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Schon vor zehn Jahren hatte der Kommerzienrat Friedrich Wilhelm Wolf dem Komitee fünfundzwanzig Taler überwiesen, das in Bonn sich gebildet, um dem größten Sohne dieser Stadt ein Denkmal zu setzen. Aber die Beiträge waren spärlich eingelaufen und die Ausführung des Planes immer wieder verschoben worden. Bis 1839 Franz Liszt, der zeitlebens jenseits von Soll und Haben stand, von Italien aus dem Komitee angeboten hatte, er wolle auf eigene Kosten dem großen Beethoven in Bonn durch den italienischen Bildhauer Bartolini ein Standbild aus karrarischem Marmor errichten lassen. Da war Leben in die Sache gekommen. Zwar das Anerbieten hatte man mit Dank abgelehnt: des Klimas wegen ziehe man Bronze und aus vaterländischen Gründen einen deutschen Bildhauer vor. Aber die zehntausend Franken, die Liszt daraufhin gezeichnet, hatte man gern angenommen und als einen Ansporn, die Angelegenheit hinfort mit vermehrten Kräften zu fördern. – Jetzt, im Sommer 1845, war das Kunstwerk fertig, von Hähnel in Dresden modelliert, von Burgschmiet in Nürnberg gegossen, und mit der Enthüllung gedachte man ein dreitägiges Musikfest zu verbinden, auf dem eine ganze Reihe Beethovenscher Werke von den besten Kräften dargeboten werden, übrigens auch die am Rhein immer wachen Gelüste nach den materielleren Genüssen des Lebens nicht zu kurz kommen sollten.

Der Kommerzienrat meinte, er müsse doch »sein« Denkmal enthüllen helfen und seine Frau dürfe ihn bei einer so schwierigen Unternehmung nicht allein lassen. Und was die Kölnische Zeitung von den Vorbereitungen wie von den einlaufenden Anmeldungen fremder Musiker und hoher Ehrengäste zu berichten hatte, versprach des Vergnüglichen und Interessanten genug. – Schon hatte man in Bonn eine Reitbahn zur Festhalle hergerichtet, als Liszt, der jetzt in Köln wohnte, dazwischenfuhr: das gehe denn doch nicht! Er wolle auf seine Kosten dem Fest eine würdige Stätte bereiten. Er wandte sich an den Dombaumeister Zwirner und zehn Tage später – wozu hatte man die vielen Flöße auf dem Rhein? – war eine schöne hölzerne Halle von zweihundert Fuß Länge und fünfundsiebzig Fuß Breite fertig, die am 8. August bei der großen Probe eine wundervolle Akustik ergab.

Inzwischen hatte Herr Josef Schmitz, der kluge Wirt und Besitzer des Gasthofs Zum goldenen Stern am Markt, sich gesagt, daß ungeachtet des angenehmen Stroms von Ladies und Gentlemen, die auf der obligaten Rheinreise jahraus jahrein durch sein Haus fluteten, ihm doch, wenn es einmal Brei regne, der Löffel nicht zu fehlen brauche. Er kaufte die Nachbarhäuser an, baute Säle, Zimmer und Zimmerchen ein, aus und um, also daß er nicht nur fünfhundert Menschen gleichzeitig zu speisen und, was wichtiger war, zu tränken, sondern auch an die zweihundert zu herbergen vermochte. Als aber am späten Nachmittag des 9. August Wolfs am »Goldnen Stern« vorfuhren, um das vorausbestellte Zimmer zu beziehen, komplimentierte Herr Schmitz gerade eine schwarz und beinah ärmlich gewandete, dunkeläugige Dame hinaus, da tatsächlich alles besetzt und überbesetzt sei. Denn von Aloys, dem trefflichsten aller Oberkellner, hatte jene sich nicht abweisen lassen, immer wieder darauf pochend, sie sei » seconde soubrette au Grand Opéra à Paris« und » invitée par monsieur Liszt«.

