Alexander Kielland
Schiffer Worse
Alexander Kielland

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Viertes Kapitel.

An den folgenden Abenden war der Schiffer Worse wieder im Klub und befand sich wohl dort. Die jungen finnischen Schiffskapitäne, die in Amerika gewesen waren, hatten ihm nur den ersten Tag verderben können. Wenn er jetzt kam, sammelten sich die alten Freunde um ihn und er erzählte manche lustige Geschichte aus Rio de Janeiro. Er konnte auch ein paar englische Lieder, mit spanischem Refrain, die er dort drüben gelernt hatte.

Darob ergötzte man sich im Klub, wo man fast jeden Abend sang, und nachdem man den spanischen Refrain gelernt hatte, fiel der Chor mit voller Kraft ein, so daß es in den großen dampfenden Punschgläsern klirrte:

Ah – chio – chio – la – la – la Ah – chio – chio – voi!

Zu Worses Gesellschaft gehörten der Hafenvogt Snell und der Controleur Aarestrup, dann der Zollschreiber Preuß, der Branddirektor, und eine größere Anzahl Schiffskapitäne und Reeder.

In der ganzen Stadt wußte man natürlich, daß Worse bei den Haugianern gewesen war und er bekam viele anzügliche Bemerkungen darüber zu hören.

Er ließ die anderen lachen und lachte selbst mit, es konnte nichts nutzen, sich böse zu stellen und zuletzt trieb er es so weit, daß er Endre Egelands Tischgebet nachäffte. Er hatte auch nichts dagegen, daß man im Klub zuletzt der Meinung ward, Worse sei ein durchtriebener alter Bösewicht, der sich um der hübschen Mädchen willen zu den Heiligen halte.

Madame Torvestad hatte ihn nicht wieder behelligt. Wenn sie sich begegneten, bat sie ihn jedesmal, sie doch zu besuchen, so oft er möge; und trotzdem, daß er niemals kam, veränderte sie ihre Freundlichkeit gegen ihn nicht.

Als seine Sachen ans Land geschafft waren, ließ er durch Lauritz einen mit Konchylien besetzten Schrein, das merkwürdigste Stück, das er aus Rio mitgenommen hatte, Sarah als Geschenk überbringen.

Madame Torvestad dankte dem Kapitän dafür im Namen ihrer Tochter, indem sie mit mildem Vorwurf hinzufügte, daß solche prachtvolle Sachen in jungen Gemütern leicht weltliche Gedanken und Eitelkeit erzeugen könnten.

Im Lauf des Sommers verwand Worse die Trennung von Randulf. Es that ihm wohl, eine Zeitlang sich zu Hause völliger Ruhe hingeben zu können, das Geschäft ging lebhaft und in der ganzen Stadt nahm man es ihm hoch auf, daß er der erste gewesen, der ein Schiff von dort nach Südamerika geführt hatte. Von seinem Sohne in Lübeck erhielt Worse nur selten Nachricht; aber aus den Rechnungen, die ihm von Zeit zu Zeit zugesandt wurden, konnte der Vater ersehen, daß der junge Mann, wie es schien, sich nichts abgehen ließ. Es hatte niemals ein besonders vertrauliches Verhältnis zwischen ihnen bestanden, teils weil der Vater so oft von Hause abwesend war und teils weil die Mutter den Sohn über alle Gebühr verhätschelt hatte.

Sie war eine verschrobene, sentimentale Dame gewesen voll romantischer Grillen und sie hatte an nichts gedacht, als an Ritter und Burgfräulein, und Knappen und Mondschein, und Fallthüren und lange Locken und Wendeltreppen.

Sie hatte einst auf einer Bootfahrt im Mondschein Worses Herz, als er noch Steuermann war, erobert. Eine so feine Dame mit so großen schwimmenden Augen und so langem gelben Haar hatte er nie vorher gesehen, weder an der Ostsee, noch am Mittelmeer.

Auf dieser Bootfahrt hatte Worse, nachdem die Gesellschaft auf einer kleinen Insel Kaffee getrunken hatte, die Schöne auf seinen Arm genommen und war so mit ihr nach dem Boot hinaus gewatet, statt zu warten, bis dasselbe am Lande angelegt. Das erinnerte sie an Romarino, der mit nervigem Arm Mirandas schlanke Taille umschlang, sich leicht mit der schönen Bürde in den Sattel schwang und auf schnaubendem Roß aus dem Burgthor jagte; und sie schenkte Worse Herz und Hand.

