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Achtes Kapitel

Gedrückt und wortkarg saß die kleine Gesellschaft ein paar Minuten lang in gespanntem Warten. Einmal nur erhob sich Hanna und ging zur Tür, um von dort aus das elektrische Licht anzuzünden; die Dämmerung, die sich erst ganz leise hereinschlich in den Raum, schien sie zu bedrücken. Aber auch die von oben herabflutende Helle machte die Stimmung nicht froher.

Plötzlich wurde die Tür geöffnet und mit raschen, aufgeregten Schritten kam der Kommerzienrat wieder herein. Schon in der Tür begann er zu reden. »Hanna, du mußt mitkommen. Die Herren wollen dich sprechen.«

Er schwieg eine Sekunde lang, atemlos vom raschen Gehen, um dann, sich an Frau Hell wendend, hinzuzufügen: »Wir müssen leider unser heutiges Beisammensein abkürzen, liebe Freundin, aber eine notwendige Besprechung – – –«

»Auf Deutsch also, wir werden hinausgeworfen,« sagte Liselotte mit nur halbgeglücktem Versuch, den Ton gewohnter Munterkeit anzuschlagen. »Aber wir verstehen den leisesten Wink und konzentrieren uns rückwärts mit gewünschter Schnelligkeit. Nicht wahr, Mutter?«

»Ja, Kind,« erwiderte Frau Hell, sich langsam erhebend, mit einem wehmütigen Abschiedsblick auf ein Stück Pflaumenkuchen, das erst halb verzehrt war.

Glaritz erhob sich gleich ihnen und fragte: »Soll ich auch – – –?«

Doch der Kommerzienrat unterbrach ihn schnell. »Nein, es wäre mir lieb, wenn du mit hinüber kämest, Heinrich. Du hast als Arzt ja so wie so schon zu tun gehabt bei dieser unglückseligen Geschichte, – denn um den Tod von Xaver Stieler handelt sich's.«

Er sagte flüchtig noch ein paar Abschiedsworte zu Hells und fügte dann ein hartes, beinahe drohend klingendes: »Komm, Hanna« hinzu. Sie war schon bei seinen ersten Worten schnell aufgestanden, aber noch einen Augenblick mit auf den Tisch gestützten Händen stehen geblieben; ihres Vaters Mahnung folgend, ging sie dann, Hells nur noch mit einem Nicken zum Abschied grüßend, neben dem Kommerzienrat stumm hinaus. In gleich tiefem Schweigen folgte Glaritz den beiden.

Auf dem Flur machte der Kommerzienrat noch einmal Halt, faßte seiner Tochter Hand mit festem Griff und fragte, heiser flüsternd: »Ist es wahr, was die Herren vom Gericht behaupteten? Sie sagen, Xaver Stieler wäre gestern abend hier gewesen, hier bei dir?«

»Ja, Vater, es ist wahr. Er ist hier gewesen vor dem Theater. Aber, –«

»Unerhört, unbegreiflich! Du hast mein Haus mit Schmach und Schande beladen, hast mit bodenlosem Leichtsinn – – –«

»Onkel Rainer!« Es war Glaritz, der die Worte leise, doch mit starkem Nachdruck mahnend sprach, indem er seine Hand auf des Kommerzienrats Arm legte. Schützend war er vor Hanna hingetreten.

Rainer besann sich und sah mit einem freundlichen Aufleuchten der Augen Glaritz an. »Es gefällt mir, daß du sie noch in Schutz nimmst, aber, – na, – kommt jetzt nur her, die Herren warten auf uns.«

Er ging hastig voran und öffnete die Tür zu seinem Arbeitszimmer. Auch hier war schon helles Licht und beschien die Gestalten des Amtsgerichtsrats Germelmann und seines Begleiters, des Kommissars Bauer.

Mit weltmännischer Höflichkeit erhob sich der Untersuchungsrichter von seinem Sitz bei Hannas Eintritt und ging ihr entgegen. »Ich möchte wünschen, ein anderer Anlaß hätte mir Ihre Bekanntschaft vermittelt, gnädiges Fräulein. Heute bin ich leider in amtlicher Eigenschaft hier und muß ein paar Fragen an Sie richten. Ich bin überzeugt, Sie werden mit wenigen Worten aufklären können, was vorläufig noch unklar und merkwürdig erscheint.«

»Bitte, fragen Sie.«

Hanna stützte sich auf die Lehne von einem Sessel, und ihre darauf gestemmte Hand bebte leise.

