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Und nun steigt ein junges, schönes, sonniges Bild vor mir empor, das lieblichste Gretchen der deutschen Bühne, die so traurig und so früh dahingeschiedene, unvergeßliche Josefine Wessely.

Der Brief ist datiert vom 24. Oktober 1882.

Durch das nach Dingelstedts Tode interimistisch waltende Regiekollegium mit Zustimmung des Generalintendanten Baron Hofmann wurde meine »Sulamith« nun auch im Wiener Hofburgtheater zur Aufführung vorbereitet. Der Brief ist ein Seelenbild. Lassen wir die Künstlerin sprechen.

»Sehr geehrter Herr Professor!

Versenkt ins Studium meiner lieben Sulamith, komme ich erst heute dazu, Ihnen für Ihre freundlichen Zeilen zu danken. Sie haben mir darin alles ausgeplaudert, was ich von Ihnen über diese liebe Gestalt zu erfahren strebte und so ausgerüstet, bin ich ans Studium gegangen, welches mich nun ganz gefangennimmt. Es ist dies ein unbeschreiblicher Zustand, in dem ich mich da befinde. Wo ich gehe, was ich auch spreche, sehe, unternehme, alles, was mir mit einem Worte begegnet, vermengt sich mit dem Bild der Rolle. Gäbe nur Gott, daß schon alles glücklich vorbei wäre. Was in meiner Kraft liegt, die schöne Gestalt Ihrer Phantasie lebendig und wahr zu verkörpern, Ihnen und dem Publikum zu Dank – soll geschehen. Donnerstag ist die erste Probe. Also glückauf noch einmal. Auf frohes Wiedersehen zur Kostümprobe und zur Schlacht!

Ihre Ihnen sehr ergebene

Josefine Wessely.

Sie hat mir, als die Schlacht vorüber war, noch manches gute, treue, wahre Wort geschenkt. Sie hat selbst, trotz ihres Genius und ihrer hochkünstlerischen Stellung viel gelitten – viel gelitten! Ein junger Tod raffte sie so rasch dahin – mit achtundzwanzig Jahren.

Eine liebenswürdige junge Schauspielerin, Fräulein Gusti Telmar, heute Frau Direktor Karl Richter, schenkte mir das letzte Bild der Künstlerin Josefine Wessely. Welch ein Gesicht! Noch immer so schön, wie sie bei jener Kostümprobe war, aber seelisches Leiden und Schatten des Todes ziehen wie blasse Reflexe darüber hin. Dieses Bild gehört ins Allerheiligste meiner Erinnerungen.

In solcher Stimmung etwa schrieb ich mein deutsches Bauernlied auf fliegenden Blättern »Stefan Fadinger«.

Wenn irgendwo ein geschichtliches Ereignis in der Erinnerung des Volkes lebendig geblieben ist, so ist dies hier der Fall in den Gauen meiner obderennsischen Heimat. Ein mehrwöchentlicher Ferienbummel führte mich in Begleitung meiner Frau an alle die denkwürdigen Stätten der vier alten Viertel Oberösterreichs vom Maierhoferberg bis zur Weiberau und dem Hausruck. Robert Hamerling und der schon sterbenskranke Dichter Viktor v. Scheffel bezeugten mir ihre Freude über das Werk.

Nun hieß ich der Dichter des Stefan Fadinger. Mich aber hatte nicht bloß das geschichtliche Schauspiel der erbarmungslosen Gegenreformation und der Reiz des Lokalkolorits, mich hatte aus unmittelbarer Nähe ein düsteres Denkmal jenes Volksmartyriums ergriffen, der Bauernhügel bei Pinsdorf in der Nähe Gmundens, der hart neben der alten Straße liegt, einige tausend armer Teufel bedeckend, die hier im letzten Kampfe gegen die Uebermacht Pappenheims gefallen waren. Mein verstorbener Schwager Johannes Forstinger, ein gebildeter Katholik, hatte den armen Evangelischen einen granitenen Obelisk gestiftet, zu dem ich oft gepilgert bin.

