Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Sei wie der Baum …

 

 

Kapitän Ejnar Mikkelsen

Nichts andres seh ich
wie dein Gesicht:
Ejnar Mikkelsen!
Es sagt mir: Ich wanke und zittre nicht
vor Sturm und Nacht und Felsen.

Sagt mir: Bin aus Stein gehauen
das Menschengesicht, dem sich Tiefstes erschließt,
bin Titanenkraft, auszuschauen,
ob das Element, das wilde, mit mir sich mißt!

 

Föhren im Frühling

Wie Weihnachtsbäume stehn die Föhren,
den Trieb wie Kerzen aufgesteckt,
ist nicht dein Herz zu Jubelchören,
zu neuem, lichtem Sein erweckt?

Der ältste Baum mit knorrgen Ästen
hat sich mit Jugend reich geschmückt:
bereite dich zu frohen Festen,
sei wie der Baum vom Lenz beglückt!

 

Fronleichnam

Maiensonne und Grün und Glast,
an den Häusern Ast um Ast
vom Birkenbaum.
Grünbestreut die graue Straße
und schon klingt es aus der Gasse:
Kyrie eleïson.

Und die kleinen Mädchen kommen
tiefgesenkt den Blick, den frommen,
dort nur guckt schon eins –
Kränzlein auf den hellen Haaren,
kommen sie in lichten Scharen
frohsten Seins.

 

Blütenprangen

Über grünen Weiten Lerchensingen
an der weißen Straße Blütenprangen
heiliger Bäume.
Fühl ins Herz den tiefen Frieden dringen,
frohgerötet deine blassen Wangen.

Dunkler Wälder Träume
fühl im Duft herüberwehen,
zärtlich sieh Maßliebchen stehen,
und die keusche Erdbeerblüte nicken:
Will zur Stadt dir meine Früchte schicken!

 

Ernte

        Im schwerreifen Korn
blüht glutroter Mohn
        und Rittersporn.
Tiefdunkelblau
        durch das klirrende Gelb
lacht die Kornblumenfrau …
        Daneben ein Feld
schon stoppelkahl
        wird zur Qual
mit einemmal.
        Es droht
der Tod
        dem Blühen im Korn
dem glutroten Mohn
        dem Rittersporn
der Kornblumenfrau …
        Bald wird es grau
und kahl
        das Sommerland!

 

Lied im Herbst

Schon sammeln sich die Schwalben,
das Laub blinkt gelb und rot;
aus dem Wald, dem falben,
schreitet der Tod …

Muß denken wie es blühte
und klang auf jeden Baum,
auf den Wangen glühte
ein seliger Traum.

Nun ist es ausgesungen
das frohe Lied vom Mai –
schluchzend verklungen:
alles vorbei!

 

Der sterbende Baum

Sie hatten ihn mit Seilen gebunden,
die Säge knirschte durch seine Wunden,
es kam mir wie ein Morden vor.

Erschrocken floh der Vögel Chor
die liebe Heimat in seinen Gezweigen,
die, weithin breitend, sich zitternd neigen.

Sie sägen hart, der Stamm ist stark,
ein Beben rinnt durch Blatt und Mark
durch seine verästelten Glieder –

Ein Mahnschrei: Er fällt! Ein Krachen, ein Brausen –
und durch die Luft wie ein Kugelsausen
wuchtet er nieder!

 

Allerseelen

Leiser Rieselregen fällt
auf die müden Zweige;
letzten Sommers Neige
bang der Baum gefangen hält! –
und vom Berge blitzen nieder
Blinkelichtlein: Nimmerwieder!

Auf die welken Blätter tropft es,
an die dunkle Erde klopft es,
an das große Grab!
Da – bei einer Lampe Flimmern
seh am Aste Knospen schimmern,
frische, glänzendbraune!

Bange Seele sieh und staune!
Fühle, wie das Rad sich wendet,
ewiger Kreislauf sich vollendet.


 << zurück weiter >>