H. v. Kleist
Amphitryon
H. v. Kleist

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Zweite Szene


Alkmene. Charis. Die Vorigen.

Alkmene: Komm, meine Charis. Laß den Göttern uns
Ein Opfer dankbar auf den Altar legen.
Laß ihren großen, heilgen Schutz noch ferner
Mich auf den besten Gatten niederflehn.
Da sie den Amphitryon erblickt.
O Gott! Amphitryon!

Amphitryon: Der Himmel gebe,
Daß meine Gattin nicht vor mir erschrickt,
Nicht fürcht ich, daß nach dieser flüchtgen Trennung
Alkmene minder zärtlich mich empfängt,
Als ihr Amphitryon zurückekehrt.

Alkmene: So früh zurück –?

Amphitryon: Was! dieser Ausruf,
Führwahr, scheint ein zweideutig Zeichen mir
Ob auch die Götter jenen Wunsch erhört.
Dies: »Schon so früh zurück!« ist der Empfang,
Beim Himmel, nein! der heißen Liebe nicht.
Ich Törichter! Ich stand im Wahn, daß mich
Der Krieg zu lange schon von hier entfernt;
Zu spät, war meine Rechnung, kehrt ich wieder.
Doch du belehrst mich, daß ich mich geirrt,
Und mit Befremden nehm ich wahr, daß ich
Ein Überlästger aus den Wolken falle.

Alkmene: Ich weiß nicht –

Amphitryon: Nein Alkmene,
Verzeih. Mit diesem Worte hast du Wasser
Zu meiner Liebe Flammen hingetragen.
Du hast, seit ich dir fern, die Sonnenuhr
Nicht eines flüchtgen Blicks gewürdigt.
Hier ward kein Flügelschlag der Zeit vernommen,
Und unter rauschendem Vergnügen sind
In diesem Schloß fünf abgezählte Monden
Wie so viel Augenblicke hingeflohn.

Alkmene: Ich habe Müh, mein teurer Freund, zu fassen,
Worauf du diesen Vorwurf gründen magst.
Beklagst du über meine Kälte dich,
So siehst du mich verlegen, wie ich dich
Befriedgen soll. Ich denke gestern, als
Du um die Abenddämmrung mir erschienst,
Trug ich die Schuld, an welche du mich mahnst,
Aus meinem warmen Busen reichlich ab.
Kannst du noch mehr dir wünschen, mehr begehren,
So muß ich meine Dürftigkeit gestehn:
Ich gab dir wirklich alles, was ich hatte.

Amphitryon: Wie?

Alkmene: Und du fragst noch! Flog ich gestern nicht,
Als du mich heimlich auf den Nacken küßtest,
Ich spann, ins Zimmer warst du eingeschlichen,
Wie aus der Welt entrückt, dir an die Brust?
Kann man sich inn'ger des Geliebten freun?

Amphitryon: Was sagst du mir?

Alkmene: Was das für Fragen sind!
Du selber warst unmäßger Freude voll,
Dich so geliebt zu sehn; und als ich lachte,
Inzwischen mir die Träne floß, schwurst du
Mit seltsam schauerlichem Schwur mir zu,
Daß nie die Here so den Jupiter beglückt.

Amphitryon: Ihr ewgen Götter!

Alkmene: Drauf als der Tag erglühte,
Hielt länger dich kein Flehn bei mir zurück.
Auch nicht die Sonne wolltest du erwarten.
Du gehst, ich werfe mich aufs Lager nieder,
Heiß ist der Morgen, schlummern kann ich nicht,
Ich bin bewegt, den Göttern will ich opfern,
Und auf des Hauses Vorplatz treff ich dich!
Ich denke, Auskunft, traun, bist du mir schuldig,
Wenn deine Wiederkehr mich überrascht,
Bestürzt auch, wenn du willst; nicht aber ist
Ein Grund hier, mich zu schelten, mir zu zürnen.

Amphitryon: Hat mich etwan ein Traum bei dir verkündet,
Alkmene? Hast du vielleicht im Schlaf
Empfangen, daß du wähnst, du habest mir
Die Forderung der Liebe schon entrichtet?

Alkmene: Hat dir ein böser Dämon das Gedächtnis
Geraubt, Amphitryon? hat dir vielleicht
Ein Gott den heitern Sinn verwirrt, daß du
Die keusche Liebe deiner Gattin, höhnend,
Von allem Sittlichen entkleiden willst?

Amphitryon: Was? Mir wagst du zu sagen, daß ich gestern
Hier um die Dämmrung eingeschlichen bin?
Daß ich dir scherzend auf den Nacken – Teufel!

Alkmene: Was? Mir wagst du zu leugnen, daß du gestern
Hier um die Dämmrung eingeschlichen bist?
Daß du dir jede Freiheit hast erlaubt,
Die dem Gemahl mag zustehn über mich?

Amphitryon: – Du scherzest. Laß zum Ernst uns wiederkehren,
Denn nicht an seinem Platz ist dieser Scherz.

