Oskar Meding
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Oskar Meding

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XI.

In der Vorstadt, nicht weit von Antonios Hause, lag etwas abwärts von der Straße eine einfache Osteria, ein niedriges, aber ziemlich geräumiges Haus, zu dem man durch ein in einer hohen Mauer befindliches Thor eintreten mußte, das stets geschlossen war und nur auf den Klang einer von außen zu ziehenden Glocke sich öffnete.

Man konnte dem Wirt dieser etwas abgelegenen Osteria, Meister Luigi Lodini, keinen Vorwurf machen, er erfüllte pünktlich seine Bürgerpflichten, hörte regelmäßig die Messe in seiner Parochialkirche und spendete, wo sich Veranlassung dazu bot, gern und freigebig für die Armen. Dennoch aber gingen die Meisten am Abend schnell und ängstlich an dem äußeren Gartengitter dieses abgelegenen Gasthauses, das mit seiner verschlossenen Mauerpforte einer Art von Kloster glich, vorbei, und fast niemals suchten Reisende aus dem Bürger- und Kaufmannsstande, welche in der Stadt keine befreundeten Familien hatten, die Osteria auf, die als Wahrzeichen einen hölzernen, vergoldeten Becher über der Thürwölbung trug.

Es versammelten sich hier meist am Abend Soldaten von der Besatzung der Stadt und auch Söldner, welche sich irgendwo anwerben zu lassen wünschten, nahmen hier Quartier und fanden bei dem gewandten und diensteifrigen Luigi stets Auskunft, wohin sie sich zu wenden hätten, um ihren Waffendienst vorteilhaft zur Verfügung der großen Herren zu stellen, die irgendwo eine Fehde auszufechten hatten und als nachsichtig bei Plünderungen galten.

Man erzählte sich wohl, daß die oft reiche und kostbare Beute aus solchen Plünderungen, bei dem Wirte der Osteria zum goldenen Becher leichte und vorteilhafte Abnahme fände und es wurden dort, wie es hieß, reiche Beutestücke zum Einsatz bei eifrigem Würfelspiel gemacht und wurden dabei dann auch zuweilen die Gegenstände heftigen und auch wohl blutigen Streits. Vorübergehende hatten zu später Abendstunde Waffenklirren und auch wohl Weherufe wie von schwer Verwundeten gehört, aber niemals war von solchen Vorgängen etwas durch das feste Thor der Hofmauer hinausgedrungen und jeder, der am Tage Luigi Lodini in seinem Hause besuchte, konnte ihm nur das Zeugnis geben, daß dort eine streng musterhafte Ordnung herrsche.

An dem Tage, an welchem der Kardinal Raffaello seinen Einzug in Florenz hielt, mußte Luigi ein besonders gutes Geschäft machen, denn eine große Zahl von Gästen hatte sich in der Stunde der herabsinkenden Dunkelheit dort eingefunden, bald von der einen, bald von der andern Seite heranschreitend.

Es waren lauter kräftige Gestalten mit wettergebräunten Gesichtern und soldatisch gestutzten Bärten.

Alle trugen große Reisesäcke über der Schulter und schienen nach Aussehen und Haltung irgendwo entlassene Soldaten zu sein, welche neue Anwerbungen suchten.

Es war dies ganz natürlich, da sich weithin die Kunde verbreitete, daß der Graf Giolamo Riario in seiner neu erworbenen Stadt Imola eine starke Besatzung unter Führung des rühmlich bekannten Capitano de Montesecco zusammenziehen wollte und einzelne dieser Männer fragten wohl auch einen Begegnenden nach der Osteria zum Goldenen Becher, in welcher man Kunde über die Unterkunft von dienstlosen Soldaten finden könne. Die meisten aber schienen des Weges kundig zu sein und gelangten unbemerkt nach der verschlossenen Osteria, da fast alle Bewohner von Florenz sich nach dem Innern der Stadt zusammengezogen hatten, um die vornehmen und reich geschmückten Gäste zu sehen, welche sich nach dem Hause der Pazzi begaben.

Die Thür der Osteria öffnete sich auf jeden Glockenzug sogleich und der vorsichtig hinausblickende Luigi führte seine Gäste nach den für sie bestimmten Wohnzimmern, welche immer für zwei oder drei zugleich eingerichtet waren und vortreffliche Betten mit Strohpolstern enthielten.

Die Angekommenen zogen aus ihren Reisesäcken büffellederne Koller, Brustharnische, Sturmhauben, mächtige Stoßdegen und Dolche und legten dieselben sorgsam neben ihrer Lagerstatt nieder, worauf sie sich dann, von Luigi geführt, in das große Gastzimmer begaben, um sich den dort bereits fröhlich Schmausenden und Zechenden anzuschließen.

Eine Zeitlang schon hatte der Zuzug der Gäste aufgehört und in dem Gastzimmer wurde die Unterhaltung immer lauter und lustiger, als von dem Wege nach Imola her ein Reiter in einen dunklen Mantel gehüllt, den Hut tief in das Gesicht gedrückt, heranritt und, sich vom Pferde herabbeugend, den Glockenzug bewegte.

Sogleich öffnete sich die Thür und spähend beugte sich die magere und sehnige Gestalt des Wirts vor.

Sein Wams, von weißem Leinen, war durch einen schmalen Gürtel zusammengehalten, er trug sandalenartige Schuhe, mit bis zum Knie heraufgebundenen, weichen Lederriemen und ein Käppchen auf dem kurz geschnittenen Haar, ganz die Tracht, in welcher man alle Wirte der Osterien zu sehen gewohnt, aber sein braunes, scharf geschnittenes Gesicht mit dem dunklen Spitzbart und den listig blickenden Augen ließen ihn mehr als einen jener wandernden Berufssoldaten erscheinen, denen er Herberge zu geben pflegte und das starke Dolchmesser in seinem Gurt, um dessen Griff er die Hand gespannt hatte, zeigte, daß er bereit und gewärtig sei, einem unwillkommenen Gast den Eintritt zu verwehren.