Es ist nicht meine Absicht, aller meiner Werke einzeln zu gedenken. Diese Blätter wollen ja nur ein Gärtlein der Erinnerung sein, nur manches grünen Plätzchens gedenkend, wo ich gerne verweilen mochte, oder höchstens eines kurzen Nebenweges zwischen Rosen und Dornen. Es ist auch nicht meine Art, mich in Beziehung zu den Dichtern meiner Epoche zu stellen, die bereits einen berühmten Namen erworben hatten. Mit Peter Rosegger war ich bereits brieflich in respektvolle Berührung geraten, als er in seinem Heimgarten meinen »Weltverdruß« veröffentlicht hatte. Als die deutschen Hochschüler Wiens eine Festvorstellung von Anzengrubers »Meineidbauer« im Theater an der Wien veranstalteten, wozu ich aufgefordert wurde, eine einleitende Apotheose zu schreiben, welche als »Cheristane« dem Stücke voranging, wurde ich mit Meister Anzengruber und dem anwesenden Dichter Rosegger persönlich bekannt, indem ich als dritter geladener Gast an der Hoteltafel beiden näher kam. Anzengruber stand damals noch in seiner Vollkraft, eine Andreas-Hofer-Gestalt. Ich höre noch seine, ich möchte sagen, vom Bewußtsein geschwellte Stimme, mit der er seiner Freude Ausdruck gab, daß es ihm vergönnt war, uns »das echte Volksstück« zu schenken. Der mit blitzenden Augen und pechschwarzem Haar jugendlich beweglich neben ihm sitzende »Peterl« erhob sich zu einer witzigen »stoansteirischen« Rede, die nach den Worten des ernsten Meisters wohltätig zündete, worauf der damals auch noch frischtannenhaft kräftige Meisterdarsteller der Anzengruberschen Muse, Ludwig Martinelli, der in der Titelrolle des Feststückes geglänzt hatte, auch noch kernig zu Worte kam.

So wurde ich mit dem berühmten Kleeblatt auf einem Sitz befreundet. Anzengruber drückte mir beim Abschied die Hand und sagte gemütlich: »Wann S' mi' amal brauchen, so kumman S' nur. Bleiben Sö ollweil bei dem Schaner wia d' Sulamith?« Ich mußte lachen und sagte dankend: »Das weiß ich selber noch nicht.« Die große Kunst Anzengrubers, gepflegt von bedeutenden Künstlern, hob unsere Bühne mit wohltätiger Kraft und reizvoller Originalität geraume Zeit aus ihrer Versumpfung. Die Zeitgeschichte weiß von einem hohen Aufstieg Anzengrubers zu erzählen, dem in den letzten Lebensjahren des Dichters eine versteckte Opposition der Wiener Bühnen folgte, so daß das reifste Werk seiner letzten Periode, »Das vierte Gebot«, seine Erstaufführung draußen in Baden erleben mußte. Der Wiener »Gschpaß« trat wieder seine Herrschaft an und wird ewig der guten, echten Kunst den Boden streitig machen, weil eben der »Gschpaß« das bequemste und einträglichste Futter für die Massen ist.

Ich fühlte, daß ich meinen eigenen Weg gehen müsse. Von der großen Tragödie Grillparzers hatte ich gleichsam den Segensgruß empfangen bei meinem ersten Schritt zur »Sulamith«.

Das Bauern- und Wiener-Lokalstück Anzengrubers, so tief ich es verehren mußte, war doch nicht meine Welt, weil es das ausschloß, was ich beispielsweise in den Bildern Defreggers bewunderte, den großen Zug des Nationalheroischen, des vaterländischen Heldentumes. Der Niedergang alles dessen, worauf ich als Deutscher stolz war in meinem Vaterlande, die Sehnsucht, das Verlorene wenigstens im künstlerischen Bilde wiederzuerwecken, ließ mich mit verdoppelter Liebe auf die Vergangenheit blicken, deren Gedächtnis noch nicht ausgelöscht ist in den denkenden Köpfen und empfindenden Herzen. Und das führte mich zu Stoffen, die in Geschichte und Sage, in Fels und Strom, in Trümmerburgen und Denksteinen erhalten sind bis auf den heutigen Tag.

