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Der Großteil meiner liebsten Menschen weilt noch fröhlich in der Welt des Sonnenlichts. Von den Dichtern der Meister Rosegger, der zuerst in seinem Heimgarten meinen »Weltverdruß« aufnahm, uns oft und oft als humorsprudelnder Vorleser erquickte, meiner »Spinnerin« in Graz das beste, laute gute Wort zollte, immer ein aufrechter Freund blieb und trotz mancher Kränklichkeit so »stoansteirischer« Natur ist, daß er noch 100 Jahre tapfer leben und dichten wird zu seinem Ruhm und zur Freude künftiger Geschlechter. Da ist – wer kennt ihn nicht in allen deutschen Gauen? – da ist der Sänger von der Festenburg, der Gralsritter der deutschen Poesie, Meister Ottokar Kernstock! Sein Lied zu meinem letzten Wiegenfeste hat mich hoch in Apollo geadelt. Er hat uns im Zeitalter der grauen Wirklichkeit das Sonnengold der Schönheit wiedergegeben. Da sitzen noch in Graz als liebe Freunde und deutsche Poeten Dr. Goltsch, Skriptor Gawalowski und Aurelius Polzer. Da steht neben seiner schönen Gattin in seiner Bildhauerwerkstatt Meister Pygmalion (Professor Hans Brandstetter) der mein sterblich Teil als Relief fixiert hat, der mir Liebe und Treue bewahrt, seit wir uns in einem Wiener Caféhaus kennen lernten. Im selben Graz lebt auch der unermüdliche Harmoniensohn, der Evangelimann Dr. Wilhelm Kienzl. Bei dem Namen Graz muß ich des herrlichen Dichters Robert Hamerling gedenken, mit dem ich Briefe wechselte und dem ich aus innigster Verehrung mein Buch »Aus dem Sturmgesang des Lebens« widmete. Dort steht in der Sterngasse der Sternhof, den ich »die Burg der Wastiane« nennen möchte, dieser tapferen »Ritter vom Geiste«. Dankbare Liebe verbindet mich mit dieser Familie vom Vater auf die Söhne. Der schneidige Volksredner Heini ist unter die Politiker gegangen, deren aufreibende Pflichten und Schlachten ihn mit einer mächtigen Wolke längst meinen sterblichen Augen entrückten. Der jüngere Bruder, der Cand. philos. Franz, ist mein unbeschreiblich treuer Freund, sozusagen mein Filius unigenitus mit gepanzerter Feder. Das Haus der Wastiane sei gesegnet für und für!

Dicht bei Graz, in Gratwein, im alten Runegau, lernte ich auf seinem weitausblickenden Sommersitz einen der herrlichsten Menschen kennen, den genialen Bühnenkünstler, Dichter und Lektor der Universität Graz, meinen geliebten Freund Ferdinand Steil, ein starkes, herzensfreudiges Rheinlandskind in voller Lebenskraft und höchster Künstlerweihe.

Wenn dieser hochbegabte Mann so glücklich ist, die bedeutungsvolle Sendung zu vollziehen, die auf seine Schultern gelegt ist, so wird das jetzt so bedenklich ausgebeutete und versumpfte deutsche Theaterwesen zu neuer, ungeahnter Blüte und Kraft gedeihen, diesseits und jenseits des Weltmeeres. Gott sei mit ihm!

Großes Heil ist mir in Wien zuteil geworden. Als Naturmensch, der im Wald geboren ist, als Schlenderer durch Feld und Flur, als Romantiker im Leben und Dichtung, hatte ich immer einen Schauder vor dem Getriebe der Großstadt. Mittlere und kleine Städte, Märkte mit uralten Häusern waren mein Fall. Graz blieb stets mein Ideal. Und dennoch tat ich den Schritt nach Wien mit Glück. Ich hatte es nicht zu bereuen. Ich fand neben dem großen Lärm, neben der Millionen-Schablone eine herzensfrische Gemeinde, eine gesunde Jüngerschaft alles Schönen, eine kleine unsterbliche Schar, die für das Edle in den Kampf zieht; ich fand Herz und Kunst.

