Eduard von Keyserling
Fräulein Rosa Herz
Eduard von Keyserling

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Fünftes Kapitel

Gegen Morgen erst hatte Agnes Rosa zu Bett gebracht, und ein tiefer Schlaf war über das arme Kind gekommen, aus dem sie erst spät am Vormittag erwachte.

Agnes, die auf diesen Augenblick gespannt gewartet hatte, ging sofort zu ihr und schlug vor, Rosa solle zu Bett bleiben, Tee trinken, ein Ei essen, sich warm zudecken. Rosa wies alles zurück, lächelte und antwortete mit klarer, ruhiger Stimme, sie wolle sich ankleiden und dann Tee trinken. Agnes möge nur so gut sein, im Wohnzimmer ein Feuer anzumachen, denn Rosa fror.

»Ja, ja«, erwiderte Agnes unsicher. »Ich meinte nur, es wäre besser, du bliebst liegen. Wenn ich krank bin oder mir sonst nicht recht ist, mein ich, im Bett, da ist's am sichersten; da kommt mir nicht so leicht etwas nah, das mich kränken oder mir schaden könnte. Aber wie du willst.«

Es war, als habe Rosa während des langen, traumlosen Schlafes alle ihre Erfahrungen zusammengerechnet, denn die Summe stand ihr heute mit überraschender Deutlichkeit vor Augen. Keine Unklarheit, keine Hoffnung mehr, die gestalt- und ziellos im Herzen schläft. Heute sagte sich Rosa: »Ich muß fort.« Vielleicht hatte die Schank noch die bewußte Stelle zu vergeben. Der Vater sollte sobald als möglich mit ihr darüber sprechen. Mit selbständiger Willkür hatte Rosa ihr Leben verdorben, nun begriff sie, daß sie selbst ihm wieder irgendeine erträgliche Gestalt zu geben versuchen mußte. Ein festes Ziel, ein greifbarer Zweck, das war das einzige, was sie jetzt ersehnte. Als sie ihrem Vater ihre ernste Stirn zum Morgenkusse bot, sagte sie: »Papa, setz dich her zu mir und hör mir, bitte, zu. Wir wollen sehr vernünftig sprechen.«

»Gewiß, Kind«, erwiderte Herr Herz und fügte hinzu, weil er glaubte, ein Scherz erleichtere jede Situation: »Und was für ein strenges Schulmeistergesicht du machst!«

»Oh, lache nicht, Papa! Ich habe allen Grund, ernst zu sein«, meinte Rosa, und während sie ihren Tee trank, erklärte sie: »Ich wollte dich bitten, zu Fräulein Schank hinüberzugehen – recht bald – morgen schon, um sie zu fragen, ob jene – Bonnenstelle, von der sie sprach, noch frei ist. Ich bin bereit, gleich abzureisen, wenn es nötig ist.«

»Warum denn?« fragte Herr Herz schnell. »Ist gestern etwas passiert?«

»Nein. Oder doch. Klappekahl teilte mir einiges – über Ambrosius Tellerat mit, das regte mich auf – und hat wohl auch zu meinem Entschluß beigetragen.«

Während sie sprach, tauchte sie Brotschnitte in den Tee und aß und trank mit Heißhunger. – Herr Herz blickte Agnes scheu an. Hatte diese vielleicht all das auch vorausgesehen? Kleinlaut versetzte er dann: »Warum willst du denn fort, liebes Kind?«

»Wir haben das schon besprochen«, erwiderte Rosa, ernst aufblickend, »und am Ende geht die Stelle verloren.«

»So ganz allein willst du mich lassen?« Der alte Ballettänzer verlor seine Fassung. Das fremde, gesetzte Wesen seines Kindes schnürte ihm das Herz zusammen. Rosa aber rückte nahe zu ihm heran, legte ihre Hand mit einer mütterlich überlegenen Bewegung an seine Wange und tröstete ihn. »Du darfst nicht so betrübt sein und mir das Herz schwer machen. Wir wollen uns zusammennehmen. Nicht wahr?« In ihren Worten lag wieder das Liebevolle, Kameradschaftliche, das er an seiner Rosa gewohnt war. »Du weißt es ja, daß ich fort muß. Wenn ich viel Geld verdient habe – dann komme ich zurück, und wir führen ein hübsches Leben, wir drei Alten, denn dann bin ich auch schon alt.«

