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Isa war, nachdem sie Marco mit dem Brief weggeschickt hatte, längs der Cismoneschlucht nach der Fratazza hinabgewandelt um eine allenfallsige Nachforschung auf falsche Spur zu lenken, hatte dort einen Zweispänner aus Bozen genommen, der eine englische Familie gebracht hatte und im Begriff war leer zurückzukehren. Um in San Martino nicht gesehen zu werden, ließ sie den Wagen schließen und fuhr über den Rollepaß nach Panneveggio. Dort nahm sie etwas zu sich, bestellte ein Zimmer und ließ sich einen Bergstock geben. Nachdem sie lange die Tourenkarte an der Wand betrachtet hatte und sich die Wege eingeprägt, wählte sie entschlossen die Richtung. Obgleich wenig gewohnt zu Fuße zu gehen, hatte sie einen vortrefflichen Ortssinn, den Marco richtig einschätzte. Die Bergluft und die veränderte Umgebung taten ihr wohl, auch daß Niemand sie kannte und ansprach. Dadurch rückte ihr das eigene Ich ferner, das Eisenband, das ihr seit gestern Abend die Brust beengte, lockerte sich ein wenig und ließ sie wieder Atem schöpfen. Daß an keiner Wegesecke Ivos Gestalt auftauchen konnte, gab der Stunde ein gewisses Gleichmaß. Im Wandern überdachte sie, was er ihr alles geworden war seit der ersten Begegnung. Den geistigen Inhalt hatte sie in ihr Tagebuch gerettet. Aber sein seelisches Teil, das ihr all die Wochen, wie sie meinte, in stetem Aug in Auge zugewendet gewesen, floh von ihr im Augenblick, wo sie die Schwester in seinen Armen sah, was ihr zunächst als ein ungeheuerlicher Verrat erschien. Hatte sie auch nie an die Möglichkeit gedacht in irgendeiner Form die Seine zu werden, war ihr die Heiligkeit ihres Familienlebens unantastbar, so hatte sie doch geglaubt, jenes Seelische, ihr Zugewendete, behalten und immer fester an sich fesseln zu können. Und ein paar köstliche Tage hatte sie noch mit ihm in Venedig erhofft, mit ihm allein in der Gondel, denn Franz war ja durch Geschäfte gefesselt, und sie hatte sichs schon ausgerechnet, daß alsdann der Mond voll über der Lagune stehen mußte. Nach solchen Stunden, schien ihr, würde sie nie wieder arm sein können. Dieser Traum war ihr in der vergangenen Nacht zerflossen. Als sie Ivos Stirn gerunzelt sah über die jähe Störung, und seine Stimme, die er nicht mehr wie sonst in der Gewalt hatte, herb und kühl wurde, da fühlte sie sich plötzlich zur Seite gestoßen und alles Heimliche, Unausgesprochene, das zwischen ihnen gewesen war, mit einem eisigen Hauch zerblasen. Eine zarte und tiefe Neigung wurde wie Unkraut ausgerissen und weggeworfen. Ihr sonst so stilles Herz tobte in ihr. Am meisten zürnte sie Mariannen. Diese Frau hatte neben allem wechselreichen Glanz der Erde auch den Mann besessen, der Isa noch immer als der begehrenswerteste erschien; sie war seiner müde geworden, hatte ihn weggestoßen, und jetzt wo er in das verarmte Leben ihrer Schwester Fülle und Schimmer bringen konnte, holte sie ihn aus reiner Sultanslaune zurück! Von ihr fühlte sie sich am meisten hintergangen.

