H. v. Kleist
Amphitryon
H. v. Kleist

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Fünfte Szene


Merkur. Charis.

Charis für sich: Das nenn ich Zärtlichkeit mir! Das mir Treue!
Das mir ein artig Fest, wenn Eheleute
Nach langer Trennung jetzt sich wiedersehn!
Doch jener Bauer dort, der mir verbunden,
Ein Klotz ist just so zärtlich auch, wie er.

Merkur für sich: Jetzt muß ich eilen und die Nacht erinnern,
Daß uns der Weltkreis nicht aus aller Ordnung kommt.
Die gute Göttin Kupplerin verweilte
Uns siebzehn Stunden über Theben heut;
Jetzt mag sie weiter ziehn, und ihren Schleier
Auch über andre Abenteuer werfen.

Charis laut: Jetzt seht den Unempfindlichen! da geht er.

Merkur: Nun, soll ich dem Amphitryon nicht folgen?
Ich werde doch, wenn er ins Lager geht,
Nicht auf die Bärenhaut mich legen sollen?

Charis: Man sagt doch was.

Merkur: Ei was! Dazu ist Zeit. –
Was du gefragt, das weißt du, damit basta.
In diesem Stücke bin ich Lakoner.

Charis: Ein Tölpel bist du. Gutes Weib, sagt man,
Behalt mich lieb, und tröst dich, und was weiß ich?

Merkur: Was, Teufel, kommt dir in den Sinn? Soll ich
Mit dir zum Zeitvertreib hier Fratzen schneiden?
Eilf Ehstandsjahr erschöpfen das Gespräch,
Und schon seit Olims Zeit sagt ich dir alles.

Charis: Verräter, sieh Amphitryon, wie er,
Den schlechtsten Leuten gleich, sich zärtlich zeigt,
Und schäme dich, daß in Ergebenheit
Zu seiner Frau, und ehelicher Liebe
Ein Herr der großen Welt dich übertrifft.

Merkur: Er ist noch in den Flitterwochen, Kind.
Es gibt ein Alter, wo sich alles schickt.
Was diesem jungen Paare steht, das möcht ich
Von weitem sehn, wenn wirs verüben wollten.
Es würd uns lassen, wenn wir alten Esel
Mit süßen Brocken um uns werfen wollten.

Charis: Der Grobian! Was das für Reden sind.
Bin ich nicht mehr im Stand? –

Merkur: Das sag ich nicht,
Dein offner Schaden läßt sich übersehen,
Wenns finster ist, so bist du grau; doch hier
Auf offnem Markt würds einen Auflauf geben,
Wenn mich der Teufel plagte, zu scharwenzeln.

Charis: Ging ich nicht gleich, so wie du kamst, Verräter,
Zur Plumpe? Kämmt ich dieses Haar mir nicht?
Legt ich dies reingewaschne Kleid nicht an?
Und das, um ausgehunzt von dir zu werden.

Merkur: Ei was ein reines Kleid! Wenn du das Kleid
Ausziehen könntest, das dir von Natur ward,
Ließ ich die schmutzge Schürze mir gefallen.

Charis: Als du mich freitest, da gefiel dirs doch.
Da hätt es not getan, es in der Küche
Beim Waschen und beim Heuen anzutun.
Kann ich dafür, wenn es die Zeit genutzt?

Merkur: Nein, liebstes Weib. Doch ich kanns auch nicht flicken.

Charis: Halunke, du verdienst es nicht, daß eine
Frau dir von Ehr und Reputation geworden.

Merkur. Wärst du ein wenig minder Frau von Ehre,
Und rissest mir dafür die Ohren nicht
Mit deinen ewgen Zänkereien ab.

Charis: Was? so mißfällts dir wohl, daß ich in Ehren
Mich stets erhielt, mir guten Ruf erwarb?

Merkur: Behüt der Himmel mich. Pfleg deiner Tugend,
Nur führe sie nicht, wie ein Schlittenpferd,
Stets durch die Straße läutend, und den Markt.

Charis: Dir wär ein Weib gut, wie man sie in Theben
Verschmitzt und voller Ränke finden kann,
Ein Weib, das dich in süße Wort' ertränkte,
Damit du ihr den Hahnrei niederschluckst.

