Selma Lagerlöf
Legenden und Erzählungen
Selma Lagerlöf

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Vineta

Es war eine Juninacht vor einigen Jahren. Ein Dampfschiff, das die Tour zwischen Stockholm und Visby machte, glitt über die Ostsee hin. Es war vollkommen stille. Das Meer machte keine einzige Bewegung, es schien nur darauf bedacht, den bleichroten Himmel widerzuspiegeln. Es entstanden Schattierungen und Farbenbrechungen wie auf Seide, wenn Kette und Einschlag von verschiedener Farbe sind.

Als die Passagiere in die Kajüte gegangen waren, begann der Steuermann des Dampfschiffes eine alte, schöne Melodie zu summen. Bald darauf sang er die Worte zu der Melodie, und je weiter die Nacht fortschritt, desto deutlicher sang er, obgleich er nie die Stimme mit voller Kraft ertönen ließ. Er änderte die Melodie nicht, sondern fuhr die ganze Zeit fort, dieselbe Weise zu singen.

An Bord befand sich ein reisender Engländer, der auf dem Verdeck geblieben war, von der Schönheit der Nacht gefesselt. Er hatte lange dem Singen zugehört und war ganz vertieft darin gewesen, dann hatte er sich losgerissen und war nach rückwärts gegangen, gleichsam wie um außer Hörweite zu kommen. Nun schritt er wieder nach vorn und ging gerade zu dem Steuermann hin.

»Was ist das für ein Lied?« fragte er auf Englisch.

Der Seemann, der auf großen Reisen gewesen war, verstand recht gut Englisch, aber mit seiner Fähigkeit, es zu sprechen, sah es windig aus. Er wußte nichts anderes von seinem Liede zu sagen, als daß es die Weise von Vineta war. »Ja,« sagte der Engländer, »das dachte ich mir schon, die Weise von Vineta.« Sein Ton war im höchsten Grade ärgerlich, aber gleichzeitig lächelte sein ganzes Antlitz, wie um sich vorzubehalten, daß es ihm nicht Ernst war. »Dieses Wort habe ich Sie jetzt die ganze Nacht hindurch singen hören, es war alles, was ich verstehen konnte. Aber jetzt frage ich. Ist das ein Lied für einen Steuermann? Vineta, das ist ja eine versunkene Stadt auf dem Grunde des Meeres. Denken Sie sich nun, daß hier an Bord einer wäre, der an Vorbedeutungen glaubte. Müßte der sich nicht fragen, ob Vineta das Ziel ist, zu dem Sie dieses Boot steuern?«

Er sprach mit derselben Gereiztheit und demselben Lächeln, als bäte er sich aus, daß man meinte, es sei sein Ernst. Der Seemann stand auch ganz gelassen da und lächelte. Er verstand jedes Wort, konnte aber keine Antwort zusammensetzen.

Der Engländer fuhr fort. »Lassen Sie uns vernünftig sprechen,« sagte er, aber das Lächeln wich noch immer nicht von seinem Antlitz. »Ich möchte gern, daß Sie mir ein paar Fragen beantworten. Glauben Sie wirklich nicht, daß es Ereignisse giebt, die nur da sind, um andere Ereignisse vorzubereiten?«

Diesmal hatte der Steuermann ihn nicht verstanden. Er schüttelte den Kopf. Der Engländer schwieg eine Weile und dachte nach, wie er seine Frage deutlicher vorbringen könnte. »Ich will Ihnen etwas erzählen, damit Sie mich begreifen,« sagte er endlich. »Als ich zwölf Jahre alt war, entschlossen sich meine Eltern auszuwandern, und ich sollte natürlich mit. Auf der Eisenbahnreise nach Liverpool sah ich von einem Koupeefenster aus eine Schule vorbeiziehen. Ich sage Ihnen, ich kann noch diese Knaben sehen, die von einem freien Tage im Grünen heimkehrten. Ich entsinne mich ihrer roten Wangen, der Blumen, die sie trugen, des Laubs, mit dem sie ihre Hüte geschmückt hatten. Nicht wahr, es war doch nur ein schöner Anblick, sie zu sehen, und doch erfaßte mich Angst. Es dünkte mich, als seien die Knaben in Wirklichkeit gar nicht da, als verkündigten sie nur etwas, das kommen sollte. Und ohne daß ich bis zu diesem Augenblick weiß, warum, schlug ich die Hände vor die Augen und fing an, zu weinen. – – – Und in der Nacht, die wir in Liverpool zubrachten, hatte ich einen warnenden Traum. Ich träumte, daß ich an Bord des Auswanderungsdampfers war. Und im Traume sah ich, wie das Schiff eben in See stechen wollte, und ich bemerkte, daß ein Matrose damit beschäftigt war, ein Wimpel auf dem Toppmast zu hissen. Da dachte ich im Traum: ›Dieser Wimpel kommt niemals hinauf‹, und so war es. Als er in halber Höhe des Mastes war, verwickelte er sich in dem Tauwerk und saß fest. Ich sah, wie der Mann zerrte und zog, um ihn herabzubekommen, und wie er aufs neue festsaß, als er ihn abermals hinaufhißte. Er konnte ihn nie weiter als in halbe Höhe des Mastes bringen. Mehrere eilten hinzu, ihm zu helfen; es entstand Aufregung und Verwirrung, der Kapitän kam, und die Steuermänner kamen. Es war mir, als könnte ich gar nicht verstehen, warum die Leute so viel Wesen wegen eines Wimpels machten. Es wurden ihrer immer mehr, die zogen und zerrten; aber der Wimpel ging nicht hinauf, und es verbreitete sich ein unerklärliches Entsetzen. Alle an Bord scharten sich um den Mast und sie gerieten alle außer sich vor Angst, als sie sahen, daß der Wimpel nicht hinaufging. Sie warfen sich alle auf die Knie, um Gott zu bitten, er möge den Wimpel hinaufgehen lassen. Ich, im Traume, war noch gar nicht ängstlich, aber plötzlich wurde ich es, als ich das Entsetzen der anderen gewahrte. Die Menschen waren leichenblaß, ihr Haar sträubte sich, die Augen drangen aus ihren Höhlen, es röchelte in ihren Kehlen, und sie falteten die Hände so krampfhaft, daß die Gelenke knackten. Da erfaßte mich solche Angst, daß ich erwachte. Noch am nächsten Tage lag der Schrecken mir in den Gliedern. Man wollte mich an Bord nehmen; aber ich ging nicht. Es lag ein solches Entsetzen über mir, daß meine Eltern glaubten, ich würde wahnsinnig werden, wenn sie mich zwangen, mitzukommen, und so ließen sie mich in England. Nachher zeigte es sich, daß dies ein Omen gewesen war. Ich wurde in die Schule gebracht, deren Zöglinge ich auf dem Wege gesehen hatte, und das Auswanderungsboot litt Schiffbruch. Meine Eltern und Geschwister und die meisten meiner Familie ertranken.«

Während der Engländer dies erzählte, war seine Stimme sehr düster und sein Antlitz ganz ernst; aber kaum hatte er aufgehört, von dem Traume zu sprechen, als auch schon das Lächeln, das stets gegen seine Worte zu protestieren schien, sich wieder auf seinem Gesichte zeigte. »Nun,« sagte er, »verstehen Sie es jetzt? Glauben Sie nicht, daß manche Ereignisse nur Vorboten anderer sind, die kommen sollen?«

Der Steuermann wendete nun die Augen von dem Kompasse ab und sah den Engländer an. Er sah einen jungen Mann, der etwas blaß war, mit einem gewöhnlichen und recht angenehmen Äußern. Der Mann sah ihn an, als ob er etwas Merkwürdiges in ihm suchte. Während der Fremde von seinem Traume sprach, hatte er sich von einem Schauer nach dem anderen durchschüttelt gefühlt.

Aber er antwortete nur: »Wie sollte das möglich sein!« Der Engländer zuckte die Achseln. »Möglich!« wiederholte er in beinahe überredendem Tone. »Könnte man sich nicht denken, daß die Natur mehr Besorgnis für den einen, als für den anderen an den Tag legte? Das Meer zum Beispiel,« fügte er einschmeichelnd hinzu »giebt ja immer dem einen gutes Wetter und dem anderen schlechtes.«

Der Seemann nickte zustimmend.

Der Fremde fuhr mit neuem Mute fort. »Und haben Sie wirklich selbst nie ein solches Warnungszeichen an sich erfahren? Haben Sie nie daran gedacht, daß dieses Lied von Vineta als Omen aufgefaßt werden könnte? Pflegen Sie es jede Nacht zu singen?«

Es gab dem Steuermann einen Ruck, und er blickte beinahe mit Angst auf den Engländer, plötzlich raffte er sich auf, lächelte gutmütig und wies auf eine Bekanntmachung, die dicht daneben angeschlagen war: »Die Passagiere werden ersucht, den Steuermann nicht anzusprechen.« Er übersetzte dies langsam und ausdrucksvoll.

Der Engländer starrte ihn eine Sekunde an, ohne ihn zu verstehen. Dann begriff er und ging lächelnd nach rückwärts.

Aber der Steuermann atmete leichter. Wenn der Mann Gelegenheit gehabt hätte, mehr zu fragen, würde er wohl aus ihm herausgelockt haben, wer ihn die Weise gelehrt und warum er sie so lange nicht gesungen. Schließlich würde er ihm noch weisgemacht haben, es habe etwas zu bedeuten, daß er das Lied nun wieder gesungen. Er lächelte unwillkürlich darüber, daß es Tod und Untergang bedeuten sollte, daß er die Weise sang. Lag irgend ein Sinn darin, so kündete es wohl eher Auferstehung. Und er begann aufs neue zu summen.