Den scharfen Augen Germelmanns entging das nicht, und er sagte: »Sie scheinen mir ein wenig erschrocken und aufgeregt, gnädiges Fräulein, – Gericht und Polizei haben ja leider diese Wirkung bei vielen Menschen. Bitte, beruhigen Sie sich. Haben Sie die Freundlichkeit, sich hier neben mich zu setzen; wir wollen dann die Sache ganz ruhig einmal miteinander besprechen.«

Hanna dankte nur mit einer Bewegung des Kopfes, dann setzte sie sich nieder auf den Sessel, der sie gestützt hatte. Der Untersuchungsrichter schob für sich einen anderen dicht an den ihrigen heran und setzte sich neben sie. Mit Sorgfalt vermied er alles, was dem Gespräch den Charakter eines Verhörs aufprägen konnte, gab sich nur als gewandter Mann der Gesellschaft und sprach in einem behaglichen Plauderton.

»So, mein gnädiges Fräulein, jetzt muß ich Sie bitten, mir einmal etwas über den Abend von gestern zu erzählen. Ihr Herr Vater hat Ihnen wohl schon gesagt, weshalb ich hier bin?« Er warf einen Blick auf Rainer und fügte mit Bezug auf dessen bejahende Bewegung hinzu: »Danke sehr, Herr Kommerzienrat, ich sehe, daß ich richtig vermutete. Das erspart mir ein weiteres Vorwort.«

Den Kopf jetzt rasch wieder nach Hanna hinwendend und aufmerksam, aber mit freundlichem Lächeln auf ihr Gesicht schauend, fuhr er fort: »Eine Zeugin hat etwas ausgesagt, was mich hauptsächlich veranlaßte, hierher zu kommen. Diese Zeugin hat sich gestern abend auf der Straße befunden, die hinten, jenseits Ihres Gartens vorbeiläuft, – wie heißt sie doch gleich?«

»Heidingerstraße.« Glaritz war es, der an Stelle von Hanna die Antwort gab.

»Heidingerstraße, ganz recht. So hat sie die Zeugin auch genannt. Sie befand sich, wie gesagt, gestern abend auf der Straße dort und behauptet, Xaver Stieler, den sie sehr genau kannte, dort gesehen zu haben. Sie behauptet ferner, daß eine weibliche Gestalt ihm die Pforte von Ihrem Garten geöffnet und ihn in einen dort gelegenen Pavillon geführt habe. Die Zeugin will auch trotz der bereits eingetretenen Dunkelheit Sie selbst, gnädiges Fräulein, in der weiblichen Gestalt erkannt haben. Sie sehen, es ist notwendig für mich, ein Zeugnis darüber von Ihnen zu hören, wie sich die Sache verhält. Wäre wirklich Xaver Stieler gestern abend noch mit Ihnen zusammen gewesen, so könnten ja gerade Sie vielleicht Mitteilungen von großer Wichtigkeit für die Aufklärung des an ihm begangenen Verbrechens machen.«

Der Kommerzienrat bewegte seinen Kopf in ärgerlicher Spannung hin und her und ließ die Finger einer Hand auf der Tischplatte trommeln. Glaritz dagegen saß wie versteinert und schaute mit weit offenen, brennenden Augen unverwandt auf Hanna. Sie selbst richtete sich nun aus einer stummen Versunkenheit, in der sie gesessen hatte, hoch auf und begann zu sprechen. Ihre Stimme klang sicher und ruhig, nur daß ein fremder Klang darin wohnte, der ihren Vater aufhorchen ließ.

»Es ist richtig, was die Zeugin ausgesagt hat. Xaver Stieler ist gestern abend bei mir im Pavillon gewesen.«

»Hanna, Hanna!« Zornig wollte Rainer aufspringen, wieder aber war es Glaritz, der ihm die Hand beschwichtigend auf den Arm legte.