Prachtvoll war am ersten Festtag die Aufführung der Missa solemnis und der Neunten Symphonie unter Spohrs sicherer Leitung. Besonders der Bassist Staudigl vom Theater an der Wien, von dem es hieß, daß er ursprünglich Medizin studiert habe, im Grunde aber zum Maler geboren sei, bezauberte alles durch Stimme und Vortrag. Man konnte gewiß nicht sagen, daß der Liebling der Berliner, der Tenorist Mantius vom Opernhaus, enttäuscht hätte, aber ganz ebenbürtig war er jenem doch nicht. – Unter den Zuhörern fiel Frau Anna ein feiner Gelehrtenkopf auf. In einer Pause fragte sie ihren Nachbar zur Rechten, einen freundlichen alten Herrn, der dann durch eine längere Aufklärung als zur Zunft gehörig sich verriet: Das sei Hector Berlioz aus Paris, dessen » Symphonie phantastique« gleichsam eine Vorgängerin der Neunten sei, wie er denn auch als Erster in Frankreich dem klassischen Ideal das romantische entgegengestellt und, die Form zerbrechend, für den neuen Inhalt einen neuen Ausdruck gesucht habe. Und dann zeigte der Alte ihr Meyerbeer und bedauerte, daß noch recht viele fehlten, die eigentlich nicht fehlen sollten: Spontini, Schumann und Marschner und leider auch Auber und Halévy, die er so gern einmal wiedergesehen hätte. Und als Frau Anna nach Mendelssohn fragte, dem niedlichen Kerlchen, das ihr von der Uraufführung seines Paulus auf dem Düsseldorfer Musikfest von 1836 noch in guter Erinnerung geblieben sei, meinte er, der sei gewiß durch die Hofkonzerte ferngehalten, die er im benachbarten Schloß Brühl zu leiten habe.

Denn Friedrich Wilhelm IV. weilte seit Ende Juli in den Rheinlanden und auf seinen ausdrücklichen Wunsch mußte die Enthüllung des Denkmals vom zweiten auf den dritten Festtag, den 12. August, verschoben werden, weil er am Abend des 11. die junge Königin Viktoria von England und ihren Prinzgemahl Albert, den Koburger, in Köln in Empfang zu nehmen und die Absicht hatte, durch solche hohen Gäste die Enthüllungsfeierlichkeit noch zu erhöhen. Da aber das Programm des dritten Tages sich nicht auf den zweiten verlegen ließ, mußte man diesen zu einem musikalischen Ruhetag machen, wohlverstanden ohne daß er dadurch etwa an Pläsierlichkeit verlieren durfte. So schlug dann Herr Merkens, der Präsident der Kölnischen Dampfschiffahrtsgesellschaft, ein improvisiertes Tauffest vor: ein soeben fertiggewordenes Schiff solle in Bonn den Namen »Beethoven« erhalten und alsdann, Küche und Keller bewährend, die Festgäste in fröhlicher Lustfahrt nach Nonnenwerth und zurück führen. – Fräulein von Bethmann-Hollweg, die Tochter des Universitäts-Kurators, vollzog den Taufakt mit Bravour, und da weder an Kränzen, Fahnen, bunten Wimpeln und Böllerschüssen gespart ward, noch an festlich gewandeten Frauen und hübschen Mädchen, an gepflegten Weinen, witzigen oder gefühlvollen Reden und munteren Liedern Mangel war, auch der Himmel dieses alles und dazu den Rhein und die Sieben Berge mit Sommersonnenglanz vergoldete, geriet die Unternehmung zum besten, also, daß am späten Abend niemand mit jenem römischen Kaiser einen verlorenen Tag zu beseufzen brauchte.

Es sei denn der König von Preußen. Zwar der Ostender Zug war ganz pünktlich auf dem Aachener Bahnhof in Köln eingelaufen, aber die in ostentativ einfacher Reisekleidung ihm entsteigende junge Königin begrüßte den in Gala und mit großem Gefolge ihrer Harrenden nichts weniger als herzlich. Und als eine Stunde später beim Empfang im Schloß zu Brühl der dort als Gast anwesende Erzherzog Friedrich von Österreich dem Hofzeremoniell gemäß vor ihrem Prinzgemahl den Vortritt zu nehmen hatte, vermehrte sich ihre schlechte Laune dermaßen, daß sie nach zehn Minuten mit ihrem Gefolge sich zurückzog, das festliche Souper und den ihr zugedachten preußischen Zapfenstreich ablehnend. So herrschte dann an der königlichen Abendtafel eine einigermaßen gedrückte Stimmung, und auch der Toast, den zu halten Seine Redelustigkeit Friedrich Wilhelm IV. sich nicht versagen konnte, blieb ohne Echo und rechte Wirkung: »Wie einst bei Waterloo, Hurra Viktoria!«