* * *

Seit drei Tagen lag ein Nebel über Visby. Er war eines Morgens um die sechste Stunde über die Stadt gekommen, einen Augenblick, bevor das Stockholmer Boot in den Hafen eingelaufen war; und seither hatte er dicht über der Stadt geruht. Es war ein recht angenehmer Nebel. Ganz weiß, sehr mollig, leicht und in ständiger Bewegung. Er flößte immer die besten Hoffnungen ein, daß er im nächsten Momente schwinden würde, er hinderte die Sommerwärme nicht, sich geltend zu machen, er klebte sich nicht fest, wie rauhe Feuchtigkeit, weder an Mauern noch an Bäumen; der Boden war trocken, wie bei Sonnenschein. Trotz alledem wirkte der Nebel ein wenig niederdrückend, es war, als würden auch die Gehirne unsicher und tastend, weil die Blicke es nie vermochten, den weißen Schleier zu durchdringen. Er hatte beiläufig dieselbe Wirkung wie die Dunkelheit der Nacht. Die Leute fühlten sich geneigt, an übernatürliche Dinge zu glauben, etwas für möglich und wahr zu halten, dem sie sonst keinen Gedanken geschenkt haben würden.

Um diese Zeit wohnten die alten Fräuleins Isfeldt in Visby. Dies waren drei alte Damen, die den Ort und seine Geschichte kannten, Damen, die selbst mit zu seiner Geschichte gehörten. Es verhielt sich nämlich so, daß die armen Leute in Visby die Gewohnheit angenommen hatten, mit allen ihren Kümmernissen zu diesen Damen zu kommen. Und so nach und nach war etwas zwischen Seelsorgern, Armenvorstehern und regierenden Fürstinnen aus ihnen geworden. Es waren sehr gute Frauen, aber sie hatten etwas von »Vorsehung« an sich.

Am Abende des dritten Nebeltages bekamen diese Fräuleins in ihrem alten Hause den Besuch eines reisenden Engländers, der sanft und angenehm aussah; er stellte sich als Mr. Edward Stone vor, Lehrer an einer Schule in London, und befand sich nun auf einer Reise durch Skandinavien, um geologische Studien zu machen.

Mr. Stone erschien nicht allein; mit ihm kam Tom Sundling, der Steuermann auf einem der Stockholmboote und ein alter Bekannter der Fräuleins war. Sie kannten ja im übrigen den ganzen Ort. Es war beinahe unmöglich, von ihnen nicht gekannt zu sein.

Tom ging sofort auf Fräulein Maria zu, und da wußten die Fräuleins gleich, daß er eine Helferin brauchte, die beredt war; denn hätte es sich um etwas Geschriebenes gehandelt, so würde er sich an Fräulein Hilda gewendet haben, und wäre die Rede von thatkräftiger Hilfe gewesen, dann hätte Fräulein Alma herhalten müssen. »Fräulein Maria,« sagte er in müdem und niedergeschlagenem Tone, »ich habe mit diesem Herrn eine Sache zu besprechen; aber ich kann nicht gut genug englisch. Ich verstehe ihn; aber wenn ich selbst sprechen soll, finde ich die Worte nicht.«

Daraufhin setzte sich Tom auf ein Sopha, ohne daß ihn jemand dazu aufgefordert hätte, und der Engländer that ein Gleiches. Die Schwestern sahen einander lächelnd an und schüttelten alle drei gleichzeitig den Kopf. Diese Männer waren augenscheinlich ganz aus dem Gleichgewicht. Schwester Maria würde wohl mit einem ungewöhnlichen Anliegen zu thun bekommen.

»Fräulein Maria,« fuhr Tom fort, »niemand ist so mit in der ganzen Sache gewesen, wie Sie und die anderen Fräuleins, und Sie können englisch sprechen. Wenn Sie darum so gut sein wollen, mir zu helfen, müssen Sie diesem Herrn Veras Geschichte erzählen.«

»Tom,« erwiderte Fräulein Maria Isfeldt und erhob sich in ihrer ganzen Würde. »Das will ich keineswegs.«

Und gleichzeitig mit Fräulein Maria erhoben sich auch Fräulein Hilda und Fräulein Alma, und der Engländer, der nichts von dem verstand, was gesagt worden war, merkte plötzlich, daß die drei einfachen, alten Frauen feine und vornehme Damen waren.

Der Seemann zuckte die Achseln, wie um zu sagen, daß er sich schon geweigert hatte, aber vergebens. »Sie will es selbst,« sagte er.

Fräulein Maria fuhr mit ihrem gewohnten Eifer auf: »Dies hätte ich nicht von Ihnen erwartet, Tom Sundling,« sagte sie. »Wenn auch Vera schlecht gegen Sie gehandelt hat, Tom, so hätte ich doch nicht geglaubt, daß Sie sie an einen Fremden verraten würden. Was will er mit ihr? Will er ein Buch über Euch schreiben? Es giebt genug schlechte Bücher in der Welt. Sind Sie so sicher, Tom, daß Sie nicht Vera größeres Unrecht zugefügt haben, als Vera Ihnen?«

Tom nahm den Tadel in Geduld entgegen. Er war wie ein Pferd, das müde gehetzt wurde und sich nicht einmal bei einem Peitschenhiebe aufraffen kann. Er wendete sich jetzt an den Engländer und sagte: »Fräulein Maria will wissen, warum Sie es wissen wollen.« Darauf setzte er sich auf das schmale Sopha, lehnte den Kopf gegen die Wand und saß so starr und unbeweglich, als wäre er festgenagelt, während der Engländer sprach.

Dieser wünschte nichts sehnlicher, als sprechen zu dürfen. Die Fräuleins hätten darauf schwören mögen, daß der Mann sonst ebenso schweigsam war, wie Tom offen und gesprächig. Sie schienen beide aus ihrem gewohnten Gemütszustande gerissen zu sein, was ihnen auch sonst widerfahren sein mochte.

»Fräulein Maria,« sagte er, »ich kam vorgestern nach Visby, und in dieser Zeit ist es mir gelungen, eine Menge Dummheiten anzustellen.« Er lachte leicht, und die drei kleinen alten Damen tauten sichtlich auf. Er weckte offenbar ihr Mitgefühl.

»Es ist alles die Folge davon, daß ich vorgestern Nacht aufs Meer hinaus kam. Ich werde immer erregt, wenn ich zur See bin. Das Meer ist schuld daran, daß ich ein einsames und freudloses Dasein führen mußte. Ich glaube nicht, daß es etwas giebt, das ich so hasse, wie das Meer.«

Mr. Stone merkte, wie die kleinen alten Damen ihm gleichsam näher kamen. Auf einmal hatte er nicht mehr das Gefühl, unter Fremden zu sein; er saß zwischen alten, treuen Freunden.

»Es ist wohl am besten, wenn ich gleich eine Bemerkung über mich selbst vorausschicke,« sagte er. »Ich bin ein Mann der Wissenschaft, und die natürlichen Beziehungen zwischen Ursache und Wirkung sind das, woran ich in Wirklichkeit felsenfest glaube. Aber als Kind erhielt ich einen starken Stoß zum Mystischen hin, und das fordert zuweilen sein Recht. Ich habe zwei verschiedene Menschen in mir!«

Mr. Stones Blick wurde mit einemmale unsicher, und sein Mund lächelte geheimnisvoll. »In meiner Jugend, in meiner einsamen, sehnsüchtigen Jugend kannte ich keine andere Freude, als zu träumen. Ich dachte da wohl, daß das Meer seine Schuld gegen mich sühnen würde, indem es mich reich machte. Nun, vorgestern Nacht, als das Meer ganz stille lag, tauchte der Gedanke in mir auf, daß es sich so freundlich zeigte, weil ich an Bord war. Und der alte Gedanke von der Versöhnung kam gleich wieder hervor. »Denken Sie,« sagte er mit einem entschuldigenden Lächeln, »ich hatte oft geträumt, daß ich als Taucher auf den Grund des Meeres hinabstieg und nach Perlen suchte. Und das Meer zeigte mir, was es nie vorher einem Menschen gezeigt hatte. Die Tangwirrnis glitt zur Seite, und ich sah eine Grotte sich öffnen, dicht mit wunderbaren, großen Muscheln besetzt. Riesengroß waren sie und lagen eng aneinander, an den Wänden der Grotte befestigt, wie Weihwasserkessel. Aber wenn ich eintrat, da erschlossen sie alle auf einmal ihre Schalen, und ich sah ihr Inneres von großen, leuchtenden Perlen erfüllt.

»Dieser Traum kam nun wieder. Aber ich liebe es nicht, in die Phantasien meiner Kindheit zurückversetzt zu werden. Sie bringen die Erinnerung an so viel Kummer und Einsamkeit mit sich. Ich begann, auf dem Verdeck auf und ab zu schreiten, um diese Gedanken zu verscheuchen. Da hörte ich, wie der Mann am Steuer eine Weise sang. Ich fing ein Wort auf, Vineta, und sogleich war ich aufs neue gefangen. Ich lauschte, ja, Fräulein, ich lauschte dieser Weise, wie ich nie auf Erden etwas gelauscht. Und ich betrachte den Mann, der singt. Sein Aussehen, seine Tracht, alles nehme ich in mich auf. Und dann fange ich an, mich zu verwundern, warum ich mich in dieses vertiefe, ob das etwas zu bedeuten, etwas zu verkünden hat.«

Er beugte sich vornüber und sah zu Boden. Es war, als starrte er in eine unendliche Tiefe einsamen Schmerzes hinab. Gleich hatte Fräulein Maria ihre Hand in der seinen, und Fräulein Hilda klopfte ihn auf die Schulter.

