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Neunte Frage. Was nach der Verhaftung zu tun sei, und ob die Namen der Aussagenden (der Verhafteten) kundzugeben seien. Vierter Akt.

Zweierlei aber geschieht nach der Verhaftung; was aber das erste darunter ist, bleibt dem Richter überlassen, nämlich die Gewährung von Verteidigungen; und das Verhör in der Folterkammer, aber ohne Foltern. Das erste wird nicht gewährt, wenn (die Angeklagte) nicht darum bittet. Das zweite geschieht nicht, bevor nicht die Mägde oder Gefährtinnen, wenn sie welche gehabt hat, im Hause verhört worden sind. Doch gehen wir in der angenommenen Reihenfolge vor.

Wenn die Angeklagte sagt, sie sei unschuldig und fälschlich angezeigt worden, und sie möchte gern die und die Ankläger ansehen und sie hören, dann ist dies das Zeichen, daß sie Verteidigungen verlangt. Aber ob der Richter gehalten ist, ihr die Angabe kund zu tun und ihr vor Augen zu stellen? Hier möge der Richter beachten, daß er nicht gehalten ist, etwas davon zu tun: weder die Namen kundzugeben noch sie ihr vor Augen zu stellen, wenn sich nicht die Angeber für sich und freiwillig dazu anbieten, daß sie ihr nämlich vor Augen gestellt werden, um ihr das, was sie ausgesagt haben, ins Gesicht zu schleudern. Daß aber der Richter nicht gehalten ist, (das zu tun), und zwar wegen der Gefahr für die Angeber, wird bewiesen. Mögen nämlich die verschiedenen höchsten Pontifexe verschiedener Ansicht gewesen sein, so hat doch keiner die Ansicht gehabt, daß der Richter in einem solchen Falle, der ihm angezeigt worden war, die Namen der Angeber, noch auch die der Ankläger kundzutun habe, mögen wir auch hier nicht vermittelst der Weise der Anklage vorgehen. Einige haben vielmehr gemeint, daß es in keinem Falle erlaubt sei; manche, daß es in manchen Fällen erlaubt sei. Endlich aber hat Bonifacius VIII. Bestimmungen gegeben, wie sich aus c. statuta, § inhibemus, l. VI, ergibt, wo es folgendermaßen heißt: »Wir verbieten jedoch (die Namennennung) gegenüber den Anklägern oder Zeugen, die in einer Ketzereisache auftreten oder aussagen, wegen der Macht der Personen, gegen welche die Untersuchung geführt wird. Bischof und Inquisitor sollen sehen – merke du, daß statt Inquisitor und Bischof jeder beliebige Richter gegen die Hexen vorgehen kann, mit Zustimmung des Bischofs und Inquisitors, weil es dasselbe ist und sie, wie es sich in der einleitenden Frage ergeben hat, ihre Rollen abtreten können; weshalb auch ein solcher Richter, wer es auch sei, auch ein weltlicher, mit apostolischer Hoheit vorgeht und nicht bloß mit kaiserlicher – daß ihnen schwere Gefahr droht, wenn es sich ereignet, daß ihre (Namens-)Veröffentlichung geschieht. Daher sollen sie ihre Namen nicht veröffentlichen« etc. Weiter unten folgt: »Wenn aber die oben erwähnte Gefahr aufhört, mögen sie die Namen der Ankläger oder Zeugen veröffentlichen, wie es in anderen Prozessen geschieht«.

Der umsichtige Richter sei auch bezüglich der Macht der Personen bedacht, daß sie dreifach ist, nämlich die Macht der Abstammung und Familie, die Macht des Geldes und die Macht der Bosheit, die mehr zu fürchten ist, als die anderen beiden, weil daraus den Zeugen schwere Gefahren drohen könnten, wenn denen, gegen die sie ausgesagt haben, ihre Namen bekannt gemacht würden. Der Grund ist: Es ist größere Gefahr vorhanden, die Namen der Zeugen einem armen Angezeigten bekannt zu machen, der Komplizen im Bösen hat, Rebellen und Totschläger, die nichts zu verlieren haben, denn ihre Person, als einem Vornehmen oder Reichen, der an zeitlichen Gütern Überfluß hat. Was und wie beschaffen aber eine schwere Gefahr sei, erklärt Johannes, der über das obenerwähnte Wort »Gefahr« also sagt: »Gefahr, weil man dabei den Tod oder Verstümmelung seiner selbst oder der Söhne oder seiner Eltern oder Verwüstung des Besitzes oder dem ähnlichen befürchtet«.