Von dem inneren Sturmwind hingeweht, wanderte Isa durch die Berge, ohne die Berge zu sehen. Zuweilen griff es aus dem Wald mit grünen Armen nach ihr, Schmelzwasser liefen über den Weg, ein Stein hielt sie am Rocksaum fest, das war alles, was sie von außen her wahrnahm. Aber ab und zu mußte sie sich auf einen Felsblock setzen und ein paar Worte in ihr Taschenheftchen schreiben. Das geschah, wenn sie in dem wogenden Aufruhr ihres Inneren irgendwo einen festen Punkt auftauchen sah, wo ihr Denken Fuß fassen konnte. Diese Aufzeichnungen sollten ihr helfen mit sich selbst ins Klare zu kommen; am Abend trug sie dann die gefundenen Richtpunkte gewissenhaft in ihr Tagebuch ein. Bei ihrem angeborenen starken Ordnungs- und Pünktlichkeitsdrang hatte sie von Jugend auf Bedürfnis nach einer seelischen Buchführung, die sie immer über sich selbst im Klaren hielt und ihr ein Übergewicht über Mariannens dunkel wogende Unbestimmtheit gab. Diese Gewohnheit kam ihr auch jetzt zu statten. Der Zwang, das Wühlende in Worte zu fassen, gab dem Verstande wieder die Oberhand über das Gefühl. Sie suchte auch ihr Verhältnis zu Marianne zu sichten. Hier war noch der dunkelste Punkt ihres Innenlebens. Sie liebte ja ihre Schwester, aber daß Eine alles haben sollte, war am Ende doch zu viel.

Das lange Wandern bei mäßiger Höhe – Isa begann trotz ihrer Erregung auch das Bergsteigen planvoll – brachte ihr einen festen Schlaf. Sie war schon ruhiger, als sie am Morgen zum zweitenmal mit ihrem Bergstock auszog. Die Gesellschaft eines unbeschäftigten Führers, der sich ihr für ein geringes anbot, lehnte sie ab, sie mußte mit sich allein bleiben. Aber heute öffnete sie schon die Augen für die selige Bläue des Himmels und die gigantischen Wunder der Bergwelt. Sie hatte gestern auf den schöneren der vor ihr liegenden Wege verzichtet, weil er ihr zu steil war. Heute fühlte sie sich ihm schon gewachsen. Der morgendliche Anhauch dieser Eiskolosse hatte Mariannen verjüngt und zur Herrin ihrer selbst gemacht. Sollten die Berge nicht auch an ihr ein Wunder tun? Sie stieg höher und höher, Schwierigkeiten zeigten sich keine, nur zuweilen mußte eine größere Felsplatte von schlüpfriger Oberfläche überklettert werden, was, wenn nicht etwas verharschter Schnee Halt gab, einige Vorsicht erforderte. Das Spiel begann sie um des Spieles willen zu reizen. Da sie immer der Markierung folgte, war sie gewiss, den Rückweg nicht zu verfehlen.

Bei dieser vorgeschrittenen Jahreszeit begegnete man keinem Bergsteiger mehr; höchstens daß sie in der Ferne einen Hirten bei seinen Tieren sah. Zuweilen hörte sie in dem Felsgestrüpp oberhalb ihres Weges ein Geräusch wie von einem brechenden Zweig oder rollenden Stein, und einmal gewahrte sie in geringer Höhe über sich etwas Goldbraunes zwischen den Felsen, es verschwand und kam nach einiger Zeit weiter vorn wieder zum Vorschein, aber als Isa die Stelle erreichte, war nichts mehr da. Eine Gemse! dachte sie freudig erstaunt. Und ihr Herz wuchs in ihr, daß sie sich allein bis ins Reich der Gemsen gewagt hatte! Ivos Ausspruch fiel ihr ein – denn noch immer dachte sie mit seinen Gedanken – daß man die Berge nur so weit besitze, als man sie sich ohne fremde Hilfe zu eigen mache. Und auf einmal war sein Wesen wieder um sie; jenes unfaßbare Geheimnisvolle, nur einmal Vorhandene, aus Körperlichem und Geistigem gleichmäßig Gemischte, was man die Persönlichkeit nennt. Dieses Persönliche war ihr jetzt noch spürbar nahe. Man konnte den ganzen Menschen, wie er leibte und lebte, vor sich hinstellen, sich gegen ihn empören, ihn hassen. Aber wie würde das sein, wenn sein Bild sich verwischte und in das Dunkel zurückglitt, aus dem es aufgetaucht war? Denn als Schwager – wenn es dahin kommen sollte – wollte sie ihn nicht wiedersehen.

