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Arme, liebe Kleine!

 

Dem entflohnen Seelchen.

 

O helf mir Gott,
daß ich nicht immer sehen muß
den schmalen, weißen Sarg
mit Silberpapier
überklebt.

Mein armes Kind
liegt tot darin
Blauaugen starr –

O helf mir Gott!

 

 

 

Was hab ich dir getan!

O liebes Kind, was hab ich, unwissend, dir getan,
sieh mit den klugen Augen mich nicht so fragend an!

Ich hätte treffen müssen für dich ganz andre Wahl,
so sinkst du, ärmstes Opfer, in unverdienter Qual!

Ich hätte geben müssen zum Vater dir den Mut,
eines kraftvollen Zeugers gesundes, frohes Blut!

O sieh, ich hab den Geist, den Geist allein gesucht
und ohne Kraft des Leibes ist Geist verrucht –

O, liebes Kind, was hab ich, unwissend dir getan!

 

Der Tod und die Mutter

Tod bist du? Und bist schon wieder da
Liebstes mir hinwegzureißen?
Dieses nicht! Nur nicht ein Kind! Gebühren
soll ihm Leben! Hast du nicht erküren
können den Greis, den müden, weißen?
Komm nicht jungem Leben nah! –
der Tod schweigt.

Nein! Ich geb dirs nicht! Ich habs geschaffen,
mit meinem Blut genährt, gestaltet,
Teil ists von mir, ist meiner Schöpferkraft
Zeugnis; rang sich aus dunkler Sehnsucht Haft
ans Licht, um groß zu werden, aufzuraffen,
neuzubeleben, was uns müd erkaltet …
der Tod schweigt.

Sieh mich dir hingesunken, umklammernd deine Füße,
nichts weiß ich mehr, bin nur ein todgeängstet Weib,
laß lebend mir dies Kind, das liebe, süße,
mich nimm! Reiße das Herz mir aus dem Leib! –
der Tod schweigt.

 

Mein Kind stirbt

Verschlungen halte ich die Hände,
verkrampft ans wehe Herz gedrückt, –
o, daß ich mit dir, liebes Leben, schwände,
das sich der Tod zu dieser Stunde pflückt –
mein Kind stirbt! –

Muß dich zur Dunkelheit entgleiten lassen
und kann dir nicht mehr Trost und Hüter sein;
die süßen Lippen weh! erblassen! –
Ich kanns nicht sehen! – nehmt mir diese Pein –
mein Kind stirbt.

Nein, laßt mich! laßt mich letztes Zucken fühlen
des Lebens, das ich doch erschuf –
die Händchen wärmen noch die kühlen,
Gebilde meiner Sehnsucht Ruf –
mein Kind stirbt! –

Aufschwinge dich zu höhrem Leben,
schwing Flügelseelchen sternenwärts – –
Es ist dem All zurückgegeben.
– – – – – –
Du brichst nicht, Herz?!

 

Das Kind im Sarg

Muß dich sehen liegen, ganz, ganz
bleich; auf dem Blondhaar den kleinen Kranz,

blau von Vergißmeinnicht, von Rosen umhüllt.
Wehe, o wehe! Leben unerfüllt

früh abgebrochen, wie mein süßes Kind,
die jungen roten Rosenknospen sind. –

Traute! hieß sie, Blumen, war so zart,
lieblich schön, wie ihr, von eurer Art –

ach, daß man Knospen zusammen nun begrabt!
Mein Kind hat euch ihr Blumen so lieb gehabt!

 

Der Puppenwagen

Du lieber kleiner Puppenwagen,
wo sind die Händchen, die dich stolz geführt,
wie soll ich dieses Weh ertragen,
dich still zu sehn und unberührt?

Weißt du, die lieben kleinen Händchen,
so zärtlich und so schmiegsam weich;
sie schmückten dich mit blauen Bändchen –
du warst des Kindes liebstes Reich!

Wie sie die Puppen alle hegte!
das Schlummerliedchen sang sie so:
– rasch guckend, ob sich keines regte –
Eia popeia, was raschelt im Stroh?

O lieber kleiner Puppenwagen,
nie mehr singt sie die Püppchen ein –
mein süßes Kind ist fortgetragen
und du und ich, wir sind allein.

 

Weihnacht des toten Kindes

Wollte ach! so gern ein Bäumlein stellen
auf dein Grab, mein Kind;
sah die Lichter schon die hellen
flackern im Wind –

Aber ach! der Sorgen harte Lasten
sanken wie Reif auf dieses Wunsches Traum –
mußt zur Stadt, zur grellen, weithin hasten,
schmücken dem Leben den Lichterbaum.

Nur im Herzen, Kind, im klammen,
glüht die Sehnsucht, brennt das Leid
zu dir hin mit Loheflammen:
deines Grabes Weihnachtskleid!

 

Die Sonntagskleidchen …

Ach, hätt ich früher dies, mein Kind, gewußt,
daß du so bald, so bald wirst sterben müssen,
ich hätte hingebreitet dir zu Füßen,
woran du bittend mich gemahnt –

Du standest täglich vor dem Schrein,
nach Sonntagskleidchen langtest du mit Händen
mit zarten. Nein! Wer wird denn so verschwenden!
Komm, in das alte schlüpf hinein!

O, wie mir heut dies Sparen wehe tut!
Nun liegen sie die Kleidchen alle sauber
vor mir; nutzlos in ihrem Duft und Zauber
und heiß benetzt von meiner Tränen Flut!

 

Mütter, die ein Kind begraben …

Ich drückte gerne dir die bleichen Hände
und weinte heiß mit dir und zügellos –
vielleicht – es wäre unser Leiden minder groß.

Und wenn das tobend Herzweh also etwas schwände,
ich sagte leise: Viele Mütter, fasse dich,
beweinen ihr versargtes Kind, wie du und ich …


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