Merkur: Was das betrifft, mein Seel, da sag ich dir:
Gedankenübel quälen nur die Narren,
Den Mann vielmehr beneid ich, dem ein Freund
Den Sold der Ehe vorschießt; alt wird er,
Und lebt das Leben aller seiner Kinder.

Charis: Du wärst so schamlos, mich zu reizen? Wärst
So frech, mich förmlich aufzufordern, dir
Den freundlichen Thebaner, welcher abends
Mir auf der Fährte schleicht, zu adjungieren?

Merkur. Hol mich der Teufel, ja. Wenn du mir nur
Ersparst, Bericht darüber anzuhören.
Bequeme Sünd ist, find ich, so viel wert,
Als lästge Tugend; und mein Wahlspruch ist,
Nicht so viel Ehr in Theben, und mehr Ruhe –
Fahr wohl jetzt, Charis, Schatzkind! Fort muß ich.
Amphitryon wird schon im Lager sein. Ab.

Charis: Warum, um diesen Niederträchtigen
Mit einer offenbaren Tat zu strafen,
Fehlts an Entschlossenheit mir? O ihr Götter!
Wie ich es jetzt bereue, daß die Welt
Für eine ordentliche Frau mich hält!

Zweiter Akt


Es ist Tag.

Erste Szene

Amphitryon. Sosias.

Amphitryon: Steh, Gaudieb, sag ich, mir, vermaledeiter
Halunke! Weißt du, Taugenichts, daß dein
Geschwätz dich an den Galgen bringen wird?
Und daß, mit dir nach Würden zu verfahren,
Nur meinem Zorn ein tüchtges Rohr gebricht?

Sosias: Wenn Ihrs aus diesem Ton nehmt, sag ich nichts.
Befehlt, so träum ich, oder bin betrunken.

Amphitryon: Mir solche Märchen schamlos aufzubürden!
Erzählungen, wie unsre Ammen sie
Den Kindern abends in die Ohren lullen. –
Meinst du, ich werde dir die Possen glauben?

Sosias: Behüt! Ihr seid der Herr und ich der Diener,
Ihr werdet tun und lassen, was Ihr wollt.

Amphitryon: Es sei. Ich unterdrücke meinen Zorn,
Gewinne die Geduld mir ab, noch einmal
Vom Ei den ganzen Hergang anzuhören.
– Ich muß dies Teufelsrätsel mir entwirren,
Und nicht den Fuß eh'r setz ich dort ins Haus.
– Nimm alle deine Sinne wohl zusammen,
Und steh Rede, pünktlich, Wort für Wort. ;

Sosias: Doch, Herr, aus Furcht, vergebt mir, anzustoßen,
Ersuch ich Euch, eh wir zur Sache schreiten,
Den Ton mir der Verhandlung anzugeben.
Soll ich nach meiner Überzeugung reden,
Ein ehrlicher Kerl, versteht mich, oder so,
Wie es bei Hofe üblich, mit Euch sprechen?
Sag ich Euch dreist die Wahrheit, oder soll ich
Mich wie ein wohlgezogner Mensch betragen?

Amphitryon: Nichts von den Fratzen. Ich verpflichte dich,
Bericht mir unverhohlen abzustatten.

Sosias: Gut. Laßt mich machen jetzt. Ihr sollt bedient sein.
Ihr habt bloß mir die Fragen auszuwerfen.

Amphitryon: Auf den Befehl, den ich dir gab –?

Sosias: Ging ich
Durch eine Höllenfinsternis, als wäre
Der Tag zehntausend Klafter tief versunken,
Euch allen Teufeln, und den Auftrag gebend,
Den Weg nach Theben, und die Königsburg.

Amphitryon: Was, Schurke, sagst du?

Sosias: Herr, es ist die Wahrheit

Amphitryon: Gut. Weiter. Während du den Weg verfolgtest –?

Sosias: Setzt ich den Fuß stets einen vor den andern,
Und ließ die Spuren hinter mir zurück.

Amphitryon: Was! Ob dir was begegnet, will ich wissen!