»Also wirklich,« sagte Germelmann. Er war doch ein wenig betroffen durch Hannas Antwort, bemühte sich aber, dies unter einem scherzhaften Ton zu verbergen. »Daß die ganze weibliche Welt unserer Stadt für den armen Xaver Stieler schwärmte, wie vielleicht kaum jemals für einen Künstler größerer Art, ist ja bekannt. Und ich kann es wohl verstehen, wenn sich in einer Seele von – sagen wir – etwas romantischer Anlage diese Begeisterung in den Wunsch umsetzte, solch einen bewunderten Künstler auch als Menschen kennen zu lernen.«

»Das kam bei mir nicht in Frage.« Lebhaft, mit einem Tone, dem verhaltener Zorn inneres Feuer gab, sprach Hanna die Worte. »Meine Zusammenkunft mit Xaver Stieler hatte Gründe von durchaus praktischer, sachlicher Art.«

»Sie werden mich sehr zu Dank verpflichten, gnädiges Fräulein, wenn Sie mir diese Gründe genau darlegen wollten.«

Einen Moment noch zauderte Hanna, bevor sie sprach, und ließ einen raschen Blick hingehen über ihres Vaters gerötetes Gesicht, um ihr Auge dann für einer Sekunde Dauer auf dem bleichen Antlitz von Glaritz ruhen zu lassen. Aber gleich löste sie den Blick mit einer fast heftigen Bewegung und sagte: »Daß ich nichts bezeugen kann, was den Mord an Xaver Stieler aufzuklären vermöchte, muß ich von vornherein betonen. Aber sein Hiersein am gestrigen Abend, so merkwürdig es auf den ersten Blick erscheinen mag, will ich erklären. Das hängt mit seinem Namen, seiner Abstammung zusammen. Er war ja doch in Wirklichkeit ein Graf Hersberg und war der Bruder vom Grafen Stefan Hersberg. Der verkehrt in unserem Haus und – er ist mein Freund.«

Glaritz preßte die Lippen fest aufeinander bei Hannas letzten Worten, zog die Stirn in Schmerz oder Unwillen zusammen und senkte den Kopf, als wenn eine schwere Hand sich darauf gelegt hätte.

»Hatte die Zusammenkunft auf den Grafen Stefan Bezug?« fragte Germelmann.

»Ja. Wie Sie wissen werden, wollte Graf Botho – Xaver Stieler – sich von der Bühne zurückziehen. Sein Vater, der unter seines ältesten Sohnes unstandesgemäßer Laufbahn schwer gelitten hatte, war glücklich über seine Heimkehr, wollte dieser Freude nun aber in einer Weise Form geben, daß er nicht nur den wiedergeschenkten verlorenen Sohn zu vollen Gnaden aufnahm, sondern auch zu seinen Gunsten den Grafen Stefan in pekuniärer Hinsicht bitter benachteiligte. Das bedeutete für ihn den Ruin. Er hatte flott gelebt, wie junge Leute seiner Kreise das tun, er war verschuldet und konnte seine diplomatische Karriere nur weiter fortführen, wenn der Vater ihn auch ferner im bisherigen Umfang unterstützte. Das ging mir zu Herzen. Ich sah durch die Maske des Leichtsinns beim Grafen Stefan hindurch sein wahres Gesicht, sein wahres Gefühl. Ich wußte, daß er litt, und ich sehnte mich danach, ihm zu helfen. Sein Bruder hatte sich beim Theater ein Vermögen erworben, viel größer als das vom Vater einmal zu erwartende – warum sollte Graf Stefan zwecklos benachteiligt werden? Er schilderte seinen Bruder als gutherzigen, liebenswürdigen Menschen, doch war er zu stolz, ihn selbst um Wahrung seiner Interessen zu bitten. Indem ich über meines Freundes Unglück nachgrübelte, kam ich dann auf den Gedanken, die beiden, die durch ihr verschiedenartiges Leben einander entfremdet waren, wieder zusammenzuführen, in Freundschaft und Frieden zu vereinigen, durch Xaver Stieler auf den Vater dahin zu wirken, daß er auf die geplante Benachteiligung des jüngeren Sohnes verzichtete.«

Mit einem Blick, in dem Bewunderung und Mißtrauen sonderbar miteinander kämpften, betrachtete Germelmann Hannas Gesicht, auf dem ein warmes Rot langsam aufgeglüht war, und sagte bedeutungsvoll: »Sie haben viel getan für Ihren Freund.«

»Ich tue mehr für einen Freund als für mich selbst,« entgegnete Hanna mit Stolz.