»Ich wäre als Kind nicht so einsam gewesen, wenn nicht etwas in mir gelegen hätte, das mich von anderen trennte. Ich bildete mir stets ein, von warnenden Erscheinungen, von Omen umgeben zu sein. Und ich war stolz darauf, es war, als ob die Vorsehung ganz besonders über mich wachte. Aber das hieß ja nur, das Leben zu einer wilden Jagd von Ahnungen und Voraussagungen zu machen, in der ich hin- und hergeschleudert wurde.« Der Mann nahm sich wieder zusammen. »Verzeihen Sie,« sagte er lächelnd, »ich bin nicht hergekommen, um zu klagen. Ich wollte nur sagen, daß all dies vorgestern Nacht wieder über mich kam, und wissen Sie, was ich da that? Ich ging zum Manne am Steuer hin und fragte ihn, ob er nicht fühlte, wie ich. Aber er nahm meine Frage nicht für Ernst; hätte er es gethan, hätte er geantwortet, daß er war wie ich, ich wäre ihm vor Freude um den Hals gefallen.

»Am Morgen, als wir hier in Visby erwachten, hatte ich all das Übernatürliche von mir gewiesen; aber der Nebel brachte es zurück. Das Omen hatte Recht, die Stadt, in die ich kam, war ja Vineta. Wie sie auch in Wirklichkeit hieß, der Nebel machte sie zu Vineta.

»Dies war unwiderstehlich, unwiderleglich. Es ist möglich, daß ich der Erste war, der das Wort aussprach; aber in einem Augenblicke flog es von Mund zu Mund unter all den Reisenden. Wir waren ja draußen auf dem Meere eingeschlummert, und als wir nun erwachten, umgab uns nicht Luft, sondern helle Feuchtigkeit. Wir konnten nicht weit sehen; doch erblickten wir die verschwommenen Umrisse altertümlicher Türme und Giebel, als wären wir in eine große Ruinenstadt gekommen. Es war augenscheinlich für uns, daß wir uns auf dem Grunde des Meeres befanden; all das Weiße, das um uns dampfte, es war das Meer selbst, und die Stadt vor uns, das war des Meeresgrundes tote Stadt, das versunkene Vineta.

»Ich habe Ihnen gesagt, Fräulein, wie ich als Kind träumte, wie ich träumte, daß das Meer mich reich machen würde. Ich träumte auch, das Meer würde mich glücklich machen. Im Traum pflegte ich mir einzubilden, daß ich in eine Stadt auf dem Grunde des Meeres gekommen sei. Ich fühlte, daß ich vom Meer umgeben war; aber ich ging dort einher, ohne daß es mich behinderte. Und dabei war ich unglücklich. Es gehörte mit zu diesem Traum, daß ich an alles denken mußte, was unangenehm war, zerrissene Kleider sowohl, wie schwere Lektionen. Aber am tiefsten empfand ich es, daß ich allein war. Ich wanderte Gasse auf, Gasse ab, war sehr müde und hungrig und wußte gar nicht, welchen Weg ich nehmen sollte. Aber da kam ich zu einer Gasse, die ich wiederzuerkennen vermeinte, ich sah ein freundliches, altes Haus mit einer großen Steintreppe, und auf der Treppe saß ein Mädchen. Als ich kam, da sprang mir das Mädchen gleich entgegen, sie umfaßte mein Handgelenk mit ihrer Hand und zog mich mit sich ins Haus. Und das Mädchen war meine Schwester, das Haus war unser altes Haus, meine Eltern saßen darinnen und warteten auf mich. Aber in das Haus hinein kam ich nie, ich träumte eigentlich nie weiter, als daß meine Schwester ihre Hand auf meinen Arm legte. Ich empfand dies als etwas unsäglich Weiches, die Berührung dieser kleinen, festen Hand; da war es mit allem Kummer vorbei, es war die schönste Anwandlung, ich fühlte mich von Glück durchströmt. Sehen Sie, Fräulein Maria, als ich durch Visbys Gassen schritt, empfand ich genau das Gleiche. Ich war unglücklich, wie ich es in meinen Phantasien zu sein pflegte. Und ohne zu erwägen, wie nutzlos es war, ging ich und suchte nach unserm alten Hause.

»Es kam wohl alles vom Nebel her. Ich bin ja an Nebel gewohnt; aber der ist dunkel, schmutzig, grau. Dieser hingegen ist fein, leicht, weiß wie Blütenstaub. Dieser Nebel giebt Illusionen. Er macht alles so grenzenlos groß, die Straßen nehmen niemals ein Ende, und die Turmspitzen verhauchen oben in dem Unendlichen. Dieser Nebel macht alles ehrwürdig-altertümlich, er verleiht den Ruinen das Dasein von Jahrtausenden, er drängt sich zwischen die Bäume, vergrößert die Stämme und macht das Laub dicht und üppig. Ich sah kein frühlingsjunges Laub. Diese Blätter waren vor Jahrhunderten erschaffen, sie hatten schon Jahrhunderte durchlebt.

»Und der Nebel giebt vor allem Schönheit. Wie er drapiert, wie er verhüllt, wie er nachdunkelt; Schönheit giebt er. Und alles dies machte, daß diese Stadt ganz wohl meine geträumte Stadt sein konnte. Es dünkte mich, ich sei auf dem Grunde des Meeres der Zeit. Hier war nicht mehr das vergängliche, das auf ihrer Oberfläche tändelte; hier war der mächtige Bodensatz der Erinnerungen. Hier muß ich meine Toten finden.«

Er blickte zu den alten Damen hin, um zu sehen, ob sie ihn verstanden. Und sie nickten zustimmend, als hätten sie schon lange das Ganze herausgefunden. »Es dünkte mir,« fuhr der Engländer fort, »daß alle die Menschen, die ich traf, Leute waren, die das Glück besessen und verloren hatten. Ich sah sie hier gehen, in nach innen gewendeter Freude, Niemand suchend, nichts wünschend, den Gegenwärtigen fremd, in all jenem lebend, das gewesen. Ich verstand die Sagen von Atlantis und Vineta, von den Landen und Städten der Tiefe, die so herrlich sind, daß Goldäpfel aus jenen Teilen von ihnen erblühen, welche die Oberfläche des Meeres erreichen. Das entschwundene Glück will auch ein Heim haben. Dies sind die Städte und Lande der Erinnerung. So ist es, so hat die Dichtung es verstanden. Nun wohl, eine solche Stimmung war es, in welche der Nebel mich versetzt hatte. Ich war zurückgekehrt zu meinem entschwundenen Glück, ich war in meiner Heimat. Da saß ich nun und blätterte in unserm alten japanischen Bilderbuch. Denn, sehen Sie, der Nebel verbirgt ja alles, man sieht nur ein Ding auf einmal, ganz ohne Perspektive; aber man sieht das eine Ding um so viel besser, gerade wie auf den japanischen Bildern.

»Es war ein kleines schwarzes Haus mit weißen Fensterbrettern und weißen Ecken, und die Fenster waren voll roter Pelargonien. Da stand es, auf seiner eigenen Seite im Bilderbuch, man konnte nicht vermeiden, es zu sehen, man sah nichts anderes. Und an einer anderen Stelle war ein großer Syringenstrauch, schwer von Blüten. Er prahlte mit seinen Blumen, als wäre er der einzige Syringenstrauch der Welt, und verlangte, darnach geschätzt zu werden.

»Aber was sagen Sie dazu, Fräulein Maria, daß ich mitten in alledem das Lied des Steuermanns hörte? Vineta, Vineta, erklingt es vor meinem Ohre; aber der Nebel ist dicht um mich, und ich kann nicht sehen, wer es ist, der singt. Und ich begebe mich auf die Jagd nach dem Liede. Ich durchblättere das Bilderbuch Blatt für Blatt, während ich nach dem Liede forsche. Da waren Portale, da waren Mauern mit Schlingpflanzen, da war eine Seilerwerkstätte. Es ist verblüffend, zu sehen, wie die Menschen sich eingerichtet haben, in der Stadt der Erinnerung zu leben, wie sie ihre kleinen Hütten hinauf an die ewige Ringmauer lehnen, wie sie ihre Thorwege mit den geschnitzten Pforten der Mönche verschließen. Was ich zuletzt sah, war eine Schmiede. Die stand so prächtig schwarz gegen die weiße Luft, und sie war uralt. Sie hatte keine Thür auf die Gasse, nur eine große Luke, und durch die konnte man die Esse mit den glühenden Kohlen sehen. Folgen Sie mir, Fräulein Maria?«

»Mister Stone,« antwortete Fräulein Maria munter, »Sie haben mich am Arme. Ich begleite Sie. Sollen wir bei der Schmiede stehen bleiben?«

Mr. Stone strich sich mit der Hand über die Stirne und schöpfte tief Athem. »Es ist thöricht von mir, mit Ihnen von dem zu sprechen, was Sie tausendmal gesehen haben; aber ich möchte, daß Sie wissen, wie ich es sah. Nein, wir wollen nicht bei der Schmiede stehen bleiben; ich will von ihr nur sagen, daß sie mir unheilverkündend vorkam, daß sie mir einen unheimlichen Eindruck machte.«

Die Fräulein tauschten einen hastigen Blick voll Erstaunen und Interesse. Mr. Stone fuhr fort:

»Hinter der Schmiede fand ich das Lied. Dort wird die Gasse nicht von Häusern oder Mauern begrenzt, nur der Berg selbst springt vor. Den Felsen hinauf rankt sich Epheu, und darüber hin hängt Clematis; aber auf seiner Spitze steht ein Goldregenbusch. Und dank dem Nebel denkt der Busch, ebenso wie der Syringenstrauch vorhin, er sei der einzige in der Welt, und blüht darnach; aber die Bürde ist ihm zu drückend geworden und die blütenschweren Zweige sind dem Zusammenknicken nahe. Da liegt auf ihren Knien ein Mädchen und bindet den Goldregen auf. Sie ist es, die das Lied singt.