Sosias: Nichts, Herr, als daß ich salva venia
Die Seele voll von Furcht und Schrecken hatte.

Amphitryon: Drauf eingetroffen hier –?

Sosias: Übt ich ein wenig
Mich auf den Vortrag, den ich halten sollte,
Und stellte witzig die Laterne mir,
Als Eure Gattin, die Prinzessin, vor.

Amphitryon: Dies abgemacht –?

Sosias: Ward ich gestört. Jetzt kömmts

Amphitryon: Gestört? Wodurch? Wer störte dich?

Sosias: Sosias.

Amphitryon: Wie soll ich das verstehn?

Sosias: Wie Ihrs verstehn sollt?
Mein Seel! Da fragt Ihr mich zu viel.
Sosias störte mich, da ich mich übte.

Amphitryon: Sosias! Welch ein Sosias! Was für
Ein Galgenstrick, Halunke, von Sosias,
Der außer dir den Namen führt in Theben,
Hat dich gestört, da du dich eingeübt?

Sosias: Sosias! Der bei Euch in Diensten steht,
Den Ihr vom Lager gestern abgeschickt,
Im Schlosse Eure Ankunft anzumelden.

Amphitryon: Du? Was?

Sosias: Ich, ja. Ein Ich, das Wissenschaft
Von allen unsern Heimlichkeiten hat,
Das Kästchen und die Diamanten kennt,
Dem Ich vollkommen gleich, das mit Euch spricht.

Amphitryon: Was für Erzählungen?

Sosias: Wahrhaftige.
Ich will nicht leben, Herr, belüg ich Euch.
Dies Ich war früher angelangt, als ich,
Und ich war hier, in diesem Fall, mein Seel,
Noch eh ich angekommen war.

Amphitryon:
Woher entspringt dies Irrgeschwätz? Der Wischwasch?
Ists Träumerei? Ist es Betrunkenheit?
Gehirnverrückung? Oder solls ein Scherz sein?

Sosias: Es ist mein völl'ger Ernst, Herr, und Ihr werdet,
Auf Ehrenwort, mir Euren Glauben schenken,
Wenn Ihr so gut sein wollt. Ich schwörs Euch zu,
Daß ich, der einfach aus dem Lager ging,
Ein Doppelter in Theben eingetroffen;
Daß ich mir glotzend hier begegnet bin;
Daß hier dies eine Ich, das vor Euch steht,
Vor Müdigkeit und Hunger ganz erschöpft,
Das andere, das aus dem Hause trat,
Frisch, einen Teufelskerl, gefunden hat;
Daß diese beiden Schufte, eifersüchtig
Jedweder, Euern Auftrag auszurichten,
Sofort in Streit gerieten, und daß ich
Mich wieder ab ins Lager trollen mußte,
Weil ich ein unvernünftger Schlingel war.

Amphitryon: Man muß von meiner Sanftmut sein, von meiner
Friedfertigkeit, von meiner Selbstverleugnung,
Um einem Diener solche Sprache zu gestatten.

Sosias: Herr, wenn Ihr Euch ereifert, schweig ich still.
Wir wollen von was andern sprechen.

Amphitryon: Gut. Weiter denn. Du siehst, ich mäßge mich.
Ich will geduldig bis ans End dich hören.
Doch sage mir auf dein Gewissen jetzt,
Ob das, was du für wahr mir geben willst,
Wahrscheinlich auch nur auf den Schatten ist.
Kann mans begreifen? reimen? Kann mans fassen?

Sosias: Behüte! Wer verlangt denn das von Euch?
Ins Tollhaus weis ich den, der sagen kann,
Daß er von dieser Sache was begreift.
Es ist gehauen nicht und nicht gestochen,
Ein Vorfall, koboldartig, wie ein Märchen,
Und dennoch ist es, wie das Sonnenlicht.

Amphitryon: Falls man demnach fünf Sinn hat, wie glaubt mans?