In diesem Geiste erschuf ich den »Schmied von Rolandseck«, den »Schenk von Dürnstein«, »Das Steinfeldmärchen«, »Die Spinnerin am Kreuz«. Der Humor machte sein Recht geltend im »Schelm vom Kahlenberg«, im »Fridolin«. Das alte Volksbuch reizte mich, in »Münchhausens letzter Lüge« die Gestalt des nie verlegenen Abenteurers heraufzubeschwören in einer Komödie. Waren einige dieser Werke mit Glück auf die großen Bühnen von Wien und Berlin gedrungen und von dort aus über zahlreiche Provinztheater Oesterreich-Ungarns und des Deutschen Reiches gegangen, so sah ich andere bei volkstümlichen Festen zu wiederkehrenden Zeiten von Turnern und Arbeitervereinen in Oesterreich und Deutschböhmen in Freilichttheatern, also vom Volke selber, aufgeführt. Das Beispiel der Schweizer, die ihren Wilhelm Tell zur Erhebung und Stärkung des nationalen Geistes mit schlichter Volkskunst immer wieder sich vor Augen führen, erbringt wohl den Beweis, daß auch unsere Geschichte und Sage der Kunst und der eingeborenen Volksnatur neue Belebung, Kräftigung und Freude zuführen könne. Ich erlebte auf denkwürdigem Boden unter festlich gestimmten Volksgenossen unvergeßliche Tage und Stunden.

War ich im Laufe der Jahre mit bedeutenden Schriftstellern, wie Scheffel, Hamerling, Hans Herrig, Rosegger, zuletzt mit dem größten Dramatiker Deutschlands, Ernst von Wildenbruch, und dem weihevollen, einzigartigen Sänger von der Festenburg, Ottokar Kernstock, brieflich in Verkehr getreten, ja mit den zwei Letztgenannten in das Verhältnis innigster Freundschaft gekommen, so gewährte mir der teilnehmende Zuspruch, die Ermunterung und Anerkennung dieser bedeutenden Männer die Ueberzeugung, daß ich, obgleich abseits von der Liga der bühnenbeherrschenden Spekulationsfirmen, doch auf dem Wege ehrlicher Kunst und unbeirrter Natur geblieben sei, ohne mich durch Unverständnis, Beschränktheit oder Neid böswilliger oder verbummelter Besserwisser von Gottes Ungnaden auch nur im geringsten irren zu lassen. Eines meiner Lieder sagt:

»Was ist denn geschehn? Laßt sie schwätzen und schreiben! Die Blätter vergehn, die Werke bleiben.«

Den gewaltigsten und tiefsten künstlerischen Eindruck meines Lebens habe ich in Bayreuth empfangen. Wer dort den »Parsifal« und »Tristan und Isolde« erlebt hat, der ist mit einem Feuerzauber gegen all den Katzenjammer moderner Kunstzustände gefeit und gesichert. Jeder junge Künstler sollte aus diesem Olympia sich die Lebensweihe holen.

Das Schicksal hat mich aber auch mit manchem drolligen Modell zusammengeführt, von dem ich manches, gerade wegen der Gegensätzlichkeit unsrer Naturen lernen konnte. Ich will ein solches Original aus der Erinnerung heraufbeschwören und pietätvoll festhalten, was ich seinem Umgang verdanke.

Eines Tages war in unserm Städtchen eine Gestalt aufgetaucht, welche nicht geringes Befremden erregte. Es war Graf Emerich von Stadion. Er verkehrte mit niemand als dem gleichfalls hier ganz zurückgezogen lebenden Schriftsteller Emil Vacano. Ich wußte nichts von beider Vergangenheit, weder literarisch, noch biographisch. Nur von Vacanos Postarbeiten in großen illustrierten Zeitungen hatte ich manches gelesen. Beide schienen mir bewußt oder unbewußt Nachahmer Sacher Masochs zu sein, den sie bewunderten.