Für beide aber erwuchs aus der Verbindung nur Unheil.

Worse paßte so wenig zum Ritter wie sie zu einer Schiffersfrau. Als die Leihbibliothek der Stadt ihr nichts mehr zu bieten hatte, verfiel sie in krankhafte Träumereien, aus denen sie nur erwachte, um zu jammern und sich zu beklagen; das gab Jakob Worse Lust zu langen Seefahrten.

Als er einst auf der Heimreise von Lissabon war, schenkte seine Frau ihm einen Sohn, dem sie eiligst in der Taufe den Namen Romarino geben ließ.

Das nahm Worse sich sehr zu Herzen und er konnte zu keiner rechten Freude über das kleine bleiche Geschöpf in der Wiege gelangen, des Namens halber, der es gleichsam weit vom Vater entfernte und in die Welt der Mutter hineinzog. Es klang auch gar zu drollig, wenn Schiffer Worse den Namen Romarino aussprach.

Die kränkliche, stets klagende Dame starb, als der Junge fünfzehn Jahre alt war. Dieser wurde dann nach Kopenhagen zu einer Familie gesandt, die sich auf Konsul Garmans Empfehlung seiner annahm. Zu Hause, in den großen öden Räumen, hätte er, da der Vater fast immer abwesend war, nicht bleiben können.

Jetzt war Romarino etwa zwanzig Jahre alt und ehe der Vater seine große Reise nach Amerika antrat, war er bei ihm zum Besuch gewesen.

Er hatte immer noch dasselbe bleiche Aussehen und das hellblonde Haar, angethan war er mit einem olivengrünen Leibrock, gelber Weste und engen hellgrauen Beinkleidern, die mittels Strippen von weißem Garleder möglichst stramm unter den Stiefeln festgehalten wurden. Der übermäßig hohe langhaarige Filzhut saß ihm verwegen schief auf dem Kopf; es war ein Wunder, daß er ihm nicht öfter, als es geschah, abfiel.

In diesem Aufzug imponierte er einige Tage hindurch der kleinen Handelsstadt; er ging umher, sein dünnes Spazierstöckchen schwingend und sah mit dem größten Hohn auf Menschen und Sachen herab; auch hatte er seine Muttersprache fast verlernt.

Der Vater fühlte einesteils Bewunderung vor dem Sohne, aber doch zugleich einen gewissen Unwillen gegen ihn. Die Bewunderung erlitt obendrein noch einen harten Stoß, als der Schiffer Randulf darauf schwur, Romarino habe Pomade auf seinem Taschentuch.

Trotz alledem liebte Worse seinen Sohn und er hätte nur gewünscht, daß etwas mehr von seinem eigenen Seemannsblute in ihm gewesen wäre. Er dachte oft mit Wehmut daran, wie gern er dem Sohne das Kommando seines Schiffes hinterlassen hätte; aber dieser Wunsch würde wohl niemals in Erfüllung gehen. Hätte der Junge doch etwas von Lauritz Seehus an sich gehabt!

Romarino aber war in Wirklichkeit das, was er in seinem Aeußeren zur Schau trug – ein herzloser Laffe, der sich kein Gewissen daraus machte, das Geld des Vaters zu verzehren, während er in seinem Inneren den einfachen Schiffer tief verachtete, wie er dies schon früh von seiner Mutter gelernt hatte. –

Nachdem der Schiffer Worse in der Stadt allmählich wieder in sein altes Geleise gekommen war, stellte er oft Betrachtungen darüber an, was der Firma C. F. Garman wohl widerfahren sein könnte. Auf Sandsgaard war es bei weitem nicht mehr so wie früher; woran lag dies denn eigentlich? Zum Teil konnte es wohl durch den Tod der Frau Garman veranlaßt worden sein; aber dies war doch unmöglich die alleinige Ursache, daß über allem da draußen ein so schwerer Druck zu lasten schien.

Zuletzt konnte Worse eine gewisse Ahnung nicht unterdrücken. Nachdem der Hafenvogt Snell am ersten Abend nach seiner Heimkehr ihm eine Andeutung von der Geldverlegenheit der Firma gemacht, hörte er später Aehnliches von anderen Seiten. Anfänglich lachte er darüber, nach und nach aber fing er an, bedenklich zu werden.

