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15. Kapitel.
… Als die Ketten brachen …

… Ich bin allein auf der Insel, ganz allein … Ich habe es so gewollt. Vor einer halben Stunde ist die Brigg davongesegelt, ist der Kutter mit meinen Araukanern ebenfalls unter dem fernen Horizont verschwunden.

Ich stehe noch auf der hohen Zacke neben der Bucht – neben dem Frauenkopf … Mein Blick ist nach Osten gerichtet. Dort tauchte die Brigg unter die Kimmung, dort liegt Valdivia, von dort wird Ellen heimwärts eilen – – zur Hochzeit …

Ich bin allein, – doch nicht ganz allein … Zu meinen Füßen kauert der Pudel Ramses, Ellens Geschenk.

Er winselt ganz leise … Er weint der Herrin nach …

Wer würde Ellen nicht nachweinen?!

Ich streichele ihm den zottigen Kopf, er blickt zu mir auf, in seinen braunen Augen liegt Schmerz und Hoffnung. Er soll nicht umsonst hoffen, ich werde ihm Ellen ersehen, ich werde ihn lieben, wie Ellen ihn nicht lieben könnte … Denn ich habe niemand mehr – – nur ihn, Ramses!! Ich bin nicht allein.

Ich klettere die Zacke hinab und nehme Ramses in die Arme, setze ihn auf den Boden, und wir gehen langsam über unsere Insel und freuen uns des Sonnenscheins und des frischen Windes und der kreischenden Möwen.

Wir wandern hin und her, und allmählich fühle ich, weshalb ich mich nicht hinabwage in die Tiefe des Eilandes, in die weiten Gemächer und Säle mit den dicken Glasfenstern, um die die grüne Flut spielt – das Meer!

… Weil die Gemächer und Säle leer sind, weil die Enterbten davonzogen, weil … Ellen fehlt.

Aber es wird Mittag, und der Körper verlangt sein Recht und Ramses desgleichen.

So steigen wir hinab durch die große Falltür zwischen den Antennenmasten, die wie ein doppeltes Tor ist.

Und gehen dorthin, wo Ellen diese letzten anderthalb Tage wohnte … Ramses winselt wieder … Ellens zartes Parfüm weht noch in diesen beiden Gemächern, auch in der kleinen Küche.

Die elektrischen Kocher bereiten uns beiden die Mahlzeit, Ramses und mir, und wir sitzen an dem Tische, wo Ellen saß mit ihrem Vater und Gorry, Hiruto und mir.

Wir essen beide nicht viel. Wir lieben Ellen, und von Ellen ist nur noch der Duft holder Weiblichkeit in diesen Räumen. –

So beginnen wir unser einsames Leben auf dem Zaubereiland.

Abends fange ich noch einen Funkspruch von der Brigg auf …

Man grüßt mich herzlich – – alle, alle.

Hiruto hat gefunkt.

Ich lehne im Schreibsessel von Gorrys Schreibtisch. Vor mir liegt Papier … Ich will die Geschichte des Paradieses der Enterbten schreiben. Ich tauche die Feder ein … Mein Blick ruht sinnend auf dem dicken Glasfenster dort vor mir. Der Lichtschein der Lampen durchdringt das Wasser, und Fische kommen herbei und glotzen herein.

Ramses schläft neben mir und … winselt.

Ich schreibe …

»Chuburs braune Gaunervisage lockt mit verheißungsvollem Grinsen …«

Das ist der Anfang.

Ich denke nach …

Weshalb habe ich eigentlich auch meine Araukaner weggeschickt, weshalb war ich so hartherzig, ihre Reue und Treue so zu enttäuschen?!

Ich weiß es nicht.

Ich bin innerlich gebrochen. Ich bin nicht mehr El Gento. Ich jagte einst auf schweißigem Pferderücken durch die Pampas und war … ein ganzer Kerl, der Tod und Teufel nicht fürchtete und der auch sein Herz auf Kandarre ritt …

Was bin ich jetzt?!

Ballast – – mir selber!