Da geschah es, daß eines Abends der mir fremde Graf im Theater eines meiner Stücke sah und sich derart davon berührt fühlte, daß er mich persönlich aufzusuchen beschloß. Ich war zufällig vom Hause abwesend, als die Klingel gezogen wurde und meine Frau, vor Schrecken ratlos, einer Erscheinung gegenüberstand, die ich einigermaßen also zu beschreiben versuchen will. Eine kavaliermäßig hohe, frappierende Erscheinung. In der Ferne mehr jugendlich als alt; in der Nähe erschreckend gekünstelt. Auf dem Haupte schiefsitzend ein kleines Hütchen; darunter eine rötlichbraune Perücke, das Haar über Stirne und Schläfen herabgekämmt in malerisch nicht geglückter Nachahmung uralter Frisuren aus der Zeit Lord Byrons. Ueber den Salonrock einen langen rotbraunen Havelock und über die Beine schwefelgelbe Gamaschen. Nur der dünne in Schwänzchen aufgerichtete rötliche Schnurrbart und zwei kurze seitliche Bartstreifen vor den Ohren erschienen als unbestreitbar natürlich. Seltsam dagegen waren die Augenbrauen, deren beginnendes Silber durch naiven Auftrag von schwarzem Stoppelkohlenruß energisch überdeckt war. Zu dieser Erscheinung kam eine heisere, hohe Fistelstimme und ein unsicheres, fast ängstliches Benehmen, das, als der Gast abgelegt und Platz genommen hatte, in noch seltsamere Taktik überging. Der herzensgute Mann, voll Angst, daß seine Perücke ihren Standpunkt wechseln oder irgendeine Blöße zeigen könnte, zog hastig ab und zu, aber stets unter dem Schutze der Tischplatte, ein kleines Spiegelchen hervor, klemmte es in die innere Handfläche und warf unter lebhafter Bewegung der Arme rasche, orientierende Blicke hinab, die meine arme Frau, welche solche Manieren nie gesehen hatte, in wahre Verzweiflung brachten. Dreimal nacheinander bestürmte er am selben Tage meine Wohnung, ohne mich anzutreffen. Erst auf der Gasse kam ich ihm in den Weg und ich fand unter der peinlich ängstlichen Hülle des menschenscheuen Absonderlings einen herzensguten, geistvollen, durch Not und Demütigungen schmerzlich niedergedrückten Mann.

Er besuchte uns nun regelmäßig an bestimmten Abenden; und als wir zur Ferienzeit in die Alpen zur Sommerfrische zogen, bat er mich in einem wahrhaft rührenden Briefe um »das brüderliche Du«.

Jetzt, wo er längst im Grabe ruht, halte ich es für eine Pflicht der Dankbarkeit, seiner seltenen Gaben und Vorzüge zu gedenken.

Als Poet konnte er auf mich keine Wirkung üben, weil das allzu Romantische, mitunter Kapriziöse, fast Abergläubische seiner auf das Pikante gerichteten Schauspiele, sowie das Stammbuchblumenhafte seiner kurzen Verse, als Produkt einer Salonerziehung mir halb als eine Verirrung erschien, halb als Dilettantismus.

Aber der Mensch in ihm, der allzeit getreue Kamerad, der unermüdliche Warner und Berater, der geistvolle Vorleser, der eminente Spieler der vollendeten sowie der erst werdenden Rollen meiner Stücke, der ist mir ebenso unvergeßlich, wie unersetzlich geblieben. Er besaß die goldene Eigenschaft des Herzens, sich selbst zu vergessen und nur dem Wohl und Weh meines Gestaltens und Schaffens zu leben.