Es ließ sich nicht leugnen, daß das Komitee seiner Aufgabe nicht gewachsen war. Einmal hatte es versäumt, den musikalischen Berühmtheiten Plätze in der Münsterkirche zu reservieren, wo am 12. August nach Beendigung des großartigen Festzuges die C-Dur-Messe unter Breidensteins Leitung meisterhaft aufgeführt ward. Wolfs hatten, bevor der Festzug hineinströmte, unter der die Kirche füllenden Bürgerschaft sich niedergelassen, und ganz in ihrer Nähe saß mit ruhelosen Augen die seconde soubrette au Grand Opéra à Paris. Aber von den eingeladenen Gästen mußte mancher draußen bleiben. – Und dann hatte das Komitee leider auch nicht bedacht, daß es wohl artig gewesen wäre, für die erwarteten Majestäten und deren Gefolge auf dem Münsterplatz in Front des zwischen bekränzten Flaggenmasten der Enthüllung harrenden Denkmals bequeme Sitze herzurichten. Ein Glück, daß das gräflich Fürstenbergische Palais auf den Münsterplatz hinaus einen Balkon hatte, der in letzter Stunde noch mit Teppichen, Kränzen und Topfblumen sich schmücken ließ. Solchergestalt sahen die hohen Herrschaften dann doch noch ganz würdig sich untergebracht, ohne zu ahnen, daß es sich um einen Notbehelf handle.

Die Türen der Kirche sprangen auf, die herausströmende Menge füllte den Münsterplatz, Breidensteins Festkantate und seine gutgemeinte Festrede verwehte der Wind. Dann sank die Hülle, und Beethovens Standbild glitzerte in der Sonne, begrüßt von tausendstimmigen Jubelrufen, Böllerschüssen, Trompetenfanfaren und Gewehrsalben. Aber die englischen Hofdamen auf dem gräflich Fürstenbergischen Balkon kicherten, ihrer hochnäsigen Gebieterin Antlitz erstarrte völlig, und Friedrich Wilhelm IV. bemerkte tiefsinnig: »Der dreht uns ja den Rücken zu!« Was sich nun freilich nicht leugnen ließ. Und auch Alexanders von Humboldt Entschuldigung: daß der Beethoven in seinem Leben immer ein grober Kerl gewesen und man füglich nach seinem Tode von ihm keine Höflichkeit erwarten dürfe, konnte die Verstimmung nicht beseitigen, in der die Majestäten aufbrachen, um mit dem Dampfschiff nach Köln zu fahren, neuen Festlichkeiten entgegen. – Franz Liszt aber trat als erster freudestrahlend nahe an das Denkmal heran und betrachtete lange die leidvollen Züge des Meisters.

Am Abend dieses denkwürdigen Tages, während in Köln die bunte Beleuchtung des Domes und der Rheinufer der für ihre sechsundzwanzig Jahre reichlich blasierten englischen Königin eine kühle Anerkennung abnötigte, füllte die hölzerne Festhalle zu Bonn sich aufs neue mit Wohllaut: Franz Liszt dirigierte die C-Moll-Symphonie, und zwar genau nach dem Original, mit den zwölf Kontrabässen in den Achtelfiguren des Scherzo, was als eine unerhörte Leistung angesprochen ward. Er dirigierte auch das Finale aus Fidelio und spielte selber das C-Dur-Konzert. Auch Sänger und Sängerinnen ließen sich vernehmen. Was aber diesem Abend eine sonderliche Weihe verlieh, war die Anwesenheit zweier Jugendfreunde Beethovens: des Geheimen Medizinalrates Wegeler aus Koblenz und des neunzigjährigen ehemaligen kurfürstlichen Hofkapellmeisters Franz Ries, dessen berühmter Sohn Ferdinand, einst Beethovens einziger Schüler, dem Meister schon vor acht Jahren in den Tod gefolgt war.

