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Laßt mich still, laßt mich still
meine Wege gehn;
wie ich will, wie ich will
nach den Sternen sehn.
Stört mir nicht, stört mir nicht
tiefgeheime Kraft,
die ans Licht, die ans Licht
alle Wunder schafft.
Laßt mich still, laßt mich still
meine Wege gehn;
wie ich will, wie ich will
nach den Sternen sehn!
Viel Lichter funkeln am Berge auf
sieh hinauf!
Zu der Stadt am Berg, der unheimlichen Stadt,
die so viel erloschene Augen hat.
Erloschne Sterne hinter den Mauern sind,
der Irren Augen,
die nimmer zu Fron und Mühsal taugen
und doch so unselig sind!
Und hätte gar mancher gewünscht einmal
zu hausen so schön über Qualm und Tal,
so hoch und frei in duftender Luft –
und ist nun wie in schauriger Gruft.
Viel Lichter funkeln am Berge auf –
sieh hinauf!
Draußen im See ein Kirchlein liegt,
das grüne Wasser wogt und wiegt –
Auf starrem Felsen das schlanke steht,
ein rotes Flatterfähnchen weht.
Ein Nachen fährt zum Kirchlein hin
den Herrn, den Knecht, die Bettlerin.
Es geht von alters im Land die Mär,
daß im See ein Wunsch zu erläuten wär!
Nur
einer! Und Jeder sinnt voll Pein:
Wird der gewählte der beste sein?! …
Viel Stufen führen zum Kirchlein hinan,
am Tor lehnt stumm der müde Kaplan.
Stumpf und müde vom Glockenschlag,
der gellt und schellt den ganzen Tag.
Vom frühen Tag, bis die Sonne sinkt,
die kleine Glocke schwingt und klingt …
Der Menschheit Weh zieht schwer am Strang –
horch! Hoffnung tröstet: – Glockenklang!
Im dunklen Park die weißen Mauern
umschließen es zu keuscher Ruh;
die Tannen atmen stummes Trauern,
der Epheu rankt die Fenster zu.
Mit leisen Schritten zu der Brüstung
drängt mich der Wunsch, hinabzusehn,
der stahlne Ritter in der Rüstung
mag drohend auch daneben stehn.
Ich sehe Erker und Balkone
mit Männerbildern aus Gestein,
die toten Grafen und Barone,
die mögen wohl darunter sein.
Und unten tief ist grüner Boden,
der Schloßhof ward zum Wiesenland,
doch keine Hand mag Pfade roden
dem Frieden hier, kühl abgewandt …
So sollt ihr Säle, niemals wieder
vom Glanz der Feste, Schmuck der Fraun
erstrahlen, herrlich anzuschaun? – –
Da kommt mit einmal jene Sage,
die nie verklungne, mir zu Sinn,
sie stehen auf die fernen Tage …
Mir ist, sie lief die Stufen nieder
die letzte Schloßfrau; wo soll sie hin?
Ich kann ihr bleiches Antlitz sehen,
so jugendschön, so leidenstarr –
und harte Augen seh ich spähen,
nachschleicht der Graf, der finstre Narr …
und keuchend hör ich seine Stimme:
Du stehst mir Red! Den Buhlen nennst du!
– Ich habe keinen! – Ha! Das lügst du!
Mir ward die Botschaft! – stirb! – So stoße zu!!
der Stein wird rot von Blut …
hab ichs geträumt? –
still rings, das Schloß epheuumklommen
von hoher Mauer streng umsäumt.
Und wie zurück aus schmalem Bogen
das Haupt ich wieder wenden will,
das Herz von Wehmut vollgesogen,
was rauscht dort? – lauschend halt ich still:
Ein Reh! Es bricht sich horchend Bahn
und äugt mich an!
Am Tage hat sie zu schaffen genug,
für den Mann und die Kinder schafft sie klug.
Nur wenn sie der Nacht in der Stube lauscht,
hört sie, wie das Wasser rauscht …
Sieht sie ein Schiff mit hohem Mast,
ihr armer Junge erklettert ihn fast!
Da wirds ihm angst – sie hört den Schrei!
und Keiner eilt ihn zu retten herbei!
Er schwankt – und stürzt in die Wasser hinab,
in sein frühes, kaltes, entsetzliches Grab …
Sie drückt in die Kissen das bleiche Gesicht,
der Mann und die Kinder hören sie nicht.
Erstickt den Wehruf, die Tränenflut:
O hätt ich dich hier, wie ruhtest du gut!
