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Ein schottischer Sommertag

My heart's in the highlands, wherever I go!

Zwei Stunden fährt man vom lärmenden, dröhnenden, rauchschwarzen Glasgow am kühlen Meer entlang: dann ist man im lieblichen Städtchen Ayr. Und in einer behaglichen halben Stunde wandert man vollends hinaus nach den Bauernhütten von Alloway.

Als ich durch das üppige Gras des schönen Junitages schritt: spürte, wußte, erlebte ich's, überrieselt von Glück, daß der Schatten des kelto-germanischen Barden Robert Burns neben mir herschwebte und mir gutlächelnd seine Lieblingsstellen wies.

Es plaudert dort ein kleiner Bach durch einen saftigen, mit Büschen und Bäumen lieblich durchsetzten Wiesengrund, diesseits des Doon, zwischen Ayr und der Burnshütte. Dort lief, verwunderlich lange Zeit, ein Vogel vor mir her. Es war keine Lerche, wie sie heute zu Hunderten trällernd in der Luft hingen, es war auch keine Wachtel, deren Revier gleichfalls diese vielen Saaten sind, dort an den schimmernden Hügeln hin. Es war ein Hänfling, der in Hecken nistet, zwischen hohem Gras, das seine aufgeschossenen Halme in so wie so schon dichtes Dornengeflecht schiebt. Immer wieder, wenn ich stillstand und mit Entzücken in das grüne Licht Umschau hielt, machte auch der kleine, kluge, Köpfchen bewegende Sohn der Büsche und Matten halt und schien zu warten. Und dann lief er leichtfüßig weiter, ruckweise, immer in ganz naher Entfernung vor mir her. Ich glaube fast, ich habe mit diesem Goldammer laut und lächelnd geplaudert. War nach holden Gesetzen der Seelenwanderung der Liedergeist des schottischen Sängers in dies muntere Weißdorn-Vöglein gefahren und freute sich nun von schwanken Blütenbüschen herab oder aus tauigem Nest heraus der Pracht seiner köstlichen Heimat?

Auf staubiger Landstraße war ein unaufhörlich Fahren. Wagen um Wagen, dicht besetzt, besonders mit Burschen und Mädchen, knatterten in einem Gewölk vorüber und verschwanden im Buchwald vor Alloway, einen wehenden Staub hinterlassend, der sich langsam über die Felder verzog. Die Leute dieser Landschaft feierten drüben irgendein Fest. Ich ging nicht hin. Heute ist er ja nun weltberühmt: seine Lieder leuchten und hallen wie Sonnenblicke und weithergrüßende Hügeljagdhörner durch die Täler empfänglich gestimmter Menschen. Aber wie kümmerlich schlug sich dein Leib mit den nüchternen Verhältnissen dieser Erde herum, lieber Robert Burns! Nur dein Leib freilich; dein festes Fröhlichsein ward nie gebrochen, herrlicher Sänger des Adelsliedes aller kraftvoll stolzen Armut!

»Ob Armut euer Los auch sei,
Hebt hoch die Stirn trotz alledem!
Geht kühn dem feigen Knecht vorbei,
Wagt's, arm zu sein trotz alledem!
Trotz alledem und alledem,
Trotz niedrem Plack und alledem,
Der Rang ist das Gepräge nur,
Der Mann das Gold trotz alledem!« ...

»Der Mann das Gold trotz alledem!« Arm ist in der Tat das strohgedeckte Lehmhaus drüben in Alloway. Man muß sich beim Eintreten bücken, wenn man, gegen ein Eintrittsgeld natürlich, durch ein Drehgitter in die engen Stuben gelangen will, zu Tisch, Bett, Herd, Spinnrad, wo der Bauernknabe seine Kindheit verlebt hat. Das Geburtshaus ist verpachtet; eine Frau am bequemen Strickstrumpf wacht im Innern; ein Mann müßiggängert am Eingang; eine hübsche, schüchterne Mary hält hundert Nippsachen und Kleinigkeiten feil als Andenken an » Burns' cottage«; eine andere, redseligere Maid verkauft in einem schenkenartigen Anbau Limonaden und derlei sanfte Getränke. So bringt ein halb verhungerter, früh gestorbener, über des Lebens niedren Plack äußerlich nicht Sieger gewordener Poet nachträglich greifbare Zinsen.

