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5. Kapitel.
Der Tag vor dem Feste

Der 28. Juli, der Tag des Schulfestes, war erschienen. Es fiel zusammen mit dem sogenannten Hussiten- oder Kirschfest, das seit Menschengedenken in Naumburg gefeiert wurde.

Auf dem Stadtanger, einer großen Wiese vor der Stadt, an die von allen Seiten die Gemüse- und Obstgärten der Bürger grenzen, wurden niedliche Holzlauben errichtet. Jede ortseingesessene Familie besaß solch ein Holzhäuschen, das jedes Jahr am Kirschfeste auf dem Anger aufgestellt wurde.

Man bekränzte die Häuschen mit Birkenreisern, und Blumen, Fahnen und Flaggen erhöhten diesen Schmuck.

Tische, Bänke, Stühle nebst Kaffeegeschirr und große Körbe mit frisch gebackenen Kuchen wurden mit hinaus genommen. Die Familie nahm vollzählig an den weiß gedeckten Tafeln und den Tischen Platz. Wer keine eigene Festlaube besaß, der ging zu Gast bei seinen Freunden. Je mehr Gäste, desto größer die Ehre. So hatte man es seit Jahrhunderten gehalten.

Die ersten Frühkirschen aus den Bürgergärten wurden für diesen Tag gepflückt.

Aber nicht allein leibliche Genüsse harrten der Teilnehmer. Verschiedene Maringotten, das sind die Wohnungen fahrender Künstler, waren tags vorher auf dem Anger eingetroffen. Ein fahrender Zirkus, ein Affentheater, ein Zauberkünstler hatten ihre Zelte aufgeschlagen, während verschiedene Karussels und Schaukeln für die Kinderwelt die höchsten Genüsse versprachen.

Schon am Vorabend des Festes strömte alt und jung hinaus auf den Anger, angelockt durch das lebhafte Treiben, das Kommen und Fahren der verschiedensten Wagen und Fahrzeuge.

Natürlich bewegten sich Lotte, Karlhans und Eddy mitten in dem Schwarme; besonders Lotte strahlte vor Wonne. Solch ein Festtag war so recht eine Lust für sie, während der stiller veranlagte Eddy, eigentlich, nur um Lottes Fröhlichkeit nicht zu stören, an dem Feste teilnahm.

Die beiden Lauben der nachbarlich befreundeten Familien standen auf dem Festplatze nebeneinander. Die Laube von Eddys Vater war die weitaus schönste auf dem Anger, während Schmied Hildebrandt noch dieselbe Laube aufstellen ließ, in der schon sein Vater und Großvater das Fest mitgefeiert hatten. Nur einen Vorzug besaß diese Laube: von dem First des Daches herab wehte eine mächtige Flagge. Sie zeigte die Farben der guten Stadt Naumburg und das altertümliche Wahrzeichen des Schmiedehandwerkes. Im weißen Mittelfelde lagen kreuzweise ein Hammer und eine Kneifzange, während darunter ein Hufeisen lag.

Lotte trug schon am Vorabend des Festes ein weißes Kleid. Ihre hübschen blonden Haare waren in zwei Zöpfe eingeflochten, sie hingen ihr tief über den Rücken herab. Ihr Haar trug sie glatt von der Stirne zurückgestrichen, nur widerspenstige Krauslöckchen umrahmten ihr Gesicht, sie verliehen ihr einen kecken, doch anmutvollen Ausdruck.

Eddy betrachtete seine Gespielin heute mit doppelter Aufmerksamkeit. Lotte war ihm noch niemals so hübsch und nett erschienen. Er hielt mit ihr gleichen Schritt und Tritt, obschon es für ihn nicht leicht war, mit der hin und her wie ein weißer Schmetterling gaukelnden Lotte gleichen Schritt und Tritt zu halten.

Würfelbuden stellten ihre Schätze zur Schau, damit man sein Glück versuchen sollte, auch Obst- und Kuchenbuden, in denen leckere Kuchen feilgeboten wurden, auch die in der halben Welt berühmten Thüringer Bratwurstbuden warteten auf Käufer. In den großen Pfannen und auf den Rosten zischten die fetten Würste, während lieblich gebräunte Semmeln als Zukost daneben lagen.