Oftmals, wenn er sich nach Sandsgaard hinaus rudern ließ, faßte er den Beschluß, daß er heute den Konsul gerade heraus darum fragen wollte. Du lieber Himmel! Wenn die Firma wirklich der Unterstützung bedürftig war, so hatte er, Jakob Worse, ja ein hübsches Sümmchen bei der Hand und außerdem konnte er mehr schaffen, wenn es nötig war. Aber stets fehlte ihm der Mut, den Konsul zu fragen.

Sobald man von Sandsgaard aus Worses Boot in die Bucht hineinkommen sah, war es althergebrachte Sitte, daß der Packhausknecht Zacharias die Weisung erhielt, einen großen Dorsch aus dem Fischbehälter herauszunehmen, denn das war Schiffer Worses Lieblingsgericht.

Die beiden alten Fräulein auf Sandsgaard, die den Haushalt des Konsuls besorgten, waren im Grunde ihres Herzens hocherfreut, wenn Worse sich dort sehen ließ, obgleich sie sich sehr erzürnt stellten, wenn er sie neckte, was er nie lassen konnte. Wenn Worse die Fräulein begrüßt hatte, ging er ins Comptoir, das dicht an die Wohnstube stieß. Die Thür pflegte offen zu stehen und Worse bemächtigte sich dann des Kalenders. Wenn er nun fand, daß es der Namenstag des St. Crispinus oder St. Hieronymus oder eines ähnlichen Heiligen war, so rieb er sich die Hände und rief vergnügt: »Nein, wahrhaftig, ist es der Namenstag dieses Heiligen! den kenne ich von Italien her, das ist einer der besten, den man dort hat. Dann darf man sich wohl darauf Rechnung machen, daß man heut abend ein Glas Punsch bekommt.«

Alsdann lächelte der Konsul Garman und der alte Buchhalter, Adam Kruse, räusperte sich hinter seinem Pult; denn wenn der Kapitän da war, pflegte er zu Gaste gebeten zu werden. Worse aber, der im Comptoir Bescheid wußte, nahm den Schlüssel zum Schrank und zog aus demselben einige alte viereckige holländische Flaschen hervor.

Abends spielte er Whist mit den alten Damen; der Konsul sah zu und lachte herzlich, wenn der Kapitän sich einen kleinen Betrug erlaubte und die Damen hierüber so erbost wurden, daß ihre Haubenkrausen vor Erregung bebten.

Oder der Konsul und Worse sprachen über Politik, nachdem sie die »Hamburger Nachrichten« gelesen hatten, während der alte Buchhalter schweigend mit der langen Thonpfeife im Munde auf seinem bescheidenen Platz hinter der großen Stubenuhr saß.

In der alten Wohnstube, die nach dem Hafen hinaus lag, standen abends zwei Talglichter auf dem Sofatisch, an dem der Konsul saß; wenn Fremde da waren, brannten noch zwei andere Lichter auf dem Schenktische neben dem Ofen. Die Wände waren mit grünangestrichener Leinwand überzogen und das weiße Paneel reichte so hoch an ihnen hinauf, daß die Oberkante der Lehne an den massiven Stühlen es noch berührte. Die grauen Rouleaus, die man jüngst aus Kopenhagen erhalten hatte, waren mit den Ansichten dänischer Schlosser verziert; auf der einen sah man einen langen Wanderer, der unter einem Baum im Vordergrunde über das Wasser hin das Schloß anstarrte, während drei Damen mit langen Umschlagetüchern und Hüten gleich aufgeschlagenen Kaleschen sich ihm nähern.

In einer Ecke standen die Garnwinden der alten Fräulein, mit denen sie sich beschäftigten, wenn sie nicht hintereinander herliefen, um etwas in der Haushaltung zu besorgen.

Nach dem Tode der Frau Garman hatte der Konsul es nicht durchsetzen können, die Arbeit unter den beiden Schwestern gleichmäßig zu verteilen. Wenn Fräulein Brigitte eine Zeitlang mit dem Tischzeug, den Silbersachen und der Wäsche sich beschäftigt hatte, wandelte sie eine unwiderstehliche Lust an, in der Küche darüber zu wachen, daß man dort nicht zuviel Butter gebrauche.