Beim Anblick des Reiters aber neigte er sich tief und öffnete schnell das Thor so weit, daß der neue Gast, ein wenig den Kopf neigend, in den Hof einreiten konnte.

»Ihr seid Luigi Lodini?« sagte dieser in kurzem, befehlenden Ton – »ich bin auf Reisen, mein Freund, der Capitano de Montesecco, hat mich an Euch empfohlen und wird, wie er mir versprach, wohl auch Quartier für mich bestellt haben.«

»Ganz recht,« sagte der Wirt, sein Käppchen abziehend und auf den Griff seines Dolches hängend, »alles ist bereit und Ihr sollt mit meinem Hause zufrieden sein.«

Der Reiter sprang vom Sattel.

Auf einen leisen Pfiff des Wirtes erschien ein Hausdiener, der das kräftige, schaumbedeckte Pferd in einen Stall an der Seite des Hauses brachte. Dann führte Luigi seinen Gast über einen mit breiten Steinen gepflasterten Hausgang und eine hölzerne Treppe zu einem geräumigen Giebelzimmer, in welchen mehrere Kerzen ein helles Licht verbreiteten. Auf dem Tisch standen strohumflochtene Flaschen und zwei Kelche.

»Ihr empfangt mich freundlich,« sagte der Fremde, »und macht der Empfehlung des Capitano Ehre.«

»Der edle Capitano hat mir gesagt,« erwiderte Luigi schmunzelnd, »daß Eure Exzellenz Syrakusaner lieben, ich glaube, daß es kein vortrefflicheres Gewächs giebt, als dieses hier, das aus der Kriegsbeute stammt, die einer meiner Freunde von dem Sturm auf Volterra mitgebracht.«

Er füllte einen Kelch mit dem purpurroten Wein und sein Gast leerte denselben mit einem durstigen Zug.

»Vortrefflich,« sagte er, seinen Mantel abwerfend, »ich sehe, man hat mir Euer Haus nicht umsonst gelobt und mich versichert, daß man ebenso wohl Eurem Keller als Eurer Verschwiegenheit trauen dürfte.«

»Mein Keller lobt sich selbst,« erwiderte Luigi, »und meine Verschwiegenheit hat bisher noch jede Probe bestanden, wie der Capitano weiß und wird auch das Geheimnis sicher bewahren, daß Seine Exzellenz, der erlauchte Graf Riario, meinem niederen Hause die Ehre seines Besuchs erweist.«

»Ihr kennt mich,« rief der Fremde unwillig – »so ist Montesecco unvorsichtig gewesen?«

»Der Capitano,« erwiderte Luigi, »weiß wohl, daß ich ein Geheimnis nur dann sicher bewahren kann, wenn ich es kenne, und daß ich für die Sicherheit des erlauchten Grafen nur dann einzustehen vermag, wenn ich weiß, wer unter dem Dache meines Hauses weilt, außerdem würde es unnütz gewesen sein, mir den Namen des gnädigen Herrn zu verschweigen, kenne ich doch den gnädigen Herrn von Rom her, wo ich ihn vor zwei Jahren gesehen, als ich kostbare Geräte dorthin brachte.«

»Und bei denen Ihr wohl ein gutes Geschäft gemacht habt« – sagte Riario lachend, indem er seinen Hut von sich warf, »Montesecco mag wohl recht haben, Leuten wie Euch, muß man ganz vertrauen, da Ihr wohl wißt, daß ich gewohnt bin, Verschwiegenheit zu belohnen und Verrat zu bestrafen. Doch wo ist der Capitano? Ich erwarte ihn hier.« »Er wird den gnädigen Herrn nicht lange warten lassen, erwiderte Luigi, »da er mir die Stunde der Ankunft Euer Exzellenz angegeben. Er hat Seine Eminenz den Herrn Kardinal von der Villa Montughi hierher begleitet – doch da wird er sein,« rief er, als ein heller Glockenzug vom Hofe her erschallte.

Er eilte hinaus und führte bald den Capitano in das Zimmer.

»Ich habe Euern Brief erhalten,« sagte Girolamo, Montesecco die Hand reichend, »und bin auf Euern Wunsch gekommen, da ich gewiß bin, daß Ihr mich nicht umsonst hierher gerufen habt.«

»Gewiß nicht,« erwiderte Montesecco, »was ich Euer Exzellenz zu sagen habe, ist wichtig und ernst, die Feder verstehe ich nicht zu führen und meine überhaupt, daß wichtige und geheime Dinge nicht geschrieben, sondern gesprochen werden müssen – das geschriebene Wort bleibt und kann in falsche Hände geraten, das gesprochene aber gehört nur dem, für den es bestimmt ist und verfliegt dann in der weiten Luft.«

»Ihr habt recht,« sagte der Graf, ihm auf die Schulter klopfend, »und nun laßt hören, ich bin begierig auf Eure Worte, deren ein Mann der That ja nicht viel zu machen pflegt.«

»Euer Exzellenz wissen,« sagte Montesecco, »was hier geschehen soll und was ich nach dem Befehl des heiligen Vaters dabei zu thun habe. Alles ist vorbereitet, unbemerkt steht eine Anzahl der besten Truppen in kleinen Abteilungen nahe vor der Stadt, eine Auswahl der zuverlässigsten Leute ist hier, um, wenn die Stunde der That schlägt, auf meinen Befehl sogleich nach den Thoren zu eilen und von allen Seiten die inzwischen heranrückenden Mannschaften in die Stadt zu führen, damit sie den Pöbel niederhalten. Von florentinischen Truppen sind wenige hier, die Thore sind schwach besetzt und soweit ist alles geschehen, um den Befehl des heiligen Vaters auszuführen.«