Ein Schweigen folgte für einen Augenblick ihren Worten. In dieser Stille stand Glaritz langsam, schwerfällig auf und ging zum Fenster hinüber, hinter dessen Scheiben draußen jetzt schon die Dunkelheit hing. Dort blieb er stehen und starrte hinaus, abgewandt von den übrigen; seine Figur spiegelte sich in den schwarz erstrahlenden Scheiben, so daß von draußen eine zweite finstere Gestalt hineinzuspähen schien in den erleuchteten Raum.

»Haben Sie Xaver Stieler durch den Grafen Stefan kennen gelernt, gnädiges Fräulein?«

»Auf meine Bitte, ja. Persönlich hat er die Bekanntschaft allerdings nicht vermittelt, aber schriftlich hat er meinen Besuch ihm angekündigt.«

»Sie waren dort, – in seiner Wohnung?«

»Einmal, ja. Vielleicht war es unvorsichtig von mir, aber ich hatte nur den einen Wunsch, möglichst rasch das Unheil vom Grafen Stefan abzuwenden.«

Der Kommerzienrat ballte die Hand bei diesen Worten seiner Tochter zur Faust und schlug schwer damit auf den Tisch. Das Mißtrauen in Germelmanns Augen hatte sich verstärkt, von den Lippen des Kriminalkommissars kam ein vielsagendes Räuspern.

»Ihr Schritt war allerdings etwas außergewöhnlich,« sagte der Amtsgerichtsrat mit merklich kühler gewordenem Ton: »Warum knüpften Sie diese Verbindung nicht schriftlich an?«

»Ich vertraute dem lebendigen Worte mehr. Auch gab der Erfolg mir recht. Ich erhielt von Xaver Stieler das Versprechen, mit seinem Bruder bei mir zusammenzutreffen.«

»Am gestrigen Abend?«

»Gestern, ja.«

»Danach hätte sich's um eine Zusammenkunft von drei Personen gehandelt. Ich habe von einem Dortsein des Grafen Stefan Hersberg aber bisher nichts gehört.«

»Nein, leider war er am Kommen verhindert.«

»Ah!«

»Gestern gegen Abend kam er eilig zu mir, um zu sagen, daß er unvermutet in einer dringenden dienstlichen Angelegenheit zu seinem Chef bestellt worden sei.«

»Wann war das? Um welche Zeit?«

»Es muß nach fünf, nein, später – kurz vor sechs Uhr muß es gewesen sein. Er versprach, sicher noch zu kommen, wenn er sich irgend frei machen könne. Doch war es ihm dann tatsächlich unmöglich; er kam hinterher ins Theater und entschuldigte sich bei mir.«

»Von dem allen hat er mir nichts gesagt.«

»Er wird es nicht für nötig erachtet haben.«

»Sie waren demnach mit Xaver Stieler dort im Pavillon allein, – denn im Pavillon Ihres Gartens hat ja wohl die Begegnung stattgefunden?«

»Ja. Wir waren dort allein.«

»Wie lange war Stieler hier?«

»Bis er ins Theater mußte. Seine Gewohnheit war, – er sagte mir das – immer schon einige Zeit vor seinem Auftreten dort zu sein, um sich noch ein wenig auszuruhen und ganz frisch auf die Bühne zu kommen.«

»Worüber haben Sie mit ihm gesprochen?«

»Ueber das natürlich, was mir so sehr am Herzen lag. Ueber das Verhältnis des Grafen Stefan zu seinem Vater und über die Möglichkeit, bei dem alten Grafen zu seinen Gunsten zu vermitteln. Xaver Stieler war gut und freundlich, und ich hatte die feste Hoffnung, durch ihn mein Ziel zu erreichen. Sein schreckliches Ende hat ja nun das alles vereitelt.«