»Es wäre ja Wahnwitz, zu sagen, daß diese Weise die schönste auf Erden sei, oder das Mädchen, das sie sang, holder als andere Frauen; aber nie habe ich mich so zu irgend einer anderen Melodie, oder irgend einem anderen Mädchen hingezogen gefühlt.

»Ich habe gesagt, daß ich die Stadt mit einem japanischen Bilderbuch verglich. Ich erinnere Sie daran, damit Sie bemerken, wie gut sie, die den Goldregen aufband, in das Bild hineinpaßt. Ist der Typus nicht japanisch? Der Körper ist so zart, daß der Kopf mit dem schweren Haar zu groß zu sein scheint, und die Augen sind schräge. Dazu kommt, daß sie immer den Kopf auf die eine Seite gleiten läßt, und die Hände hängen so hilflos hinab. Sie gleicht sicher keiner andern auf der Insel. Es dünkt mir, daß sie anders sein muß, als alle übrigen, auch in seelischer Beziehung, und daß das Leben hier schwer für sie sein muß, als gehörte sie einer fremden Race an.« – hier tauschten die alten Damen denselben verwunderten und bekräftigenden Blick, wie vorhin.

»Als ich durch den Ort ging, war mir aufgefallen, daß an jedem Hause ein kleiner Zettel hing. Diese Zettel bedeuteten jedenfalls, daß es Zimmer zu vermieten gab. Nun war nur eines möglich, nämlich nachzusehen, ob die Sängerin ein Heim hatte, und ob ein solcher weißer Zettel daran zu sehen war. Alles verhielt sich so, wie es sollte, hinter dem Goldregenbusch stand ein Haus; an der Thür des Hauses hing ein weißer Zettel. Ich gehe ins Hotel hinab, suche den Portier auf, der Englisch spricht, und bringe die Sache in Ordnung. Bevor der Abend angebrochen ist, bin ich in ein kleines Zimmer eingezogen, das als vierte Wand die Ringmauer hat. Dicht neben mir höre ich das ständige Ticktack einer Nähmaschine. Ich denke, daß die Mutter der Sängerin Nähterin sein muß.

»Von meinem Fenster aus sehe ich auch den Felsen mit dem Goldregen. Da ist auch ein kleiner, schlecht gepflegter Garten. Die Sängerin geht darin umher und jätet; aber es will nicht recht vorwärts gehen. Wenn das Unkraut schön ist, läßt sie es stehen, sie hat nicht das Herz, es auszureißen.

»Anfänglich bringe ich die Zeit an meinem Fenster zu und folge ihr mit den Augen. Sie sieht es und findet wohl mein Betragen wunderlich: aber sie läßt mich gewähren. Als sie sich endlich auf einer kleinen, schmalen Bank zur Ruhe setzt, gehe ich hinaus und lege mich ins Gras, zu ihren Füßen, ›Vineta,‹ sage ich und sehe sie bittend an. ›Vineta,‹ wiederholt sie fragend, sie will mir gern gefällig sein, aber ich erscheine ihr sehr wunderlich. Dann versteht sie, was ich will, und beginnt das Lied zu singen. Sie lehrt es mich später, Laut für Laut. Ich verstehe nicht ein Wort, aber ich bin nie so zufrieden gewesen.

»Als ich das Lied gelernt habe, ist es klar, daß wir Freunde sind. Sie will mir ihr Eigentum zeigen, da ich ein unbekannter Fremdling bin. Und wissen Sie, was sie thut, sie legt ihre Hand um mein Handgelenk. Sehen Sie, sie will mich mit sich nehmen, und sie kann mir nicht sagen, wohin ich gehen soll. Wie ich schon früher bemerkte, es ist seltsam, wie die Menschen sich eingerichtet haben, in der Stadt der Erinnerung zu leben, hier hatten sie an einigen Nischen der Ringmauer Thüren angebracht und verwahrten ihre Eßvorräte dort. Wozu konnte die Mauer nicht gebraucht werden! Sie war hohl, sie verwendete sie als Hühnerhaus. Darüber war ein Staarkäfig und ein Taubenschlag, da hing sogar ein Kanarienvogel in seinem Bauer. Vogelhaus an Vogelhaus, so weit sie hinaufreichen konnte. Aber damals dachte ich nicht an dies, obgleich ich es sah. Ich dachte daran, daß sie die Hand auf meinen Arm gelegt hatte. Die kühle Hand hatte sich darum geschlossen, wie der Glücksring des Märchens. Das war mein Traum. Ich wurde mit einem Schlage ganz ruhig, so fröhlich und vergnügt ward mir zu Mute. Nun war ich wirklich heimgekehrt. Wenn ich früher im Leben geglaubt hatte, ich sei zufrieden, so war es, weil ich vergessen hatte, was Glück war.

»Gestern führte sie mich im Orte umher und zeigte mir auch die Gegend außerhalb der Mauern. Sie fühlt für mich wie für ein verirrtes Kind, und ich lasse sie für mich Sorge tragen.

»Heute zur Mittagszeit wurde es mir klar, daß sie meine Frau werden muß. Ich will sie mit mir nach England nehmen. Sie macht mich glücklich, und ich kann sie nicht entbehren. Sie ist es, die das Meer zum Ersatz für meine einsame Jugend zu geben gewillt ist.

»Ich gehe also wieder zum Portier des Hotels hinab, und mit seiner Hilfe suche ich den Steuermann auf, der das Lied des Mädchens sang. Sehen Sie, es schien mir, daß der, der ihr Lied sang, auch etwas von ihr selbst wissen würde. Und ich wollte ja so gern etwas über sie erfahren.

»Nun zeigt es sich, daß der Steuermann die Sängerin kennt, es zeigt sich auch, daß er nicht die mindeste Auskunft über sie geben will.

»Da verliere ich die Geduld und vertraue mich ihm an. Ich erzähle von meiner Lage und meinem Wunsche, die Sängerin zu heiraten. Der Seemann zuckt mit keiner Miene. Endlich sagt er, er wolle mit mir zu ihr gehen. Er thut es, und ich sehe, wie sie sich begegnen. Ihre Augen sind Freunde und ihre Stimmen Feinde. Ich weiß nicht, was sie miteinander sprechen, aber bald darauf berichtet er mir, er hätte ihr gesagt, daß ich sie heiraten wollte, und sie hätte erwidert, sie wünschte, daß ich ihre Geschichte hörte. Und da verfällt er darauf, zu Ihnen zu gehen, um einen Dolmetsch zu haben.«

Hiermit schloß er seine lange Geschichte, völlig gleichgültig gegen das, was er hören sollte, aber ganz glücklich darüber, sich Luft gemacht, all dies den verständnisvollen alten Damen erzählt zu haben.

Und nun rückte Fräulein Maria sich mit ihrem Strickzeug zurecht; denn jetzt kam die Reihe an sie. Was sie zu thun hatte, erschien ihr ebenso anstrengend, wie ehrenvoll. Aber erst wendete sie sich an den Seemann und sagte auf Schwedisch: »Sobald Du hier hereinkamst, Tom Sundling, merkten meine Schwestern und ich, daß Du sie gesehen hast. Ist es nun wirklich Dein Wille, Tom, daß ich die Geschichte erzähle. Kannst Du Vera einem anderen abtreten?«

Sie und die anderen kleinen, alten Damen wendeten ihre Blicke Tom zu; aber der erwiderte kein Wort. Da richtete sie sich an Mister Stone und sagte auf Englisch: »Mir und meinen Schwestern gefallen Sie sehr gut, Mister Stone, und gerade deshalb will ich ehrlich gegen Sie sein und Ihnen sagen, daß wir in dieser Sache nicht auf Ihrer Seite sind. Wir werden Ihnen entgegenarbeiten, Mister Stone, aber wir arbeiten Ihnen am besten entgegen, indem wir Ihnen gerade jetzt die Geschichte erzählen. Dies sage ich Ihnen, damit Sie uns späterhin nichts nachtragen.«

Und sie und ihre Schwestern winkten ihm zu, mit dem freundlichsten Lächeln in ihren verrunzelten Gesichtern. Dann lächelten die Beiden, die nicht das Wort führten, einander an. Sie wußten schon, wie Maria die Sache anpacken würde. Die eine wußte immer alles von der anderen.

»Es war hoch oben im Orte, dicht unter der Ringmauer,« begann Fräulein Maria, und man sah ihr an, daß sie es zu schätzen wußte, einem guten Zuhörer eine gute Geschichte zu erzählen. Sie war übrigens von Anfang an so eifrig, daß das Englisch ihr nicht die geringste Beschwerde verursachte. »Dort wohnte eine arme Witwe in einer sehr kleinen Hütte. Es war nicht viel daran, aber die Ringmauer bildete ihre vierte Wand, Epheu schmückte die anderen, und ein Turm erhob sich dicht daneben, so daß sie ein gewisses vornehmes Aussehen hatte. Die Witwe selbst saß den ganzen Tag an ihrer Maschine und nähte Wäsche. Ihre Tochter besorgte alle Hausarbeit.