Um neun Uhr am Vormittag des 13. August sollte das Schlußkonzert beginnen, darin Liszt seine Festkantate dirigieren und die verschiedenen Solisten mit Bravourstücken sich verabschieden wollten. Auch hierzu hatte Friedrich Wilhelm IV. sein und seiner Gäste Erscheinen verheißen, solches abzuwarten aber freundlich verboten, vermutlich im Blick auf die unberechenbaren Möglichkeiten der königlich englischen Laune. Natürlich wartete man doch. Dichtgedrängt saßen die Musikfreunde und übten sich in der Geduld. Um sie bei Stimmung zu halten, bearbeitete einstweilen Camilla Pleyel mit ihren wunderschönen Armen und Händen den wunderschönen Erardschen Flügel. Aber der Lückenbüßer, das Webersche Klavierkonzert, nahm ein Ende und schließlich auch die Geduld des Publikums. Friedlich Wilhelm Wolf war keineswegs der einzige, der immer wieder die Gattin zum Aufbruch drängte. Endlich, gegen halb zwölf, entschloß sich Liszt, mit der Festkantate zu beginnen. Alsbald aber zeigte sich leider, daß die lange Warterei sowohl dem Chor wie dem Orchester alle Stimmung verdorben hatte. Matt schleppte die Aufführung sich hin. Bis dann bei den letzten Takten eine allgemeine Unruhe entstand, eine Spannung sich löste: Die Hofloge füllte sich. In raschem Entschluß klopft Liszt aufs Pult und ruft: » Da capo« Und nun – war es die Genugtuung, daß die landeselterlichen Ohren lauschten, wollte man das kühle Herz der englischen Königin erwärmen oder das dem Kunstwerk zugefügte Unrecht wieder gutmachen? – die Festkantate ward mit einer Begeisterung und Hingabe wiederholt, die allen Zuhörern sich mitteilten und Liszts Künstlerruhm retteten.