Herr Herz lächelte, die Augen voller Tränen: »Wer weiß, mein Kind, ob du mich dann noch findest.«

»Doch!« erwiderte Rosa leise. »Da, wo man hoffen darf, muß man hoffen, nicht wahr? Wenn wir denken müßten, daß alles im Leben schlimm ausgeht, daß nichts so kommt, wie wir es wünschen, nein, das wäre zu hart! Du, Agnes und ich werden sehr lustige Leute sein.«

Agnes stand an der Türe, sie wandte jedoch Vater und Tochter den Rücken zu, sie mochte ihr Gesicht nicht sehen lassen. –

»Du gehst also morgen zu Fräulein Schank«, schloß Rosa und lehnte sich fröstelnd in die Sofaecke zurück. »Jetzt wollen wir beisammen sein ganz wie früher. Komm, Agnes – setz dich her – und du, Papa, erzähl etwas.«

Herr Herz wischte sich getröstet die Tränen aus den Augen. Gemütlichkeit vergötterte er. Wären die Leute nur gemütlich, vieles im Leben wäre leichter zu ertragen – meinte er. Er begann von Sally und Toddels zu erzählen, wie sie sich im Laden geküßt hatten, wie sie Arm in Arm auf der Straße einherstolzierten und miteinander disputierten; Sally fand ihren Bräutigam nicht »gläubig« genug und wollte ihn bekehren. – Rosa hörte schweigend zu und lachte zuweilen – sanft und matt, wie im Schlaf. Agnes, die Brille mit den großen runden Gläsern auf der Nase, saß vor dem Feuer und strickte. »Nun«, bemerkte sie zu Herrn Herz' Bericht, »wenn die den Toddels heiraten kann, hätte sie ebensogut den Lurch nehmen können, da ist kein Unterschied.«

»Lurch!« rief der Ballettänzer. »Weißt du das denn nicht? Der ist heute morgen unten am Fluß in der verrufenen Badestube tot aufgefunden worden. Ja, ja, in der Wanne hat er gesessen und hat sich mit einem Rasiermesser die Pulsader geöffnet. Es ist toll! Die alte Lurch ist schlimm daran! Und – warum er's getan, weiß kein Mensch.«

»Um Gottes willen! Sehn Sie doch das Kind an!« schrie Agnes auf.

Rosa hatte sich vorgebeugt und starrte ihren Vater an, das Gesicht weiß wie ein Tuch. »Rosa – ist dir schlecht?« fragte Herr Herz.

»Ja«, sagte sie, sank zurück und schloß die Augen. »Sehr schlecht!«

Das Gefühl des Ekels und der Furcht, wie sie es gestern unten am Fluß empfunden hatte, erschütterte sie wieder. Klammerte sich doch alles, was niedrig, grausam, furchtbar war, an ihr Leben. Ja, auch diese blutige Tat in der schmutzigen Badestube gehörte zu ihr. Sie sah Lurchs gelbes Gesicht von Blut befleckt – sie hörte wieder den heiseren, gequälten Ton seiner Stimme: »Die Liebe zu Ihnen frißt an mir.« Pfui! Alles, alles verschwor sich, um sie zu beflecken! Sie ging unter in den trüben, unreinen Fluten – und nirgends Rettung. Sie fuhr auf. »Geht nicht fort«, rief sie und griff angstvoll nach dem Arm ihres Vaters.