»Und diese Tochter, die kleine Vera, die durchaus nicht zur Erinnerung an irgend eine Nihilistin Vera hieß, sondern nur als Abkürzung ihres langen Taufnamens Veronika, sie ist es, die schon von ihrer frühesten Kindheit an bei uns wegen ihrer – Dummheit bekannt war.

»Sie war so leichtgläubig, wissen Sie, daß es nichts gab, was man ihr nicht einreden konnte. Als sie vier Jahre alt war, stellten sie die Spielkameraden an, die Sperlinge zu hüten, als sie fünf war, lehrten sie sie, daß die Sperlinge sich fangen ließen, wenn man ihnen Salz auf den Schwanz streut. So etwas sagt man allen Kindern, und sie probieren es und überzeugen sich, daß es nicht wahr ist. Aber sie saß stundenlang mit einer Peitsche in der Hand da und glaubte, daß sie die Sperlinge hütete. Sie lief den ganzen Tag über unsere trockenen Wassergräben und verfolgte die Vögel. Sie kann eigentlich alles glauben, nur nicht, daß man sie zum besten hat.

»Eines schönen Tages kommt sie in die Schule und man lehrt sie lesen und schreiben. Das geht recht leicht, aber später ist es fast unmöglich, mehr in den schönen, kleinen Kopf hineinzubekommen. Aber sie hat auch ihre starken Seiten, besonders schreibt sie sehr schön. In ihren Schreibheften ist nie ein Klecks, nie ein Eselsohr. Sie hat eine wunderliche Gabe, sich sauber und schmuck zu halten. Wenn sie weint, ist es, weil einer oder der andere Tinte auf ihr Kleid spritzt, oder weil sie sie wegen des altmodischen Tuches verspotten, das sie auf dem Kopfe trägt. Das findet sie so verletzend, daß sie sich den Tag darauf weigert, in die Schule zu gehen, sie, die sich sonst nichts daraus macht, wenn die ganze Klasse sie auslacht.

»Die Schulzeit wird etwas hart für sie. Sie kann gar nicht rechnen. Ihre Mutter kommt oft zum Schulmeister und kann sich nicht genug darüber wundern, daß das Mädchen so dumm im Rechnen ist. Sie sagt, sie könne sie nach was immer auf den Markt schicken. Sie läßt sich von den Verkäuferinnen nie auch nur um einen Öre betrügen. Aber wenn das arme, kleine Ding mit Tafel und Griffel zu thun hat, kann sie nicht eine Zahl ausrechnen. Wenn sie an die schwarze Tafel tritt, malt sie die Zahlen darauf, keine in der Klasse schreibt sie schöner als sie, aber die Addenden setzt sie in eine Reihe, und Minuend unter Subtrahend.«

»In solch einem Augenblick der Verzweiflung an der schwarzen Tafel faßt sie Freundschaft für einen der Knaben. Sie soll eine Zahl durch eine andere teilen, und man hat ihr gesagt, sie müsse dividieren, aber sie hat die Zahlen untereinander geschrieben und kann nicht von der Stelle kommen. Sie hat das Gefühl, als wäre alles für sie vorbei, und mit leeren Blicken sieht sie über die Klasse hin. Da ist ein Junge, der anfängt, ihr zuzublinzeln und seinen Griffel in einen Winkel zu seinem Lineal zu setzen. Da erinnert sie sich, wie man eine Division aufschreibt und wie sie nur das weiß, kann sie auch schon rechnen.

»Sie hat gegen niemand Verdacht; aber nichts kann mit dem Vertrauen verglichen werden, das sie seit dieser Zeit in den Knaben setzt. Sobald eine Frage an sie gerichtet wird, heftet sie die Augen auf ihn. Er flüstert ihr ein, bald richtig, bald falsch; alles, was von ihm kommt, nimmt sie mit blindem Vertrauen auf.

»Manchmal macht es ihm Spaß, sie die ärgsten Dummheiten sagen zu lassen; es schadet alles nichts. Sie wird sich über die Sache nicht klar, oder sie denkt vielleicht, daß sie falsch gehört hat, und bei der nächsten Frage wendet sich ihr Blick ebenso geduldig flehend ihm zu.

»Ebenso geht es in den Freiviertelstunden. Sie begiebt sich immer unter seinen Schutz; es ist, als könnte darüber gar kein Zweifel mehr obwalten. Im Anfange fühlt er sich etwas geniert von der Zärtlichkeit des dummen Mädchens; aber sie besiegt ihn, und bald duldet er es nicht, daß ein anderer als er selbst sie zum besten hält. Das ist sein Recht. Er sagt ihr, daß, wenn sie eine Nacht in einem Eckturm wachen will, sie die Toten sehen kann, die durch Visby aus- und einziehen. Und sie thut es. Und da die Toten nicht kommen, macht er sie glauben, sie wäre im richtigen Augenblick eingeschlafen.

»Es ist wohl nur der Schutz dieses Knaben, der das Leben erträglich für sie macht, die nichts anderes lernen kann, als was gewissermaßen auf der Straße liegt. Und wenn die beiden allein sind, haben sie ihren Spaß.

»Einmal sah ich sie auf einer Wanderung. Sie pflegten sich bei dem Thore zu treffen, das vom botanischen Garten hinaus zu den Zuggräben führt, Sie kommt ganz still durch das Thor und stellt sich auf, um zu warten. Er erscheint mit mehr Spektakel. Erst kommt ein Hagelwetter von Steinchen, die rings um sie niederprasseln, dann hallt die Wölbung von einem gellenden Krähen wieder, schließlich taumelt einer rücklings aus dem Thore, zuerst ein Bein, dann ein Rücken, dann ein Kopf. Das ist, damit sie so lange als möglich glauben soll, es sei ein gewöhnlicher Gassenjunge und nicht ihr Freund. Sie hat auch Angst gehabt, das kann man an der Art sehen, wie sie die Hände faltet, als sie ihn erkennt. Aber er kann sich kein Vergnügen versagen, und als er über die Brücke beim Graben gehen soll, klettert er auf das Gitterwerk und balanciert da weiter. Er neigt sich viel stärker zur Seite als notwendig ist, und sie sinkt vor Entsetzen zusammen. Aber nachher gehen sie in vollendeter Einigkeit den Strand entlang. Sie spielen nicht; sie gehen und sprechen wie erwachsene Menschen. Und sie ist es, die das Wort führt. Sie weiß alles, was in der ganzen Gasse geschieht.

»Nun sollen Sie eine andere Geschichte hören. Es ist eine Menge Holz in den Hafen getrieben, eine ganze verunglückte Holzlast liegt da und schaukelt sich. Das ist etwas für die Visbykinder. Tom Sundling hilft ihnen, Vera einzureden, daß sie versuchen sollte, dieses Brennmaterial, das niemand gehört, in Sicherheit zu bringen. Ihre Mutter würde für viele Winter Feuerung haben, wenn es ihr glückte, das Holz ans Land zu bringen. Sofort eilt Vera zum Hafen hinab; dort liegt das Treibholz wie ein großes Floß. Und das arme kleine Ding kriecht über eine Schute in ein Ruderboot, und von dort klettert sie hinaus auf die Blöcke. Aber es weht frisch vom Land, die Strömung geht vom Hafen weg. Der kleine Stoß, mit dem Vera auf die Bretter kommt, setzt sie in Bewegung, und die Kinderschar am Strande, die eben noch darüber jubelte, daß sie die schweren Blöcke heim zu ihrer Mutter schleppen will, beginnt vor Entsetzen zu schreien. Aber den ganzen Hafenkai hinab, bis zu dem engen Auslauf stürzt Veras Freund, Tom Sundling. Als sie vorbeitreibt, steht er auf der äußersten Kante. Er thut einen verzweifelten Sprung hinab zu ihr, nicht weil er sie dadurch retten kann, sondern weil er bei ihr sein muß. Und sie treiben ins Meer hinaus, dicht aneinander geschmiegt, beide weinend, denn sie sehen, wie die hohen Wellen draußen die Planken zu trennen beginnen. Da begegnen sie einem Segler, der sie rettet. Aber sie hätten so untergehen können, ohne daß sie einen Vorwurf an ihn gerichtet, und ohne daß er etwas anderes gedacht hätte, als daß es seine Pflicht war, mit ihr zu sterben.«

Hier sandte Fräulein Maria Tom einen schnellen Blick zu; aber Tom saß jetzt so gebückt, daß sie sein Gesicht nicht sehen konnte. Sie richtete sich wieder an den Engländer.

