H. v. Kleist
Amphitryon
H. v. Kleist

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Dritte Szene

Amphitryon: Was für ein Schlag fällt dir, Unglücklicher!
Vernichtend ist er, es ist aus mit mir.
Begraben bin ich schon, und meine Witwe
Schon einem andern Ehgemahl verbunden.
Welch ein Entschluß ist jetzo zu ergreifen?
Soll ich die Schande, die mein Haus getroffen,
Der Welt erklären, soll ich sie verschweigen?
Was! Hier ist nichts zu schonen. Hier ist nichts
In dieser Ratsversammlung laut, als die
Empfindung nur, die glühende, der Rache,
Und meine einzge zarte Sorgfalt sei,
Daß der Verräter lebend nicht entkomme.

Vierte Szene

Sosias. Feldherren. Amphitryon.

Sosias: Hier seht Ihr alles Herr, was ich an Gästen
In solcher Eil zusammenbringen konnte.
Mein Seel, speis ich auch nicht an Eurer Tafel,
Das Essen hab ich doch verdient.

Amphitryon: Ah sieh! da bist du.

Sosias: Nun?

Amphitryon: Hund! Jetzo stirbst du.

Sosias: Ich? Sterben?

Amphitryon: Jetzt erfährst du, wer ich bin.

Sosias: Zum Henker, weiß ichs nicht?

Amphitryon: Du wußtest es, Verräter?
Er legt die Hand an den Degen.

Sosias: Ihr Herren, nehmt euch meiner an, ich bitt euch.

Erster Feldherr:
Verzeiht! Er fällt ihm in den Arm.

Amphitryon: Laßt mich.

Sosias: Sagt nur, was ich verbrochen?

Amphitryon:
Das fragst du noch? – Fort, sag ich euch, laßt meiner
Gerechten Rache ein Genüge tun.

Sosias: Wenn man wen hängt, so sagt man ihm, warum?

Erster Feldherr: Seid so gefällig.

Zweiter Feldherr: Sagt, worin er fehlte.

Sosias: Halt't euch, ihr Herrn, wenn ihr so gut sein wollt.

Amphitryon: Was! Dieser weggeworfne Knecht soeben
Hielt vor dem Antlitz mir die Türe zu,
Schamlose Red' in Strömen auf mich sendend,
Jedwede wert, daß man ans Kreuz ihn nagle.
Stirb, Hund!

Sosias: Ich bin schon tot. Er sinkt in die Knie.

Erster Feldherr: Beruhigt Euch.

Sosias: Ihr Feldherrn! Ah!

Zweiter Feldherr: Was gibts?

Sosias: Sticht er nach mir?

Amphitryon: Fort sag ich euch, und wieder! Ihm muß Lohn
Dort, vollgezählter, werden für die Schmach,
Die er zur Stunde jetzt mir zugefügt.

Sosias: Was kann ich aber jetzt verschuldet haben,
Da ich die letzten neun gemeßnen Stunden
Auf Eueren Befehl im Lager war?

Erster Feldherr: Wahr ists. Er lud zu Eurer Tafel uns.
Zwei Stunden sinds, daß er im Lager war,
Und nicht aus unsern Augen kam.

Amphitryon: Wer gab dir den Befehl?

Sosias: Wer? Ihr! Ihr selbst!

Amphitryon: Wann? Ich!

Sosias: Nachem Ihr mit Alkmenen Euch versöhnt.
Ihr wart voll Freud und ordnetet sogleich
Ein Fest im ganzen Schlosse an.

Amphitryon: O Himmel! Jede Stunde, jeder Schritt
Führt tiefer mich ins Labyrinth hinein.
Was soll ich, meine Freunde, davon denken?
Habt ihr gehört, was hier sich zugetragen?

Erster Feldherr: Was hier uns dieser sagte, ist so wenig
Für das Begreifen noch gemacht, daß Eure Sorge
Für jetzt nur sein muß, dreisten Schrittes
Des Rätsels ganzes Trugnetz zu zerreißen.