»Nein, Kind, wir sind da. Beruhige dich. Komm, leg dich zur Ruh.« Rosa ließ sich fortführen, wiederholte nur immer: »Geht nicht fort.«

Ein heftiges Fieber ergriff sie über Nacht. Dr. Holte kam und schüttelte bedenklich den Kopf, als er jedoch nach einiger Zeit wieder vorsprach, fand er das Fieber gesunken; die Patientin schlief ruhig. »Es ist vorüber«, sagte er. »Große Mattigkeit wird eintreten, und dann sind wir fertig. Eine prächtige Natur, Ihre Tochter – bester Herz; kräftig, wissen Sie. Empfehle mich.«

Dr. Holte hatte recht. Bald saß Rosa wieder im Sessel und nahm Agnes' Pflege und Sorgfalt willig wie ein Kind entgegen. Eine große Krankheit, dachte sie, wäre ihr lieber gewesen, eine jener Krankheiten, von denen sie gelesen, die jede Erinnerung an die Vergangenheit zerstören und den Menschen wie ein reines, unbeschriebenes Blatt dem Leben wieder übergeben. Ja, wer wieder ganz von neuem anfangen könnte!

Täglich fragte Rosa ihren Vater: »Bist du bei der Schank gewesen?« – »Nein«, antwortete dieser und schlug sich mit der Hand an die Stirn. »Mein alter Kopf behält auch nichts mehr. Aber, so große Eile wird's wohl nicht haben.«

»Doch – Papa«, meinte Rosa mit dem herben, gereizten Stimmton, den sie in letzter Zeit annahm.

Sehr schwer entschloß sich Herr Herz zu diesem Gang; eines Morgens aber machte er sich doch auf den Weg. Fräulein Schank empfing ihren alten Freund äußerst kühl und streng. Sie meinte: Damals, als noch Zeit war, wollte man nicht. Jetzt wüßte sie nicht, ob die betreffende Stelle noch frei sei. Hätte man damals auf sie gehört, so wäre manches besser geworden. »Übrigens«, sagte sie, »wissen Sie's ja, daß ich bereit bin zu helfen, wenn ich kann; schon um Ihrer verewigten Schwester willen, der, dem Himmel sei Dank, manche herbe Erfahrung erspart geblieben ist. Ich werde also schreiben – mich erkundigen. Vor zwei Wochen ist natürlich an kein Resultat zu denken.« Sie reichte dem Ballettänzer zum Abschied ihre kalten, spitzen Finger und wiederholte: »Wenn ich nützen kann, stehe ich zu Diensten, um Ihrer Schwester willen.«

Diese halbe Stunde vor dem mitleidig sauren Gesichte der Schulvorsteherin war Herrn Herz peinlich genug gewesen, mit dem Ergebnis der Unterredung jedoch war er zufrieden. Vor zwei Wochen brauchte von Rosas Abreise nicht die Rede zu sein. Sehr erleichtert eilte er heim. Rosa fand er nicht im Wohnzimmer. Er fragte Agnes, die aus Rosas Zimmer kam und die Türe hinter sich schloß: »Schläft das Kind noch?«

»Ja«, erwiderte Agnes einfach – und machte sich daran, den Staub von der Kommode zu wischen.

»Sie schläft noch?« wiederholte Herr Herz erstaunt. »Ist sie denn krank?«

»Ja – sie ist krank.« Agnes arbeitete, ohne aufzublicken, emsig fort.

»Da will ich doch nachsehen –« Er warf seinen Hut fort und eilte zur Türe. Agnes hielt ihn jedoch mit einem kurzen »Gehen Sie besser nicht« zurück. Herr Herz blieb stehen, protestierte: »Warum nicht?« Was waren das für neue Einrichtungen. Er mußte Rosa berichten, was die Schank gesagt hatte; aber während er so vor sich hinzankte, ward ihm unbehaglich zumut. Agnes sah so feierlich aus – wischte eifrig und unnahbar den Staub von der Kommode – und machte ihr ernstes Gesicht, zog den Mund auseinander, so daß an den Mundwinkeln große Falten entstanden; eine Miene, die sie nur dann aufsetzte, wenn sie Kopfweh hatte oder wenn etwas vorgefallen war.

»Was ist denn geschehen?« fragte Herr Herz plötzlich.

»Wegen der Reise«, versetzte Agnes, »brauchen Sie der Rosa nichts zu sagen. Jetzt kann sie nicht reisen.«

»Nicht?« Herr Herz stand mitten im Zimmer und machte ein sehr verwirrtes Gesicht.

