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Bleiche Ruh.

 

 

Du lerne leiden!

Mißmutig hatt ich immer wieder
das Blatt von mir geschoben und saß still:
Ich kann sie schreiben nicht die Lieder,
wie sie mir klingen, wie ich sie sagen will!

Da fühl ich noch die dunklen Augen
der Mutter groß auf mir: Wie jäh du bist!
O warte nur, sie werden taugen – –
wenn deine Mutter gestorben ist!

Du lerne leiden! wollte sie sagen,
den großen Schmerz erleiden und dann sprich! –
Wir haben sie hinausgetragen
gar bald und alles kleine Weh verblich …

Die reichen Jahre aber kommen
und bringen Glück und Müh und Sorgenzeit
und haben Vieles noch hinweggenommen
und haben mich dem tiefsten Schmerz geweiht.

Nun ist mein Herz vom Weh zerrissen,
mir ist, als ström sein Blut in Liedern hin –
o Mutter, was habe ich leiden müssen,
bis ich, wie dus gemeint, geworden bin!!

 

Frühmorgen im Winter

Glutroter Himmel über Bergen,
die fern und einsam sind;
der schlanke Kirchturm will mir scheinen,
wie ein hilfloses Kind.

Noch schläfrig liegt die blanke Straße,
so starr, als fröre sie;
der Frühschein spiegelt weit die Sonne –
mir ist, als käm sie nie!

 

Es weht mich an …

Es weht Grauabendkühle
so kalt mich an;
der Tag mit seiner Schwüle
war bald vertan …
will auf die weißen Pfühle
gern sinken hin –
daß ich zur Nacht nicht fühle,
wie bang ich bin!

 

Geschwister

Verrauscht die schweren, bösen Jahre
da heißer Groll uns hart geschieden –
und müde stehn wir an der Bahre
der Liebe, die wir schroff gemieden.
Des Blutes Stimme rief zur Seele,
aus Nebeln tauchen Kindheitbilder –
und was an dir an Trug und Fehle –
ich seh es menschlich, seh es milder.

Und weißt du noch? O süße Reinheit!
Ein Lächeln will sich scheu verbergen,
noch trennte uns nicht Groll und Kleinheit,
noch kamen wir nicht von den Särgen
des Lebens, das uns Runen Beiden
ins Angesicht so scharf gezogen,
von nützen und unnützen Leiden,
vom Haß – den wir uns vorgelogen!

 

Das rote Band

Was habe ich doch gelöst das rote Band,
und las sie wieder die Briefe von deiner Hand?

Da steht von deiner Sehnsucht um mich darin,
daß ich dir das Liebste auf Erden geworden bin.

Vom Flammentalar der Liebe seist du umhüllt,
die Nacht der Melancholie sei dir sternenerfüllt …

Nun ruft die Stimme: Erinnrung, in mir so weh,
o daß ich in allen den Leiden gewiß vergeh …

Was habe ich gelöst das rote Band? …

 

Die Säulchenuhr

Stadtmüd, bei meiner alten Tante,
bin ich zu Gast nach langer Zeit
und finde manches Liebbekannte
von einst, erinnerunggeweiht.

Doch nichts, was tiefer widerhallte
in mir der Kindheit selge Spur –
als dort am Schrank die liebe, alte,
die unverdrossne Säulchenuhr.

Nun tickt sie die zweihundert Jahre,
– zur Hochzeit ward der Ahne sie –
und tickte weiter an der Bahre
der Eigner und versagte nie.

Wie oft bin ich davorgestanden,
bestaunend ihre seltne Zier,
in meiner Kindheit Zauberlanden
war diese Uhr Vertrautes mir.

Wie vieles hatt ich sie zu fragen!
Ach, liebe Uhr, erzähltest du,
was du an Leid und Glück geschlagen
den Ahnen, bis zur dunklen Truh –

Und in die Zukunft wollt ich dringen:
Sag, welche Stunden schlägst du mir? –
Bis wieder mich der Jugend Singen,
der Sehnsucht Ruf vertrieb von ihr.

Und nun, nach Jahren und Geschicken,
schlägst du mir wieder, alte Uhr,
hör ich, wie eh, dich fröhlich ticken –
wir Suchenden sind müde nur.

 

Sternlein

Sternlein blitzt herein
schlaflosen Augen zu,
mit liebem, lichtem Schein.
Ist vom toten Mütterlein
das liebe Auge
im milden Licht –?

Sternlein blitzt herein –
so blank und licht.
Ist vom toten Liebsten
ein Gruß im Schein
so blank und licht –?

Verhüllt ist das Sternlein
blinkt noch ganz schwach
scheint nicht mehr …
Wird mein tot Kindlein sein,
das ach! verlöschen mußt,
so lieb und licht!

 

Nun schweigen alle Wünsche

Nun schweigen alle Wünsche,
die ich vom Einst geträumt,
nichts bin ich, wie der Tropfen,
der mit ins Weltmeer schäumt.

Nichts bin ich, wie der Tropfen,
der in die Lüfte steigt – –
und schwer vom neuen Leben
zur Flut sich wieder neigt!

 

Dunkle Macht

Für alles kommt die Büßerstunde
das du im Leben irrend hast verfehlt,
und hast dus noch so lange dir verhehlt –
mit einemmal merkst du die Todeswunde.

Das Wort: Zu spät! schlug dir mit harten Krallen
ins stolze Herz, das nun verbluten will –
es wird ganz leer und wird ganz still
ein müder Rest zusammenfallen.

Was aber ließ michs zögernd nicht erfassen,
was säumt ich, als das Glück gewinkt,
so wie ein Weiser, der durch Irrnis blinkt –

Was riß mich fort, was hieß mich Licht verlassen?
Die dunkle Macht, die Wegziel gibt und nimmt.
Weiß ichs, wozu sie mich bestimmt?

 

Bleiche Ruh

Nun will sich eine bleiche Ruh
ins tiefste Herz mir neigen;
die Sehnsucht wird mir immerzu
schweigen.

Zog all die Irrfahrt Jahr um Jahr
im Kreise;
nun kehr ich heim – gebleicht das Haar –
und kenn die Weise.

 

Genezareth

Verträumtes Wasser Genezareth,
Mauern, verfallen an deinem Rande,
Hirten im Gebet
verbergen das Haupt im Gewande.

Bist dus, Bethsaida, verfallene Stadt?
Steine nur sagen von Wundern und Schöne,
Herden trinken am Ufer sich satt –
wo, Bethsaida, sind deine Söhne?

Berge der Seligpreisungen
sehen in stille Wasser nieder,
scheinen von Trauer durchdrungen:
Schritte des Großen, kommen sie wieder?

Sieh, von seiner Göttlichkeit
ist nicht ein Hauch hangen geblieben?
Stadt und Geschlechter verlöschte die Zeit –
ewig blieb ein großes Lieben!

 


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