Hätt ich dich nimmer ziehen lassen,
wär ich dir nach durch die fremden Gassen.
Hätt ich dir können ins Auge sehn
tröstend, wies mußte in Angst vergehn! …
Der Mann und die Kinder hören sie nicht,
in die Kissen drückt sie das Tränengesicht.
Ich träum es so:
Auf lichter Höhe, wo die Tannen stehn,
kann ichs geschlossnen Auges deutlich sehn,
viole Lichter hüllen sanft es ein,
die grelle Sonne muß versunken sein …
Am Tor lehnst du;
gesenkt das Haupt, umwallt vom dunklen Haar,
beflügelt von der Träume Silberschar,
ein Vogelruf in sehnsuchttiefer Zeit –
sonst Einsamkeit …
Ich komm zu dir,
– nur scheu will mir das Wort vom Munde gehn, –
ich kann dich, Lieber, nicht so einsam sehn,
mit leisen Schritten will ich um dich sein
und teilen deiner Höhen Lust und Pein –
Wo träum ich hin?
Das Bild zerrinnt, die Lichter löschen aus,
tief in mein Herz versinkt das Einsamhaus …
Einen Friedhof weiß ich hoch und einsam stehn
Berg und Wald von seinen Mauern kann ich sehn.
Sonntags, durch der Gräber Reihen ging ich hin,
las vom Stein die Namen mit beklommnem Sinn.
Las von mancher Jugend, die früh mußt vergehn,
seltsam doch ergriffen, blieb ich plötzlich stehn.
Blinkt ein Obelisk, ein weißer, schlanker her,
trägt den Kindernamen: Wolfi, – sonst nichts mehr.
Die ihn hier begruben, wissen Tag und Zahl,
haben eingegraben jener Daten Qual
tief ins Herz, dem süße Hoffnung hier zerfällt – –
frag nicht, Fremder, – geh zurück in deine Welt!
Und Mutter – morgen seis gewagt!
Ich habe alle Propheten befragt,
es scheinen günstig die Zeichen! –
Ich habe so böse Träume, Kind,
die immer warnende Boten sind –
erst heute träumt ich von Leichen!
Ach, was ihr Mutter altweibisch seid!
Was wart ich? War im Kleinbubenkleid
und hab schon am Luftschiff gesonnen.
Die Andern gingen zu Lust und Tanz,
ich habe die Glückszeit verbastelt ganz –
ist leise wie Sand verronnen –
Und Andre haben das Glück errafft,
haben sich üppige Krippen verschafft –
wir haben gehungert, wir Beide!
Aber warte Mutter, morgen fliegt
mein Schiff und es siegt, es siegt!
Und ich jauchze und hüll dich in Seide!
Und führe die Menschheit die stolze Bahn
über Straßengrüfte zur Höhe hinan!
… Von der wartenden Menge bestaunt und begafft
wird am Morgen das Schiff aus der Scheune geschafft, –
es hebt sich – es steigt in der Sonne Blinken!
Begeistrung rüttelt die Menge auf:
Hurrah! Wie er lenkt! Nun rechts! Nun hinauf!
Und Tücher und Hüte winken! –
Unten im Kämmerlein bang und still
die Mutter die Hände falten will:
O sei mir bewahrt vor Schaden!
Nun ist er oben, nun ist er geweiht –
und ist von mir so weit – so weit!
Schütze ihn, Herr, in Gnaden.
– – – – – – – – –
Man hat ihn vergessen; bis man liest,
daß ein neues Luftschiff gestrandet ist
in fernen, fremden Landen.
Der Fahrer tot … Die Mutter blickt starr
und weiß, wie es Marien war,
als sie unterm Kreuze gestanden …
Großstadthäuser in Reih und Glied
nüchtern, ohne Unterschied,
gleiten vorüber.
Fensteraugen eng und schmal
immer gleiche, hundertmal
querüber.
Trostlos solche Häuserzeilen
gleich und gleich vorübereilen –
Menschenkäfige! muß ich denken
ah! und die Erde hat allen zu schenken!
Da – auf einem Fenstersims
lachend meines tiefen Grimms
blüht ein Gittergärtlein zierlich
rankt manierlich
sich hinauf und noch hinüber.
Vorüber …
Doch das Grün und farbig Blühen
schien am Grau ein Wundenglühen,
schien ein schmerzgehegter Rest
an die Mauerwand gepreßt –
Menschensehnsucht
traumerwacht,
die an verlorne Gärten gedacht …