so müßte ich jetzt schon ihm entgegentreten.«

»Und wodurch,« fragte Montesecco, »kann der Graf Eurer Magnificenz die Aufrichtigkeit seiner guten und freundschaftlichen Gesinnung beweisen?«

»Die Gesinnung beweist sich am besten durch die That,« erwiderte Lorenzo, »wenn Graf Girolamo hier ein so mächtiger Grundherr wird, so wird er, um als unser Freund zu gelten, dem Bunde beitreten müssen, den wir mit Mailand und Venedig geschlossen haben, denn auch meine Verbündeten werden der Gesinnungen des neuen Nachbarn sicher sein wollen.«

»Aber,« sagte Montesecco, »ist der Bund, von dem Eure Magnificenz spricht, nicht gegen Seine Heiligkeit den Papst, gerichtet?«

»Durchaus nicht,« erwiderte Lorenzo, »das ist es, was unsere Feinde dem Papst glauben machen wollen, wir stehen in Ehrfurcht und Ergebenheit zu dem apostolischen Stuhl und wollen nur unsere Selbständigkeit bewahren, wenn etwa am römischen Hofe, ganz unabhängig von der Person des heiligen Vaters, die Neigung vorhanden wäre, uns zu schwächen oder gar zu unterdrücken. Freie und ergebene Freunde sind eine bessere Stütze des heiligen Stuhls, als es murrend gehorchende Unterthanen sein könnten; außerdem muß Graf Girolamo bedenken, daß das Leben des heiligen Vaters, seines Oheims, so sehr ich auch Gott um die Erhaltung desselben bitte, doch durch die Natur begrenzt ist und daß ein Nepote des gegenwärtigen Papstes, der bei dessen Nachfolger ja vielleicht eine wenig begünstigte Stellung haben wird, als Besitzer der großen Herrschaft, die er in seiner Hand zusammen bringen will, für sich selbst sehr weise handelt, wenn er auch außerhalb Roms einen dauernden Anhalt in kräftigen und unabhängigen Bundesgenossen sucht, die von dem Wechsel in der Person des Papstes unabhängig sind.«

»Ihr habt recht, bei Gott, Ihr habt recht, erlauchter Herr,« rief Montesecco, »Eure Staatsklugheit blickt weiter als alle anderen.«

»Wenn der Graf Girolamo also,« fuhr Lorenzo fort, »in ein festes Bündnis zu uns treten will, so wird er auch ohne Zweifel gern die Hand bieten, um die Mißverständnisse, welche zwischen mir und dem Papst zu meinem Schmerz entstanden sind, aufzuklären und zu beseitigen und wem könnte das besser gelingen als ihm, der in so hohem Grade die Zuneigung und das Vertrauen seines ehrwürdigen Oheims besitzt. Dies sind also die Bedingungen einer freundlichen Nachbarschaft und demnach meiner vollen rückhaltlosen Unterstützung aller Pläne und Wünsche des Grafen Girolamo.«

»Und das darf ich dem Grafen schreiben?« fragte Montesecco freudig.

»Jedes Wort, das ich zu Euch gesprochen,« erwiderte Lorenzo, »würde ich dem Grafen selbst sagen, vielleicht wird er meine Meinung durch Euch lieber hören, da er ruhiger darüber nachdenken kann, bis er hierher kommt – ich werde mich freuen, wenn es Euch gelingt, zwischen mir und dem Grafen die politischen Beziehungen so zu gestalten, daß sie meiner persönlichen Gesinnung für ihn entsprechen.«

»Ich werde alles, was mir Eure Magnificenz gesagt, treulich berichten,« erwiderte Montesecco, »und wünsche, daß Eure Magnificenz Aufrichtigkeit und Weisheit meinen Herrn ebenso überzeugen mögen wie mich.«

Er ritt eine Zeit lang schweigend neben Lorenzo hin, der sein Pferd schnell ausgreifen ließ, fast schien es, als ob er noch etwas auf dem Herzen habe, aber bald begann Lorenzo wieder ein heiteres und anregendes Gespräch und bot ihm keine Gelegenheit, auf den eben berührten Gegenstand wieder zurückzukommen.

Die Dunkelheit war völlig herabgesunken. Die Diener hatten die Fackeln angezündet, als sie in die Stadt einritten.

Lorenzo verabschiedete sich artig von dem Capitano, als ihre Wege sich trennten und Montesecco ritt nachdenklich nach der Vorstadt hin, in welcher das Haus des Antonio de San Gallo lag.


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