Grüß' Gott, Robert Burns, grüß' Gott, Freund meiner Knabenzeit, Freund meiner Jugend! Du Mann voll Stolz und Freiheit, du Kind an weichem und zartem Empfinden! Die Wasser des Doon, über dessen alte Brücke Tam o' Shanters geängsteter Klepper galoppierte, rauschen wie einst; der Juniwind schiebt volle, satte, tiefgrüne Wipfel ineinander und bläst sie spielerisch wieder auf; ich wandre im Schatten über Sonnenlichter, die sich am Boden haschen, ich sehe aus den Vorgärten von Ayr Rotdorn, Goldregen und Kastanienkerzen herüberleuchten. Die Wiesen sind farbig überschimmert von Hahnenfuß, Kuckucksblumen und sternhaften Marienblümchen; und in einem großen blauen Bogen drängt sich dort das Meer von Irland in so viel grüne und bunte Pracht einer warmlebendigen Sommerwelt herein. Wie ein Druide oder Barde aus alter Zeit träumt ein zerfallener Turm auf öder Lehmklippe über die endlos und immerzu in geschwungener Linie anwandernden Gewässer. Manchmal gellt ein Möwenschrei herüber und mischt sich fremdartig in den ländlich-traulichen Schlag des Buchfinken oder in den Triller der Heidelerche. Diesseits des anmutigen Städtchens mit den niedlichen, hüttenartigen Vorort-Villen ist eine große, mit dünnem Gras überwachsene Turnerwiese; dort tummelt sich bei Sport und Spiel buntes Volk. Lachen und Leben und Leuchten überall durch den warmen Juni hin! Es scheint Markttag zu sein in Ayr, nicht viel Bauern sind auf den Feldern, die so schön weiß eingezäunt sind von blühenden Dornen. Jung-Robert wäre irgendwo da unten mit dabei – wenn er nicht vorzöge, mit einer Mary oder Jane abseits in Wäldchen und Gerstenähren Koseworte und Küsse zu tauschen. Horch: von jenem langen, quer von der See herübergebauten Hügelrücken im Süden, der goldgelb schimmert vom schottischen Ginster, weht als schönster Laut in so viel Laute dieses reichen Tages ein Lied aus Mädchenmund! O blauer, seelenvoller, kummerloser Sommertag im Burnsland! ...