Auf einmal hatte sie die Markierung verloren. Ihr Weg, der sich immer den Felshang hinaufwand, wurde schmäler, es war nicht mehr der Weg des Alpenvereins sondern ein Seitenpfad. Aber eine herrliche Tannenwildnis ging zu ihrer Linken mit und gab Schutz vor der Sonne, die mit nachsommerlicher Glut brannte. Und irgendwohin mußte ja auch dieser Weg führen. Jetzt drängte er sich enger an die Felswand an, und der Wald sank zur Linken in eine Schlucht hinunter, die immer tiefer wurde, je höher der Pfad führte. Nur noch um den Vorsprung, dachte sie, dann muß es wieder besser kommen, aber als sie sich achtsam Schritt für Schritt vorgewagt hatte, fiel die Bergwand mit einemmal ins Leere, der Weg war abgerutscht bis auf einen schmalen Saum, wo nur noch eine Gemse Fuß fassen konnte. Sie stand und konnte nicht weiter. Aber sich drehen und umkehren konnte sie ebenso wenig, dafür war die Stelle, die sie trug, schon zu schmal geworden. Es hieß tastend rückwärts gehen, doch sie hatte auf einmal die Kraft verloren, die Kniee wurden ihr schwach, der Bergstock kollerte in den Abgrund, sie fühlte das Herannahen eines Schwindels und glaubte sich verloren.

Was alles in jener kurzen Minute der Gefahr, die kein Ende zu nehmen schien, durch ihre Seele zog, war ihr späterhin ganz unfassbar. Zuerst dachte sie an ihre Kinder, die gewiß schon seit gestern nach der Mutter fragten, weil sie sie zum erstenmal verlassen hatte, und die nun in aller Zukunft vergeblich fragen würden. Dann dachte sie an Franz, der ihr seit dem Tag, wo sie in Kranz und Schleier mit ihm vor dem Altar gestanden, die Hände unter die Füße legte. Wie sollte er es tragen, wenn er den Zusammenhang dieses Trauerspiels erfuhr? Er mußte ja ihr Tagebuch finden, das ihm sagte, warum sie von Hause weggegangen war. Er konnte glauben, sie habe mit Willen ihn zum Witwer, ihre und seine Kinder zu Waisen gemacht. Mit rasender Schnelligkeit drängten sich jetzt die Vorstellungen. Ob die Schwester sich ihrer annehmen würde? Aber die hatte ja bei ihrem unsteten Leben gar keine Zeit, und sonst gab es kein weibliches Wesen, das ihr nahe stand. Die Gedanken wurden zu blitzartigen Bildern, sie sah einen Zug von Bergführern mit einer Bahre zu Tale steigen, auf der eine verhüllte Leiche lag, die ihre. Dann sah sie die Kinder in schwarzen Kleidern bleich und verkümmert um den Tisch sitzen unter der Obhut einer kaltherzigen Erzieherin. Und jetzt trat Franz, einen Flor um den Arm herein, und sagte ihnen, sie sollten bald eine neue Mutter haben. Die größeren Kinder schluchzten, sie selber schluchzte mit. An alles auf der Welt dachte sie in ein und derselben Sekunde, nur an den Mann, der sie zu dem unbedachten Schritt getrieben hatte, dachte sie nicht, er war plötzlich weggewischt aus ihrer Seele.

Da sagte eine halblaute Stimme in der Höhe über ihr:

Mutter! Bleib ruhig, ich hole dich.