Und wenn Fräulein Nette eine Woche hindurch die Kasse geführt und für Speise und Trank gesorgt hatte, ließ es ihr keine Ruhe, bis sie nicht alle Servietten und Eßlöffel nachgezählt hatte.

Dies brachte natürlich einige Verwirrung im Hauswesen hervor und hatte ernstliche Scharmützel zwischen den Schwestern zur Folge, deren Nachwehen, wenn auch nur schwach, sogar bis zum Konsul drangen.

Nur in einer Sache waren sie völlig einig, in ihrer Liebe zu ihrem Kanarienvogel. Sie hatten deren im Laufe der Jahre viele nacheinander gehabt, und jedesmal, wenn die Katze einen von ihnen geholt hatte, ward der feierliche Eid abgelegt, daß man sich einem solchen Kummer nicht wieder aussetzen wolle.

Nach Kapitän Worses Berechnungen dauerte aber die Hoftrauer um einen Kanarienvogel nur drei Wochen; dann ward ein neuer angeschafft.

Der Vogel, den sie zuletzt bekommen, war von allen, die sie noch gehabt hatten, ohne Frage der anbetungswürdigste. Denn außer allen anderen Vorzügen hatte er auch noch eine Eigenschaft, wodurch die alten Damen zuerst allerdings etwas in Verlegenheit gesetzt wurden, er legte nämlich Eier.

Da aber das kluge kleine Geschöpf wohl eine Ahnung davon hatte, daß es zu nichts führen könne, in der Einsamkeit Eier zu legen, so legte er dieselben auch nicht vorsichtig und bedachtsam in ein Nestchen, sondern er suchte sich einen hohen Platz und ließ von da die Eier auf den Tisch oder auf den Boden fallen, so daß sie immer zerbrachen.

Dies verursachte den alten Damen großen Kummer und nachdem sie ihre Scheu vor dem ungewöhnlichen Phänomen überwunden hatten, wurden sie von heftigem Verlangen erfüllt, eins der Eier zu besitzen – am liebsten eins für jede von ihnen – und sie ersannen viele Pläne, um das Tier zu einem anderen Verfahren zu veranlassen. Ins Bauer legten sie Baumwolle und feines Garn und ringsumher in der Stube, namentlich an den Stellen, wo sie schon einmal ein zerbrochenes Ei gefunden hatten, brachten sie Nester an, die sie selbst mit großer Geschicklichkeit aus Stückchen weichen Wollenzeugs, Baumwolle und Pferdehaaren angefertigt hatten; zuletzt gingen sie, als alle diese Vorkehrungen nicht helfen wollten, in der Stube mit einem Nest in jeder Hand umher, wenn das Benehmen des Vogels sie dazu aufzufordern schien.

Das unverbesserliche Tierchen aber spottete aller dieser Vorkehrungen. Namentlich setzte es sich mit Vorliebe oben auf den Spiegel und ließ das Eichen auf den Tisch fallen, wenn niemand darauf achtete.

Das gereichte den beiden Damen zu großer Betrübnis, und es gab sogar Augenblicke, wo sie sich von ihrer Trauer hinreißen ließen, sich gegenseitig die Schuld an dem unverzeihlichen Benehmen des Vögelchens zu geben. –

Eines Abends fragte der Hafenvogt im Klub den Kapitän hämisch: »Nun, ist der alte Adam wirklich nach Bergen gereist?«

»Ja,« versetzte Worse arglos, »er reiste in der vorigen Woche dahin.«

»Was mag er dort wohl vorhaben?«

»Nun natürlich wird er dort Geschäfte haben; die Firma C. F. Garman hat in Bergen viel zu thun,«

»Vielleicht Geld leihen? ha – ha –«

»Hör nun, mein lieber Hafenvogt,« fuhr Worse auf, »nun laß es endlich damit genug sein!«

Der andere aber fuhr unbeirrt fort: »Ja, was soll man dazu sagen, ha – ha – sind jetzt schwere Zeiten für groß und klein. Sprach vorher mit Kapitän Andersen von der »Frena« – kam eben von Bergen – der alte Adam wollte gern einige tausend Species haben, sagten sie dort, ging überall herum, konnte aber nichts kriegen, nichts. – Na! diese Bergenser, denen muß man so nicht kommen.«

Nun ward dem Kapitän alles klar. Voll Unruhe sprang er auf und ging nach Hause. Wenn schon die Leute davon sprachen, daß die Firma C. F. Garman auf schwachen Füßen stände und wenn ihr Kredit schon geschwächt war, so war es hohe Zeit für Jakob Worse, zum Beistand heranzurücken.