»Ist Ihnen irgend etwas aufgefallen an ihm? Irgend ein Zeichen von Krankheit oder Schwäche?«

»Nein. Ich habe keine Spur davon bemerkt.«

»Sind Sie bei dem Besuch in seiner Wohnung irgend jemandem dort begegnet außer Xaver Stieler selbst?«

»Ja, seine Frau kam und unterbrach unser Gespräch, – diese Baratta, sie war ja noch seine Frau, wenn er sich auch von ihr wollte scheiden lassen.«

»Vielleicht um einer Anderen willen? Ist Ihnen davon etwas bekannt?«

Hanna sah mit erstaunten Augen auf den Fragenden und schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe darüber nichts gehört.«

Germelmann blickte schweigend einen Augenblick vor sich hin, dann stand er auf. »Nun, die Hauptsache hätten wir wohl besprochen. Ich möchte jetzt aber noch gern den Pavillon besichtigen.«

»Dann lassen Sie mich selbst Sie führen,« sagte der Kommerzienrat lebhaft. »Es wäre mir lieber, wenn die Dienerschaft, – Sie werden mein Gefühl verstehen. Ich habe hier eine helle Taschenlampe, damit kann ich Ihnen durch den Garten leuchten. Im Pavillon selbst ist elektrisches Licht.«

»Gewiß, wie Sie wünschen, Herr Kommerzienrat. Nur eine Frage noch gestatten Sie mir an Ihr Fräulein Tochter.«

Hanna hatte sich erhoben, als der Untersuchungsrichter aufstand; er trat jetzt nahe vor sie hin. »Wir wissen durch Sie, gnädiges Fräulein, ja nun genau, daß und wann Xaver Stieler gestern hier war. Ich erführe jetzt gern das eine noch: geschah diese Zusammenkunft in der Form einer gesellschaftlichen Einladung, – ich meine, haben Sie dem Herrn Speisen oder Getränke vorgesetzt, hat er dort im Pavillon irgend etwas gegessen oder getrunken?«

»Sie meinen doch nicht, – Sie wollen doch damit nicht sagen, daß er hier, – hier – –?«

Ihre Stimme versagte, jede Spur von Rot war von ihrem Gesichte verschwunden.

»Ich will nichts damit sagen und nichts behaupten. Aber ich muß alle Tatsachen feststellen, die von Wichtigkeit sind für diese Sache. Meine Fragen sind ruhig und sachlich, antworten Sie mir, bitte, mit gleicher Sachlichkeit und Ruhe.«

Hanna gab ihrer Haltung und Stimme die für einen Augenblick verlorene Festigkeit wieder. »Sie haben mich gefragt, ob Xaver Stieler im Pavillon dort bei mir etwas genossen, gegessen oder getrunken hat. Jawohl, – er hat ein Glas Wein getrunken.«

Germelmann umfaßte sein Kinn mit einer Hand. »Hat Ihr Diener Ihnen den Wein dort hinaus gebracht? Hat er Xaver Stieler gesehen?«

»Ich habe den Wein selbst schon am Nachmittag in den Pavillon getragen; denn ich wollte jedes Aufsehen vermeiden. Die von mir geplante Zusammenkunft war, wenn auch gut und nützlich in ihrem Zweck, jedenfalls gegen den Willen meines Vaters, also brauchte die Dienerschaft nichts davon zu wissen.«

»Dann haben Sie den Wein auch wohl selbst aus dem Keller geholt?«

»Ja, das tat ich.«

»Was ist aus den Gläsern, aus der Flasche geworden?«

Hanna legte die Hand sinnend auf die Stirn. »Ich habe daran wirklich noch gar nicht wieder gedacht. Gläser und Flasche müssen jetzt noch im Pavillon stehen.«

»Dann wollen wir gleich hinübergehen, – in Ihrem eigensten Interesse, gnädiges Fräulein.«

Der Kommerzienrat machte seine Taschenlampe fertig und schritt voran in den Garten. Hanna folgte, Glaritz ging an ihrer Seite, hinter ihnen die Herren von Gericht und Polizei.


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