Unter die edlen Männer, die in jüngster Zeit mit Geist und Anerkennung mich gefördert haben, gehören in erster Linie die Literarhistoriker K. M. Klob in Wien und Professor Eduard Engel in Berlin. Ein Poet tiefernsten und zugleich humorvollsten Geistes, ein allzeit getreuer Freund, ein allzu bescheidener Mensch, Oskar Pach, wurde mir, kaum daß wir uns inniger gefunden hatten, auf immer entrissen. Er gab mir die Anregung, diese Bekenntnisse meinen Freunden zu hinterlassen. Jahrelang bekämpfte er meinen Widerwillen, meine Unlust, über mich selbst zu sprechen. Als ich endlich daran ging, mich meines Lebens zu besinnen, starb er hinweg, ohne ein Wort gelesen zu haben. Meister Hänlein, der Bildhauer, hat uns sein liebes gutes Gesicht auf dem Grabstein zu Meidling lebenswahr festgehalten.

Mit Wärme sei hier noch des jungen trefflichen Bildhauers Willibald Forstner gedacht, der dem Scheffelbund in Wien meine Büste vollendete und des Poeten A. A. Naaff. Soll ich hier noch beifügen, daß Ugolino, der Schloßherr von Trautenburg, der Weiberfeind, durch eine schöne Amerikanerin vollständig bekehrt, ein Musterehemann und guter Vater geworden ist? Ich bin seines ersten Buben »Göd«. An glücklicher Vaterschaft steht gleichfalls mein lieber Freund Dr. Julius Berger keinem Sterblichen zurück. Diesem Erzengel von Berchtesgaden gesellt sich in treuer Freundschaft für mich Professor Pfreimbtner in Salzburg, Professor Ruff, Professor Ludwig, Notar Eckart in Wien, Professor Dr. Richard Maria Werner von der k. k. Universität in Lemberg, Professor Wasserburger, Familie Dolenz, Familie Schäffer und andere.

Hocherfreuliche Ehren haben mir heimatliche Städte erwiesen. Straßen wurden nach meinem Namen benannt. Literarische und theatergesellige Kreise außerhalb und innerhalb Wiens bereiteten mir festliche Abende. So der Scheffelbund, die Scholle, die Südmark, Ostarrichi, die Oberösterreicher in Wien, der Verein der Siebenbürger Sachsen, der Verein zur Erhaltung des Deutschtums in Ungarn, meine einstigen Schüler, der deutsche Klub in Wien, der Lese- und Redeverein der deutschen Hochschüler Wiens, die Bezirksvertretung von Wien-Döbling. Ottokar Kernstocks herrliches Gedicht an mich wirkte wie der Zauber eines Sehers, Sonnenlicht bringend und böse Nebel verbannend.

Behagliche stille Geselligkeit, ab und zu ein schöner Kunstgenuß, halten mich frisch und aufrecht. Bürgermeister und Stadtrat der Reichshauptstadt haben mir die schönsten und ergreifendsten Ehren gewidmet; die Allerhöchste Gnade Sr. Majestät unseres Kaisers hat mir ein Ritterordenskreuz verliehen, zu dem für meine Romantik nichts mehr fehlt, als etwa Roß und Schloß.

Und so segne ich euch alle, meine lieben Freunde, lebende und abgeschiedene, sinnende Männer und liebliche Frauen; und weil ich eben in der olympischen Laune bin, so segne ich auch jene, die mich verdammen sollten.

Zum Schluß dieser kleinen Erinnerungen danke ich aus tiefstem Herzen dem großen, ewigen, unerreichlichen Herrn alles Lebens, in dessen unbegrenzter Welt ich nur ein Staubkorn bin. Er allein weiß, warum er mich so barmherzig erhalten hat.

Was ist auf seinem Erdengange
Des Dichters höchster, schönster Lohn?
Er ist im großen Weltgesange
Vor Gott ein menschgewordner Ton.
Wie Sturmesbeben, Meeresrauschen,
Wie Engelsharfen tönt dies Lied;
Und willst du auf den Dichter lauschen.
Tu' auf dein Herz, so klingt es mit!

Wien, im Frühling 1911.

Franz Keim.


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