»Bravo, Montesecco,« sagte Riario, indem er die Gläser füllte und mit dem Capitano anstieß, »ich habe nie daran gezweifelt, daß Ihr alles auf's Beste ordnen werdet und würde davon auch ohne Eure Worte überzeugt gewesen sein.«

»Doch nun, gnädigster Herr,« erwiderte Montesecco ernst, »muß ich noch einmal Euch bitten, alles wohl zu überlegen, was geschehen soll. Der edle Lorenzo von Medici, mit dem ich eine lange Unterredung hatte, sagte mir Worte, welche mir sehr der Beachtung wert scheinen – ich habe ihm, wie er mir auftrug, wegen Eurer Pläne betreffs Faenza gesprochen, und er war bereit, Euch zur Seite zu stehen, wenn Ihr Euch dem Bündnisse der florentinischen Republik mit Mailand und Venedig anschließen würdet.«

»Dem Bündnis,« unterbrach ihn Girolamo heftig, »das bei jeder Gelegenheit sich dem Papste entgegenstellt und die Florentiner in ihrem Trotz bestärkt, diesem Bündnis sollte ich beitreten, ich, der Neffe Seiner Heiligkeit – wie könnt Ihr daran denken, Giovan Battista?«

»Das Bündnis richtet sich ja nicht gegen Seine Heiligkeit,« erwiderte Montesecco, »und Eure Exzellenz könnten demselben ja ohne öffentliche Erklärung beitreten, Venedig, Mailand und Florenz und dazu Ihr als Herr von Imola, aus dem wohl ein Herzog der Romagna werden kann – das ist eine starke Macht, an welcher so leicht wohl niemand rühren wird. Und dann,« fuhr er fort, die Stimme dämpfend und sich zu dem Grafen hinüberbeugend, »sprach Lorenzo von der Zeit, die wir alle in die weiteste Ferne hinausschieben möchten, die aber doch einmal in dem Laufe der irdischen Dinge kommen muß, von der Zeit, in welcher Sixtus IV. nicht mehr auf dem Stuhl St. Peters sitzen wird.«

Girolamos Gesicht verfinsterte sich.

Gespannt, fast mißtrauisch blickte er Montesecco an.

»Der Nachfolger des heiligen Vaters,« fuhr dieser fort, »möchte vielleicht nicht die gleiche gnädige Gesinnung für Euch hegen, erlauchter Graf – es könnte ihn vielleicht locken, Euch aus Eurem Besitz zu verdrängen und da wäre es dann doch vielleicht wohl klug, wenn Ihr für solchen Fall Euch einen bleibenden, sicheren Schutz schafftet, um allen Wendungen der Zukunft ruhig entgegenblicken zu können.«

Girolamo sprang auf.

»Das hat Euch Lorenzo gesagt?« fragte er, die Hand auf Monteseccos Arm legend.

»Und er hat es ernst gemeint,« erwiderte dieser mit Nachdruck, »davon bin ich überzeugt.«

Girolamo ging mit großen Schritten auf und nieder.

»Er hat wohl recht,« sagte er, »und wenn er's ehrlich meinte, so wären seine Worte wohl zu beherzigen, habe ich doch immer schon mit Sorgen der Zeit gedacht, von der er gesprochen, und wenn es möglich wäre für die Zukunft einen festeren Boden zu schaffen, bei Gott.«

»– das wäre der Rat eines wahren Freundes und der würde Lorenzo de' Medici sein, erlauchter Graf, wenn er keinen Grund mehr hätte, Euch zu fürchten.«

»Ich werde mich davon überzeugen,« rief Girolamo, »ich habe ihm meinen Besuch angezeigt – daß ich heute hier bin, darf er nicht wissen, ein solches Gespräch mit ihm erfordert Ruhe, die wir in dieser Zeit hier nicht finden können. Ich danke Euch für Eure Mitteilungen, sie waren es wert, mich hierher zu rufen – ich werde sogleich nach Imola zurückreiten und in einigen Tagen wiederkommen und dann sehen, ob es Lorenzo ernst meint.«

»In einigen Tagen?« sagte Montesecco, »das wird vielleicht zu spät sein – Ihr wißt, daß morgen der Plan gegen die Medici ausgeführt werden soll, wenn der Kardinal zum Frühmahl den Mediceischen Palast besucht. Alles ist vorbereitet, Ihr wißt, die Truppen stehen dicht vor den Thoren und ich habe zuverlässige Leute hier in dieses Haus kommen lassen, um sogleich die Botschaft hinaus zu senden und die Stadt zu besetzen und habe den Auftrag, Lorenzo gefangen zu nehmen, ein Auftrag, dem mein Herz widerstrebt, ich muß es offen sagen, den ich aber angenommen habe, weil ich dann gewiß bin, daß kein Zufall eintreten soll, der dem Befehl Seiner Heiligkeit widersprechen würde, nach welchem kein Blut bei dieser Sache ließen darf. Ein anderer,« fügte er mit spöttischer Bitterkeit hinzu, »möchte nicht so gewiß sein wie ich, einen solchen Zufall vermeiden zu können.«

»Das darf nicht sein, nein, das darf nicht sein,« rief Girolamo, »der Bund mit den Medici kann mir vielleicht nützlicher werden als die Pazzi und Salviati – laßt die That aufschieben, hört Ihr wohl, es wird sich ja nach einigen Tagen ebenso dazu Gelegenheit bieten wie jetzt.«

»Vielleicht nicht,« sagte Montesecco, »ich wundere mich schon, daß bis jetzt ein Geheimnis bewahrt ist, das schon so viele wissen.«