Das lustige Kleeblatt lustwandelte untergefaßt durch die Reihen. Manch lüsterner Blick streifte die aufgestapelten Kostbarkeiten, doch Lotte und Karlhans wurden stets sehr knapp mit dem Taschengeld gehalten, so daß beständig Ebbe in ihren Taschen war.

So betrachteten sie nur die ausgelegten Waren, ohne einen Einkauf halten zu können.

Erst ein Seufzer Lottes belehrte Eddy über deren Herzenswünsche.

»Komm, Lotte, laß uns noch einmal hier durchwandern,« meinte Eddy, als seine Begleiter den Weg nach den Lauben einschlugen.

»Weshalb? Du weißt, meine Tasche ist leer wie ein Sieb,« bemerkte Lotte, mit einem Versuch, zu scherzen.

»Ach was, wir kommen noch zeitig genug zum Vesper,« erwiderte Eddy. »Meine Schwester Grete ist gewiß noch nicht fertig, sie wollte erst einen Sprung nach Doktors Laube machen, und dabei verplaudern sich die Mädchen immer.«

»Als ob Jungens nicht auch ihre Zeit verschwatzten,« warf die stets kampfbereite Lotte ein. Dann aber folgte sie willig ihrem Gespielen, während Karlhans sich einem Rudel älterer Knaben zugesellte, die nach einem Kaspartheater zogen.

Vor der größten Bratwurstbude blieb Eddy stehen. Mit wägenden Augen betrachtete er die auf einem Roste zischenden, brodelnden Würste, über die die roten Flammen leckten und zitterten.

Ungeduldig zog er seinen Geldbeutel aus der Tasche.

»Lotte, welche Wurst möchtest du essen? Welche soll ich kaufen?« fügte er, mit den Geldmünzen klappernd, hinzu.

Lotte errötete.

»Du weißt doch, mein Taschengeld ist fort, ich bin arm wie eine Kirchenmaus,« tuschelte sie ihrem Gefährten zu.

»Schadet nichts, ich spendiere dir die größte, schönste Wurst,« erwiderte Eddy. Voller Stolz hob sich seine schmale Gestalt. »Du, Lotte, die Letzte in der Reihe finde ich sehr appetitlich.« Dann wandte er sich an die Verkäuferin. »Bitte, reichen Sie mir diese beiden Würste mit etwas Sauerkohl herüber.«

»Aber, Eddy, bedenke das viele Geld!« stammelte Lotte, während ihre Blicke begehrlich über die Würste streiften.

»Ach laß, ich habe Geld, Vater hat mir zum Fest ein »Extra« geschenkt. Ich soll mir eine besondere Freude machen, und –«

»Da kaufst du mir die teure Wurst?«

»Weshalb nicht, ich nehme doch auch eine.«

Die Verkäuferin hatte inzwischen zwei Pappdeckel mit Wurst und Kraut belegt.

»Wünschen der junge Herr auch Brot?« fragte sie mit honigsüßer Stimme.

»Legen Sie etwas von den weißen Wecken dazu,« befahl Eddy im Tone eines großen Herrn.

Die Verkäuferin brachte die Würste zu den vor ihrem Stand aufgestellten Holztischen und Bänken.

.

Lotte und Eddy sahen dem Schmaus erwartungsvoll entgegen; besonders Lotte schwelgte schon im Vorgeschmack der kommenden Genüsse. Hastig faßte sie zu und biß mit den spitzen, blanken Zähnchen in das saftige Wurstfleisch.

»O, Eddy, das schmeckt,« lobte sie. »Himmel, sind die fein. Wie danke ich dir,« setzte sie leise, doch zärtlich hinzu.

Der gütige Geber hatte nicht solche Eile, er betrachtete seine Gefährtin, der die Wonne des Genießens auf dem hübschen Gesichtchen erglänzte.

Fast andachtsvoll verzehrte sie Wurst und Kraut; dabei seufzte sie wonnig bewegt auf.

»Weißt du, Lotte, morgen spendiere ich uns eine zweite Portion, die Dinger sind schmackhaft.«

Lotte antwortete nicht, das heimliche Glück schloß ihr die roten Lippen, sie schaute nur zu Eddy auf – der war doch seelensgut und immer darauf bedacht, ihr eine Freude zu bereiten.