»Aber am nächsten Tage kann dieser Ritter seiner Dame weismachen, daß er einen Ohrwurm in ihr Ohr kriechen gesehen habe. Und sie weint und jammert zur Freude der ganzen Schule und sagt, sie fühle es, wie das Tier in ihrem Kopfe umherkrieche und geberdet sich ganz verzweifelt, obgleich es doch ein so alter und gewöhnlicher Gassenjungenstreich ist, daß niemand begreift, wie sie es nur glauben kann. Da erbarmt sich Tom endlich ihrer und zieht den Ohrwurm beim anderen Ohr mit einer Zange heraus. Und sie haben einen Ohrwurm an der Zange, den sie ihr zeigen; und sie wird gleich wieder froh, aber an den Ohrwurm glaubt sie ihr lebenlang.«

Hier brach Fräulein Maria ihre Erzählung ab. »Wenn Sie jetzt so viel gehört haben, daß Sie nicht mehr an diese Heirat denken, Mister Stone, so sagen Sie es, und ich will den Schluß kurz machen.«

»Fräulein Maria,« antwortete Mr. Stone streng. »Sie setzen mich in Erstaunen. Ich habe nie etwas so rührendes gehört. Ein Hirn, das nie zu zweifeln lernte, nennen Sie dumm. Sind Sie übrigens überzeugt, daß wir die Dummheit hassen? Vielleicht lieben wir sie sogar ebenso sehr, wie die Weisheit. Glauben Sie nicht, daß dieser Ehrenmann von einem Burschen gerade ihre Dummheit liebte? Sie paßt zu ihr, sie hat einen so süßen Mund, um Dummheiten damit zu sagen, und sie hat eine so milde Art zu vergeben, wenn er schlecht gegen sie gewesen ist. Glauben Sie nicht, daß ich begreifen kann, daß sie gerade so sein muß? Ihre Seele hat etwas Fremdes an sich, das wir nicht verstehen; lassen Sie uns verständnisvoller werden, und wir werden vielleicht sehen, daß ihre Gedanken einen geraderen und klareren Weg gehen, als die unsrigen.«

»Mister Stone,« sagte Fräulein Maria mit warmer Feierlichkeit, »ich danke Ihnen, das war gut gesprochen. Nun will ich gleich in meiner Erzählung fortfahren. Aber Sie gefallen mir, Mister Stone, und Sie gefallen auch meinen Schwestern, und deßhalb sage ich Ihnen, daß Sie hier gleichsam ein Ball der Vorsehung sind. Und vergessen Sie nicht, daß ich Ihnen gesagt habe, ich würde Ihnen entgegenarbeiten.«

Dann wandte sie sich auf schwedisch an Tom Sundling. »Ich hoffe, Sie leiden wie ein Hund, Tom, so wie Sie da sitzen, verdient haben Sie es.« Dann fuhr Sie auf englisch fort: »Als sie sechzehn Jahre sind, geht Tom zur See, und nun greift ein anderer Mann in Veras Leben ein. Ich sehe ihn oft vor mir, den lahmen Schmied. Es ist etwas Unheimliches an diesem Mann mit dem mächtigen Oberkörper und den lahmen Beinen. Es ist grauenerweckend, seine starken Arme zu sehen und den großen Kopf, der bis auf zwei Haarbüschel an den Ohren ganz kahl ist, und das dunkle, gefurchte Gesicht mit Rußflecken in den buschigen Augenbrauen.

»Sie wissen, daß die Schmiede in demselben Hause ist, in dem Vera mit ihrer Mutter lebt. Das Mädchen hat den Schmied von ihrer frühesten Kindheit an gesehen. Sie ist an ihn gewöhnt, sie merkt gar nicht, wie abschreckend er ist. Die Arbeit in der Schmiede fesselt sie, sie kommt oft hin, um zuzuschauen. Es macht ihr immer Spaß, die Funken von dem weißglühenden Eisen sprühen zu sehen. Sie kann stundenlang dastehen und diese sicheren Hammerschläge bewundern, die niemals ihr Ziel verfehlen. Der Schmied ist barsch gegen sie, wie gegen alle und jagt sie mit Grobheiten fort; aber das Mädchen kann es nicht lassen, wiederzukommen. Es gibt immer etwas in der Schmiede zu sehen, da kommen Bauern herein, um Hufeisen zu kaufen, der Wagenmacher erscheint, um Raddauben machen zu lassen. Eines Tages brüllt der Schmied Vera nicht mehr an, sondern sagt mit barscher Zärtlichkeit: ›He, du Dirnchen, gefällt dir der Schmied, sollst auch einmal meine Frau werden, wenn du groß bist.‹ Da erschrickt sie und läuft ihre Wege.

»Aber die Furcht geht vorüber, und sie kehrt zur Schmiede zurück. Dort stehen eine Menge Leute, und Vera hofft, daß der Schmied nicht Zeit haben wird, an sie zu denken. Aber bevor sie noch eine Minute dort gestanden hat, pufft der Schmied einen Bauer in die Seite und weist auf sie: ›Sieh die mal an, die soll mein Weibchen werden.‹ Sie entflieht wie ein Windhauch, und die Bursche lachen brüllend über den Spaß.

»Dies bleibt seither der empfindliche Punkt ihres Lebens. Sie muß unablässig zurückkommen, um zu sehen, ob die Gefahr noch dort ist. Hie und da einmal unterläßt es der Schmied, etwas zu sagen, und ein paar Tage lang hat sie keine Angst mehr. Dann kommt sie wieder, um zu sehen, ob es wirklich vorbei ist, und dann sagt er immer etwas.

»Auf jeden Fall ist es ja schon seit lange klar, daß sie Tom haben soll. Sie kann nicht begreifen, was der Schmied sich denkt. Aber es macht ihr Angst.

»Da zerbricht Vera's Mutter die Nähmaschine. Sie wird wieder und wieder in Stand gesetzt; aber sie wird nie mehr wie früher. Sie näht leere Stiche, geht schief und macht schlechte Arbeit. Da wird die Frau außer sich vor Angst, sie glaubt, daß sie alle ihre Kunden verlieren wird, und daß sie vor Hunger sterben müssen, sie und Vera. Nun kommt der Schmied und verspricht ihr eine neue Nähmaschine, wenn er Vera haben kann.

»Sie wehrt sich ein bißchen; aber zuletzt giebt sie nach. Nichts in der Welt vermag sie so zu locken, wie eine neue Nähmaschine; überdies, sehen Sie, hat sie die Tochter wohl gern, aber sie rechnet sie für nichts. Sie hat nie auf eine gute Heirat für sie gehofft.

»Sie machen alles in größter Heimlichkeit ab dort oben beim Schmiede. Wir Schwestern erfahren es erst, als sie in der Kirche aufgeboten werden. Vera selbst thut bei allem mit, ohne daß sie auch nur versucht, Widerstand zu leisten. Tom ist fort, und so kann sie bei niemand Hilfe suchen. Sie ist so jung, so jung, erst siebzehn Jahre.

»Als Tom heimkam, war sie also schon verheiratet. Im Anfang macht es ihm keinen sonderlich großen Eindruck. Er pflegte mit den anderen Seeleuten von ihr als dem dummen Mädchen zu sprechen, das ihm immer nachlief. Ich habe gehört, daß Tom das belebende Element an Bord des Fahrzeugs war, dank all den Geschichten, die er von seiner Liebsten zu erzählen hatte. Aber es lag unter alledem Liebe verborgen; denn er sprach gern von ihr, er prahlte mit ihrer Dummheit, da er nicht mit ihrer Klugheit prahlen konnte. Die Klugen sind in Toms Augen beschränkte, gewöhnliche Leute im Vergleiche mit seinem dummen Mädchen.

»Aber als Tom heimkam, hatte er ein wenig Gewissensbisse. Und jetzt mit ihr als seiner Braut umherzugehen, nachdem er so viel über sie gelacht hatte, kam ihm peinlich vor. Darum nimmt er es sich nicht allzusehr zu Herzen, als er hört, daß sie verheiratet ist. Aber so nach und nach kommt eine Leere über ihn und eine Sehnsucht. Er geht umher und klagt. Er besitzt nichts in der ganzen Welt, wenn er sie nicht zu beschützen und zu beherrschen hat. Wenn er allein ist, streckt er die Arme aus und ruft nach ihr. Und er geht zu ihrer Mutter und weint. Der junge Bursche giebt der alten Frau die Wahrheit zu hören. Er sagt ihr, daß sie herzlos ist, daß sie ihr Kind verkauft hat, daß Vera so unendlich mehr wert ist, als sie.

»Als er gerade im besten Zuge ist, steht Vera im Zimmer. Er weint, als er sie sieht, und sie zieht ihn mit sich in die Kammer, die Stube, in der Sie jetzt wohnen, Mister Stone, und tröstet ihn auf ihre süße, unverständliche Weise. Tom Sundling, Mister Stone, hat mir selbst erzählt, was sie sagte.

»Was bedeutet es eigentlich, daß sie verheiratet ist. Der ganze Unterschied ist ja, daß sie jetzt sowohl für den Schmied, als für ihre Mutter das Essen zubereitet. Aber sie hat doch noch Zeit genug. Er kann ganz gut zu ihnen kommen wie früher und sie kann auch mit ihm spazieren gehen.

»Da muß er lachen, weil sie noch ebenso dumm ist, wie früher, worauf alles wieder in das alte Geleise zu kommen scheint. Aber als Tom sich ein bißchen in der Heimat zurechtfindet, merkt er schon, daß es nicht so bleiben kann wie früher. Sobald er kann, begiebt er sich auf eine lange Reise. Aber als er recht weit weg gekommen ist, wechselt er das Schiff, um rasch wieder heimzukommen. Er kann es fern von ihr nicht aushalten.

»Als er endlich wieder daheim in Visby ist, hört er überall erzählen, wie schlecht Vera geworden ist, seit sie sich mit dem Lahmen verheiratete, sie macht Jagd auf arme Schuldner und pfändet sie, gerade wenn sie etwas besitzen, womit sie hofften, sich einen frohen Tag zu machen. Sie geht auch über Land, um bei Pfändungsauktionen zu sitzen und den Preis der Waren hinaufzutreiben, die sonst für so gut wie nichts abgegangen und dem Eigentümer zurückgegeben worden wären.