So leuchtete diese schöne Welt und so lebten diese schottischen Menschen auch vor hundert und vor hundertundfünfzig Jahren, als die lebensfrische Persönlichkeit, die man Robert Burns nennt, die Flamme Robert Burns, der verflogene Lichtfunke Robert Burns, in diesem Grün Gestalt gewann und in Zwilch und Leinen Bauer war und seine Seele in Melodien blühen ließ; als der Pächtersohn früh zwar allerlei Bücher und Unterricht kostete, mehr aber noch Sagen, Märchen, Spukgeschichten der Gegend und die Stimmungen der unerschöpflichen Natur eintrank; als er, nach manchen nichtswürdigen Sorgen um Essen und Trinken, die Pacht von Moßgiel bei Mauchline mit seinem Bruder Gilbert übernahm; als er das Milchmädchen Mary Campbell vom benachbarten Schlosse, die unsterbliche »Hochlandsmary«, liebgewann; als sie sich am Ufer eines Weidenbaches, die Hände auf eine Bibel haltend, ewige Treue gelobten (sie aber starb drüben im Hochland schon im Herbst jenes Jahres); als sein nie gebrochenes Herz für die Calvinistentochter Jane Armour in neue Flammen geriet (er war ja immer in Liebe); als sich der puritanische Vater erst dann nicht mehr der – nicht folgenlosen – Liebe dieser Naturkinder widersetzte, nachdem Burns' inzwischen veröffentlichte Gedichte ein Stück Geld und ein Stück Ruhm eingebracht hatten; als der Bauerndichter auf einen Winter der »Löwe« von Edinburg wurde und mit angeborenem Anstand Herzoginnen zu Tisch führte; als die Mode rasch verrauschte und Burns, selber der Hauptstadt müde, zu Ellisland bei Dumfries wieder eine Pacht übernahm, die nach drei Jahren abermals in die Brüche ging; als man ihn zu Dumfries in das unpassende Amt eines Steuerbeamten steckte; als er in wachsendem Verdruß ins Zechen geriet, kränkelte, die Weiterzahlung seines Gehaltes während seiner Krankheit verweigert bekam (der stolze Sänger des »Trotz alledem« hatte darum gebeten!); als noch einmal, nachdem ihm Freunde einen Badeaufenthalt ermöglicht, sein freiheitswilder (»Bruce bei Bannockburn«!) und vaterlandsstolzer Geist, bei einem drohenden Einfall der Franzosen, aufleuchtete und er selbst in die Freiwilligenschar von Dumfries eintrat (»Will Gallien frech mit Krieg uns dräuen?!«); und als er endlich, bis in die letzten Fieberphantasien mit Angst vor dem Schuldgefängnis verfolgt, zu Dumfries starb, noch nicht 38 Jahre alt: – – so war diese schöne Welt, und so waren ihre Menschen.

Und so war der liedervolle, Harmonien aus unbekannten Sphären erlauschende, liebetiefe und phantasiereiche Sondermensch, den man den Dichter Robert Burns nennt, in seiner Sonntagsseele ganz andere Lebensgesetze tragend, ganz andere Erinnerungen an ein verlassenes Sommerland draußen im Äther des Weltalls, und daher so oft verwundert zusammenstoßend mit den niedrigen Gesetzen dieses weniger entwickelten Gestirns. Und so wird jeder echte Dichter sein, solange die Sonne ihre sieben Farben mit all den Wonnen und Ängsten ungewöhnlichen Wachsens und Verwelkens auf unsern Stern wirft ...

Ich war an diesem milden Sommertag, verträumt sitzend an den blühenden Weißdorn- und Ginsterhecken des Burnslandes, sehr weich gestimmt. Vom Meer herüber kam ein kühler Hauch, aber die Sonne ließ ihre warme Kraft über Saaten und Herzen rinnen; Gedanken der Wehmut umflogen den Einsiedler wie liebe Falter, leicht zu fangen, traulich sich aus ausgestreckte Hände setzend; und das Gras um mich her gab beim Vorüberstreifen des Mittagswindes melodische Laute wie Musik. Mir war das Herz voll von Wehmut und unbestimmter Sehnsucht; und lange Zeit saß ich und hatte die Augen voll Tränen. O lieber Robert Burns! O wehvoll-süßes Los alles Sängertums, alles ungewöhnlichen, reicheren Menschentums! O nie überwindliche Einsamkeit und dennoch ebensowenig überwindliche Liebeskraft! So werden noch viele Edelmenschen kommen, sich weinend und lachend, verdrossen und sieghaft herumschlagen und wieder verblüht dahingehen! Wir erkennen sie erst viel zu spät, und nur wenige von uns sind so gestimmt, daß reicherer Menschen Wesen die Saiten unserer ähnlichen Seele entscheidend schwingen läßt; und sie selber, ringend mit so viel minderwertigen und niederträchtigen Einflüssen, erkennen lange nicht, wie und wo das quälende und wonnige Feuer in ihnen hinaus und empor will. Denn alle Kräfte der Poesie und Kunst, alle Kräfte höheren, verklärenden Geisteslebens überhaupt, sind wie ein gefangener Funke Sonnenfeuer, der aus einer Blume drängt und treibt und sich endlich, nachdem er sich Stengel und Blätter geschaffen, zu einer Blumenkrone ballt und in wundervoller Farbe dankbar nun sein Licht der Sonne zurückgibt, bis es der Herr abnimmt und wieder auflöst. So gehen und kommen und gehen die schönen Blumen der Menschheit, die echten Sänger, die viel heißer lieben und tiefer hassen, viel glücklicher und auch viel unglücklicher sind als ihr! Helden sind sie an fester und Kinder an fröhlicher oder trauriger Gemütsstimmung, ungewöhnliche, meteorhaft vorüberglänzende Menschenkinder, die nur ein Verdienst haben, aber das Verdienst aller Verdienste: daß ihre Liebeskraft stark und tief ist – auch zu dem gütigen Erschaffer aller Dinge, zu dem ewigen Gott! – –