Hand in Hand wanderten dann die Kinder durch die Laubenstraße. Schwester Grete war noch nicht erschienen, auch Karlhans ward nicht sichtbar, da setzten sich die Nachbarskinder auf ein kleines Bänkchen vor die Laube, und bald waren sie in ein ernstes Gespräch vertieft.

»Unser Klassenlehrer,« begann Eddy, »hat uns heute in der letzten Stunde noch einmal den Ursprung und die Bedeutung des Hussitenfestes erklärt. Soll ich es dir erzählen?«

Lotte nickte, sie kannte ja als Naumburger Kind die alte Legende und den Ursprung des Festes, doch sie bemerkte, daß Eddy gern mit seinen Kenntnissen vor ihr glänzen wollte, so gab sie ihre Einwilligung. Eddy hatte ihr ja auch die wundervolle Wurst spendiert! Sie setzte sich auf der kleinen Bank bequem zurecht, lehnte ihr kleines Köpfchen gegen den Stamm eines Kirschbaumes und baumelte nach ihrer Gewohnheit mit den Füßen.

Mutter sah es ja nicht, sonst hätte sie ihr Töchterlein ob ihrer schlechten Manieren arg gescholten, und Eddy fühlte sich als Erzähler hoch erhaben über solche Kleinigkeiten.

»So höre,« begann er langsam. »Es war im Sommer des Jahre 1432 als die Hussiten unsere gute Stadt Naumburg, die damals noch stark befestigt war, belagerten. Du weißt doch, die Hussiten nannten sich so nach ihrem Religionslehrer und Reformator Johannes Huß, der am 6. Juli 1396 zu Hussinetz bei Prachatitz in Böhmen geboren war. Seine Lehre brachte ihm viele Anhänger, aber auch große und mächtige Feinde und Widersacher. Papst Johann XXIII. ließ Johann Huß nach Konstanz zum Konzil rufen, und da ihm König Sigismund von Böhmen freies Geleit zugesagt hatte, so erschien er im November 1414 in Konstanz; allein da er seine Lehre und Ansichten mit schwungvollen Worten verteidigte und eine Reformation der Kirche forderte, so wurde er verhaftet und gefangen gesetzt. Man machte ihm kurzerhand den Prozeß und am 4. Juli 1415 verurteilte ihn das Konzil zum Feuertod, den er auch noch am selben Tag vor dem Kaufhaus zu Konstanz erlitt.

Seine Anhänger rüsteten sich, den Tod ihres Lehrers zu rächen, und da der Bischof von Naumburg, Gerhard von Goch, gegen Huß gestimmt und ihn mit zu dem Feuertode verurteilt hatte, so zog das Hussitenheer gegen Naumburg. Die Feldherren Ziska und Prokop waren Meister der damaligen Kriegskunst. Sie verfügten über tapferes Fußvolk, das zum Teil mit Dreschflegeln bewaffnet war; doch verstanden sie auch mit hohem Erfolg sich der Geschütze zu bedienen. Als besondere Eigenart benutzten sie verteidigungsfähige Rüstwagen Wohl die ersten schwachen Versuche und Vorläufer der Tanks, die im Weltkriege ihre Vollendung erreicht hatten., die ihnen Deckung während der Schlacht gaben, sowie auch das Lager während der Nacht gegen feindliche Angriffe beschützten.

Hin und her wogte der Kampf. Schon erlahmte die Kraft der in der Stadt eingeschlossenen Bürger. Das Hussitenheer rückte täglich näher, schon konnte man den Tag ausrechnen, an dem die letzte Stütze der hart bedrängten Stadt fallen mußte.

Der hohe Rat verzweifelte, auf Ersatz war nicht zu rechnen. Todesangst durchlief die Straßen der armen Stadt – – – da erschien eines Tages ein angesehener Bürger der Stadt vor dem Stadthauptmann. Es war der Viertelsmeister Wolf, dessen kinderreiches Haus stadtbekannt war.

»Mit Gottes Hilfe wende ich alles Unheil von unserer Stadt ab,« begann er seinen Spruch.

Die weisen Herren des Rates schüttelten die Köpfe, sie wußten sich keinen Rat und sahen den Untergang der Stadt vor sich.

