H. v. Kleist
Amphitryon
H. v. Kleist

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Neunte Szene

Sosias: Hochmütger Satan! Möchtest du am Schwein
Den Tod dir holen, das man schlachtete!
– »Den lehrt er, der ihm auf den Teller käme!« –
Ich möchte eh'r mit einem Schäferhund
Halbpart, als ihm, aus einer Schüssel essen.
Sein Vater könnte Hungers vor ihm sterben,
Daß er ihm auch so viel nicht gönnt, als ihm
In hohlen Zähnen kauend stecken bleibt.
– Geh! dir geschieht ganz recht, Abtrünniger.
Und hätt ich Würst in jeder Hand hier eine,
Ich wollte sie in meinen Mund nicht stecken.
So seinen armen, wackern Herrn verlassen,
Den Übermacht aus seinem Hause stieß.
– Dort naht er sich mit rüstgen Freunden schon.
– – Und auch von hier strömt Volk herbei! Was gibts?

Zehnte Szene

Amphitryon mit Obersten, von der einen Seite. Volk von der andern.

Amphitryon: Seid mir gegrüßt! Wer rief euch meine Freunde?

Einer aus dem Volk: Herolde riefen durch die ganze Stadt,
Wir sollten uns vor Eurem Schloß versammeln.

Amphitryon: Herolde! Und zu welchem Zweck?

Derselbe: Wir sollten Zeugen sein, so sagte man,
Wie ein entscheidend Wort aus Eurem Munde
Das Rätsel lösen wird, das in Bestürzung
Die ganze Stadt gesetzt.

Amphitryon zu den Obersten: Der Übermütge!
Kann man die Unverschämtheit weiter treiben?

Zweiter Oberster:
Zuletzt erscheint er noch.

Amphitryon: Was gilts. Er tuts.

Erster Oberster: Sorgt nicht. Hier steht Argatiphontidas.
Hab ich nur erst ins Auge ihn gefaßt,
So tanzt sein Leben auch auf dieses Schwertes Spitze.

Amphitryon zum Volk: Ihr Bürger Thebens, hört mich an!
Ich bin es nicht, der euch hieher gerufen,
Wenn eure strömende Versammlung gleich
Von Herzen mir willkommen ist. Er wars,
Der lügnerische Höllengeist, der mich
Aus Theben will, aus meiner Frauen Herzen,
Aus dem Gedächtnis mich der Welt, ja könnt ers,
Aus des Bewußtseins eigner Feste drängen.
Drum sammelt eure Sinne jetzt, und wärt
Ihr tausendäugig auch, ein Argus jeder,
Geschickt, zur Zeit der Mitternacht, ein Heimchen
Aus seiner Spur im Sande zu erkennen,
So reißet, laßt die Müh euch nicht verdrießen,
Jetzt eure Augen auf, wie Maulwürfe,
Wenn sie zu Mittagszeit die Sonne suchen;
All diese Blicke werft in einen Spiegel,
Und kehrt den ganzen vollen Strahl auf mich,
Von Kopf zu Fuß ihn auf und nieder führend,
Und sagt mir an, und sprecht, und steht mir Rede:
Wer bin ich?

Das Volk: Wer du bist? Amphitryon!

Amphitryon: Wohlan. Amphitryon. Es gilt. Wenn nunmehr
Dort jener Sohn der Finsternis erscheint,
Der ungeheure Mensch, auf dessen Haupte
Jedwedes Haar sich, wie auf meinem, krümmt;
Wenn euren trugverwirrten Sinnen jetzt
Nicht so viel Merkmal wird, als Mütter brauchen,
Um ihre jüngsten Kinder zu erkennen;
Wenn ihr jetzt zwischen mir und ihm, wie zwischen
Zwei Wassertropfen, euch entscheiden müßt,
Der eine süß und rein und echt und silbern,
Gift, Trug, und List, und Mord, und Tod der andre:
Alsdann erinnert euch, daß ich Amphitryon,
Ihr Bürger Thebens, bin,
Der dieses Helmes Feder eingeknickt.

Volk: Oh! Oh! Was machst du? laß die Feder ganz,
Solang du blühend uns vor Augen stehst.

Zweiter Oberster:
Meint Ihr, wir würden auch –?

Amphitryon: Laßt mich, ihr Freunde.
Bei Sinnen fühl ich mich, weiß, was ich tue.

Erster Oberster: Tut, was Ihr wollt. Inzwischen werd ich hoffen,
Daß Ihr die Possen nicht für mich gemacht.
Wenn Eure Feldherrn hier gezaudert haben,
Als jener Aff erschien, so folgt ein Gleiches
Noch nicht für den Argatiphontidas.
Braucht uns ein Freund in einer Ehrensache,
So soll ins Auge man den Helm sich drücken,
Und auf den Leib dem Widersacher gehn.
Den Gegner lange schwadronieren hören,
Steht alten Weibern gut; ich, für mein Teil,
Bin für die kürzesten Prozesse stets;
In solchen Fällen fängt man damit an,
Dem Wiedersacher, ohne Federlesens,
Den Degen querhin durch den Leib zu jagen.
Argatiphontidas, mit einem Worte,
Wird heute Haare auf den Zähnen zeigen, ;
Und nicht von einer andern Hand, beim Ares,
Beißt dieser Schelm ins Gras, Ihr sehts, als meiner.

Amphitryon: Auf denn!

Sosias: Hier leg ich mich zu Euren Füßen,
Mein echter, edler und verfolgter Herr.
Gekommen bin ich völlig zur Erkenntnis,
Und warte jetzt auf meines Frevels Lohn.
Schlagt, ohrfeigt, prügelt, stoßt mich, tretet mich,
Gebt mir den Tod, mein Seel ich muckse nicht.

Amphitryon: Steh auf. Was ist geschehen?

Sosias: Vom aufgetragnen Essen
Nicht den Geruch auch hat man mir gegönnt.
Das andre Ich, das andre Ihr Bedienter,
Vom Teufel wieder völlig wars besessen,
Und kurz ich bin entsosiatisiert,
Wie man Euch entamphitryonisiert.

Amphitryon: Ihr hörts, ihr Bürger.

Sosias: Ja, ihr Bürger Thebens!
Hier ist der wirkliche Amphitryon;
Und jeder, der bei Tische sitzt,
Ist wert, daß ihn die Raben selber fressen.
Auf! Stürmt das Haus jetzt, wenn ihr wollt so gut sein,
So finden wir den Kohl noch warm.

Amphitryon: Folgt mir.

Sosias: Doch seht. Da kommt er selber schon. Er und sie.


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