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Fünfundzwanzigste Frage. Über die sechste Art, das Urteil zu fällen, über eine Angezeigte und zwar über eine ungestüm Verdächtige.

Die sechste Art, einen Glaubensprozeß zu beendigen, ist es, wenn der wegen ketzerischer Verkehrtheit Angezeigte nach sorgfältiger Erörterung der Werte des Prozesses zusammen mit dem guten Rate |m Recht Erfahrener als der Ketzerei ungestüm verdächtig befunden wird; und zwar ist dies der Fall, wenn der Angezeigte selbst nicht als gesetzmäßig ertappt befunden wird, weder durch eigenes Geständnis, noch durch Evidenz der Tat, noch durch gesetzmäßige Vorführung von Zeugen, aber nicht bloß leichte oder heftige, sondern sehr starke und sehr ungestüme Indizien vorhanden sind, die den Angezeigten selbst der genannten Ketzerei verdientermaßen ungestüm verdächtig machen, und um derentwillen ein solcher als der genannten Ketzerei ungestüm verdächtig beurteilt werden muß. Damit nun diese Art deutlicher eingesehen werde, wollen wir Beispiele sowohl von der einfachen Ketzerei im Glauben als auch von der Ketzerei der Hexen geben. In der einfachen Ketzerei nämlich könnte der Fall eintreten, daß der Angeklagte selbst nicht durch eigenes Geständnis etc. wie oben als gesetzmäßig ertappt befunden wird; jedoch wegen irgend etwas, was er gesagt oder getan hat, daß er z. B. in einer Sache (nicht des Glaubens) vorgeladen die Exkommunikation ein Jahr hindurch oder länger ausgehalten hat, ist ein solcher schon der Ketzerei leicht verdächtig, weil das nicht eines Körnchens ketzerischer Verkehrtheit entbehrt, de poenis c. gravem. Wenn er aber, zur Verantwortung seines Glaubens vorgeladen, nicht erscheint, sondern es störrig ablehnt, zu erscheinen, weshalb er exkommuniziert wird, dann wird er der Ketzerei heftig verdächtig; denn dann geht der leichte Verdacht in einen heftigen über. Und wenn er jene Exkommunikation ein Jahr hindurch mit hartnäckigem Sinne aushält, dann wird er der Ketzerei ungestüm verdächtig; denn dann geht der heftige Verdacht in einen ungestümen über, gegen den keine Verteidigung zugelassen wird; im Gegenteil, von da an ist ein solcher als Ketzer zu verurteilen, wie es sich aus dem c. cum contumacia ergibt; und zwar wird er notiert ebendort l. VI.

In der Hexenketzerei aber wird ein Beispiel von ungestümem Verdachte in dem Falle geboten, wenn jemand irgend etwas gesagt oder vollbracht hat, was von Hexen verübt wird, wenn sie jemand behexen wollen; und weil dies das Gewöhnliche ist, daß sie sich mit drohenden Worten oder Taten, entweder mit dem Ansehen oder mit dem Anfassen, zu offenbaren haben, aus einer dreifachen Ursache: daß die Sünde bei den Richtern schwerer ins Gewicht falle, daß die Einfältigen um so leichter verführt werden, und daß Gott um so mehr beleidigt werde und ihnen größere Befugnis, gegen die Menschen zu wüten, überlasse; weshalb die Hexe ungestüm verdächtig wird, wenn nach drohenden Worten, indem sie sagt: »Ich will es dir besorgen, daß du es in kurzem fühlen wirst« oder im Sinne ähnlichem irgend eine Wirkung an (dem Betreffenden) selbst oder an einem anderen erfolgt ist; denn dann ist sie nicht leicht verdächtig, wie z. B. die, welche wegen des Verkehrs mit Hexen verdächtig gewesen sind, oder welche jemanden zu ungewöhnlicher Liebe haben reizen wollen. Siehe oben, von den drei Arten des Verdachts, der leichten, heftigen und ungestümen.