»Es wird Euch gelingen,« rief Girolamo, »sie werden auf Euern Rat hören.«

»Ganz gewiß,« erwiderte Montesecco, »wenn ich ihnen sagen kann, daß ich auf Euer Exzellenz Befehl handle und was mich betrifft, so ist nur Euer Befehl genügend, – in Eure Dienste habe ich mich gestellt und Ihr vertretet für mich den Willen des heiligen Vaters.«

»Nein, nein,« sagte Girolamo zögernd, »nennt mich nicht, ich will keine Erörterungen und keine Fragen, ich will mein Spiel für mich spielen und Ihr sollt mir dabei zur Seite stehen. Das Gelingen des Anschlags der Pazzi wird schon ohnehin kaum möglich sein ohne Euch und ich verbiete Euch, an einer That teilzunehmen, die mich vielleicht eines Freundes berauben möchte. – Meine Truppen sollen an der ganzen Sache keinen Anteil nehmen, bevor ich nicht weitere Befehle gegeben habe. – Sendet Eure Leute hier fort und laßt sie den Befehl an die einzelnen Abteilungen bringen, daß sie sich von der Stadt zurückziehen so weit, daß wenn man ihre Anwesenheit bemerken sollte, dieselbe durch einen irrtümlichen Übungsmarsch erklärt werden kann.«

»Das ist Euer Befehl, Exzellenz, Euer bestimmter Befehl?«

»Er ist es,« erwiderte Girolamo, »und dabei bitte ich Euch noch ganz besonders, gegen niemand von meiner Anwesenheit hier zu sprechen. Ihr habt mir einen klugen Rat gegeben, der mir Eure wirkliche Ergebenheit beweist, so werdet Ihr auch begreifen, daß mein Spiel fein und vorsichtig gespielt werden muß, um nach allen Seiten sicher zu sein. – Ein so oft schon siegreicher Soldat wie Ihr muß es wissen, daß im Kriege ein kluger Kopf ebensoviel wert ist, als ein scharfer Degen.«

»Das verstehe ich wohl, erlauchter Graf,« erwiderte Montesecco nachdenklich, »aber ich fürchte, daß die Übrigen alle, welche so ungeduldig sind, ihr Werk zu vollenden, auf meinen Rat nicht hören werden, wenn ich nicht auf Euch mich berufen kann.«

»Sie werden Euch hören,« rief Girolamo, »sagt ihnen, daß Ihr mit Euern Vorbereitungen noch nicht fertig seid, daß Ihr große Vorsicht beim Heranziehen der Truppen beobachten müßt, sagt ihnen was Ihr wollt, aber haltet sie zurück, bis ich weiß, was ich von Lorenzo zu halten und zu erwarten habe und will Lorenzo mein Freund sein, wahrlich, so werde ich es auch vermögen, ihn mit dem Papst zu versöhnen. Jetzt aber will ich fort, schnell fort, damit kein Zufall meine Anwesenheit verrät.«

»Ihr wollt allein ohne Bedeckung nach Imola reiten, gnädiger Herr?« fragte Montesecco.

»Was habe ich zu fürchten,« erwiderte der Graf, »die Straßen sind sicher und Eure Leute werdet Ihr so gut in Zucht haben, daß sie es nicht wagen, einen einzelnen Reiter anzuhalten, – übrigens würden sie mich auch erkennen. Thut, was ich Euch gesagt und schärft dem Wirt dieses Hauses ein, daß er schweigt, er hat mich erkannt und scheint ein großer Spitzbube zu sein.«

»Die Spitzbuben, Exzellenz, schweigen immer,« erwiderte Montesecco lächelnd, »es sind nur die Dummköpfe, die ihr Herz auf der Zunge tragen.«

»Ans Werk also,« rief der Graf, »Ihr kennt Euern Auftrag – wenn Lorenzo und durch ihn Venedig und Mailand meine Verbündeten sind, so werde ich es Euch danken und Ihr sollt nach mir der Erste sein an meinem Hof zu Imola.«

Montesecco eilte dem Grafen voraus die Treppe hinab und Luigi schien den Instinkt zu haben, alles zu wissen, was in seinem Hause vorging, denn als der Graf auf den Hof trat, war er bereits beschäftigt, das Pferd aus dem Stall zu führen.

»Der Capitano wird die Rechnung ausgleichen,« sagte er zu Luigi, »da Ihr ja doch wohl einem unbekannten Fremden, der ich für Euch sein und bleiben muß, keinen Kredit gewährt.«

Er ritt, während Luigi sich mit verschmitztem Lächeln verbeugte, vorsichtig durch das Thor und sprengte dann auf der aus der Vorstadt hinausführenden Straße davon.

Montesecco trat in das große Gastzimmer, in welchem seine Leute beim Würfel- und Becherspiel beisammen saßen.

Alle sprangen von ihren Stühlen empor und stellten sich in militärischer Haltung auf.

Montesecco erteilte ihnen den Befehl, vor Anbruch des Tages einzeln auf verschiedenen Straßen die Vorstadt zu verlassen und den Truppenabteilungen draußen den Befehl zu bringen, daß sie sich sogleich in kleinen Trupps nach Imola hin zurückziehen sollten.

Die Soldaten versprachen pünklichste Befolgung des Befehls und Montesecco verließ die Osteria zum goldenen Becher, um sich nach dem Hause der Pazzi zu begeben.

In dem großen Mittelsaal der Empfangsräume des Palastes, welche trotz ihrer fürstlichen Pracht einen etwas düsteren Eindruck machten, verabschiedete sich, als Montesecco eintrat, so eben Lorenzo de Medici von dem Kardinal Riario, der hier das Purpurgewand von schwerem Seidenbrokat und den Hermelinkragen trug.

