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Vierter Theil.

I.

Liebende pflegen stets sehr gern miteinander auf den Bänken vor den Thüren zu sitzen, bei sinkender Nacht.

Yann und Gaud trieben das auch so. Jeden Abend saßen sie an der Thüre vor der Moan'schen Hütte auf der alten Granitbank und machten einander den Hof.

Andere haben den Frühling, den Schatten der Bäume, milde Abende, blühende Rosen. Sie hatten nichts als Februardämmerungen, die auf Seegestade mit lauter Ginsterbüschen und Steinen niedersanken. Kein grüner Zweig, weder ihnen zu Häupten, noch rings umher; nichts als der ungeheure Himmel, an dem langsam schweifende Nebel hinzogen. Und statt Blumen brauner Seetang, den die Fischer, vom Strande heraufkommend, in ihren Netzen auf den Pfaden nachgezogen.

Die Winter sind nicht strenge in dieser Region, die milde wird durch die Meeresströmungen; aber dennoch brachte die Dämmerung oft eiskalte Feuchtigkeit und unsichtbaren, feinen Regen, der sich ihnen auf die Schultern legte. Sie blieben trotzdem und fühlten sich da sehr behaglich. Und diese Bank, die mehr als ein Jahrhundert alt war, wunderte sich nicht über ihre Liebe; sie hatte schon so manche gesehen; sie hatte sie oft gehört, die süßen Worte, immer dieselben, die aus dem Munde junger Leute quellen, und sie war auch daran gewöhnt, die Verliebten später wiederkommen zu sehen, wie sie sich als wackelköpfige alte Männer und zitternde alte Frauen an dieselbe Stelle setzten, – dann aber bei hellem Tage, um noch ein wenig Luft zu athmen und sich an ihrer letzten Sonne zu erwärmen.

Von Zeit zu Zeit steckte die Großmutter Yvonne den Kopf durch die Thüre, um sie anzusehen. Nicht als wäre sie besorgt gewesen, was sie wohl zusammen trieben, sondern nur aus Liebe, um die Freude zu haben, sie zu sehen und sie hereinzunöthigen. Sie sagte:

»Ihr werdet frieren, meine guten Kinder! Ihr werdet was Schlimmes erwischen! Mein Gott! Mein Gott! so spät draußen bleiben, ich möchte bloß wissen, ob das Sinn und Verstand hat?«

Kalt? War ihnen kalt, den Beiden? Fühlten sie überhaupt irgend etwas als das Glück, Eines beim Andern zu sein?

Die Leute, die auf dem Wege Abends vorübergingen, hörten das leise Murmeln ihrer Stimmen sich mit dem Rauschen am Meere drunten, am Fuß der Klippen, vereinigen. Es war eine sehr harmonische Musik: Gaud's frische Stimme wechselte mit der von Yann ab, die sanfte, vollklingende, liebkosende Tieftöne hatte. Man konnte auch ihre beiden Umrisse unterscheiden, die von der Granitmauer abstachen, an der sie lehnten: zuerst Gaud's weiße Haube, dann ihre schlanke Gestalt im schwarzen Kleide und neben ihr die breiten Schultern ihres Freundes. Ueber ihnen die bucklige Wölbung ihres Strohdachs und hinter dem allen die dämmernde Unendlichkeit, die farblose Leere der Wasser und des Himmels.

Endlich kamen sie doch herein, sich an den Kamin zu setzen, und die alte Yvonne, die sofort mit nickendem Kopfe entschlummerte, störte nicht gar sehr die beiden jungen Liebenden. Sie begannen gleich wieder, leise weiterzusprechen, da sie zwei Jahre Schweigen einzubringen hatten, und da sie sich sehr mit dem Hofmachen eilen mußten, das nur so kurz dauern sollte.

Es war ausgemacht, daß sie bei der Großmutter Yvonne wohnen würden, die ihnen ihre Hütte vermachte; für den Augenblick machten sie noch gar keine Verbesserungen, weil keine Zeit dazu war, und verschoben auf die Rückkehr aus Island ihre Verschönerungspläne für das arme, gar zu öde Nestchen.


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