Alkmene: Du scherzest. Laß zum Ernst uns wiederkehren,
Denn roh ist und empfindlich dieser Scherz.

Amphitryon: – Ich hätte jede Freiheit mir erlaubt,
Die dem Gemahl mag zustehn über dich? –
Wars nicht so? –

Alkmene: Geh, Unedelmütiger!

Amphitryon: O Himmel! Welch ein Schlag trifft mich! Sosias!
Mein Freund!

Sosias: Sie braucht fünf Grane Niesewurz;
In ihrem Oberstübchen ists nicht richtig.

Amphitryon: Alkmene! Bei den Göttern! du bedenkst nicht,
Was dies Gespräch für Folgen haben kann.
Besinne dich. Versammle deine Geister.
Fortan werd ich dir glauben, was du sagst.

Alkmene: Was auch daraus erfolgt, Amphitryon,
Ich wills, daß dur mir glaubst, du sollst mich nicht
So unanständgen Scherzes fähig wähnen.
Sehr ruhig siehst du um den Ausgang mich.
Kannst du im Ernst ins Angesicht mir leugnen, ;
Daß du im Schlosse gestern dich gezeigt,
Falls nicht die Götter fürchterlich dich straften,
Gilt jeder andre schnöde Grund mir gleich.
Den innern Frieden kannst du mir nicht stören,
Und auch die Meinung, hoff ich, nicht der Welt:
Den Riß bloß werd ich in der Brust empfinden,
Daß mich der Liebste grausam kränken will.

Amphitryon: Unglückliche! Welch eine Sprach! – Und auch
Schon die Beweise hast du dir gefunden?

Alkmene: Ist es erhört? die ganze Dienerschaft
Ist, dieses Schlosses, Zeuge mir; es würden
Die Steine mir, die du betratst, die Bäume,
Die Hunde, die deine Knie umwedelten,
Von dir mir Zeugnis reden, wenn sie könnten.

Amphitryon: Die ganze Dienerschaft? Es ist nicht möglich!

Alkmene: Soll ich, du Unbegreiflicher, dir den
Beweis jetzt geben, den entscheidenden?
Von wem empfing ich diesen Gürtel hier?

Amphitryon: Was, einen Gürtel? du? Bereits? Von mir?

Alkmene: Das Diadem, sprachst du, des Labdakus,
Den du gefällt hast in der letzten Schlacht.

Amphitryon: Verräter dort! Was soll ich davon denken?

Sosias: Laßt mich gewähren. Das sind schlechte Kniffe,
Das Diadem halt ich mit meinen Händen.

Amphitryon: Wo?

Sosias: Hier. Er zieht ein Kästchen aus der Tasche.

Amphitryon: Das Siegel ist noch unverletzt!
Er betrachtet den Gürtel an Alkmenens Brust.
Und gleichwohl – – trügen mich nicht alle Sinne –
Zu Sosias:
Schnell öffne mir das Schloß.

Sosias: Mein Seel, der Platz ist leer.
Der Teufel hat es wegstipitzt, es ist
Kein Diadem des Labdakus zu finden.

Amphitryon: O ihr allmächtgen Götter, die die Welt
Regieren! Was habt ihr über mich verhängt?

Sosias: Was über Euch verhängt ist? Ihr seid doppelt,
Amphitryon vom Stock ist hier gewesen,
Und glücklich schätz ich Euch, bei Gott –

Amphitryon: Schweig Schlingel!

Alkmene zu Charis: Was kann in aller Welt ihn so bewegen?
Warum ergreift die Bestürzung ihn, Entgeisterung,
Bei dieses Steines Anblick, den er kennt?

Amphitryon: Ich habe sonst von Wundern schon gehört,
Von unnatürlichen Erscheinungen, die sich
Aus einer andern Welt hierher verlieren;
Doch heute knüpft der Faden sich von jenseits
An meine Ehre und erdrosselt sie.

Alkmene zu Amphitryon:
Nach diesem Zeugnis, sonderbarer Freund,
Wirst du noch leugnen, daß du mir erschienst
Und daß ich meine Schuld schon abgetragen?

Amphitryon: Nein; doch du wirst den Hergang mir erzählen.

Alkmene: Amphitryon!

Amphitryon: Du hörst, ich zweifle nicht.
Man kann dem Diadem nicht widersprechen.
Gewisse Gründe lassen bloß mich wünschen,
Daß du umständlich die Geschichte mir
Von meinem Aufenthalt im Schloß erzählst.

Alkmene: Mein Freund, du bist doch krank nicht?

Amphitryon: Krank – krank nicht.

Alkmene: Vielleicht daß deine Sorge dir des Krieges
Den Kopf beschwert, dir, die zudringliche,
Des Geistes heitre Tätigkeit befangen? –

Amphitryon: Wahr ist's. Ich fühle mir den Kopf benommen.

Alkmene: Komm, ruhe dich ein wenig aus.

Amphitryon: Laß mich.
Es drängt nicht. Wie gesagt, es ist mein Wunsch,
Eh ich das Haus betrete, den Bericht
Von dieser Ankunft gestern – anzuhören.