Am nächsten Vormittage erschien er im Comptoir beim Konsul Garman und nachdem er die Thüren sorgfältig verschlossen, bat er ihn um eine vertrauliche Unterredung. Worses Wesen war heute so sonderbar, ein Gemisch von Unsicherheit und Verschlagenheit, so daß der Konsul sich veranlaßt fühlte, sich hintenüber in den Armstuhl zu legen und zu fragen: »Ist etwas vorgefallen?«

»Nein, durchaus nicht, durchaus nicht,« erwiderte Worse, indem er sich von dem einen Bein aufs andere wiegte, »ich wollte Sie nur um etwas gebeten haben, Herr Kunsel.«

»Wir sind stets bereit, allen billigen Wünschen unserer alten Freunde entgegenzukommen, soweit unsere Mittel es gestatten. Setzen Sie sich, Kapitän Worse!«

»Ich – hege die Absicht, diesen Winter auf den Fischfang zu gehen, für eigene Rechnung, und da – da –«

»Mir scheint, Kapitän Worse, daß Sie von früher her wissen sollten, daß wir, wenn Sie im Winter zu Hause sind, Ihnen keinerlei Hindernis in den Weg legen, auf eigene Hand und eigene Rechnung beim Heringsfang Geschäfte zu machen. So wird es auch in diesem Jahre –«

»Jawohl, Herr Kunsel, ich weiß dies ganz gut und danke bestens dafür. Allein, das war's nicht, hm! – es gehört aber viel Geld zu einem solchen Unternehmen.«

Das Gesicht des Konsuls nahm bei diesen Worten einen härteren Ausdruck an. Worse aber nahm seinen ganzen Mut zusammen und ließ die große Bombe springen: »Will die Firma C. F. Garman mir zweitausend Species leihen gegen Wechsel?«

Morten Garman fuhr fast vom Stuhl in die Höhe. »Wie! Auch Sie wollen Geld leihen, Jakob Worse?«

»Ja, sehen Sie, Herr Kunsel, alle Menschen sammeln jetzt Geld zum Fischfang zusammen, und ich hatte wohl Lust, einmal mit Sivert Jespersen und den anderen da draußen den Kampf aufzunehmen.«

»Da haben wir's!« rief der Konsul, »so geht es heutzutage; der eine will stets den anderen überbieten, und so heißt es bloß leihen und leihen und spekulieren; aber wenn dann der Abrechnungstag kommt – ja, dann hapert es.«

»Was das anbelangt, Herr Kunsel, so dächte ich, die Firma C. F. Garman müsse wissen, daß Jakob Worse für zweitausend Species und wohl noch etwas mehr sicher ist!«

»Das mag wohl wahr sein,« erwiderte der Konsul verdrießlich; »aber wir haben schon aller Welt Vorschuß gegeben, so daß wir es kaum übersehen können; auf ein mehreres können mir uns in diesen knappen Zeiten nicht einlassen.«

Jakob Worse fand Gefallen an der kleinen Komödie, die er aufführte, und spielte weiter.

»Es ist recht schlimm,« sagte er mit etwas erzürnter Miene, »daß ich mich an andere werde wenden müssen, so daß vielleicht jemand auf den Gedanken kommen könnte, ich hätte mich mit meiner alten Reederei überworfen; oder man könnte sogar noch mehr Lügen über die Firma C. F. Garman erfinden, als die, welche schon jetzt unter den Leuten verbreitet sind –«

»Was meint Ihr damit? Was sagt man vom Hause?« fragte der Konsul scharf.

»Ach, es hieß zum Beispiel gestern im Klub, daß eine gewisse Person nach Bergen gereist sei, um für gewisse Leute Geld zu leihen.«

Der Konsul Garman wandte sein Gesicht ab und sah in den Garten hinaus, wo der Herbst die ersten gelben Blätter herabgestreut hatte; niemals zuvor hatte er die Gefahr so unmittelbar vor sich gesehen, sein übermütiger, leichter Sinn hatte niemals den Gedanken völlig ausgedacht, daß das Haus C. F. Garman, das alte Sandsgaard, nur noch an einem Faden hänge und wie eine gemeine Konkursmasse behandelt werden würde.