Wenn mich der Zweifel entmutigen, die Gemeinheit niederdrücken wollte, dann richtete mich sein nie ermüdender Zuspruch immer wieder auf. Niemals werde ich die guten Worte vergessen, die er einmal zu mir sprach, als ich in einer schwer verdüsterten Stunde dem Abscheu und Lebensverdruß erliegen zu müssen glaubte. Hochaufgerichtet sprach er mit seiner verschleierten, teilnehmenden Stimme: »Ich beschwöre dich, lieber Franz, nur in einem einzigen Punkte folge dem großen Grillparzer nicht nach; leg' die Feder nicht aus der Hand und laß dich nicht vergrämen. Bereite den Kanaillen, die dich unterdrücken oder ignorieren wollen, ja nicht den Triumph, als wolltest oder könntest du nichts mehr schaffen. Gott hat dir den Humor verliehen; arbeite für die Zukunft und verachte sie!«

Nie habe ich einen zweiten Menschen gefunden, der, wenn ich ihm nur eine flüchtige Skizze mitteilte, Tag und Nacht nicht Ruhe fand, bis er mich dahin brachte, dieses oder jenes auszuführen, durchzukomponieren, abzuschließen. War ich stimmungslos, so konnte er nicht müde werden, mich in gute Stimmung zu versetzen, sei es, daß er auf dem Flügel, den er genial beherrschte, mir einen Beethoven, Wagner, Liszt oder Chopin vorphantasierte, oder mir eine meiner halbfertigen Szenen dialogisch meisterhaft vorlas. In dieser Kunst war er mein förmliches Haustheater.

Unerschöpflich war er in seinen Lebenserinnerungen, die ihn mit den höchsten und tiefsten Persönlichkeiten, beinahe allen Künstlern oder Kunstautoritäten seiner Zeit in Berührung gebracht hatten.

Fehlte ihm nach meiner Empfindung jene letzte Kraft, die ich das Männliche und Natürliche in der Kunst nennen möchte, so besaß er dafür den ganzen Ueberfluß des Amüsanten, Pikanten, Abenteuerlichen, Absurden, den eine Zickzackerziehung in der Salonatmosphäre des hohen Adels einem nervösen, exzentrischen Geistesbummler mit Phantasie und gutem Herzen einimpfen mußte.

Zwanzig Jahre haben wir kameradschaftlich zusammen verlebt. Niemals hat mich seine Ueberspanntheit beirrt, denn er gestattete, daß ich sie heiter belächle; aber hundertmal habe ich seine Winke und Ratschläge in bezug auf Technik und psychische Steigerung im dramatischen Aufbau als gut und wertvoll erfunden. In den kleinen Nestern, wo er lebte, wo er mit seinem Diener Franzi wirtschaftete, der sein Sekretär, sein Koch, sein Krankenwärter, sein Begleiter auf den einsamen Spaziergängen war, Orte, die er beständig wechselte, – besuchte ich ihn auf kurzer Bahnfahrt an regelmäßigen Sonn- und Feiertagen zu regelmäßiger Arbeit, die in gründlicher Aussprache über halbfertige Pläne, in Rezitationen, Musik und, solange er nicht durch sein späteres Leiden zur Zimmerhaft verurteilt war, in kleinen Waldspaziergängen bestand.

Arm und gesellschaftlich vereinsamt, ja menschenscheu und wunderlich, schien er viele Jahre in diesem schlichten Verkehre sein Genügen zu finden. Wenn ich durch Arbeiten oder Unwohlsein einen solchen Tag versäumte, kam eine wahre Verzweiflungsepistel an mich. Kümmerlich von einer Tante unterstützt, lebte er so dahin, ein ewiger Träumer als Poet, als Mensch durch Jahrzehnte dem Phantom des Familienmajorates nachjagend, heute von Hoffnung erhoben, morgen durch Enttäuschung niedergestürzt.

»Hoffen und Harren macht manchen zum Narren!« Die symbolische Wahrheit dieses Sprichwortes habe ich in dem langsam sich vorbereitenden geistigen Zusammensinken dieses hochbegabten und trefflichen Menschen mit Schaudern beobachtet.


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