»Eines Sonntag Nachmittags sieht Tom sie bei der Andacht im Bethaus. Sie kommt, nachdem der Prediger angefangen hat zu sprechen, geht mit knarrenden Schuhen zu einer der vordersten Bänke, läßt das Psalmbuch hart auf den Boden fallen und beginnt, mit einer der Nachbarinnen zu sprechen. Sie führt sich so lärmend auf, – ja, wir sahen sie auch – daß der Prediger innehält und sie ansieht. Aber sie läßt sich nicht stören, und der Vortrag ist in Gefahr, nicht weiter gehalten werden zu können. Da erhebt sie sich, gleichsam als wollte sie sagen, daß dies nicht lohnte, angehört zu werden, und geht ihrer Wege. Die Leute sprechen später viel darüber. Wir Schwestern wissen ja gleich, daß das etwas ist, was sie von dem Lahmen gelernt hat. Der Prediger hat ihn einmal wegen seiner Gottlosigkeit ermahnt, und nun will er sich rächen.

»Sie können mir glauben, Mister Stone, der Lahme ist ein Unhold. Seine Bosheit ist bisher durch seine Krankheit machtlos gewesen; aber jetzt hat er sich ein Wesen verschafft, das ausführen kann, was er sich ersinnt. Und sie gehorcht. Tom und andere, auch ich, Mister Stone, sagen ihr, daß sie sich nicht zu etwas zwingen lassen darf, das Unrecht ist; aber es giebt nichts, nichts in der Welt, vor dem ihr so bange ist, wie vor dem Schmied. Tom glaubt, daß sie ihn ermorden würde, wenn der Mann es haben wollte.

»Und er gewinnt die Überzeugung, daß ihn etwas Entsetzliches erwartet. Dieses Geschöpf ohne Willen oder Verstand wird sich ins Verderben stürzen lassen.

»Der Schmied bekommt um diese Zeit einen neuerlichen Schlaganfall. Jetzt kann er nicht mehr den Hammer führen, und in der Unthätigkeit wird er noch ärger.

»Tom bemerkt jetzt, daß durch die ganze Stadt ein häßliches Gerücht über seine Schwester verbreitet wird. Wir helfen ihm, der Nachrede bis zur Quelle nachzuspüren und finden, daß sie von der Schmiede ausgeht. Aber niemand hat den Schmied etwas sagen hören, nur seine Frau ist es, die geplaudert hat.

»Tom hat den Schlag wohl erwartet, aber er empfindet ihn dennoch tief. Er hält es für das Beste, wenn er nicht mehr sucht, Vera zu treffen und er sieht sie acht Tage nicht.

»Andrerseits thut er, was er kann, erläutert und mildert. Und er will wenigstens diese arme Willenlose nicht mehr gänzlich verlassen. Er nimmt einen Platz auf einem der Dampfschiffe an, die zwischen Stockholm und Visby verkehren und braucht sich so nicht für länger, als für ein paar Tage hintereinander von der Heimat zu entfernen.

»Eines Abends jedoch trifft er sie bei der Schwester. Vera kommt ganz verweint herein, wirft sich auf die Knie und bittet um Vergebung. Toms Schwester ist hart gegen sie; niemand hatte damals so recht Barmherzigkeit für Vera. Tom steht still dabei und hört zu, bis sie sich eine widerwillige Verzeihung erbettelt hat, dann begleitet er sie nach Hause.

»Auf dem Wege bittet und fleht er sie an, stark zu sein. Da erschließt sie ihm ihr Herz wie früher, und er sieht, was ihr Leben ist. Die böse Laune des Kranken brummt und zischt unaufhörlich um sie. Er hat tausend boshafte Einfälle, und am ärgsten quält er sie damit, daß er Tom für sein ganzes Leben unglücklich machen kann.«

»Nun, Mister Stone,« fragte Fräulein Maria, »wissen Sie jetzt genug?«

»Haben Sie nie,« erwiderte Mr. Stone beinahe mit Heftigkeit, »von Wesen sprechen hören, die zu fein für ihre Umgebung sind. In diesen Tagen hat ihre Nähe allein mir Glück geschenkt. Soll ich sie lassen, weil sie zu schwach war, weil man ihren Willen mißhandelt, sie vor Angst wahnsinnig gemacht hat?«

Die Gesichter der drei alten Damen leuchteten vor Wohlbehagen. Fräulein Maria fuhr, ohne eine Bemerkung zu machen, fort:

»Nachdem Tom sie zu dem Bekenntnis gebracht hat, daß sie sich um seinetwillen fürchtet, kann er sie auch beruhigen. Er sagt ihr, daß niemand ihm schaden kann, darum braucht sie ihrem Mann nicht zu gehorchen.

»Am nächsten Tage scheint sie dies auch dem Lahmen gesagt zu haben, und da erleidet er noch einen Schlaganfall. Seit dieser Zeit ist sie so verschüchtert, daß sie nichts anderes wagt, als zu gehorchen. Aber der Schmied liegt jetzt so darnieder, daß er kein Glied rühren kann; sprechen und essen ist alles, wozu er im Stande ist.

»Da kommt es Schlag auf Schlag. Eines Morgens, als Tom ans Land kommt, erfährt er, daß der Schmied tot ist, etwas später erzählt man ihm, daß Vera den Mann getötet hat; dann kommt einer und sagt, sie sei schon im Gefängnis.«

Fräulein Maria schwieg einen Augenblick. Einer ihrer Zuhörer, sie wußte nicht welcher, hatte so tief Atem geschöpft, daß es wie ein Stöhnen klang. Dem Anschein nach waren sie beide gleich unbeweglich, Tom noch immer über das Sopha hängend, so daß man sein Gesicht nicht sehen konnte, der Engländer gerade, steif, beinahe als wüchse er.

»Der Schmied,« fuhr Fräulein Maria fort, »hatte sie eines Morgens zeitig gezwungen, ihn zum Meere hinab zu bringen. Sie hat ihn auf einem Zugwagen hinabgefahren, ihn in ein Boot gesetzt und ist mit ihm aus dem Hafen gerudert. Als sie weit genug draußen waren, muß sie ihm über den Bootrand hinab ins Meer geholfen haben.

»Der Mann war lebensmüde, das steht fest; aber er hatte den Plan zu seinem Tode so entworfen, daß seine Frau des Mordes verdächtigt werden mußte. Jeder wußte, daß er ohne Hilfe nicht ins Meer kommen konnte. Und wenn er Tom auf diese Weise unglücklich machen wollte, so ist es ihm geglückt.

»Denn Tom kann nicht darüber wegkommen, Mister Stone. Jedesmal, wenn er an Glück denken will, türmt sich gleichsam eine Mauer vor ihm auf, an die es sich stößt. Er glaubt nicht, daß Vera den Mann mit freiem Willen ertränkt hat. Er weiß wohl, daß sie es bloß in thörichtem Gehorsam that. Er glaubt, daß der Mann es ihr befohlen hat.

»Aber es ist ihm Angst vor ihr geworden. Man kann sie ja zu allem verlocken. Es ist unmöglich ein solches Weib zu seiner Frau zu machen. Sie hat weder Verstand, noch Willen.

»Jedenfalls stand Tom ihr zur Seite. Die Sache kam vor Gericht, und sie hat es wohl Toms Zeugenschaft zu verdanken, daß sie freigesprochen wurde. Er half ihr tüchtig und rechtschaffen, bis sie wieder auf freiem Fuße war. Dann sagte er ihr, daß es jetzt aus zwischen ihnen sein muß, Er will sie nicht mehr sehen; was sie gethan hat, trennt sie für immer.

»Er leugnet nicht, daß er sie noch lieb hat; aber Tom ist nach diesem schweren Kummer ein müder, lebensüberdrüssiger Mann. ›Es würde mich toll machen, wenn die Leute etwas Böses von meiner Frau reden könnten,‹ sagte er. ›Ich könnte mich nie auf sie verlassen.‹ Und er beschließt, sie nicht mehr in ihrem Hause aufzusuchen und zur anderen Seite zu sehen, wenn sie sich auf der Gasse treffen; denn sie ist trotz alledem eine Verlockung für ihn.

»Sie unterwirft sich wie gewöhnlich. Die Schmiede wird verkauft, und sie zieht heim zu ihrer Mutter. Und trotz allem, was ihr widerfahren, ist sie stets unbegreiflich jung. Das Kind sitzt fest in ihr. Tom ist um ihretwillen frühzeitig gealtert; aber sie vergißt und blüht.«

Die Alte nickte bekräftigend, dann fuhr sie mit großer Feierlichkeit fort:

»Nun ist der dritte Mann in Veras Leben getreten. Es ist ein Fremder, ein Ausländer, er kann nicht einmal mit ihr sprechen, er hat ihr einen Heiratsantrag gemacht, ohne ihre Geschichte zu kennen. Sie hat Tom aufgetragen, ihn von ihr hören zu lassen. Dies ist ein bemerkenswerter Zug, der so manches bedeuten kann. Seit langer Zeit hat sie keiner von uns gesehen, hat sie sich entwickelt, hat sie begonnen, über sich selbst nachzudenken?