»Ja, ja,« murmelte er, »es war ein Fehler von mir, daß ich Kruse nach Bergen schickte. Aber –« und mit einem Schlage fühlte er sich nicht stark genug, die Last länger allein zu tragen; er schaute Worse gerade ins Gesicht und sagte: »es steht nicht so gut mit dem Hause C. F. Garman, als du wohl glauben magst, Jakob!«

Er sagte unwillkürlich »du«, wie in jenen alten Zeiten, als Jakob Worse Matrose und Morten Garman Schuljunge war.

Nun war Worse, wie er meinte, auf dem rechten Punkt angelangt. Schnell riß er sein Schifferwams auf, zog ein Bündel Banknoten aus der Brusttasche und warf sie auf den Tisch gerade vor den Konsul hin. »Fünftausend Spezies, Herr Konsul, fürs erste, und zehn- ja fünfzehntausend, wenn es nötig ist, sobald ich Zeit gehabt, sie zusammenzuscharren –« sein Antlitz strahlte und er lachte unbändig.

Seine Freude aber nahm ein jähes Ende, als der Konsul das Paket von sich schob und in seinem kältesten Tone fragte: »Was soll das heißen? Was soll ich mit diesem Gelde?«

»Es gebrauchen, es leihen, es behalten, solange Sie wollen, Herr Kunsel!«

»Ach, nun verstehe ich. Sie haben sich ein kleines Lustspiel auf unsere Kosten erlaubt; sehr fein ausgedacht, Herr Kapitän Worse, aber so weit ist es doch mit dem Hause C. F. Garman noch nicht gekommen, daß es Geld von seinen eigenen – ja seinen eigenen Leuten leihen sollte.«

Einen Augenblick saß der listige Schiffer Worse sprachlos da; dann aber lief ihm die Galle über; voll Zorn schlug er auf den Tisch und rief! »Hör nun, mein lieber Morten Garman, nun geht es meiner Seel' zu weit mit deiner Vornehmthuerei! Wenn das Haus in Geldverlegenheit ist, so ist doch wahrhaftig nichts einfacher, als daß es Geld leiht von mir, der ich jeden Schilling in Ihrem und Ihres Vaters Dienst erworben habe!«

»Kannst du denn aber nicht einsehen –« rief der Konsul, der jetzt auch eifrig wurde, »kannst du denn nicht begreifen, daß es unserem Kredit schaden wird, wenn man erfährt, daß unsere eigenen Schiffer uns aus der Verlegenheit retten mußten?«

»Ach bleib mir vom Leibe mit deinem Kredit. Bar Geld ist besser als Kredit, sollte ich meinen! Mein Geld ist beim Kuckuck ebenso gut wie das deinige, Morten Garman, und wenn du es nicht annimmst, so bist du nicht der Mann, für den ich dich angesehen habe.«

Jakob Worse war jetzt ganz außer sich vor Erregung, und sie sagten »du« zu einander, ohne es zu merken.

»Nun, nun, Jakob, laß uns nicht Unfreunde werden!« sagte der Konsul, indem er sein Halstuch in Ordnung brachte; es war das erste Mal, daß etwas eigentlich gegen seinen Willen abgemacht werden sollte. Bald sah er das Geld an, bald in den Garten hinaus, und es entstand eine sehr lange Pause.

Worse hatte sich erhoben und betrachtete, mit dem Rücken gegen den Tisch gelehnt, eine Landkarte, die an der Wand hing. Deutlich hörte man das langsame Ticken der alten Schlaguhr in der Wohnstube.

Endlich erhob sich Konsul Garman und trat hin zum anderen.

