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4.

Die Glocken läuteten vom Dom, Fahnen wehten auf allen Zinnen, Kränze wanden sich um Tore und Türme, bunte Tücher waren über die Wege gespannt, und vor den Häusern wurzelten blühende Bäumchen, die aus dem Tale gebracht worden waren.

In langen Reihen zogen Männer und Frauen durch die Straßen, der Madonna, der Schützerin Sienas, zu danken, und wieder wie am Tage von Montaperti streiften sie auf den Stufen des Domes die Schuhe ab, durchwandelten barfuß das Haus mit Hymnengesang und brachten der Jungfrau aller Gnaden Kerzen, Ambra und goldene Gewänder dar. Provenzan Salvani, der die Stadt bei Montaperti errettet hatte, legte vor Maria die Schlüssel von Orvieto nieder, er kniete am Altar und neben ihm Mino, der den neuen Sieg gewonnen, und Andrea Visconti, der junge Herzog von Mailand, der seit zwei Tagen in Siena weilte. Er hatte seinen Kanzler, Herrn Marzucco Guardastagno, vorausgesandt, daß der Bund zwischen Mailand und Siena, der Bund gegen König Karl, den Feind der Städte, in gute Bahnen gelenkt werde, Herzog Andrea, so hieß es, war selbst gekommen, mit Provenzan Salvani, den er von Jugendtagen in Mantua her kannte, den Verspruch festzumachen; so hieß es.

Hinter den Herren knieten Gaspara, das Weib Herzog Provenzans, und Ginevra, seine Schwester, und tiefer der Podestà mit den Signori und Herr Reinbold von Gempenbach. Sie gaben sich neu der Königin des Himmels anheim mit Blut und Eisen und flehten, daß sie huldreich über die Stadt ferner ihren Mantel breite.

Und dann vergab einer dem andern, was er ihm Böses getan hatte, und sie erhoben mit lautem Zuruf Herrn Mino und trugen ihn aus dem Dom und durch die Straßen, von Frauenhänden regneten Blumen auf ihn nieder. Ein Wagen, ganz vergoldet und mit süßem Backwerk voll, zog langsam zwischen den Häusern hin, und mit Schaufeln wurde es in die Scharen der Kinder gestreut und schien nicht weniger zu werden. Der schöne Brunnen auf dem Campo ergoß Wein in ein marmornes Becken.

Hoch im Fenster des Turmes, der den Salvani gehörte, lehnte die alte Valentina, die Mutter des Herzogs, sah mit weiß gewordenen Augen über Stadt und Land. Sie vernahm das Lobsingen und roch den Duft des Sandelholzes und des arabischen Weihrauchs; aber vor ihrem schauenden Auge stand wie eine schwere graue Wolke, die sich vom Himmel herniedersenkt, Unheil.

Die Feinde des Hauses Salvani saßen in ihren Häusern und schlossen die Holzladen zu, sie wollten nichts sehen vom Triumph des Feindes, der aus einem geringen Ritter zum Herzog geworden war. Der alte Carolino de' Tolomei stand auf dem Turm seines Hauses, der höher war als alle anderen Türme in Siena, der kahl und grau wie ein Ergrimmter hinabsah auf die lachende Freude der Stadt. Wäre Siena vor den Füßen des Anjou gelegen – der Tolomei hätte gelacht. Und auch auf den Visconti hoffte er, der ihm seinen Kanzler nächten gesandt hatte, indes er selbst mit dem Salvani Feste beging. Der Tag mußte kommen, an dem Provenzan Salvani fiel!

Carolino sah auf die Stätte hinab, wo das hohe Haus der Piccolomini gestanden. Katzen schlichen über die Trümmer und sangen nachts ihr Liebeslied. Die Burg war niedergeworfen worden vom Salvani, denn die Piccolomini hatten heimlich mit Florenz gezettelt gegen ihn und König Manfred. Sie waren aus der Stadt vertrieben worden, die Männer und die Frauen, die Greise und die Kinder, und sie sammelten Freunde in Florenz, in Pisa, in Lucca gegen den Salvani und gegen den Kaiser, von dem er auch jetzt nicht ließ, da der Knabe Konradin gesunken war.


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