Artur Landsberger
Das Blut
Artur Landsberger

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Zehntes Kapitel.

Die blonde Dame, der noch am selben Abend auf dem großen Opernball ihr kostbarer Halsschmuck gestohlen wurde, war niemand anders, als Frau van Jörgens

Johannes van Gudry war in unkenntlicher Maske, in der ihn selbst Kornelia, als er sie abholte, nicht erkannt hatte, erschienen. Und Peter Last steuerte das Auto, in dem sie mit der kostbaren Beute unauffällig davonfuhren.

Kornelia war anfangs vor Freude ausgelassen wie ein Kind.

»Ich hätte noch einem halben Dutzend anderen Damen den Schmuck abnehmen können,« sagte sie. »Es kribbelt mir noch jetzt in den Fingerspitzen, wollen wir nicht umkehren?«

»Wahnsinn!« widersprach Johannes. »Fortgehen und wiederkommen fällt doch auf. – Wo ist der Schmuck?«

Kornelia, die hohes Fieber hatte und mit ihren Gedanken längst wieder in dem Ballsaal war, erwiderte: »Ich weiß nicht.«

»Was soll das heißen?« fuhr er sie an.

Kornelia erschrak. –

»Den Schmuck!« wiederholte er und streckte die Hand aus.

Sie sah erst auf die Hand, dann ihn an. Wie ein Raubtier, das auf der Lauer lag, den Kopf nach vorn gebeugt, saß er da und starrte sie an.

Sie hielt seinen Blick aus und sagte in aller Ruhe: »Herr van Gudry, was soll das?«

Johannes, zitternd vor Wut, fauchte: »Den Schmuck!«

»Sie haben mir ein Vergnügen bereitet,« erwiderte sie, »ich bin Ihnen dankbar! Der Schmuck interessiert mich nicht.«

»Glauben Sie, ich begebe mich Ihres Amüsements wegen in Gefahr?«

»Was wollen Sie mit dem Schmuck?«

»Ihn zu Geld machen.«

»Pfui!«

Johannes lachte laut auf: »Moralische Anwandlungen müssen Sie sich bei mir abgewöhnen. Unser Geschäftsbetrieb erfordert Stimmung! Champagner können Sie bei mir trinken, so viel Sie wollen, und Musik können Sie haben von früh bis in die Nacht! Sie bringen es mir ein! Aber in geschäftlichen Dingen gibt's keine Launen, verstehe ich keinen Spaß. – Sie gehören jetzt mir! sind unwiderruflich mir verfallen.«

Kornelia sah ihn entsetzt an: »Sie reden irre!« sagte sie.

Er umspannte die Knöchel ihrer Hand und sagte: »Den Schmuck . . . oder . . .« Er drückte kräftig zu.

Kornelia schrie auf: »Ich tat es aus Passion!« rief sie. »Nicht, um mich zu bereichern.«

Sie griff mit der freien Hand in die Tasche, zog den Schmuck heraus und warf ihn aus dem Wagen.

Da stieß er sie roh – sie schlug auf den Boden – schrie: »Halt!«, sprang heraus, suchte den Schmuck, fand ihn, kroch keifend in den Wagen zurück, hob Kornelia hoch und sagte:

»Sie sind toll, Kornelia! Solange die Welt steht, lebt die Menschheit davon, daß sie sich gegenseitig betrügt und bestiehlt. Die gesetzlich verbotene Form nennt man Diebstahl; gesetzlich konzessionierten Diebstahl nennt man Geschäft – das ist der ganze Unterschied, im Grunde ist alles dasselbe!«

»Ich will nicht!« wehrte sie sich.

»Die Einsicht kommt zu spät. Ich brauche Sie! Es sei denn, daß Sie sich doch besinnen – und meine Frau werden.«

Er legte den Arm um sie und zog sie zu sich.

Sie schluchzte laut und verbarg ihr Gesicht.

»Es muß ja nicht heute sein!« sagte er und dämpfte die Stimme. »Aber schade wäre es, denn ich finde, wir passen ganz ausgezeichnet zueinander.«

Da schrie sie laut auf wie ein Tier.

* * *


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