»Höre, Jakob Worse, ich will dein Geld nehmen, wenn du mit mir in Compagnie treten willst.«

»Was? Was sagt Er? Compagnie? Hat Er den Verstand verloren, Herr Konsul!«

»Hören Sie mich ruhig an: Sie schießen Ihr Kapital, das heißt, so viel davon, wie Sie wünschen, in unser Geschäft ein, und werden dafür Teilhaber an der Firma Garman und Worse für die Quote, die wir später festsetzen.«

»Nein, nein, Herr Kunsel! So war es nicht gemeint. Die Firma verändern – nein, das geht nicht an, das kann Ihr Wille nicht sein!«

»Ich meine im Gegenteil, daß dies der einzige Ausweg ist. Setzen wir uns und seien wir kaltblütig. Der Gedanke, von Ihnen Geld leihen zu sollen, wäre mir geradezu unerträglich. Dahingegen ist weder für mein Gefühl noch für unsere Verbindungen etwas Anstößiges darin, daß mir in einer so geschäftsvollen, und – und – wie soll ich sagen? hm – so gedrückten Zeit einen Mann offiziell in die Firma aufnehmen, der viele Jahre hindurch mit uns zusammengearbeitet hat, und daß wir infolgedessen seinen Namen mit dem unserigen vereinen, indem wir in Zukunft unser gemeinschaftliches Geschäft: »Garman und Worse« benennen.«

»Ja, aber – aber – es könnte alles schon angehen, aber der Name – Ihres Vaters Name –«

»Mein Vater würde es vielleicht nicht gethan haben; aber ich will es so. Dies Arrangement ist – hm! – ist des Hauses Rettung; ich trete dreist damit vor die Oeffentlichkeit und ich bitte Sie daher, meinen Vorschlag zu acceptieren.«

»Aber bester Herr Kunsel,« begann Worse von neuem. Er war auf einmal wieder auf seinen alten Platz gekommen und konnte sich durchaus nicht mit dem Gedanken vertraut machen, daß er der Compagnon von Morten W. Garman, dem Konsul, selber sein solle!

Der andere aber hielt an seinem Beschluß fest und für Worse blieb also schließlich nichts übrig, als einzuschlagen.

Sie saßen noch lange bei einander und sprachen über das zukünftige Arrangement. Der Konsul sagte gerade heraus, daß er nicht erwarte, Jakob Worse werde sich sehr viel um den eigentlichen Gang des Geschäftes kümmern, worüber Worse herzlich lachte, denn das hätte ihm sicherlich nie einfallen können, meinte er.

Als er nach der Stadt zurückfuhr, kam es ihm vor, als sei er ein ganz anderer Jakob Worse geworden, als vorher, da er hinausfuhr. Es kamen ihm dabei allerlei große Gedanken über seine neue Würde. Er murmelte den Namen Garman und Worse vor sich hin und stellte sich vor, welchen Eindruck die Nachricht auf Randulf machen würde.

Seine Freude war indessen nicht vollkommen; das, was sich ereignet hatte, war gar zu viel für ihn, war gar zu plötzlich gekommen; deshalb konnte er es auch nicht über sich gewinnen, davon zu sprechen.

Konsul Garman machte kein Hehl aus der Veränderung der Firma, und am nächsten Tage war die Neuigkeit in den beiden kleinen bescheidenen Zeitungen der Stadt zu lesen.

Man kann sich denken, welch willkommenen Anlaß diese Begebenheit zu festlichen Zusammenkünften und lange anhaltenden Gelagen im Klub gab. Worse ward bei Tisch in großen Reden gefeiert und hernach, wenn die Stimmung aufgeräumter geworden war, schonungslos gehänselt. Der Mißgunst fehlt es nie an Witz und Worses Freude über seine Erhöhung war demnach durchaus keine ungetrübte.

Und Randulf, der böse Randulf! Schon hatte er seine Abfahrt aus Riga gemeldet, als die Nachricht einlief, daß er mit einer Rostocker Kuff zusammengestoßen sei, so daß er nach Bolderan hatte zurückgehen müssen, um zu löschen und Reparaturen vorzunehmen. Nun fehlte es bloß, daß er dort einfröre. Als Romarino die Nachricht von dem großen Ereignis erhielt, schrieb er zum erstenmal einen freundlichen Brief an seinen Vater. Dieser fühlte sich aber doch unangenehm dadurch berührt, da der Sohn seiner Anerkennung folgenden Ausdruck gegeben hatte: »Ich muß einräumen, daß du für einen ungeschliffenen Seemann in dieser Angelegenheit gut und fein manövriert hast.«

Madame Torvestad aber verdoppelte ihre Liebenswürdigkeit gegen ihn und als der Herbst mit Sturm und Regen herankam, fand Worse es sehr gemütlich, im Hinterhause bei der Madame und ihren Töchtern Thee zu trinken – wenn keine Versammlung da war.

Im Klub machten sie zu viele schlechte Witze.


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