»Laß uns unsere Kinder in das Hussitenlager senden; ich selbst erbiete mich, die Kinderschar zu führen. Sie sollen den Feldherrn um Gnade für unsere arme Stadt bitten.«

Im ersten Augenblick schreckte die Gefahr, in der die Kinder geraten würden, die Räte der Stadt zurück, doch als ihnen Wolf dann mit kluggesetzten Worten seinen Plan immer klarer auseinandersetzte, und als sie einsehen lernten, daß sich ihnen kein anderes Mittel zur Abwendung der höchsten Gefahr bot, da verhandelte man mit Wolf, der seinen Plan ausführlich darlegte.

Am nächsten Tage bewegte sich ein langer Zug Mädchen und Knaben, sämtlich mit weißen Sterbekleidern angetan, aus dem weit geöffneten Stadttor. In der einen Hand trugen sie eine Zitrone, in der anderen einen grünen Zweig.

So, geführt von dem unbewaffneten Wolf, schritten sie dem Lager des Feldherrn zu. Dieser staunte, als der seltsame Zug sich dem Feldlager näherte. Die Kinder sangen Sterbelieder, ihre hellen Stimmen erfüllten die Luft, und als sie sich dem Zelte des Feldherrn bis auf wenige Schritte genähert hatten, hoben hunderte von Kindern ihre kleinen Hände und baten um Gnade und Erbarmen für ihre Heimatstadt, für Haus und Hof und das Leben ihrer Eltern.

Gerührt von den lieblichen Kindergestalten, die in ihren anmutvollen und doch so schüchtern bittenden Gebärden so seltsam gegen die trotzigen, wehrhaften Gestalten seiner Krieger abstachen, trat der mit voller Rüstung ausgestattete Feldherr den Kindern entgegen. Einen Augenblick schwieg noch der Prokop, aller Augen hingen an seiner riesigen, breiten Person, dann aber übermannte ihn die Rührung, er reichte den Kindern beide Hände und gab seinen Reisigen Befehl, von der Belagerung und Beschießung der Stadt Abstand zu nehmen.

Ja, da gerade die Kirschen auf dem Stadtanger gereift waren, auf dem das Feldlager der Hussiten stand, so bewirtete er die Kinder mit Kirschen, die dem lange entbehrten Labsal auch wacker zusprachen.

So hatten die Kinder ihre Vaterstadt vor dem Untergange errettet, und zur Erinnerung an diese Tat wird noch jetzt alljährlich das Hussiten- oder Kirschfest gefeiert.«

Eddy schloß seine Erzählung. Der Abend war herabgesunken, die Sonne zur Rüste gegangen. Ihre letzten Strahlen vergoldeten die Türme der nahen Stadt. Sie umschmeichelte die reiche Frucht tragenden Kirschbäume und die Lauben der Bürger.

Lotte hatte aufmerksam auf Eddys Erzählung gelauscht. Ihre Gedanken verloren sich in die ferne Vergangenheit, die durch Eddys lebhafte Erzählung sich fast greifbar in ihren Gedanken aufbaute.

»Ob jene Kinder viel Angst hatten?« fragte sie nach einer Weile.

»Doch wahrscheinlich, sie mußten den Feldherrn fürchten, der ihnen so viel Angst und Sorge gemacht hatte,« erwiderte Eddy.

Lotte hob ihre Arme, sie reckte und streckte ihre schlanke Gestalt.

»Weißt du, Eddy, ich wünsche mir, mal solch ein großes Erlebnis zu haben,« sagte sie, und ihre dunkelblauen Augen blitzten vor Erregung.

Eddy antwortete nicht gleich, dann aber versetzte er kleinlaut: »Ich denke, es ist doch angenehmer, hier in behaglichster Ruhe zu sitzen, anstatt –«

Lotte schüttelte den Kopf, sie fiel ihrem Gefährten fast zornig in die Rede.

»Ich möchte schon mal eine große Tat vollbringen; oder eine Gefahr bestehen,« setzte sie leise gedankenvoll hinzu.

In diesem Augenblick erschien Karlhans. Wie hingeweht stand er plötzlich vor dem Freund und der Schwester.

»Na, da sitzen die beiden Kindsköpfe in aller Ruhe, während Mutter und deine Schwester Grete euch in allen Gassen, allen Ecken und Enden suchen.«

Lotte strich sich über die Augen, gleichsam als wollte sie die Bilder aus ferner Vergangenheit bannen.