Aber ich weiß: Das wird anders werden, ich werde mich wiederfinden – bestimmt!

Doch dazu brauche ich Einsamkeit.

Andere brauchen Ablenkung. Das sind die Schwächlinge, die mit fremden Kräften sich wieder gesund machen.

Ich werde aus eigenem genesen.

… Ich schreibe weiter …

»Große Brigg, El Gento,« wiederholt er eindringlich. »Schon lohnen Fahrt dorthin … Liegen an Westseite von Satansinsel hinter Klippen … – Fahren mit, El Gento?«

Wieder mache ich Pause. – Ja, so begann die Geschichte des Paradieses der Enterbten.

Und – es ist ein Paradies, das Gorry hier erbaut hatte.

Fische glotzen herein …

Wo hat ein Schreibling solch ein Arbeitszimmer?!

Ich reibe ein Hölzchen an und rauche und sinne … sinne …

Die Kunde vom Paradies der Enterbten wird bald die Neugierigen herüberlocken über die Weltmeere …

Feiste Milliardäre mit eleganten Privatjachten werden erscheinen und mir ihre Aufwartung machen, Touristendampfer werden Scharen von Neugierigen herbeischleppen …

Natürlich …!! Das Wunder will jeder sehen.

Aber – niemand wird es sehen. Gorry hat es mir geschenkt. Ich bin Herr der Zauberinsel. Ich kenne all ihre technischen Einzelheiten und Einrichtungen. Hier links von mir steht ein großer Spiegel, und der Spiegel zeigt mir das Meer rund um die Insel, die ich in vier Minuten verschwinden lassen kann.

Ich danke für Besucher. Ich bin mir selbst genug … Nur Ramses soll ausgenommen sein.

Die feisten Visagen der Dollarschieber werden böse enttäuscht werden. Ich kann, wenn ich will, vier Wochen ganz unter Wasser leben … ganz …!

Ich schreibe weiter …

»Was soll ich mich sträuben?! Das Leben den Lebenden! Ich werde Coy auch betrauern können …«

Die Feder entgleitet meinen Fingern.

Ich horche …

Abends war Sturm aufgekommen … Nun ist er scheinbar zum Orkan geworden. Ich spüre das feine Beben der Insel … Sie zittert unter dem Anprall der Wogen …

Sie zittert, wie Ellens eiskalte Finger in meiner Hand gezittert haben – – auch beim Abschied heute früh.

Und dieses Schwanken nimmt zu. Ein Unwetter von gigantischer Macht muß dort oben toben … Mag es!! Die Ankerketten meiner schwimmenden Insel sind wie die der allergrößten Schlachtschiffe, mit denen die friedliebende Welt den Frieden garantiert.

Seltsam: Das war soeben wie ein scharfer Ruck, der durch dies Niesengehäuse von Stahl und Bimsstein ging. Meine Zigarette rollte aus dem Aschbecher … Der Federhalter rollt …

Da – wieder ein Ruck!

Ich springe auf.

»Ramses!!«

Er folgt mir.

Wir sind oben auf der Insel zwischen den Antennenmasten …

Wir erklettern die Westküste … Wir sehen … wir werden umgeweht, Ramses heult, fällt, ich klammere mich fest …

Nie sah ich solchen Orkan, solche Wogen. Der Sturm kommt von Osten … Herab von den fernen Andenwipfeln, von den Schneehäuptern des Bergskeletts Südamerikas.

Und wieder ein fühlbarer Ruck … Das Eiland schwankt … Ich stiere geradeaus … Die Brandung leckt zu mir empor mit brausenden, heulenden, geifernden Mäulern … Aber diese Brandung entweicht, schiebt sich weiter …

Ein Blitz im Hirn: Ich weiß, – – die Insel schwimmt davon, dreht sich …

Mein Eiland treibt …

Wohin … wohin?!

Ramses winselt … Und ich – – lache … lache: »Nun sucht mich, ihr Neugierigen!! Meine Insel fährt mit dem Orkan gen Westen, – – wohin – – wohin?!«

 

Ende.

 


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