Amphitryon: Wohlan, es sei! Und eure Hülfe brauch ich,
Euch hat mein guter Stern mir zugeführt.
Mein Glück will ich, mein Lebensglück, versuchen.
O! hier im Busen brennts, mich aufzuklären,
Und ach! ich fürcht es, wie den Tod. Er klopft.

Fünfte Szene


Jupiter. Die Vorigen.

Jupiter: Welch ein Geräusch zwingt mich, herabzusteigen?
Wer klopft ans Haus? Seid ihr es, meine Feldherrn?

Amphitryon: Wer bist du? Ihr allmmächtgen Götter!

Zweiter Feldherr:
Was seh ich? Himmel! Zwei Amphitryonen.

Amphitryon: Starr ist vor Schrecken meine ganze Seele!
Weh mir! Das Rätsel ist nunmehr gelöst.

Erster Feldherr: Wer von euch beiden ist Amphitryon?

Zweiter Feldherr:
Fürwahr! Zwei so einander nachgeformte Wesen,
Kein menschlich Auge unterscheidet sie.

Sosias: Ihr Herrn, hier ist Amphitryon, der andre,
Ein Schubiack ists, der Züchtigung verdient.
Er stellt sich auf Jupiters Seite.

Dritter Feldherr auf Amphitryon deutend:
Unglaublich! Dieser ein Verfälscher hier?

Amphitryon: G'nug der unwürdigen Bezauberung!
Ich schließe das Geheimnis auf.
Er legt die Hand an den Degen.

Erster Feldherr:
Halt!

Amphitryon: Laßt mich!

Zweiter Feldherr: Was beginnt Ihr?

Amphitryon: Strafen will ich
Den niederträchtigsten Betrug! Fort, sag ich.

Jupiter: Fassung dort. Hier bedarf es nicht des Eifers,
Wer so besorgt um seinen Namen ist,
Wird schlechte Gründe haben, ihn zu führen.

Sosias: Das sag ich auch. Er hat den Bauch
Sich ausgestopft, und das Gesicht bemalt,
Der Gauner, um dem Hausherrn gleich zu sehn.

Amphitryon: Verräter! Dein empörendes Geschwätz,
Dreihundert Peitschenhiebe strafen es,
Dir von drei Armen wechselnd zugeteilt.

Sosias: Ho, ho! Mein Herr ist Mann von Herz,
Der wird dich lehren seine Leute schlagen.

Amphitryon: Wehrt mir nicht länger, sag ich, meine Schmach
In des Verräters Herzblut abzuwaschen.

Erster Feldherr:
Verzeiht uns, Herr! Wir dulden diesen Kampf nicht,
Amphitryons mit dem Amphitryon.

Amphitryon: Was? Ihr – Ihr duldet nicht –?

Erster Feldherr: Ihr müßt Euch fassen.

Amphitryon: Ist das mir eure Freundschaft auch, ihr Feldherrn?
Das mir der Beistand, den ihr angelobt?
Statt meiner Ehre Rache selbst zu nehmen,
Ergreift ihr des Betrügers schnöde Sache,
Und hemmt des Racheschwerts gerechten Fall?

Erster Feldherr: Wär Euer Urteil frei, wie es nicht ist,
Ihr würdet unsre Schritte billigen.
Wer von euch beiden ist Amphitryon?
Ihr seid es, gut; doch jener ist es auch.
Wo ist des Gottes Finger, der uns zeigte,
In welchem Busen, einer wie der andre,
Sich laurend das Verräterherz verbirgt?
Ist es erkannt, so haben wir, nicht zweifelt,
Das Ziel auch unsrer Rache aufgefunden.
Jedoch so lang des Schwertes Schneide hier
In blinder Wahl nur um sich wüten könnte,
Bleibt es gewiß noch besser in der Scheide.
Laßt uns in Ruh die Sache untersuchen,
Und fühlt Ihr wirklich Euch Amphitryon,
Wie wir in diesem sonderbaren Falle
Zwar hoffen, aber auch bezweifeln müssen,
So wird es schwerer Euch, als ihm, nicht werden,
Uns diesen Umstand gültig zu beweisen.