»Mutter fragte nach mir? Ist sie sehr ärgerlich?« fragte sie dann.

»Nicht gar zu schlimm,« meinte Karlhans; »aber wo ich gewesen bin, das ratet ihr nicht,« setzte er triumphierend hinzu.

»Du – na, wo wirst du gewesen sein?« spottete Lotte. »Hast gewiß in der Schmiede gesteckt, oder hast dir Nachbar Fritzsches Kaninchen betrachtet. Ich kenne ja deine Leidenschaften!«

»Aetsch, falsch gedacht, Mädchen denken meistenteils daneben,« höhnte Karlhans.

»Als ob Jungen klüger wären,« entgegnete die stets schlagfertige Schwester.

»Kindings, laßt den Streit; der hilft zu nichts, Karlhans mag lieber seine Weisheit auspacken.«

Karlhans wiegte sich in den Hüften, er platzte bald vor Wichtigkeit.

»Na, ich will euch nicht länger zappeln lassen, ich war mit Lude Wagner und Fritz Heinricke im Alten Turm! Na – nun reißt ihr die Augen auf, ja wir waren bis oben auf der Mauer – hm, war köstlich –«

»Bei den Ratten und Mäusen,« warf Eddy, sich schüttelnd, ein.

»Hasenfuß! Doch beruhige dich, Ratten und Mäuse habe ich nicht gesehen, nur Fledermäuse hingen an der Wand. Reizende, niedliche Geschöpfchen –«

»Du, Karlhans, ich möchte auch einmal –« Lotte stieß diese Worte in großer Aufregung hervor.

»Doch nicht etwa auf den Turm steigen, um Gott – Lotte, die Leitern sind alt und morsch, Vater sprach noch neulich davon, die Tür zum Turm zumauern zu lassen und –«

»Na, dann hat es Eile, da müssen wir so bald als möglich hin,« entschied Lotte. »Und wenn du nicht von der Partie sein willst, dann bleib hübsch zu Hause und setze dich in den Großvaterstuhl hinter den Ofen,« schloß sie, zu Eddy gewendet.

Der Knabe wurde blutrot bei Lottes herben Worten, er stampfte mit dem Fuße; dann rief er: »Und ich lasse dich nicht allein dieses Wagstück unternehmen, willst du in den Turm, dann bin ich von der Partie; zwar Vater hat wohl schon den Auftrag gegeben, die Tür zu vermauern, und –«

»Du darfst ihm aber kein Sterbenswörtchen von unserem Vorhaben verraten,« sagte Karlhans.

»Habe ich schon jemals gepetzt?« fragte Eddy.

»Nein, hast du nicht, bist stets ein ehrlicher Junge gewesen, freilich ein bißchen Hasenfuß bleibst du alleweil.«

»Ich liebe es nur nicht, eine Gefahr aufzusuchen, die abseits von meinem Wege liegt. Sonst, wenn es sein muß, stelle ich meinen Mann.«

»Und Eddy hat recht. Hat er mich nicht damals aus dem Wasser gezogen, als du, Karlhans und dein forscher Lude Wagner, wie Schafleder ausgerissen seid. Wäre Eddy nicht, dann wäre ich ertrunken, ihr Starken hattet nur den Mut, zu fliehen.«

Karlhans ließ den Kopf hängen, Lotte hatte ja so recht. Er und Lude hatten damals das Hasenpanier ergriffen; deshalb lenkte er schnell ein, und Eddy seine Hand reichend, sagte er viel milder, als er bisher gesprochen:

»Lotte hat recht, es war nicht hübsch von uns. Ich denke, wir benutzen die Zeit und machen uns übermorgen auf den Weg. Morgen am Festtag arbeitet kein Maurer, und am Tag darauf – na, da schlafen sie ihren Rausch aus,« setzte Karlhans fröhlich auflachend hinzu.

Eddy und Lotte stimmten ein, dann aber wanderte das Kleeblatt wieder der Stadt und den Elternhäusern entgegen.

Auf dem Anger aber hatte sich ein linder Nachtwind erhoben, er spielte mit den bunten Fahnen und Flaggen, während die alten Kirschbäume ihre Zweige regten und sich die Geschichte aus alten Tagen und was hier auf dem Anger geschehen war, zuraunten.


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