Der junge Kirchenfürst schien, obgleich Lorenzo ihn mit aller seiner hohen Stellung gebührenden Ehrerbietung behandelte, scheu und verlegen, als ob er sich dem älteren Mann gegenüber immer noch als Schüler fühle. Er machte Miene, Lorenzo, der sich mit tiefer Verbeugung zum Gehen wendete, zu begleiten und erst als Bracciolini, der sich stets an seiner Seite hielt, ihm einige leise Worte zuflüsterte, wendete er sich wie erschrocken um und Lorenzo, den Jacopo und Francesco Pazzi, sowie Giuliano und seine Schwester Bianca begleiteten, bemerkte Montesecco.

Er reichte demselben die Hand und sagte mit verbindlicher, fast herzlicher Artigkeit:

»Ich habe heute abend noch nicht die Gelegenheit gehabt, Euch zu begrüßen, Capitano, und freue mich, Euch wenigstens noch beim Abschied zu sehen. Seine Eminenz will morgen vor dem Gottesdienst und dem Hochamt im Dome mir die Ehre erweisen, bei dem Frühmahl der Gast meines Hauses zu sein und ich ersuche Euch, mir ebenfalls die Freude Eures Besuches zu machen.«

Der Capitano dankte und versprach, der Einladung zu folgen.

»Leider,« fuhr Lorenzo fort, »hat mein Bruder mir melden lassen, daß er wegen der Unpäßlichkeit, die ihn befallen, dem Frühmahl nicht beiwohnen könne, aber er wird Seine Eminenz zum Hochamt in die Kirche begleiten – ich hoffe, sein Leiden wird nicht bedeutend sein und es wird sich Gelegenheit für Euch bieten, ihn näher kennen zu lernen; er ist geschaffen, Euer Freund zu werden und hätte er einen Beruf zu wählen, so würde er Soldat werden, er scheut keine körperliche Übung und Anstrengung und ich glaube, Ihr würdet mit ihm zufrieden sein – vielleicht wird sich noch einmal Gelegenheit bieten, daß Ihr in ernster Waffenführung sein Lehrmeister werdet.«

Montesecco verbeugte sich tief, als ihm Lorenzo noch einmal die Hand drückte und blickte dann dem Davonschreitenden mit wehmütigem Ernst nach.

»Würden sie es besser machen können als er,« sprach er vor sich hin, »wenn es gelänge, ihn zu stürzen? Ich glaube es kaum, mir scheint er zum Herrschen geboren und wohl mag es Neid und Mißgunst sein, was sie bewegt, ihn von seiner Höhe herabstürzen zu wollen. – Ich bin glücklich, daß mein Herr, der Graf Girolamo, sich noch zurückhalten will und Gott gebe, daß er diese traurige Sache auch bei dem heiligen Vater zum Ausgleich bringt.«

Er trat sinnend in eine Fensternische und achtete, in Gedanken versunken, kaum auf das farbenreiche glänzende Treiben der Gäste.

Plötzlich legte sich eine Hand auf seine Schulter.

Francesco Pazzi, der von der Begleitung zurückgekehrt war, stand neben ihm.

»Habt Ihrs gehört, Capitano,« sagte er mit düsterem Blick, »Guiliano zieht sich vom Mahl zurück, wie er heute unserer Einladung ausgewichen ist – sollten sie etwas erfahren haben von der Gefahr, die sie bedroht?«

»Das wäre nicht unmöglich,« sagte Montesecco, »es wissen gar viele darum und viele, denen ich nicht vertraue, wie Francesi und Bandini.«

»Ich vertraue ihnen,« sagte Francesco mit höhnischem Lachen, »denn sie hassen die Medici und erwarten von uns Gold und Ehre; aber gleichviel, wenn Giuliano nicht da ist, dürfen wir nichts unternehmen – wenn der Streich nicht die beiden Brüder trifft, so wird er vergeblich sein und könnte die Macht des Überlebenden nur stärken.«

»Des Überlebenden?« sagte Montesecco fast drohend, »Ihr wißt, daß der heilige Vater nicht will, daß Blut fließt –«

»Ich meine den Überbleibenden,« verbesserte sich Francesco schnell, »und wäre es auch nur der leichtfertige Giuliano, der sich unserer Macht entzöge, er würde zum Abgott des Volks und zu einer großen Gefahr für uns werden können und Eure Truppen würden vielleicht dann schwere Arbeit finden und gezwungen sein, das Blut Unschuldiger zu vergießen. Darum dürfen wir keinen halben Schritt thun – ich habe bereits mit allen Übrigen gesprochen – wir müssen die Ausführung während des Gastmahls, zu dem Giuliano nicht erscheinen wird, ganz ausschließen und sind überein gekommen, die That im Dom zu vollbringen, wohin Giuliano kommen wird.«

»Im Dom?« rief Montesecco entsetzt, »an heiliger Stelle vor dem Altar des Heilands –«

»Ist es nicht ein wohlgefälliges Werk,« warf Francesco ein, »das der heilige Vater selbst gebilligt hat?«

Montesecco schüttelte finster den Kopf.

»Thut, was Ihr wollt, Ihr Herren und was Ihr verantworten könnt, aber auf mich rechnet nicht. – Während des Gastmahls hätte ich meine Pflicht erfüllen können, dem Willen des heiligen Vaters zu gehorchen und ich hatte dafür gesorgt, soweit mein Arm reicht, daß sein Wille ganz befolgt werde. Vor dem Altar aber, angesichts des heiligen Sakraments werde ich nichts vornehmen, was der Ehrfurcht vor dem Tempel Gottes widerspricht.«

Er atmete wie erleichtert auf, denn er hielt es für eine Ehrenpflicht, über sein Gespräch mit dem Grafen Girolamo nichts zu sagen und war glücklich, einen unabweisbaren Grund zu finden, um der ganzen Angelegenheit fern zu bleiben, die ihm nach seiner persönlichen Bekanntschaft mit Lorenzo doppelt widerwärtig geworden war und in welcher er bei der zögernden Haltung des Grafen Girolamo in eine nach allen Richtungen hin falsche Stellung gedrängt werden mußte.