Amphitryon: Ich euch den Umstand? –

Erster Feldherr: Und mit triftgen Gründen.
Eh wird in dieser Sache nichts geschehn.

Jupiter: Recht hast du, Photidas; und diese Gleichheit,
Die zwischen uns sich angeordnet findet,
Entschuldigt dich, wenn mir dein Urteil wankt.
Ich zürne nicht, wenn zwischen mir und ihm
Hier die Vergleichung an sich stellen soll.
Nichts von des Schwertes feigherziger Entscheidung.
Ganz Theben denk ich selber zu berufen,
Und in des Volks gedrängtester Vesammlung,
Aus wessen Blut ich stamme, darzutun.
Er selber dort soll meines Hauses Adel,
Und daß ich Herr in Theben, anerkennen.
Vor mir in Staub, das Antlitz soll er senken.
Mein soll er Thebens reiche Felder alle,
Mein alle Herden, die die Triften decken,
Mein auch dies Haus, mein die Gebieterin,
Die still in seinen Räumen waltet, nennen.
Es soll der ganze Weltenkreis erfahren,
Daß keine Schmach Amphitryon getroffen.
Und den Verdacht, den jener Tor erregt,
Hier steht, wer ihn zu Schaden machen kann. –
Bald wird sich Theben hier zusammenfinden.
Indessen kommt und ehrt die Tafel gütigst,
Zu welcher euch Sosias eingeladen.

Sosias: Mein Seel, ich wußt es wohl. – Dies Wort, ihr Herrn,
Streut allen weitern Zweifel in die Lüfte.
Der ist der wirkliche Amphitryon.
Bei dem zu Mittag jetzt gegessen wird.

Amphitryon: Ihr ewgen und gerechten Götter!
Kann auch so tief ein Mensch erniedrigt werden?
Von dem verruchtesten Betrüger mir
Weib, Ehre, Herrschaft, Namen stehlen lassen!
Und Freunde binden mir die Hände?

Erster Feldherr:
Ihr müßt, wer Ihr auch seid, Euch noch gedulden.
In wenig Stunden wissen wirs. Alsdann
Wird ungesäumt die Rache sich vollstrecken,
Und wehe! ruf ich, wen sie trifft.

Amphitryon: Geht, ihr Schwachherzge! Huldigt dem Verräter!
Mir bleiben noch der Freunde mehr, als ihr.
Es werden Männer noch in Theben mir begegnen,
Die meinen Schmerz im Busen mitempfinden,
Und nicht den Arm mir weigern, ihn zu rächen.

Jupiter: Wohlan! Du rufst sie. Ich erwarte sie.

Amphitryon: Marktschreierischer Schelm! Du wirst inzwischen
Dich durch die Hintertür zu Felde machen.
Doch meiner Rach entfliehst du nicht!

Jupiter: Du gehst, und rufst, und bringst mir deine Freunde,
Nachher sag ich zwei Worte, jetzo nichts.

Amphitryon:
Beim Zeus, da sagst du wahr, dem Gott der Wolken!
Denn ist es mir bestimmt, dich aufzufinden,
Mehr als zwei Worte, Mordhund, sagst du nicht,
Und bis ans Heft füllt dir das Schwert den Rachen.

Jupiter: Du rufst mir deine Freund; ich sag auch nichts,
Ich sprech auch bloß mit Blicken wenn du willst.

Amphitryon: Fort, jetzo, schleunig, eh er mir entwischt!
Die Lust, ihr Götter, müßt ihr mir gewähren,
Ihn eurem Orkus heut noch zuzusenden!
Mit einer Schar von Freunden kehr ich wieder,
Gewaffneter, die mir dies Haus umnetzen,
Und, einer Wespe gleich, drück ich den Stachel
Ihm in die Brust, aussaugend, daß der Wind
Mit seinem trocknen Bein mir spielen soll. Ab.


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