Es war Marco, der sie seit Stunden in geringer Entfernung, bald hinter bald über ihr gehend oder kletternd begleitete. Als er sie den gefährlichen Weg einschlagen und verfolgen sah, war er hundertmale versucht sie aufzuhalten. Aber er nahm Mariannens Weisung, sie ganz sich selber zu überlassen und nur in einem letzten äußersten Notfall hervorzutreten, allzu buchstäblich. Jetzt befand auch er sich in furchtbarer Angst. Sie hatte sich verstiegen und konnte nicht mehr zurück, und wenn er sie unversehens anrief, erschrak sie vielleicht so, daß sie ohne weiteres abstürzte. Wenn er aber länger zusah, brachen ihr die Knie, und der Schwindel warf sie in die Tiefe. Da gab ein guter Geist ihm das einzige Wort ein, das, wo es erklingt, keinen Schrecken erregen kann; Mutter! Sie war es nie für ihn gewesen und er hatte sie ja auch niemals so genannt. Aber sie erkannte doch die Stimme und wußte, daß die Hilfe nahe war. Während sie sich fester mit der Schulter gegen das stufenförmig ansteigende Gestein drückte und die Augen krampfhaft von dem Abgrund abwandte, kam es wenige Schritte entfernt auf den noch breiteren Weg herabgepoltert, und Marco sagte schon neben ihr: Drehe dich ganz mit dem Gesicht gegen den Fels und gib mir die rechte Hand. Jetzt setze immer nur einen Fuß neben den andern, – ohne Angst – ich lasse dich nicht fallen. So – Er hielt ihre feine weiße Hand in seiner Eisenpratze und zog sie langsam von der gefährlichen Stelle weg. An dem breiten Rande der Schlucht ließ er sie auf einen moosigen Block niedersitzen, schnallte seinen unvermeidlichen Rucksack auf und flößte ihr einen Tropfen Kirschengeist ein. Das war das einzige, was er für die Gerettete tun konnte, denn die hemmungslos hervorbrechenden Tränen und das stoßartige Schluchzen wußte er nicht aufzuhalten. Er drückte sich verlegen auf die Seite, allerlei war ihm schon in seinem jungen Leben vorgekommen, aber wie man weinende Frauen tröstet, hatte er noch nicht gesehen.

Auf einmal wandte sich Isa zu ihm, schlang beide Arme um seinen Hals und küßte ihm Stirn und Wangen und Mund; Sohn, mein lieber lieber Sohn!

Nun schluchzte auch er, und die dicken Tränen schossen ihm stromweise herunter, die er vergebens mit seinen derben Fäusten wegzuwischen suchte.

Sein Erscheinen hatte so sehr das Ansehen eines Wunders, daß sie erst jetzt dazu kam zu fragen, durch welchen Zufall er sich hier befinde.

Tante Marianne hat mich geschickt, ich gehe schon seit gestern mit dir, aber du solltest mich nicht sehen.

Es fiel ihr das Knacken über ihrem Haupte wieder ein und das braungelbe Aufleuchten, und sie sagte auf seine abgetragene Samtjoppe deutend: Also du warst die Gemse, die ich sah?

Er lachte schon wieder mit seinen großen, weißen Schaufelzähnen: Vater ist auch da. Ich ließ ihn aber am Eingang des Waldes zurück. Er wäre hier nur hinderlich gewesen.

Vater? rief sie erstaunt. Ist er denn nicht in Venedig?

Er ist unterwegs umgekehrt, es sei ihm so schwer gewesen die ganze Zeit, da habe er nach dir und den Kindern sehen müssen.

Und das hat er dir gesagt? fragte sie mit wachsendem Erstaunen, denn noch nie, seitdem sie Franzens Frau geworden, hatte dieser mit dem Sohn, den er haßte, ein vertrauliches Wort gesprochen.

Ja, du darfst es glauben. Er ist ja gut zu mir. Ich darf auch mit Tante Marianne gehen, wenn sie mich noch mag. Und ich darf mir später den Beruf wählen, der mir gefällt. Und Vater glaubt auch nicht mehr, daß ich Brände legen will, setzte er mit listigem Gesicht hinzu.

Du lieber, lieber Junge. Ich habe es nie geglaubt. Ich war nur darin schuldig, daß ich nicht nachdrücklich genug für dich eintrat. Jetzt kannst du zwischen zwei Müttern wählen. Ich will nicht weniger für dich tun als Tante Marianne.

Der Junge lächelte dankbar und verlegen. Es war ihm anzusehen, daß diese Wahl schon für immer getroffen war.