»Niemand von uns hat das Recht, auf Mister Stones Entschließung einzuwirken, jetzt da er alles weiß; aber bevor er sich entscheidet, ist es Toms Pflicht, ihm zu sagen, welchen Eindruck sie machte, als er sie wiedersah.«

Tom Sundling sah auf. »Als ich ihr sagte, daß der Engländer sie haben wollte, antwortete sie, daß sie niemand täuschen möchte. Ich sagte, er brauche nichts anderes zu wissen, als daß sie Witwe wäre, dies genügte doch, da er sie fort in ein fremdes Land führen will. Sie erwiderte, es sei ihr wohl begreiflich, daß ich die Sache nur deßhalb so eifrig betreibe, um mich nicht länger mit ihr beschäftigen zu müssen.«

Tom schwieg, die Worte blieben ihm im Halse stecken, er sank zu schlaffer Unbeweglichkeit zusammen, wie früher.

Eine volle Minute war es in der kleinen Stube der Fräuleins ganz still. Sie blickten alle Tom Sundling an, der in dumpfer, hoffnungsloser Unbeweglichkeit dasaß und fühlte, was die anderen von ihm erwarteten, aber außer stande war, es zu thun.

»Sie sehen, er kann nicht darüber hinweg,« sagte Fräulein Maria, indem sie von Tom, wie von einem Schlafenden sprach.

Mr. Stone erhob sich und redete von dem Manne, wie von einem Toten, mit dem man nicht mehr rechnet.

»Ich beklage den Mann,« sagte er. »Er hat das Glück verscherzt. Er hat es verscherzt, eine feine, weiche Seele ausbilden zu können, die sein war. Ich verstehe ihn, aber ich beklage ihn. Was mich betrifft« . . .

Und in der augenblicklichen Pause, die folgte, war es, als spräche eine Stimme sachte das englische »for my part« nach.

»Was mich betrifft,« sagte der Engländer, und er war jetzt so hoch gewachsen, als er nur sein konnte, »so entsinnen Sie sich, Fräulein Maria, was ich Ihnen von ihrer Hand um mein Handgelenk sagte. Sie ist es, die mir geschenkt wurde. Sie ist mir von meiner Kindheit an geweissagt, und ich sollte sie aufgeben, jetzt, da ich sie gefunden? Ich nehme sie mit mir in meine Heimat und will Freude um mich haben all mein Leben lang.«

* * *

Diese Nacht schlief Mr. Stone im Hotel; aber zeitig am nächsten vormittag wanderte er zu dem kleinen Hause unter der Ringmauer. Er öffnete die Thüre und blickte hinein. Die Mutter saß mit ihrer Nähmaschine am Fenster, es sah nicht aus, als schenkte sie ihm Aufmerksamkeit. Die Tochter stand beim Rauchfang, er winkte ihr zu, und sie kam zu ihm hinaus.

Nun handelte er nach einem bestimmten Plan. Er wußte bestimmt, wie alles verlaufen würde. Er nahm sie mit sich hinaus vor die Stadt, vor Ringmauern und Gräben. Dort draußen stand eine einsame Ruine; es lag etwas Ansprechendes darin, daß sie allein da zu stehen wagte, ohne von den Mauern beschützt zu werden. Und rings um die Ruine erstreckte sich eine Halde, die dem Meeresgrunde der Phantasie mehr glich, als irgend etwas in Visby. Die ganze Halde war scharf, schreiend blau von großen, starren Pflanzen, deren schlanke Stiele ganz von blauen Blüten bedeckt waren. Aber mitten zwischen dem Blauen nickte feuerroter Mohn, leuchtend wie Flammen. Dicht daneben erhob sich der Kalkberg mit seinen unregelmäßigen Absätzen, und auf diesen lagen losgerissene Blöcke, denen man in dem unbestimmten Tageslichte wohl die Gestalt ruhender Meerestiere zuschreiben konnte. Und über allem dieser leichte, schwebende Nebel, der mit seinen Wurzelfasern Nahrung aus der Erde zu saugen schien.

Alles ging, wie er wollte. Sie setzte sich auf einen Stein, und er lag zu ihren Füßen, »Vineta, Vineta,« sagte er und machte ihr ein Zeichen, daß sie singen möge. Und er schloß die Augen, während sie sang; er sog ihr Wesen mit dem Liede ein: er fühlte mit jeder Fiber, wie süß ihre Gegenwart war. Ach, wie war sie ihm lieb und theuer!

Aber plötzlich hörte sie auf zu singen. Er sah empor und gewahrte, daß sie unbeweglich dasaß, die Hände gegen das Herz gedrückt, indeß die Augenlider sich langsam schlossen. Der Mund hatte sich geöffnet, wie um zu schreien; aber der Schrei kam nicht. Es war, als wäre alles bei ihr erstarrt.

Sie konnte es nicht mehr ertragen, sie wollte ihr Schicksal hören. Und er, der sie gequält hatte, indem er sie warten ließ! Wenn er früher gezweifelt hatte, ob diese wunderliche Vineta-Liebe auch die wahre, die echte Liebe war, so wußte er jetzt, daß er nicht mehr zu zweifeln brauchte. Er liebte! Denn er fühlte ihre Leiden!

Im nächsten Augenblick stand er neben Vera, beugte sich über sie und sprach; aber da sie nicht verstand, was er sagte, hatte er sich einen Ring verschafft. Er schob ihn auf ihren Finger, und nun begriff sie.

Da erfaßt sie seine Hände und küßte sie. Sie würde sich zu seinen Füßen niedergeworfen und sie geküßt haben, wenn er es hätte geschehen lassen. Die Thränen strömten aus ihren Augen, und gleichzeitig lachte sie laut.

Er verstand sie wohl. Ein Mann, der ihre Geschichte kannte, wollte sie zu seiner Gattin machen. Wer sein ganzes Leben lang geknechtet und verachtet war, mußte ja so fühlen. Dennoch hätte er gewünscht, daß sie nicht von so lärmender Freude, von so unterwürfiger Demut gewesen wäre. Es war offenbar, daß sie nicht einen Schatten von Liebe für ihn empfand.

Aber die Hauptsache war ja, daß sie seinen Ring entgegengenommen hatte. Nun war der erste Schritt gethan, sie so nach und nach zur Seinen zu machen. Er legte sich wieder zu ihren Füßen hin, und sie sang das Lied zu Ende. Sie sang auch andere Lieder. Er lag wieder da und sog das Glück ein. Wie selig war er doch, und um wie viel mehr würde er es erst sein, wenn er sie lieben gelehrt hatte!

Später gingen sie Arm in Arm nach Hause. Sie war von übersprudelnder Munterkeit, sprach zu ihm, und er bildete sich beinahe ein, daß er sie verstand. Als sie daheim bei der Schmiede angelangt waren, kam ihnen ein Mann entgegen. Es ist Tom, und als sie ihn sieht, bleibt sie wie hilflos stehen und streckt ihm die Hand, auf welcher der Ring des Engländers glänzt, entgegen. Aber Toms Gesicht ist in qualvoller Angst verzerrt, er lacht hart, und als er den neuen, blinkenden Ring sieht, reißt er ihn von ihrem Finger und wirft ihn auf die Straße. Dann reißt er auch das Weib an sich, zieht sie mit sich wie einen entlaufenen Hund, und geht mit ihr fort, indeß er Mr. Stone allein, vernichtet, zurückläßt, außerstande, zu begreifen, was vorgefallen ist.

Dies war am Vormittag vom vierten Tage des Nebels, und damit hatte seine Macht ein Ende erreicht. Gegen Abend zerstreute er sich.

Tom suchte später am Tage Mr. Stone auf und erklärte sich ihm. Als er Vera wiedergesehen hatte, war alles in ihm erwacht, und am ärgsten wurde es, als er so viel von ihr hören mußte. Nein, am ärgsten war es, daß ein anderer sie inniger liebte als er. Die ganze Nacht war er vor Schmerz wie toll gewesen. Er hatte seine Angst überwinden müssen, er konnte sie keinem andern überlassen. »Und sie hat doch immer nur mich lieb gehabt,« sagte er endlich.

Die drei Fräulein kamen auch zu Mr. Stone; sie strahlten. »Sie haben es gethan, Sie sind es, der die Beiden zusammengeführt hat,« sagten sie zu ihm. »Wir thaten nichts, obgleich wir Ihnen ehrlich entgegenarbeiteten. Sie haben das Feuer aufs neue entzündet. Sie sind für einander geschaffen, die zwei, sie gehören zusammen. Sie haben ein gutes Werk gethan.« – –

So kam es, daß Mr. Stone am Abend Visby verließ, zu gleicher Zeit mit dem Nebel. Beim Fortsegeln sah er Visby zum erstenmal. Es war ein ganz kleines Örtchen mit einer Menge roter Dächer und recht viel Grünem. Die Türme der Ringmauer sanken von ihrer Riesenhöhe hinab, die Ruinen verschwanden zwischen den roten Dächern. Und die Umgebung war im Grunde trostlos grau.

Aber er bekümmerte sich weiter nicht um die Aussicht. Er fragte sich nur: warum, warum? Wenn er nur gekommen war, um diese Beiden zusammenzuführen, warum war da seine Liebe so stark geworden? Warum mußte er eine Leere fühlen, die wie eisige Kälte brannte, einen Schmerz, eine Verzweiflung?

Er wandte sich wieder dem Meere zu: »Mann,« sagte er, »wann wirst du aufhören, mich zu verfolgen?«

Es währte geraume Zeit, bis er entdeckte, daß er dem Meere Unrecht gethan. Es ist kein wirkliches, lebendiges Glück, das seine Märchenstadt zu bieten hat, nur eine Wiederholung des Vergangenen. Das Meer hatte ihn zum Kinde gemacht, es hatte ihm die Traulichkeit des Heims gegeben, eine kühle Hand um seinen Puls gelegt. Was konnte er sich mehr zu wünschen vermessen?

 


 


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