H. v. Kleist
Amphitryon
H. v. Kleist

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Vierte Szene


Alkmene. Die Vorigen.

Alkmene: Charis.
Was ist mir, Unglücksel'gen, widerfahren?
Was ist geschehn mir, sprich? Sieh dieses Kleinod.

Charis: Was ist dies für ein Kleinod, meine Fürstin?

Alkmene: Das Diadem ist es, des Labdakus,
Das teure Prachtgeschenk Amphitryons,
Worauf sein Namenszug gegraben ist.

Charis: Dies? Dies das Diadem des Labdakus?
Hier ist kein Namenszug Amphitryons.

Alkmene: Unselige, so bist du sinnberaubt?
Hier stünde nicht, daß mans mit Fingern läse,
Mit großem, goldgegrabnen Zug ein A?

Charis: Gewiß nicht, beste Fürstin. Welch ein Wahn?
Hier steht ein fremdes Anfangszeichen.
Hier steht ein J.

Alkmene: Ein J?

Charis: Ein J. Man irrt nicht.

Alkmene: Weh mir sodann! Weh mir! Ich bin verloren.

Charis: Was ists, erklärt mir, das Euch so bewegt?

Alkmene: Wie soll ich Worte finden, meine Charis,
Das Unerklärliche dir zu erklären?
Da ich bestürzt mein Zimmer wieder finde,
Nicht wissend, ob ich wache, ob ich träume,
Wenn sich die rasende Behauptung wagt,
Daß mir ein anderer erschienen sei;
Da ich gleichwohl den heißen Schmerz erwäg
Amphitryons, und dies ein letztes Wort,
Er geh den eignen Bruder, denke dir!
Den Bruder wider mich zum Zeugnis aufzurufen;
Da ich jetzt frage, hast du wohl geirrt?
Denn einen äfft der Irrtum doch von beiden,
Nicht ich, nicht er, sind einer Tücke fähig;
Und jener doppelsinnge Scherz mir jetzt
Durch das Gedächtnis zuckt, da der Geliebte,
Amphitryon, ich weiß nicht, ob du's hörtest,
Mir auf Amphitryon den Gatten schmähte,
Wie Schaudern jetzt, Entsetzen mich ergreift
Und alle Sinne treulos von mir weichen, –
Faß ich, o du Geliebte, diesen Stein,
Das einzig, unschätzbare, teure Pfand,
Das ganz untrüglich mir zum Zeugnis dient.
Jetzt faß ichs, will den werten Namenszug,
Des lieben Lügners eignen Widersacher,
Bewegt an die entzückten Lippen drücken:
Und einen andern fremden Zug erblick ich,
Und wie vom Blitz steh ich gerührt – ein J!

Charis: Entsetzlich! solltet Ihr getäuscht Euch haben?

Alkmene: Ich mich getäuscht!

Charis: Hier in dem Zuge, mein ich.

Alkmene: Ja in dem Zug meinst du – so scheint es fast.

Charis: Und also –?

Alkmene: Was und also –?

Charis: Beruhigt Euch.
Es wird noch alles sich zum Guten wenden.

Alkmene: O Charis! – Eh will ich irren in mir selbst!
Eh will ich dieses innerste Gefühl,
Das ich am Mutterbusen eingesogen,
Und das mir sagt, daß ich Alkmene bin,
Für einen Parther oder Perser halten.
Ist diese Hand mein? Diese Brust hier mein?
Gehört das Bild mir, das der Spiegel strahlt?
Er wäre fremder mir, als ich! Nimm mir
Das Aug, so hör ich ihn; das Ohr, ich fühl ihn;
Mir das Gefühl hinweg, ich atm' ihn noch;
Nimm Aug und Ohr, Gefühl mir und Geruch,
Mir alle Sinn und gönne mir das Herz:
So läßt du mir die Glocke die ich brauche,
Aus einer Welt noch find ich ihn heraus.