Aber sag mir nur, wie du mich denn so schnell gefunden hast.

O das war nicht schwer. Mich kennen alle Kutscher und alle Fahrer und alle Straßenklopfer zwischen Feltre und dem Rollepaß, und alle sind mir gut. Ich kann aufsteigen, wo es mir paßt, und erfahre alles, was ich erfahren will. Ich war im Auto eine Stunde früher auf dem Rollepaß als du im Zweispänner, und von da lief ich immer hinter den Pferden her.

Noch verstand sie nicht den ganzen Zusammenhang, vornehmlich war ihr die schnelle Verständigung zwischen Franz und seinem Sohne nach ganz undurchsichtig. Aber sie begriff, daß Marianne liebevoll nach allen Seiten gewaltet hatte, und schloß sie in das tiefe Dankgefühl ein, das sie durchströmte.

Am Ausgang des Waldes eilte ihr Franz entgegen, der in banger Sorge gewartet hatte. Sie schlang einen Arm um den Gatten, den andern um den neugefundenen Sohn und drückte beiden die Köpfe zusammen. Aber sie hatte schon ihr Gleichmaß wiedergefunden und wollte keine Tränen mehr.

Nichts ist verloren als ein Bergstock, Franz. Den wirst du heute Abend dem Wirt ersetzen müssen.

Ich habe gar nichts getan; Mutter war in keiner Gefahr, nur ihre Angst war gefährlich, erwiderte Marco auf den dankbaren Händedruck seines Vaters.

Was die beiden Gatten am Abend in der Gaststube von Panneveggio, wo ihnen allein gedeckt wurde, zusammen verhandelten, ist ihr Geheimnis geblieben. Marco, dem nur auf hölzernen Bänken wohl war, setzte sich zu Führern und Fahrern in die Schwemme. Dem Konsul ging in dieser Unterredung eine lange Gedankenreihe auf, die ein königlicher Beichtvater einmal in zwei Worte zusammengefaßt hat: Toujours perdrix.

Es wurde beschlossen, daß Isa jedes Jahr allein oder mit einem der Kinder zu Freunden reisen und daß der Konsul dann und wann eine Wanderung in Männergesellschaft machen würde, damit das häusliche Zusammenleben sich von Zeit zu Zeit verjüngte.

Am nächsten Morgen kehrte Isa mit Mann und Sohn nach San Martino zurück. Dann erfolgte auch mit Marianne eine lange Aussprache, an deren Schluß die Schwestern sich weinend umarmten. Man kam überein, daß Marianne die letzten Tage noch mit den Angehörigen auf der Villa verbringen sollte, was auch Ivo gegenüber als das richtigste erschien. Die römischen Säulen und was sonst noch vom Festschmuck an die Geburtstagsfeier erinnerte, hatte Marianne schon vor Isas Rückkehr entfernen lassen, so weit es nicht bereits durch die Hausfrau selbst geschehen war. Am Abend saßen sie allein über Isas Tagebuch, in das diese der Schwester Einblick gewährte. Marianne zog daraus den Schluß, daß die nach Anregung verschmachtete Isa am Ende doch noch selbstverblendeter und Ivo vielleicht nicht ganz so schuldig gewesen war, wie es den Anschein hatte, wenn er auch mit dem Vorwurf des Doppelspiels behaftet blieb.

Als sie zu Ende waren, sagte Isa:

Schade drum. Nun müssen die schönen Blätter brennen. Ich kann sie nicht mehr vor Augen sehen.

Aber Marianne fiel ihr in den Arm.

Was machst du, Liebe? Was dir sein Geist gegeben hat, ist alles wahr und schön. Warum es vernichten? Sollen wir nicht von der Kirche lernen, daß das Heilige heilig bleibt auch in unheiligen Händen?

Isa blickte betroffen. Dann legte sie die Arme um die Schwester. Geliebte, jetzt sehe ich, daß du völlig frei von ihm geworden bist, weil du so gerecht sein kannst. Ich will suchen, es auch zu werden.

* * *

 


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