Über den schroffen Bergen der Insel Arran, die schattenhaft aus dem Duft der Horizonte, aus dem Blau der irischen Wasser wuchs, hatte sich die Luft wunderlich verändert; die Sonne hüllte sich in scharfzackige, trotzig geballte Wolken und ließ nun nach allen Seiten hin Blitze und Funken über die feurigen Ränder sprühen, als wäre der Behälter zu eng, als sprengte ein Flammenherz seine rauhe Behausung. Und am Abend, wohl als Nachhut eines fernen Gewitters, rieselte ein linder Regen über Glasgow. Wie tönt dies Tropfenfallen lieblich, gleichmäßig, melodisch rund um mein Haus, wie war die schwere, schwarze, weite Stadt still und tot!

Aber in den Tiefen meiner Augen, an den Horizonten meiner Seele war ein Schimmer haften geblieben, und in meinen Sinnen war ein Nachhall voll Melodie und Wohllaut ...

* * *

Wir lieben vor allem das melodische Herz dieses schottischen Liedersängers; wir lieben aber auch die Wahrhaftigkeit und anmutige Natürlichkeit seines Wesens. Mit ihm brach der Strom kerngesunder Volkspoesie, seit Shakespeare verschüttet, wieder in die Literatur ein. Und zwar in wechselreichen, sangbaren Formen. Der hochgewachsene Bauernbarde, jener lieblichen Landschaft am Ayr, in unmittelbarer Nähe des Westmeers, entsprossen, ward als ein Ereignis empfunden in jener verkünstelten Pope-Zeit. Wie etwa bei uns – trotz andrer Formen – Klopstock bei seinem ersten Auftreten: so empfand man Burns als einen, der vom Herzen aus lebte; als einen, den man nach so viel kaltem Verstand endlich wieder lieben konnte; dessen Gesänge, meist vorhandenen Melodien angepaßt, Freude machen wollten, weiter nichts, zu Edinburg wie auf den Dörfern. Innerhalb der Lyrik stehen diesem stahlgeschmeidigen Genie alle Töne zur Verfügung, von kraftstolzer Männlichkeit bis zur Liebesneckerei, vom derben Zecherübermut bis zum Todesernst. Leider beschränkt seine schottische Mundart die Wirkung seiner Verse; er ist verwachsen mit den Ginsterhügeln und Weißdorngeländen seines seltsamen Landes. Wer will diese leichte, sprühende Eleganz, diese innig-eindringliche Musik der Worte übersehen!

»I'll kiss thee yet, yet,
And I'll kiss thee o'er again,
An' I'll kiss thee yet, yet,
My bonnie Peggy Alison!« –

Das allereinfachste » bonnie lassie, will ye go« – »Schönes Mädchen, willst du gehen« – wird bei wörtlicher Verdeutschung plump neben den Vokalen und Klängen des Originals. Jede Übertragung verlangt also große Nachsicht. Wir haben keine gute Burns-Verdeutschung.

So nehme man auch mit meiner hier folgenden Übersetzung vorlieb.

An ein Maßliebchen

das der Dichter beim Pflügen fand.