»Nein«, fuhr Agnes fort, hastig die Platte der Kommode reibend: »Wir haben gedacht, sie soll nach Tiglau – – für einige Zeit – – zu meiner Schwester. Wenn auch nicht gleich – –« Sie bog den Kopf zur Seite, um zu sehen, ob die Politur nicht einen Flecken behielt.

»Nach Tiglau, sagst du?« Herr Herz verstand nicht, was vorging. »So? – Du meinst der Landluft wegen – was?« Agnes zuckte die Achseln und ordnete die Bände der illustrierten Zeitschrift. »Was? – So sprich doch –« wiederholte Herr Herz leise und dringend. Da wandte sich Agnes ihm zu und sagte langsam: »Nach Tiglau – muß sie; zu meiner Schwester – Böhk.«

»Zu deiner Schwester Böhk«, sprach er ihr sinnend nach. – »Nach Tiglau – ja – ja –« Und als er aufschaute, begegnete er den fest auf ihn gerichteten Blicken seiner alten Dienerin. Sie sahen sich schweigend an. Herr Herz errötete, um gleich wieder ganz bleich zu werden. Agnes wandte sich ihrer Arbeit zu. Sie wußte es: jetzt hatte er verstanden.

Der Ballettänzer stand noch eine Weile regungslos mitten im Zimmer, dann ging er mit zitternden Beinen zum Schrank, um seinen Hut einzuschließen, wie er es stets tat. »Also nach Tiglau! So – so«, murmelte er, »je nun! – Das geht –« mechanisch, in gleichgültigem Ton hingeworfene Worte, die er selbst nicht hörte. Er setzte sich, schlug die Beine übereinander, steckte die Hände unter das Knie.

Als Agnes das Zimmer verlassen wollte, schaute sie sich nach ihrem Herrn um und fand, daß er seltsam verfallen und grau dasaß. »Sie sollten ein wenig an die Luft gehen«, warf sie hin. »An die Luft«, antwortete er. »Ja, das kann nichts schaden.« Agnes half ihm den Überrock anziehen, reichte ihm den Hut, während er immer halblaut wiederholte: »Ja, das kann nichts schaden!«

Im Stadtgarten kam ihm der Doktor entgegen und rief ihn an: »Hallo – Herz! Was laufen Sie denn da herum!« – »Ich mache mir Bewegung«, antwortete Herr Herz. Ja, er machte sich sehr heftig Bewegung! Den Hut im Nacken, den Überrock offen, ging er mit Fieberhast die Kieswege auf und ab. Die greisen Augenbrauen zuckten, und er sprach eifrig mit sich selbst: »Nein, das habe ich nicht erwartet – das nicht! Ich meinte, das Schlimmste sei vorüber, nun kommt so etwas! Jahr um Jahr hat man gearbeitet, um dem Kinde eine Zukunft zu verschaffen – und alles umsonst!«

Die Schande, das Elend, die er als Komödiant hinuntergewürgt hatte, sie kamen, wie eine böse Krankheit, bei seinem Kinde wieder zum Vorschein. Rosa mußte es büßen, daß er – Herz – nicht von jeher ein ordentlicher Bürger gewesen war. – Zuweilen blieb er stehen, stemmte einen Arm in die Seite – versuchte sich wieder zu den leichtfertigen Ballettänzeranschauungen zu überreden: Was ist dabei? Kannte denn jemand all die Geschichten, die Zerline ausgeführt hatte? Ach, was die Leute nicht sehen...! Und dennoch – dennoch – es war schrecklich! Was sollte er Rosa sagen. Er zürnte ihr und war es doch so ungewohnt, ihr zu zürnen.

Daheim aber schmolz aller Zorn im übergroßen Mitleid dahin vor der blassen Gestalt seiner Tochter. Rosa schaute ihrem Vater mit großen, angstvollen Augen entgegen und wartete, was er sagen würde. – Er jedoch vermochte nichts zu sagen; beim ersten Wort wären die Tränen gekommen. Er küßte Rosa auf den Scheitel – streichelte sanft ihren Arm.