Charis: Gewiß! Wie konnt ich auch nur zweifeln, Fürstin?
Wie könnt ein Weib in solchem Falle irren?
Man nimmt ein falsches Kleid, ein Hausgerät,
Doch einen Mann greift man im Finstern.
Zudem, ist er uns allen nicht erschienen?
Empfing ihn freudig an der Pforte nicht
Das ganze Hofgesind, als er erschien?
Tag war es noch, hier müßten tausend Augen
Mit Mitternacht bedeckt gewesen sein.

Alkmene: Und gleichwohl dieser wunderliche Zug!
Warum fiel solch ein fremdes Zeichen mir,
Das kein verletzter Sinn verwechseln kann,
Warum nicht auf den ersten Blick mir auf?
Wenn ich zwei solche Namen, liebste Charis,
Nicht unterscheiden kann, sprich, können sie
Zwei Führern, ist es möglich, eigen sein,
Die leichter nicht zu unterscheiden wären?

Charis: Ihr seid doch sicher, hoff ich, beste Fürstin? –

Alkmene: Wie meiner reinen Seele! Meiner Unschuld!
Du müßtest denn die Regung mir mißdeuten,
Daß ich ihn schöner niemals fand, als heut.
Ich hätte für sein Bild ihn halten können,
Für sein Gemälde, sieh, von Künstlershand,
Dem Leben treu, ins Göttliche verzeichnet.
Er stand, ich weiß nicht, vor mir, wie im Traum,
Und ein unsägliches Gefühl ergriff
Mich meines Glücks, wie ich es nie empfunden,
Als er mir strahlend, wie in Glorie, gestern
Der hohe Sieger von Pharissa nahte.
Er war`s, Amphitryon, der Göttersohn!
Nur schien er selber einer schon mir der
Verherrlichten, ich hätt ihn fragen mögen,
Ob er mir aus den Sternen niederstiege.

Charis: Einbildung, Fürstin, das Gesicht der Liebe.

Alkmene: Ach, und der doppeldeutge Scherz, o Charis,
Der immer wiederkehrend zwischen ihm
Und dem Amphitryon mir unterschied.
War ers, dem ich zu eigen mich gegeben,
Warum stets den Geliebten nannt er sich,
Den Dieb nur, welcher bei mir nascht? Fluch mir,
Die ich leichtsinnig diesem Scherz gelächelt,
Kam er mir aus des Gatten Munde nicht.

Charis: Quält Euch mit übereiltem Zweifel nicht.
Hat nicht Amphitryon den Zug selbst anerkannt?
Als Ihr ihm heut das Diadem gezeigt?
Gewiß, hier ist ein Irrtum, beste Fürstin.
Wenn dieses fremde Zeichen ihn nicht irrte,
So folgt, daß es dem Steine eigen ist,
Und Wahn hat gestern uns getäuscht, geblendet;
Doch heut ist alles, wie es soll.

Alkmene: Und wen er's flüchtig nur betrachtet hätte,
Und jetzt mit allen Feldherrn wiederkehrte,
Und die Behauptung rasend wiederholte,
Daß er die Schwelle noch des Hauses nicht betrat!
Nicht nur entblößt bin ich von jedem Zeugnis,
Ein Zeugnis wider mich ist dieser Stein.
Was kann ich, ich Verwirrte, dem entgegnen?
Wohin rett ich vor Schmerz mich, vo Vernichtung,
Wenn der Verdacht der Männer ihn geprüft?
Muß ich nicht eingestehn, daß dieser Zug
Der Namenszug nicht des Amphitryon?
Nicht eingestehn, daß ein Geschenk mir nicht
Mit fremden Zeichen von ihm kommen kann?
Ja, schwör ich auf den Altar gleich, daß er
Mir das Gestein selbst gestern überreicht,
Bin ich wohl sicher, sprich, daß ich auch gestern
Das Zeichen, das hier steht, von ihm empfing?

Charis: Faßt Euch. Hier ist er selbst. Jetzt wird sichs lösen.


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