»So versagt Ihr Eure Mitwirkung« – fragte Francesco Pazzi drohend – »Ihr versagt dem heiligen Vater den Gehorsam?«

»Ich versage meine Mitwirkung,« erwiderte Montesecco fest und bestimmt, »und bin überzeugt, daß, wenn es möglich wäre, den heiligen Vater in so kurzer Zeit zu befragen, er eine Entweihung der Kirche durch einen weltlichen Gewaltakt nicht befehlen würde. Wenn ich Euch raten soll,« fuhr er fort, während Francesco finster vor sich niederblickte, »steht von Eurem Vorhaben ab, Ihr fordert Gott selbst heraus, den Frevel gegen seinen Altar zu rächen. – Schiebt die Sache hinaus bis Ihr anderswo angreifen könnt und sendet einen sicheren Boten zum Grafen Girolamo nach Imola, um seine Meinung zu hören, denn er wird wohl am besten von uns allen des Papstes Willen zu beurteilen vermögen. Ich muß Euch sagen, daß ich keine Truppen in den Dom führen werde und wenn der heilige Vater selbst es befehlen sollte, so würde ich den Grafen bitten, einem anderen den Befehl über seine Soldaten zu übertragen. – Übrigens muß ich Euch sagen, daß ich mit der Aufstellung der Truppen noch nicht vollständig fertig bin und auch kaum dafür sorgen kann, im rechten Augenblick die Stadt sicher zu besetzen und jede Bewegung niederzuhalten.«

»So habt Ihr die Zeit verloren,« fragte Francesco heftig, »und Eure Mannschaften nicht herangeführt?«

»Es ist schwer,« erwiderte Montesecco kalt und hochmütig, »bewaffnete Mannschaften heimlich durch ein fremdes Gebiet zu führen, wäret Ihr Soldat, so würdet Ihr das beurteilen können.«

»Nun,« rief Francesco, »die persönliche Bedeckung, welche der Kardinal mitgebracht und welche hier einquartiert ist, um ihn morgen wieder nach Montughi zurückzugeleiten, wird auch genügen – wenigstens,« fuhr er höhnisch fort, »hoffe ich, daß wir Eurer Verschwiegenheit gewiß sein dürfen.«

Monteseccos Blicke flammten zornig auf.

»Meine Verschwiegenheit,« sagte er mit schneidendem Ton, »ist bei wichtigeren Dingen erprobt, als Ihr sie vielleicht erlebt haben mögt, und meine Antwort auf einen Zweifel daran bin ich nicht gewöhnt mit Worten zu geben.«

Er schlug klirrend an den Griff seines Degens.

Francesco sagte schnell mit verbindlichem Lächeln:

»Verzeiht, edler Capitano, so war es nicht gemeint – ich war unmutig über Euer Zögern, das ich nach meiner Meinung für unbegründet halte, da nur ein schnelles Handeln zum Ziele führen kann. – Euern Rat werde ich aber reiflich überlegen, und vielleicht werden die andern Euch zustimmen.«

Er reichte Montesecco die Hand, die dieser nur zögernd annahm und wendete sich wieder den allmählich die Säle verlassenden Gästen zu, während Montesecco sich gesenkten Hauptes mit finsterer Miene zurückzog.

Der Kardinal hatte ebenfalls die Gesellschaft verlassen.

Francesco flüsterte Bandini und Bracciolini zu, ihn mit den Übrigen in seinem Zimmer zu erwarten und fand, nachdem er seine Pflichten als Wirt erfüllt, fast alle Verschworenen dort versammelt.

»Nun, wie steht's,« fragte Napoleone Francesi, »ist Montesecco fertig zur Überwältigung des Pöbels, wenn es nötig ist?«

»Auf Montesecco können wir nicht zählen,« erwiderte Francesco, »er verweigert seine Mitwirkung in der Kirche und rät, die Sache aufzuschieben.«

»Nimmermehr,« rief Bandini, »was morgen nicht geschieht, wird niemals geschehen, und wenn Montesecco uns verraten sollte, so müßten wir uns seiner bald versichern und ihn, wenn es sein muß, unschädlich machen.«

»Nein, nein,« rief Francesco, »verraten wird er uns nicht, und Gewalt gegen ihn zu brauchen, könnte verhängnisvoll werden – es muß da ein Geheimnis obwalten, das ich nicht durchschaue.«

»Vielleicht,« sagte Francesi spöttisch, »wird der kluge und vorsichtige Graf Girolamo sich zurückhalten wollen, bis wir die Kastanien für ihn aus dem Feuer geholt haben – ich kenne diese Herren Nepoten, feig und hinterlistig, das ist ihre Natur und darin sind sie alle gleich, weil sie nichts aus sich selbst sind und zu sein vermögen.

Doch das ist jetzt gleichgültig, von Aufschub kann keine Rede sein, wir müssen unter allen Umständen handeln, bevor die Gelegenheit dazu für immer vorüber geht – ist der Schlag geschehen, so halten wir die Macht in Händen, uns gehört die Zukunft und wir können dem Herrn Grafen Girolamo und sogar Seiner Heiligkeit unsere Bedingungen stellen. Laßt uns sogleich noch eine Beratung halten und alles für morgen feststellen, denn von einem bestimmt gefaßten Plane und dessen Ausführung hängt das Gelingen ab.«

Jacopo de Pazzi wurde nicht benachrichtigt, ihm lag ja nur ob, nach geschehener That das Volk zur Freiheit aufzurufen und mit der That selbst sollte er bei seiner vorsichtigen und etwas furchtsamen Natur so wenig als möglich zu thun haben.

Die Säle waren leer, die Kronleuchter und Girandolen erloschen, und nur durch die dichten Fenstervorhänge in Francescos Zimmer fiel ein mattes Licht in den Hofraum.