»Armer Papa«, sagte Rosa, ohne die Liebkosungen zu erwidern, indem sie ruhig sitzenblieb, die Hände im Schoß gefaltet.

»Laß es gut sein«, versetzte Herr Herz mit bebender Stimme.

»Habt ihr schon gegessen?«

»Nein, Agnes wartet.«

Für die Familie Herz kam jetzt eine Zeit trüben, selten unterbrochenen Schweigens. Selbst Agnes fand nichts mehr zu sagen – von Tiglau durfte nicht gesprochen werden. In den Zimmern, die von der Oktobersonne mit nüchterner Klarheit erfüllt wurden, gingen die drei bekümmerten Menschen still und in sich gekehrt nebeneinander her, und über einen jeden von ihnen kam oft ein tiefes Sinnen, das ihn auf den Fleck, auf dem er stand, die Hand an der Arbeit, die er eben verrichtete, festbannte.

Rosa empfand anfangs nur unnennbares Staunen, das war nicht möglich! An so etwas hatte sie nie gedacht. Es war zu ungeheuerlich und erregte in ihr eine unklare, ungläubige Furcht. Zwar, in den Romanen, von denen Fräulein Schank sagte, daß sie Gift für jedes junge Mädchen seien, da pflegte wohl ein armes, bleiches Weib mit einem Kinde vor dem vornehmen jungen Mann zu erscheinen, der gerade mit seiner Braut spazierengeht. Also – so etwas war's, was ihr begegnete. Ein großes Unglück, natürlich! Sie stand aber in ihrer kindischen Unbeholfenheit davor und versuchte es sich dadurch klarzumachen, daß sie an die heimlich gelesenen Romane dachte.

Agnes hatte ihr an jenem Morgen, sehr erschrocken, sehr erregt, aber klar und bar gesagt: »Liebes Kind, mit dir steht es so und so.« Gut, es war entsetzlich! Dennoch hätte Rosa gern mehr darüber erfahren. Endlich – eines morgens – trat sie, tief errötend, zu Agnes in die Küche, schloß die Türe hinter sich und veranlaßte ein langes, halblaut geführtes Gespräch, das ihr vieles klarmachte.

Wunderbar blieb es immerhin!

Stundenlang saß sie in ihrer Kammer, sah den rötlichen Zweigen der Kastanie zu, wie sie sich sachte auf dem Hintergrunde des hartblauen Himmels hin und her wiegten, und dachte nach: Also – ganz einfach – einen Menschen sollte sie zur Welt bringen, ein Wesen wie sie selbst, wie jene dort unten, deren Schritte zu ihr herauftönten; nur daß dieses Wesen ihr gehören würde – ganz ihr, nicht wahr? So gut wie ihre Stecknadeln und ihr Fingerhut? Seltsam! Und dieses Eigentum wird essen und trinken und lieben und unglücklich sein wie sie – wie Ambrosius – ? Nein – schlecht und unglücklich sollte es nicht werden! Es? – Was? – Wer war das? Rosas armes Mädchenhirn stand ratlos vor den großen Fragen des Lebens. Sie schauerte in sich zusammen. Sie fürchtete sich vor sich selbst! Gespenstisch erschien ihr der eigene Körper, in dem so wunderbare Dinge vor sich gehen sollten – erschien ihr das eigene Herz, das plötzlich etwas zu verteidigen und zu lieben begann, was gar nicht da war – was niemand kannte. Nein, zu begreifen war es nicht! – Sie ließ ihren Kopf auf das Fensterbrett sinken und weinte.

Aber in dem tiefen Schmerz, der sie laut und lange schluchzen ließ, war etwas – kaum geahnt und doch empfunden – etwas wie Trost, etwas, zu dem ihr verarmt und verödet Leben hinstrebte; etwas Reines, Schönes, das ihr vielleicht werden konnte. So unverstanden dieses Gefühl auch war, dennoch ließ es Rosas Tränen sanfter rinnen.


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