Jetzt ist nachzusehen, welche Praktik mit solchen zu beobachten ist. Nämlich bezüglich eines in der einfachen Ketzerei ungestüm Verdächtigen wird folgende Praktik beobachtet: Kann er nämlich in Wirklichkeit vielleicht kein Ketzer sein, z. B. weil er keinen Irrtum im Geiste noch darüber Hartnäckigkeit im Willen hegt, wie Archidiaconus zu dem zitierten Kanon bemerkt, so ist er nichtsdestoweniger als Ketzer zu verdammen, wegen des vorgenannten ungestümen Verdachtes, gegen den keine Beweisführung zuzulassen ist. Verurteilt aber wird ein Ketzer in der Weise, daß, wenn er nicht zurückkehren und die Ketzerei abschwören und entsprechende Genugtuung leisten will, er dem weltlichen Arme zur Bestrafung mit der gebührenden Ahndung übergeben wird, nach c. ad abolendam, § praesenti. Wenn er es aber will und zusagt, mit (nachfolgender) Wirkung, so schwört er die Ketzerei ab und wird in lebenslänglichem Karzer festgehalten, nach c. excommunicamus II, de haer. In gleicher Form derjenige, welcher so der Ketzerei ungestüm verdächtig ist.

Mag aber auch bezüglich eines der Ketzerei der Hexen ungestüm Verdächtigen dieselbe Weise zu beobachten sein, so ist doch, indem man in milderer Form vorgeht, zu beachten, daß, wenn sie Es tut mir leid, aber im Original wird schon wieder einmal das Geschlecht gewechselt! beim Leugnen verharrt und behauptet, wie sie es zu tun pflegen, sie habe jene Worte nicht in solcher Absicht ausgestoßen, sondern in heftiger, weibischer Leidenschaft, daher es auch dem Richter nicht gut scheint, sie dem Feuer überantworten zu können, wobei der ungestüme Verdacht nicht entgegensteht – daß dann der Richter sie im Gefängnis festhält, inquiriert und sie bekennen lasse, ob sie in ähnlichen Dingen schon längst bekannt gewesen sei; und wenn so, ob sie öffentlich wegen solcher Ketzerei übel beleumundet sei, auf grund dessen er zu dem weiteren vorgehen kann, in der Weise, daß sie vor allem dem peinlichen Verhör auf der Folter ausgesetzt werde; und wenn sich Indizien bezüglich solcher Ketzerei oder bezüglich der Hexenkunst der Verschwiegenheit gezeigt haben, z. B. daß sie keine Tränen vergießt, im Gegenteil bei der Folterung als unempfindlich befunden wird, weil sie nämlich nach der Folterung schnell wieder zu allen ihren Kräften kommt, dann gehe er vor mit den verschiedenen, oben genannten Vorsichtsmaßregeln, wo über ähnliches gehandelt wird.

Und im Falle, wo dies alles versagt, möge er dann bedenken, daß, wenn sie ähnliches schon längst begangen hat, sie dann auf keinen Fall loszulassen, sondern ein Jahr lang mindestens im Schmutz des Kerkers festzuhalten und zu peinigen, auch sehr häufig zu verhören ist, besonders an den heiligen Tagen. Wenn sie aber zu dem noch übel beleumdet ist, so kann sie zwar der Richter nach dem, was oben bei der einfachen Ketzerei berührt worden ist, dem Feuer überantworten, besonders wegen einer vielfachen Anzahl von Zeugen, und weil sie öfters in ähnlichen oder anderen Behexungen bemerkt worden ist; weil er jedoch mit Liebe vorgehen will, so lege er ihr die kanonische Reinigung auf, daß sie nämlich zwanzig oder dreißig Reinigungshelfer habe und vorgehe, wie es in der zweiten Art, das Urteil zu fällen, berührt worden ist; in der Weise nämlich, daß er ihr ankündigt, daß, wenn sie bei der Reinigung versagt, sie dann als schuldig dem Feuer überantwortet werden wird; und danach kann der Richter vorgehen. Im Falle aber, daß sie sich reinigte, soll sie die Reinigung von jeglicher Ketzerei unter (der Verwarnung) der Strafe der Rückfälligen und lebenslänglicher Pönitenz vornehmen in der Weise, wie sie in dem zu formulierenden Urteilsspruche folgt; und zwar ist die Art der Vorbereitung zur Abschwörung eine solche, wie es in der vorangehenden vierten und fünften Art, einen Glaubensprozeß abzuschließen, gesagt worden ist.