Du Blumenstern, den still genug
Die treue Mutter Erde trug,
Ich muß dich brechen mit dem Pflug,
Mein Knöspchen klein,
Mich zwingt der Furche grader Zug,
Muß grausam sein.

's ist leider nicht dein Spielgesell,
Die Nachbarlerche, die so hell
In Lüfte steigt und kosend schweigt,
Wenn sich ihr Flaum
Aus deinen Stengel niederneigt,
In Schlaf und Traum.

Kalt blies der bissig-bittre Wind,
Als du vom Blumen-Ingesind'
Erwacht, ein erstgeboren Kind.
Doch schautest du
Geduckten Köpfchens, lächelnd-lind,
Dem Sturme zu.

Den Gartenflitter zäumt man fein
Mit Hecken und mit Wänden ein –
Dich schirmt ein Schöllchen oder Stein!
So mußt du stehn
Und schmückst das Stoppelfeld allein,
Ganz ungesehn.

In deinem stillbescheidnen Stand
Gesichtchen sonnenwärts gewandt,
Wie flimmerte dein schlicht Gewand
Zart weiß und rot!
Bis dich die rauhe Pflugschar fand –
Nun bist du tot.

Nun liegt im Staub dein Blumenkleid.
So ist das Schicksal mancher Maid,
Die sich so gern voll Zärtlichkeit
An Herzen schmiegt –
Bis sie wie du, beschmutzt, entweiht,
Im Staube liegt.

Und so dein Bruder, der Poet,
Der ungeschickt am Steuer steht,
In Karten starrt, um Rettung fleht
Und Hände reckt –
Bis Wind und Wogen ihn verweht
Und zugedeckt.

Die Birken von Aberfeldy

Komm, mein Dirnchen, kommst du mit?
Liebes Mädel, kommst du mit
Unter die Birken von Aberfeldy?

Dort zittert durch den Blumenrand
Kristallen klar der Bach ins Land,
Wir aber sitzen Hand in Hand
Unter den Birken von Aberfeldy.

Die Hasel beugt sich, früchteschwer,
Die Vögel flirren hin und her
Und singen, als ob Festtag wär'
Unter den Birken von Aberseldy.

Der Hang ist blumenüberglüht,
Das Schluchtgewässer braust und sprüht,
Und Sommerwohlgeruch umblüht
Die Birken von Aberfeldy.

Selbst auf den grauen Klippen hängt
Ein Kletterkraut, das Tropfen fängt –
So stehn, umschauert und besprengt,
Die Birken von Aberfeldy.

Wie oft hab' ich auf Sand gebaut
Und hab' dem Ränkeglück getraut!
Dich lieb' ich nun! Komm, sei mir Braut
Unter den Birken von Aberfeldy!

Komm, mein Dirnchen, komm doch mit,
Ja, mein Mädel? Ach, komm mit
Unter die Birken von Aberfeldy!

Der Teufel und der Steueraufseher

Dies Scherzgedicht auf seinen eigenen Beruf schrieb Burns auf einem einsamen Wachtposten in stürmischer Mitternacht.

Der Satanas fiedelte durch die Stadt
Und tanzte davon mit dem Mann von der Steuer.
Hallo, da schrien die Weiber juchhe!
Und »wohl bekomm's im höllischen Feuer!«

»Flink, braut nun und brennt nun und schlürft nun den Trank!
Getollt und gejubelt durch Küchen und Scheuer!
Und singt miteinander dem Satanas Dank:
Er dampfte davon mit dem Mann von der Steuer!

»Und hei und juchhei und zu dreien und vier,
Und immer ein Hopser, ein neuer – –
Doch den all-allerlustigsten Hopser tanzt
Mit dem Teufel der Mann von der Steuer!

»Flink, braut nun und brennt nun und schlürft nun den Trank!
Getollt und gejubelt durch Küchen und Scheuer!
Und singt miteinander dem Satanas Dank:
Er dampfte davon mit dem Mann von der Steuer!«

Bruce an seine Krieger

vor der siegreichen Schlacht bei Bannockburn (1314)

Volk, das oft mit Wallace stieg
Und mit Bruce herab zum Krieg –
Hochlandsvolk, dein harrt hier Sieg
Oder Untergang!

