Artur Landsberger
Das Blut
Artur Landsberger

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Vierzehntes Kapitel.

Noch in derselben Nacht ging Johannes in Friedas Kammer. Frieda erwartete diesen großen Augenblick seit Jahren. Ein Gefühl sagte ihr: er muß kommen! – In dieser Hoffnung lag sie jeden Abend stundenlang wach; träumte sie unruhig, wenn sie endlich einschlief, und war nach dem Erwachen dann jeden Morgen enttäuscht, wenn sie feststellte, daß ihr Zusammensein mit Johannes – nur ein Traum gewesen war.

Nun endlich stand er leibhaft vor ihr.

Grade heute!

Jeden Abend hatte sie in der Hoffnung, daß er endlich kommen würde, mit großer Sorgfalt Toilette gemacht. Nur heute war sie nach dem Entsetzen, das sie beim Anblick dieses Ebenbildes Kornelias gehabt hatte, ohne sich abzuschminken und die Tagesperücke mit einer anderen zu vertauschen, in ihrem Taghemd ins Bett gekrochen.

Als sie die verklebten Augenlider endlich auseinander hatte, sagte sie lächelnd: »Da bist du! – endlich!«

Aber das Aussehen des Johannes glich allem, nur nicht dem eines Liebhabers.

»Steh auf!« sagte er barsch. »Ich habe mit dir zu reden!«

»A–auf–stehn?« fragte sie enttäuscht.

»Meinetwegen bleib' liegen! aber setz' dich auf und hör' genau hin, was ich dir sage!«

»Kommst du zu mir?« fragte Frieda mit einem letzten Schimmer von Hoffnung.

»Was heißt das?«

»Johannes!!« rief sie, richtete sich auf und schlang die Arme um ihn.

Er warf sie mit einem Ruck aufs Bett zurück und brüllte:

»Ekelhaft – je älter die Weiber werden, um so verrückter sind sie!«

Frieda strömten die Tränen über das klebrige Gesicht.

»Hör auf zu heulen!« befahl Johannes, – »oder ich schlage.«

»Schlage! schlage mich!« bettelte Frieda.

»Vieh!« schalt Johannes, ging angeekelt ans Fenster, öffnete es, blieb mit dem Rücken zur Stube hin stehen und wiederholte: »Steh' auf!«

Frieda kroch aus dem Bett, warf sich irgendetwas Undefinierbares über und sagte: »Was willst du?«

»Bist du jetzt wieder bei dir? – Euch Weiber sollte man zu vierzig Jahren ersäufen – und aufpassen, daß ihr nicht wieder hochkommt.«

»Also was soll ich?« fragte Frieda gekränkt.

Jetzt erst wandte sich Johannes zu ihr um. Er mußte lachen.

»Weißt du wie du aussiehst?« fragte er.

Sie lächelte und erwartete etwas Liebes.

»Wie ein ausgequetschter Schwamm – aber einer, der seit zehn Jahren in Gebrauch ist – weißt du, so matschig und zottlig und rissig. Dich möchte ich einmal sehen, wenn du Siebzig bist!«

»Was du von mir willst, mitten in der Nacht?« fragte sie jetzt wütend.

»Also paß auf! Dir liegt doch auch daran, daß diese Kornelia aus dem Hause kommt.«

Frieda nickte, und Johannes fuhr fort:

»Aber so, daß sie nicht wiederkehrt.«

»Wenn das ginge!«

»Es geht! und hängt nur davon ab, wie du dich anstellst.«

»Für dich – du weißt – da tue ich alles! – leider!«

»Wenn es dir nicht paßt, kannst du gehen. Ich halt' dich nicht!«

»Nein! nein! – Ich tue es gern! Befiehl nur. Und wenn es ein – Mord ist!«

»Dazu werde ich mir ausgerechnet dich aussuchen. – Was ich von dir will, ist nichts weiter, als daß du Kornelia sagst, du wolltest ihr behilflich sein, von hier fortzukommen und ihr irgendwo in einem anständigen Hause einen Posten zu verschaffen, der ihr zusagt.«

»Wenn es weiter nichts ist!«

»Wird sie dir das glauben?«

»Ja! – Es paßt zu dem, was ich heute mit ihr gesprochen habe.«

»Um so besser! – Und wenn es klappt – und du mir dabei hilfst, dann . . .«

Er wollte ihr etwas Freundliches sagen. Aber sie sah so ganz und gar unmöglich aus, daß selbst dem Vielgewandten die Sprache versagte und das Wort im Munde stecken blieb.

Aber Frieda nahm die Gelegenheit wahr.

»Was ist dann?« fragte sie, – – »wenn es klappt und ich dabei helfe?«

»Dann . . . dann will ich versuchen . . .«

»Was?« drängte sie.

»Netter zu Dir zu sein!«

Während sie noch zu ihm aufsah, schob er sich zur Tür, sagte: »Gute Nacht!« und ging hinaus.

* * *


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