Der Richter möge überdies beachten, daß, wenn er mit apostolischer Hoheit nach dem Gutdünken des Ordinarius in diesen (Prozessen) vorgeht, mit Bezug darauf, d. h., die Nichtenthüllung der Namen der Zeugnis Ablegenden, sowohl er selbst als alle anderen Beisitzer, die den Aussagen der Zeugen beigewohnt haben oder in Zukunft bei der Fällung des Urteils beiwohnen könnten, zur Geheimhaltung verpflichtet sind, bei Strafe der Exkommunikation, die, wenn sie dem entgegenhandeln, der Bischof gegen sie schleudern kann und, damit sie (die Namen) nicht enthüllen, von Beginn des Prozesses an wenigstens implicite geschleudert hat. Daher heißt es in dem zitierten c. statuta, § et ut eorundem, folgendermaßen: »Und damit ebenderselben Ankläger und Zeugen Gefahren wirksamer begegnet und vorsichtiger im Amte der Inquisition vorgegangen werde, erlauben wir kraft gegenwärtiger Bestimmung, daß der Bischof und die Inquisitoren (du verstehe wie oben!) über diejenigen, welchen sie, wie vorausgeschickt, einen derartigen Prozeß auseinandersetzen und welche die ihnen von ebendem Bischof und den Inquisitoren als Geheimnis mitgeteilten Geheimnisse der Beratung oder des Prozesses gegen deren Erlaubnis anderen mitteilen, das Urteil der Exkommunikation, welches sie wegen der Verletzung des Geheimnisses durch die bloße Tat schon verdienen, verhängen und, wenn es ihnen gut scheint, veröffentlichen können«.

Weiterhin ist zu bemerken, daß wie Strafe daraufgesetzt ist, wenn die Namen der Zeugen ungehörigerweise veröffentlicht werden, so auch Strafe daraufgesetzt ist, wenn sie ungehörigerweise geheim gehalten werden; nämlich den Sachverständigen und Beisitzern, nach deren Ratschluß zum Urteil zu verschreiten ist; oder wenn sie nicht bekannt gegeben werden, wo sie ohne Gefahr für die Zeugen bekanntgegeben werden können, wie es in dem genannten c. statuta gegen Ende heißt: »Übrigens schreiben wir in allem vor, daß sowohl die Bischöfe als auch die Inquisitoren die reine und vorsichtige Obacht haben, daß sie nicht, die Namen der Ankläger oder Zeugen unterdrückend, sagen, es bestehe Gefahr, wo Sicherheit ist, und nicht behaupten, bei ihrer Gefährdung sei Sicherheit, wo eine solche Gefahr drohte; wobei sie ihre Gewissen belasten«. Dazu sagt der Archidiaconus: »0 du Richter, wer du auch seist, beachte in einem solchen Fall wohl diese Worte; denn er sagt nicht »leichte Gefahr«, sondern (meint) »schwere«. Wolle also nicht den Angeklagten ohne gewichtigen Grund der Ordnung des Rechtes berauben, da das nicht ohne Beleidigung Gottes geschehen kann.«

Der Leser muß beachten, daß, weil alles Vorhergehende und auch Folgende, bis man zu den Arten das Urteil zu fällen kommt – abgesehen von der Strafe des Blutes, wobei der geistliche Richter zu urteilen hat, – mit Zustimmung der Diözesanen durch den weltlichen Richter vorgenommen werden kann, es deshalb den Leser nicht stören möge, wenn in dem (zitierten) c. der geistliche und nicht der weltliche Richter als der bezeichnet wird, der die Weisen über das Blut zu urteilen nach den Weisen der Ordinarien zu urteilen und zu ahnden entnimmt.


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