An dem sich anschließenden internationalen Festessen im »Stern« teilzunehmen, fühlte der Kommerzienrat Wolf sowohl durch einen vortrefflichen Appetit wie durch die vorausbezahlten Platzkarten sich berufen. Unerschrocken stürzte er sich in das Kampfgewühl am Saaleingang, wo unter denen, die nur Hunger, aber keine Karte hatten, auch das schwarze Fräulein mit Augen, Ellenbogen und der von Zeit zu Zeit erneuten Versicherung »invitée par monsieur Liszt« sich durchzusetzen versuchte. Während die ritterlichen Gefühle des kommerzienrätlichen Busens, durch diesen Anblick nur flüchtig beirrt, auf Frau Anna beschränkt blieben, die ihrerseits Mühe hatte, sich nicht von ihrem natürlichen Beschützer und Verfolger abdrängen zu lassen, erbarmte sich ein jovial aussehender Herr, von Aloys, dem befrackten Cerberus mit vertraulicher Ergebenheit begrüßt, der kleinen Hexe, indem er sie kurz entschlossen als seine Tischdame legitimierte. Von ihren endlich erreichten Plätzen fanden Wolfs den einen durch einen stupid blickenden englischen Geistlichen – den Bischof von Gloucester, wie sie später erfuhren, – besetzt, der erst durch den energischen Wirt selber schließlich zur Räumung und Übersiedlung in den Nebensaal sich bewegen ließ, indessen Wolfs schräg gegenüber der joviale Ritter für seine dunkle Schöne und sich auf ähnliche Weise zwei Plätze erstritt. Aber Küche und Keller des Goldnen Sterns bewahrheiteten ihren guten Ruf auch heute wieder so eindringlich, daß dergleichen kleine Verdrießlichkeiten allerseits rasch verwunden wurden und im Saal wie im Nebensaal das babylonische Sprachgewirr bald im Zeichen der behaglichsten Festfreude stand. Toast folgte auf Toast, begleitet von ganzen Salven der Champagnerpfropfen, Gläserklingen und Gelächter. – Schon begannen die Zigarren sich zu entzünden – für die englischen Damen das Zeichen zu chokiertem Aufbruch – als Liszt sich erhebt und ans Glas schlägt. Da – hat den Gewandten sein guter Stern verlassen, hat der Champagner ihm den klugen Kopf verwirrt, oder ist es, weil der internationale Ungar seine Vertrautheit mit der deutschen Sprache überschätzte? – Franz Liszt, der gefeierte Held des Tages, verliert mitten in seiner Rede auf die fremden Gäste den Faden. Vergeblich wirft er ein paarmal energisch die Mähne zurück. Sein prachtvoll geschnittenes Antlitz nimmt den ihm sonst so fremden Ausdruck vollkommener Hilflosigkeit an, seine Augen haben ihre faszinierende Macht verloren und irren umher, seine Wörter stolpern durcheinander und verwirren sich. Jäh bricht er ab: »Alle sollen leben, Engländer, Holländer und Österreicher, die hierher gewallfahrtet sind!...« » Vous avez oublié les Français!« schreit ein zornroter kleiner Herr mit weißem Knebelbart ihn an. Und dann steht ein anderer Franzose auf und tadelt, verbindlich lächelnd, in wohlgesetzten spitzigen Worten, daß man nicht auch Louis Philippes gedacht, da man doch die Königin Viktoria habe leben lassen. Warum nicht auch den Kaiser von China? meint ein Engländer grob, denn der habe doch genau so gut durch Abwesenheit sich um das Fest verdient gemacht wie le Roi Citoyen ... Protest und Gelächter ... Vergeblich sucht Liszt sein Versehen auszubessern, die Franzosen zu besänftigen. In seiner Erregtheit findet er das rechte Wort nicht, auch dringt seine Stimme nicht durch. Sein Verehrer, Professor Wolf aus Jena, will ihm zu Hilfe kommen, sieht aber rasch ein, daß gegen diesen chaotischen Lärm auch seine helle Stimme nichts vermag. Achselzuckend und mit einer verzweifelnden Handbewegung gibt er sein Vorhaben auf und ist eben im Begriff, sich wieder zu setzen, als – was ist das? – etwas Schwarzes auf den Tisch fliegt. Ein Kleidchen rauscht und flattert, zwei zierlich beschuhte Damenfüße wirbeln zwischen Flaschen und Gläsern über das Tischtuch hin. »Hinaus!« ... »Bravo!« ... »Pfui!« ... » Da capo!« ... » Shocking!« ... ruft's durcheinander, aber ein Grüppchen Kölner Herren läßt sich, karnevalistisch angeheimelt, auf dieses Intermezzo hin noch ein paar Flaschen Champagner kommen. Indessen steht die » seconde soubrette au Grand Opéra à Paris«, mit Händen und Füßen gestikulierend, vor dem Jenenser Professor auf dem Tisch: » Parlez donc, monsieur Wolf, parlez donc, je vous en prie!« Unerhört verhallt ihr Flehen, aber auf einmal weiß jeder, wer sie ist. Der Tenorist Mantius hat sie wiedererkannt: Lola Montez, die spanische Tänzerin, die in Berlin kürzlich sich unmöglich gemacht hat und nun auf der Suche nach einem neuen Wirkungskreis ist. – Das war das Ende des Beethovenfestes. – Der englische Musikschriftsteller Henry Charley aber verbuchte, bevor er als einer der Letzten den Saal verließ, mit gewissenhaftester Sachlichkeit in seinem Reisenotizbuch die erstaunliche Leistung des Wirtes: daß trotz der endlosen Fülle der Gerichte und der vielen hinderlichen Toaste jeder einzelne Gang des zweieinhalbstündigen Diners vollkommen warm serviert worden sei.

Inzwischen hatte die englische Viktoria, bevor sie mit ihren königlichen Gastgebern von Brühl nach Stolzenfels übersiedelte, in Köln dem Dombaukomitee fünfhundert Pfund gespendet, welcher Betrag die Kölner in Anbetracht dessen, was sie sich Empfang und Illumination hatten kosten lassen, allzu bescheiden däuchte. Franz Raveaux, der Demokrat, beschloß, die Knauserige zu bestrafen. Er berief eine Volksversammlung, die, als die Polizei sie auflöste, schon den rasch bekannt werdenden Beschluß gefaßt hatte, die Stadt Köln möge der Königin als Gegengabe dreitausendfünfhundert Taler »für die armen Irländer« überreichen lassen.


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