Hier berieten die Verschworenen ihren finsteren Plan, der am nächsten Tage der Stadt Florenz eine andere Regierung und den Verhältnissen von Italien eine andere Gestalt geben sollte.

Montesecco war nach der Osteria zum goldenen Becher zurückgekehrt.

Auf den Ton der Glocke öffnete Luigi Lodini das Thor und begleitete den Capitano, der an der großen Gaststube vorbeischritt, nach einem in dem Seitenflügel des Hauses befindlichen Gemach, an dessen Thür Montesecco ihm einschärfte, für die Soldaten, welche während der Nacht nacheinander die Osteria verlassen würden, das Hofthor so geräuschlos als möglich zu öffnen.

»Wenn Eure Leute nicht selbst Lärm machen,« erwiderte Luigi, sich die Hände reibend, »so soll kein Mensch etwas davon ahnen, daß hier in meiner Osteria nicht alles in dieser Nacht schläft, wie die Murmeltiere. Für Euern jungen Waffenträger habe ich bestens gesorgt,« fügte er mit verschmitztem Lächeln hinzu, »ich hoffe, er wird mit meiner Bewirtung zufrieden sein – ich habe ihn auch auf die Straße geleitet, da er neugierig war, den Einzug Seiner Eminenz des Herrn Kardinals zu sehen.«

»So so,« sagte Montesecco, »das ist brav von Euch – er wird neugierig gewesen sein, und es ist immer besser für einen so jungen Menschen, wenn er nicht allein sich in das Treiben der Stadt begiebt. Sorgt, daß ich morgen bei guter Stunde geweckt werde, denn ich habe früh schon den Herrn Kardinal nach dem Palast der Medici und dem Dom zu geleiten und auch der Herr Graf Riario wird vielleicht morgen schon von Imola kommen, so daß ich alle Hände voll zu thun habe.«

Luigi verbeugte sich tief und spähte neugierig durch die Thür, welche Montesecco schnell wieder hinter sich verschloß.

Claudina, noch vollständig in ihren Knabenanzug gekleidet, trat ihm bleich mit bewegter Miene entgegen.

»Ich habe dich mit Sehnsucht erwartet, mein Battista,« sagte sie, sich schnell aus seiner Umarmung losmachend, »mir ist Wunderbares begegnet.«

»Du bist ausgegangen,« fiel Montesecco mit sanftem Vorwurf ein, indem er das volle Haar aus ihrer Stirn strich, »das war wohl etwas unvorsichtig. – Du weißt, daß ich's nicht gern sehe, wenn du dich ohne mich oder die Bedeckung zuverlässiger Leute unter das Volk begiebst, – doch Luigi war mit dir, und so konnte dir wohl nichts Widriges begegnen.«

»Verzeih,« sagte Claudina, »ich war allein hier und die Zeit wurde mir so lang ohne dich – ich war neugierig, all die Pracht und den Glanz zu sehen bei dem Einzug des Kardinals, und wahrlich, es muß die Eingebung einer höhern Macht gewesen sein, die mich hinaustrieb, denn ich habe den Faden gefunden, der zur Lösung des Rätsels führen muß, das, wie du weißt, meine Seele bedrückt. Ich stand unter dem Volk und achtete nur auf den glänzenden Zug des Kardinals, dessen Begleitung du ja führtest – neben mir stand eine Frau mit verhülltem Haupt, in Begleitung eines Mannes, in einfacher, aber feiner Tracht, die auf einen vornehmen Herrn schließen ließ. Ich hatte auf beide nicht geachtet, als jene Frau plötzlich beim Herannahen des Zuges der Medici sich zu einer alten Frau neben uns wendete, um sie nach einem prächtig gekleideten und wunderbar schönen Ritter an der Spitze des Zuges zu fragen. Es war Giuliano de' Medici, wie die Alte sagte.

In diesem Augenblick fiel das Kopftuch der Fragenden herab, ihr Gesicht wurde frei und ich erkannte meine Schwester Fioretta.«

»Fioretta –« sagte Montesecco kopfschüttelnd, »wie käme sie hierher?«

»O, ich habe mich nicht geirrt –« rief Claudina, »wohl habe ich sie seit Jahren nicht gesehen, aber es war ganz noch ihr Kindergesicht, nur war sie schöner und größer geworden, und sie hatte auch ganz noch den schmerzvollen Ausdruck und den Thränenschimmer in den großen dunklen Augen, wie ich sie zuletzt gesehen habe in der Nacht, da ich von ihr Abschied nahm, um zu dir zu fliehen nach dem Ulmengehölz bei San Donino, wo du mich mit einem schnellen Pferde erwartetest.«

»Und du bist gewiß,« fragte Montesecco, »daß dich nicht eine zufällige Ähnlichkeit getäuscht hat?«

»Ganz gewiß!« rief Claudina, »Sie war es, – schon wollte ich ihre Hand fassen, sie bei ihrem Namen rufen, da zog sie schnell wie erschrocken das Spitzentuch über ihren Kopf, scheu und ängstlich ihr Gesicht verbergend; sie stützte ihre Hand auf den Arm ihres Begleiters, der ihr mit einem bösen hämischen Lachen etwas ins Ohr flüsterte. Da hielt ich mich zurück, ich durfte vor dem Volk, das hier in dichter Menge stand, mein Geheimnis und das deine ja nicht verraten, und auch sie hüllt ja ein Geheimnis ein, dessen Bewahrung ich ihr schuldig war, aber ich hielt mich trotz der drängenden Menge in ihrer Nähe und verlor sie nicht aus den Augen. Als dann die Begrüßung der hohen Herren vorüber war und der Kardinal mit den Medici und all dem vornehmen Gefolge nach der Stadt hinritt, begleitet von der jubelnden Volksmenge, da blieb sie zurück und wendete sich nach der Gartenstraße, die auch zu dieser Osteria hier führt, so daß es mir leicht wurde, ihr zu folgen, ohne daß Luigi etwas davon merkte. Ihr Begleiter sprach eifrig zu ihr, dann traten beide in eine kleine Pforte ein, wo an der Gartenmauer hohe Platanenbäume aufragten. Ich wendete mich auf die andere Seite des Weges nach dem Heckengang hierher, blickte aber wie zufällig zurück und sagte zu Luigi:

»Welch ein schöner Park muß das sein, dort hinter der Mauer, über welche die prächtigen Bäume ihre Kronen emporstrecken – das ist wohl ein vornehmer Herr, der dort wohnt in dem Hause, dessen Dach man weithin blinken sieht.«

»So ist's,« erwiderte Luigi, »jenes Haus dort und der große Garten gehört dem Antonio de San Gallo, einem schon weit berühmten Baumeister, einem Freunde des Mediceischen Hauses, der wohl noch höher und immer höher steigen wird unter dem Schutz seiner mächtigen Freunde.«

»Und ist er vermählt?« fragte ich, mit Mühe meine Unruhe unter der Miene einer flüchtigen Neugier verbergend.

»Das ist er nicht,« antwortete Luigi, »aber er dürfte nur die Hand ausstrecken, um irgend eine der schönsten und vornehmsten Damen von Florenz heimzuführen.«

»Als ich noch einmal zurückblickte,« fuhr Claudina fort, »sah ich, daß Fiorettas Begleiter aus der Pforte wieder hervortrat und schnell nach der Stadt hin eilte – ich mochte nicht weiter fragen, damit es Luigi nicht auffiel, ich wußte ja auch, was ich wissen wollte, daß Fioretta hier in Florenz, im Hause des Antonio de San Gallo, verborgen sei und das ist genug, um den Weg zu ihr zu finden. – Du, mein Battista, mußt mir diesen Weg öffnen und müßtest du auch mein Geheimnis preisgeben, um das ihre zu enthüllen. – Wenn jener Antonio sie liebt, wie ich fast glauben muß, wenn sie ihm gefolgt ist, wie ich dir einst folgte, so wird er dir antworten, sobald du im Namen von Fiorettas Schwester zu ihm sprichst, und müßte ich selbst mich ihm zu Füßen werfen und ihn anflehen, um ihres und meines Seelenfriedens willen zu erlauben, daß ich sie wiedersehe.«

»Wenn du gewiß bist, dich nicht getäuscht zu haben,« erwiderte Montesecco, »so wird sich das wohl machen lassen – ich kenne jenen Antonio de San Gallo nur dem Namen nach, den ich in Rom hörte, vielleicht aber werden seine erlauchten Freunde mir behilflich sein, zu ihm zu gelangen und sein Vertrauen zu gewinnen, und dann wird jenes Geheimnis sich aufklären, das auch Fioretta selbst kaum vor der lange entbehrten Schwester wird verbergen wollen.«

»O wie sehne ich mich, sie wiederzusehen, sie zu sprechen und von den Meinen zu hören,« rief Claudina, »und hätte ich auch Trauriges zu erfahren, es wäre immer tausendmal besser, als diese bange Ungewißheit! – Wie schwer ist es mir geworden, mich zurückzuhalten, als ich sie so plötzlich vor mir sah, und doch ist es besser so, wir wissen wo sie zu finden ist, und dir, mein Battista, wird es gelingen, das Dunkel zu lichten.«

»Vielleicht,« sagte Montesecco, indem er sie an seine Brust drückte, »wird überall das Dunkel sich lichten, das unsere Zukunft bedeckt. Ich sehne mich, den Dienst zu verlassen, zu dem ich mich dem Grafen Girolamo verpflichtet. Ich habe Lorenzo de' Medici gesprochen, er ist bei Gott! ein anderer Mann, als die übrigen alle, ihm zu dienen und der florentinischen Republik, das wäre eine Freude und Ehre für einen ritterlichen Soldaten – auch er scheint Wohlgefallen an mir zu haben, und die Zeit ist vielleicht nicht fern, in der ihm mein Degen nützen kann. Im Dienst der florentinischen Republik werden wir eine sichere Heimat finden können, in der ich dich auch zurücklassen könnte, wenn ich einmal ausziehe, um unter edler Fahne für eine gute und reine Sache zu kämpfen!«

»O wie herrlich, wenn es so wäre,« rief Claudina jubelnd, »hier in der Nähe der Heimat! – Wenn meine Eltern noch lebten, wenn sie deinen Wert erkennen und uns ihren Segen geben würden – ich wage es nicht auszudenken, daß so viel Glück uns beschieden sein soll.«

»Vertrauen wir dem Soldatenmut und dem Soldatenglück,« sagte Montesecco, indem er die Hände über ihrem an seine Brust gelehnten Haupt »faltete – so bald ich kann, werde ich versuchen, unser Schicksal zu entscheiden.«

Auch von seinem Gesicht strahlte freudige Hoffnung, als er die Augen aufschlug, als ob er in stillem Gebet den Beistand des Himmels anflehen wolle.

»Den Soldatenmut und den frischen, fröhlichen Sinn wollen wir uns nicht trüben lassen,« sagte er nach kurzem Schweigen, »dann wird auch das Soldatenglück uns nicht verlassen – drum laß mich, ehe wir die Ruhe suchen, noch einmal deine Stimme hören, die mir so oft tröstend und erfrischend in die Seele geklungen ist.«

Er zog sie auf die gepolsterte Ruhebank, an der Seite der in das Nebengemach führenden Thür, legte die zierliche Mandoline in ihre Hand und ein lustiges Lied in scharf rhythmischer Marschmelodie klang durch das Gemach, während von dem anderen Flügel des Hauses her die Stimmen der Soldaten aus dem großen Gastzimmer herübertönten.


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