Sosias: Mein Seel! Es kostete die größte Pein mir,
So gut, wie Euch, eh ich es glauben lernte.
Ich hielt mich für besessen, als ich mich
Hier aufgepflanzt fand lärmend auf dem Platze,
Und einen Gauner schalt ich lange mich.
Jedoch zuletzt erkannt ich, mußt ich mich,
Ein Ich, so wie das andre, anerkennen.
Hier stands, als wär die Luft ein Spiegel vor mir,
Ein Wesen völlig wie das meinige,
Von diesem Anstand, seht, und diesem Wuchse,
Zwei Tropfen Wasser sind nicht ähnlicher.
Ja, wär es nur geselliger gewesen,
Kein solcher mürrscher Grobian, ich könnte,
Auf Ehre, sehr damit zufrieden sein.

Amphitryon: Zu welcher Überwindung ich verdammt bin!
– Doch endlich, bist du nicht ins Haus gegangen?

Sosias: Ins Haus! Was! Ihr seid gut! Auf welche Weise?
Litt ichs? Hört ich Vernunft an? Untersagt ich
Nicht eigensinnig stets die Pforte mir?

Amphitryon: Wie? Was? Zum Teufel!

Sosias: Wie? Mit einem Stocke,
Von dem mein Rücken noch die Spuren trägt.

Amphitryon: So schlug man dich?

Sosias: Und tüchtig.

Amphitryon: Wer – wer schlug dich?
Wer unterstand sich das?

Sosias: Ich.

Amphitryon: Du? Dich schlagen?

Sosias: Mein Seel, ja, ich! Nicht dieses Ich von hier,
Doch das vermaledeite Ich vom Hause,
Das wie fünf Ruderknechte schlägt.

Amphitryon: Unglück verfolge dich, mit mir also zu reden!

Sosias: Ich kanns Euch dartun, Herr, wenn Ihrs begehrt.
Mein Zeuge, mein glaubwürdiger, ist der
Gefährte meines Mißgeschicks, mein Rücken.
– Das Ich, das mich von hier verjagte, stand
Im Vorteil gegen mich; es hatte Mut
Und zwei geübte Arme, wie ein Fechter.

Amphitryon: Zum Schlusse. Hast du meine Frau gesprochen?

Sosias: Nein.

Amphitryon: Nicht! Warum nicht?

Sosias: Ei! Aus guten Gründen.

Amphitryon: Und wer hat dich, Verräter, deine Pflicht
Verfehlen lassen? Hund, Nichtswürdiger!

Sosias: Muß ich es zehn und zehnmal wiederholen?
Ich, hab ich Euch gesagt, dies Teufels-Ich,
Das sich der Türe dort bemächtigt hatte;
Das Ich, das das alleinge Ich will sein;
Das Ich vom Hause dort, das Ich vom Stocke,
Das Ich, das mich halb tot geprügelt hat.

Amphitryon: Es muß die Bestie getrunken haben,
Sich vollends um das bißchen Hirn gebracht.

Sosias: Ich will des Teufels sein, wenn ich heut mehr
Als meine Portion getrunken habe.
Auf meinen Schwur, mein Seel, könnt Ihr mir glauben.

Amphitryon: – So hast du dich unmäßgem Schlaf vielleicht
Ergeben? – Vielleicht daß dir ein böser Traum
Den aberwitzgen Vorfall vorgespiegelt,
Den du mir hier für Wirklichkeit erzählst –?

Sosias: Nichts, nichts von dem. Ich schlief seit gestern nicht
Und hatt im Wald auch gar nicht Lust zu schlafen,
Ich war erwacht vollkommen, als ich eintraf,
Und sehr erwacht und munter war der andre
Sosias, als er mich so tüchtig walkte.

Amphitryon: Schweig. Was ermüd ich mein Gehirn? Ich bin
Verrückt selbst, solchen Wischwasch anzuhören.
Unnützes, marklos-albernes Gewäsch,
In dem kein Menschensinn ist, und Verstand.
Folg mir.

Sosias für sich: So ists. Weil es aus meinem Munde kommt,
Ists albern Zeug, nicht wert, daß man es höre.
Doch hätte sich ein Großer selbst zerwalkt,
So würde man Mirakel schreien.

Amphitryon: Laß mir die Pforte öffnen. – Doch was seh ich?
Alkmene kommt. Es wird sie überraschen,
Denn freilich jetzt erwartet sie mich nicht.


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