Alkmene: Die Sach ist kurz. Der Abend dämmerte,
Ich saß in meiner Klaus und spann, und träumte
Bei dem Geräusch der Spindel mich ins Feld,
Mich unter Krieger, Waffen hin, als ich
Ein Jauchzen an der fernen Pforte hörte.

Amphitryon: Wer jauchzte?

Alkmene: Unsre Leute.

Amphitryon: Nun?

Alkmene: Es fiel
Mir wieder aus dem Sinn, auch nicht im Traume
Gedacht ich noch, welch eine Freude mir
Die guten Götter aufgespart, und eben
Nahm ich den Faden wieder auf, als es
Jetzt zuckend mir durch alle Glieder fuhr.

Amphitryon: Ich weiß.

Alkmene: Du weißt es schon.

Amphitryon: Darauf?

Alkmene: Darauf
Ward viel geplaudert, viel gescherzt, und stets
Verfolgten sich und kreuzten sich die Fragen.
Wir setzten uns – und jetzt erzähltest du
Mit kriegerischer Rede mir, was bei
Pharissa jüngst geschehn, mir von dem Labdakus,
Und wie er in die ewge Nacht gesunken
– Und jeden blutgen Auftritt des Gefechts.
Drauf – ward das prächtge Diadem mir zum
Geschenk, das einen Kuß mich kostete;
Viel bei dem Schein der Kerze wards betrachtet
– Und einem Gürtel gleich verband ich es,
Den deine Hand mir um den Busen schlang.

Amphitryon für sich:
Kann man, frag ich, den Dolch lebhafter fühlen?

Alkmene: Jetzt ward das Abendessen aufgetragen,
Doch weder du noch ich beschäftigten
Uns mit dem Ortolan, der vor uns stand,
Noch mit der Flasche viel, du sagtest scherzend,
Daß du von meiner Liebe Nektar lebtest,
Du seist ein Gott, und was die Lust dir sonst,
Die ausgelaßne, in den Mund dir legte.

Amphitryon: – Die außgelaßne in den Mund mir legte!

Alkmene: – Ja, in den Mund dir legte. Nun – hierauf –
Warum so finster, Freund?

Amphitryon: Hierauf jetzt –?

Alkmene: Standen
Wir von der Tafel auf; und nun –

Amphitryon: Und nun?

Alkmene: Nachdem wir von der Tafel aufgestanden –

Amphitryon: Nachdem ihr von der Tafel aufgestanden –

Alkmene: So gingen –

Amphitryon: Ginget –

Alkmene: Gingen wir – – – nun ja!
Warum steigt solche Röt ins Antlitz dir?

Amphitryon: O dieser Dolch, er trifft das Leben mir!
Nein, nein, Verräterin, ich war es nicht!
Und wer sich gestern um die Dämmerung
Hier eingeschlichen als Amphitryon,
War der nichtswürdigste der Lotterbuben!

Alkmene: Abscheulicher!

Amphitryon: Treulose! Undankbare! –
Fahr hin jetzt Mäßigung, und du, die mir
Bisher der Ehre Fordrung lähmtest, Liebe,
Erinnrung fahrt, und Glück und Hoffnung hin,
Fortan in Wut und Rache will ich schwelgen.

Alkmene: Fahr hin auch du, unedelmütger Gatte,
Es reißt das Herz sich blutend von mir los.
Abscheulich ist der Kunstgriff, er empört mich.
Wenn du dich einer andern zugewendet,
Bezwungen durch der Liebe Pfeil, es hätte
Dein Wunsch, mir würdig selbst vertraut, so schnell dich
Als diese feige List zum Ziel geführt.
Du siehst entschlossen mich das Band zu lösen,
Das deine wankelmütge Seele drückt;
Und ehe noch derAbend sich verkündet,
Bist du befreit von allem, was dich bindet.

Amphitryon: Schmachvoll, wie die Beleidgung ist, die sich
Mir zugefügt, ist dies das Mindeste,
Was meine Ehre blutend fordern kann.
Daß ein Betrug vorhanden ist, ist klar,
Wenn meine Sinn auch das fluchwürdige
Gewebe noch nicht fassen. Zeugen doch
Jetzt ruf ich, die es mir zerreißen sollen.
Ich rufe deinen Bruder mir, die Feldherrn,
Das ganze Heer mir der Thebaner auf,
Aus deren Mitt ich eher nicht gewichen,
Als mit des heutgen Morgens Dämmerstrahl.
Dann werd ich auf des Rätsels Grund gelangen,
Und Wehe! ruf ich, wer mich hintergangen!

Sosias: Herr, soll ich etwa –?

Amphitryon: Schweig, ich will nichts wissen.
Du bleibst, und harrst auf diesem Platze mein. Ab.

Charis: Befehlt Ihr Fürstin?

Alkmene: Schweig, ich will nichts wissen,
Verfolg mich nicht, ich will ganz einsam sein. Ab.


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