Bemerke auch, daß in allen folgenden Arten, das Urteil zu fällen, die Richter, wenn sie auf dem Wege der Liebe vorgehen wollen, nach der schon berührten Art vorgehen können. Aber weil die weltlichen Richter sich ihrer verschiedenen Weise in Strenge bedienen und nicht immer nach Billigkeit vorgehen, deshalb kann ihnen eine unfehlbare Regel und Weise nicht so wie dem geistlichen Richter bestimmt werden, der die Abschwörung unter lebenslänglicher Pönitenz in der folgenden Weise annehmen kann: »Ich N. N. von dem und dem Orte der und der Diözese, vor Gericht persönlich erschienen, schwöre vor Euch ehrwürdigen Herren, Bischof der und der Stadt, und Richtern, während die hochheiligen Evangelien vor mir liegen und ich sie mit meinen eigenen Händen körperlich berühre, daß ich im Herzen jenen heiligen katholischen und apostolischen Glauben glaube, und bekenne ihn mit dem Munde, den die hochheilige römische Kirche bewahrt, bekennt, glaubt, predigt und lehrt. Und folglich schwöre ich alle Ketzerei ab, leugne und widerrufe sie, die sich gegen die heilige römische und apostolische Kirche erhebt, welcher Sekte oder Irrlehre sie auch immer angehört hat. Desgleichen schwöre und verspreche ich, daß ich das und das und das und das (es werde namhaft gemacht!), was ich getan oder gesagt habe und um dessentwillen Ihr mich auch aus meiner Schuld für der genannten Ketzerei ungestüm verdächtig haltet, in der Folge niemals tun oder sagen noch mir Mühe geben werde, daß es geschehe. Desgleichen schwöre und verspreche ich, daß ich jede Pönitenz, die Ihr mir für die vorgenannten (Vergehen) auferlegen wollt, nach Kräften erfüllen und in keiner Weise dagegen handeln werde; so wahr mir Gott helfe und diese hochheiligen Evangelien. Wenn ich nach der Abschwörung in Zukunft dagegen handele, was Gott abwende, dann verpflichte und verfehme ich mich jetzt für später den von rechtswegen Rückfälligen gebührenden Strafen, daß ich mit ihnen getroffen werde.«

Der Notar beachte wohl, in den Akten zu schreiben, daß die genannte Abschwörung von einem der Ketzerei ungestüm Verdächtigen vorgenommen worden ist; damit, wenn er später als rückfällig erwiesen ist, dann als solcher beurteilt und als solcher dem weltlichen Arme übergeben wird. In allen meinen Texten folgt jetzt noch einmal das ganze Stück von der Abschwörung an mit ganz geringen Abweichungen.

Wenn dies so verhandelt ist, spreche er ihn von dem Spruche der Exkommunikation frei, deren er für ungestüm verdächtig gehalten worden ist, weil er darin verfallen ist wie bei den oben genannten Ketzereien. Wie daher ein Ketzer, wenn er umgekehrt ist und abgeschworen hat, von dem Spruche der Exkommunikation loszusprechen ist, weil jeder Ketzer exkommuniziert ist, nach c. excommunicamus I und II, de haer. und auch nach c. ad abolendam, am Anfang, so ist auch ein solcher, um den es sich hier handelt, da er, wie früher gesagt, als Ketzer zu verurteilen ist, von dem Spruche der Exkommunikation loszusprechen, nachdem er abgeschworen hat; und wenn die Abschwörung geschehen ist, soll das Urteil in der Weise folgenden Wortlautes gefällt werden:

»Wir N. N., Bischof der und der Stadt, und, falls einer dabei ist, Richter (N. N.) in den Ländern des und des Herrn, in Beachtung, daß du N. N. aus dem und dem Orte der und der Diözese uns wegen der und der den heiligen Glauben berührenden (Punkte) angezeigt worden bist (– sie werden ausdrücklich genannt –) und daß wir zu unserer Belehrung darüber verschritten sind, wie die Gerechtigkeit es uns riet, haben wir nach sorgfältiger Prüfung der Werte des Prozesses und aller Verhandlungen und Ausführungen in gegenwärtiger Sache gefunden, daß du das und das begangen hast (es werde ausdrücklich namhaft gemacht). Daher haben wir dich, und zwar nicht unverdientermaßen, weil wir dich für der und der Ketzerei (es werde ausdrücklich namhaft gemacht) ungestüm verdächtig halten, als einen so Verdächtigen alle Ketzerei im allgemeinen öffentlich abschwören lassen, so wie es uns die kanonischen Satzungen befehlen. Freilich, da nach eben diesen kanonischen Bestimmungen ein jeder solcher Ketzer zu verurteilen ist und du, dem gesünderen Rate folgend und zum Schöße der heiligen Mutter Kirche zurückkehrend alle ketzerische Verkehrtheit, wie vorausgeschickt, abgeschworen hast, weshalb wir dich von dem Spruche der Exkommunikation, durch welche du als Gott und der Kirche gegenüber schuldig gebunden verdientermaßen gehalten wurdest, lossprechen, wenn du nur aus aufrichtigem Herzen und in nicht geheucheltem Glauben zur Einheit der Kirche zurückgekehrt bist, – daher wirst du von jetzt an unter die Bußfertigen gerechnet werden, indem dich die hochheilige Kirche gegenwärtig wieder an den Busen der Barmherzigkeit aufnimmt. Aber weil es sehr unwürdig ist, mit geschlossenen Augen an ungestraften Beleidigungen gegen Gott vorüberzugehen und dabei Beleidigungen gegen Menschen zu ahnden, da es schlimmer ist, die göttliche Majestät zu verletzen als die menschliche, und damit deine Verbrechen keinen Ansporn für andere zu Vergehungen bilden, und daß du für die Zukunft vorsichtiger gemacht und für später weniger zur Begehung der vorgenannten oder ähnlicher (Taten) geneigt würdest, und damit du im künftigen Zeitalter leichter bestraft werdest, verurteilen oder vielmehr büßen wir, der vorgenannte Bischof und Richter dich in unserer Gegenwart persönlich erschienenen N. N., an diesem Tage und zu dieser Stunde, die dir vorher bestimmt worden sind, urteilskräftig in der Weise, welche folgt, nachdem wir in und über diesem den gesunden und reifen Rat Erfahrener eingeholt haben, sitzend vor dem Tribunal nach der Weise urteilender Richter, indem wir Gott allein und die unzerbrechliche Wahrheit des heiligen Glaubens vor Augen haben, während die hochheiligen Evangelien vor uns liegen, damit im Angesicht Gottes unser Urteil ergehe und unsere Augen die Billigkeit sehen: erstens, daß du sogleich über alle Kleider, die du trägst, ein nach Art eines Mönchs-Skapuliers ohne Kapuze verfertigtes bleifarbiges Gewand ziehst, welches vorn und hinten Kreuze aus gelbem Zeug in der Länge von drei und in der Breite von zwei Handbreiten trägt, welches Kleid du über allen anderen Kleidern so und so lange Zeit (– sie werde ausdrücklich bezeichnet: ein Jahr oder zwei oder mehr, oder weniger, je nachdem die Schuld des Delinquenten es verlangt –) tragen sollst; und nichtsdestoweniger sollst du mit dem genannten Kleide und den Kreuzen an der Tür der und der Kirche stehen, zu der und der Zeit und so und so lange, nämlich an den vier Hauptfesten der glorreichen Jungfrau, oder an den und den (anderen) Festen an den Flügeltüren der und der Kirche oder Kirchen; und verurteilen dich rechtskräftig zu dem und dem Gefängnis, auf Lebenszeit oder so und so lange Zeit. (Es werde niedergeschrieben, was recht sehr zur Ehre des Glaubens zu dienen scheint, z. B. »wegen der Größe der Schuld«, oder »wegen der Geringigkeit der Schuld«, oder »wegen der Hartnäckigkeit des Delinquenten«. Dann geht es weiter:) Wir behalten uns auf grund unseres Wissens und ausdrücklich, wie es uns die kanonischen Bestimmungen gestatten, das Recht vor, daß wir die genannte Pönitenz so oft mildern, verschärfen, ändern und im Ganzen oder zum Teil aufheben können, so oft es uns tunlich erscheint. Gefällt ist dieser Urteilsspruch (etc.)«.

Nachdem er verlesen ist, werde (der Delinquent) alsbald der gebührenden Vollstreckung überantwortet und mit dem vorgenannten, derartigen Kreuze enthaltenden Gewande bekleidet.


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