Wer von euch ein Schelm und Schuft,
Wer will füllen Feiglingsgruft,
Wer will atmen Sklavenluft –
Fort aus Reih' und Rang!

Doch wer Schottenkönigs Mann,
Wer ein Freischwert schwingen kann –
Her zu mir! Und drauf und dran
In den Waffenklang!

Bei der Knechtung Qual und Wut!
Deinen Söhnen kommt's zugut!
Sie sind frei! Frei durch dein Blut,
Das aus Wunden sprang!

Drauf! Tyrannenstolz in Staub!
Streiche für den Freiheitsraub!
Und heut' abend – Siegeslaub
Oder Untergang!

An Mary im Himmel

Verweilst du, Stern, mit spätem Strahl,
Und wartest auf der Lerche Lied?
So säumend schienst du schon einmal,
Als Mary mir vom Herzen schied.
O Mary, teurer Schatten du!
Siehst du, wie dein Geliebter ringt?
Und hörst du in der sel'gen Ruh',
Wie fast mein Herz vor Qual zerspringt?

Vergäß' ich je den heil'gen Hag
Und jemals den gewundnen Ayr?
Wie bang dort Herz am Herzen lag,
Von Abschied und von Liebe schwer!

Mag Ewigkeit vorübergehn
Und überrollen Lust und Qual:
Dich seh' ich dort am Bache stehn!
Wir ahnten nicht: – zum letztenmal!

Der Ayr quoll wie ein Murmelborn
Durch Kieselstrand und grünen Hain,
Und Birkenduft und Hagedorn
Umschlangen unser Stelldichein.
Das Lagergras war gern gepreßt,
Gern sang die liebe Schar im Hag –
Bis allzu früh der Flammenwest
Verkündete: Vorbei der Tag!

Dort irrt mein ruheloser Geist
Und hütet jenen Ort und dich.
Wie immer tiefer gräbt und reißt
Der Strom sein Bett, zerwühl' ich mich.
Mary, mein teurer Schatten du!
Siehst du, wie dein Geliebter ringt?
Und hörst du in der sel'gen Ruh',
Wie fast mein Herz vor Qual zerspringt?

* * *

Mit diesen tiefgefühlten Versen auf die tote Mary Campbell sei diese kleine Auswahl beendet. Mary war Milchmädchen auf Schloß Montgomery bei Moßgiel. Die Verlobten trafen sich zum Abschied am reizend umbüschten Ayr, verbrachten diesen letzten Tag zusammen im Grünen, und sie reiste dann nach den westlichen Hochlanden, um alles zur Vermählung vorzubereiten. Auf der Rückreise starb sie jäh an einem Fieber, ehe Burns überhaupt von ihrer Erkrankung erfuhr. Stets behielt er diese erste, reinste Liebe tief im Herzen, obwohl der äußere Lebensgang ihn sehr rasch in neue Verhältnisse führte. An einem Spätsommertag (1789), als sich jener Tag jährte, lief Burns, der schon Gatte und Vater war, rastlos herum, bis er sich endlich auf ein Bündel Garben warf und einen Stern anstarrte. Spät kam er ins Haus, verlangte Schreibzeug und schrieb dieses tiefe Bekenntnis seelischer Qual.

So war sein Dichten wie das Dichten Goethes: »Gelegenheitsdichtung«, Dichtung aus Drang und Gefühl. »Es war mir nie in den Sinn gekommen, ein Dichter zu werden, bis zu dem Augenblick, wo ich mich verliebte; dann wurden Lied und Reim die unmittelbare Sprache meines Herzens.«

Es wird einem wohl bei solchen Menschen, die so Mensch sind, so voll Unmittelbarkeit und Wahrhaftigkeit, so Dichter!


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