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8. Kapitel

Der Fluch des Goldes.

In einer Villa im vornehmsten westlichen Vorort Berlins, die unlängst an eine Frau Lydia Elsen möbliert vermietet worden war, saßen am Abend dieses ereignisreichen Septembertages vier Personen um den Prunkkamin des großen Salons und unterhielten sich mit vorsichtig gedämpften Stimmen über Dinge, die zu gefährlicher Natur waren, als daß auch nur ein einziges lautes Wort davon in die Oeffentlichkeit dringen durfte.

Die Villa gehörte einem jener Millionenbetrüger, die trotz allerbester Beziehungen zu höchsten Stellen doch schließlich mit der Staatsanwaltschaft Bekanntschaft gemacht, und nach Preisgabe einer Kaution die sicheren Berge der Schweiz aufgesucht hatten. (Meine Geschichte spielt zur Zeit der ersten Prozesse gegen diese schamlosen Aussauger.)

Die Mieterin der Villa und ihre drei Neffen Albert, Arthur und Berty Elsen zeigten in Gesichtsschnitt, Gestalt und sogar in den feineren Einzelheiten ihres Benehmens und der sparsamen Gesten eine verblüffende Aehnlichkeit und Gleichmäßigkeit. Für geschärfte, erfahrene Blicke waren dies unzweideutige Anzeichen einer Ahnenreihe, der die Blutauffrischung durch Heiraten außerhalb eines eng begrenzten Kreises fehlte. Diese verschiedenartigen Merkmale von Degeneration traten bei den drei Männern noch stärker hervor. Sie waren bis zu den wie eingemauert in den Augenwinkeln sitzenden Eingläsern die typischen Vertreter des Hochadels eines Landes, das in der Politik niemals irgendwelche Skrupel gekannt oder auch nur die bescheidensten Anforderungen an Anstand und Rücksichtnahme als im Völkerleben unerläßliche Gegenseitigkeitsverpflichtung anerkannt hat.

Die Geschichte des gräflichen Hauses Elsen-Elsenhoop war gekennzeichnet durch Verschwendungssucht, Schwinden der Familiengüter, reiche Heiraten und ärgste Bloßstellung einzelner Mitglieder. Frau Lydia Gräfin Elsen hatte erst einen deutschen Großindustriellen mit ihrer aristokratischen Hand beglückt, sich jedoch von ihm nach dem unglücklichen Kriegsausgang schleunigst scheiden lassen.

Albert Elsen hatte soeben, indem er frische Holzscheite in den Kamin warf, unwillig geäußert: »Ihr nehmt die Sache zu leicht ... Daß »er« nun gerade mit dem Menschen sich zusammengetan hat, erfordert allergrößte Wachsamkeit.«

Sein jüngerer Bruder Arthur meinte wegwerfend: »Zaubern kann auch dieser Herr nicht. Bisher ist Menzel vollkommen ahnungslos. Die einzige Gefahr war das da ...!« Er zeigte auf einen Stoß Fotografien, die auf dem Tischchen unweit des Kamins lagen.

Die weißhaarige Frau, die steif wie ein Stock in ihrem Sessel saß und deren Züge ein unerträgliches Maß von Hochmut und Anmaßung zeigten, sagte schneidend: »Dieser Diebstahl war ein böser taktischer Fehler von dir, lieber Arthur, ich betone dies nochmals.«

Arthur Elsen-Elsenhoop lächelte gelangweilt. »Den ärgeren Fehler hat Berty begangen ... Peters Autounfall durfte niemals in so umständlicher Weise ... hm ... sagen wir ... fortgesponnen werden.«

Die Gräfin führte ihr Lorgnon langsam an die Augen und musterte ihre Neffen nacheinander mit eigentümlicher Eindringlichkeit. »War es ein Unfall ...?«, meinte sie zweifelnd, indem sie jedes Wort argwöhnisch reckte und dadurch dieser halben Frage und halben Behauptung eine besondere Bedeutung gab.

Albert Elsen erwiderte schroff: »Wenn du es wünschest, können wir ja Trauer um den teuren Vetter anlegen, sobald du selbst mit gutem Beispiel vorangehst!« Der unglaubliche Zynismus dieser Sätze veranlaßte die Gräfin lediglich zu der matten Zurückweisung: »Du benimmst dich wie ein Plebejer!«

Der älteste Elsen-Elsenhoop schleuderte seine Zigarette in die Kaminglut. »Meine Nerven beginnen zu streiken ...! Ich sehe weiter als ihr alle. An diesem verwünschten Golde haftet ein Fluch. Was hat es uns beschert?! Etwa ein sorgloses Dasein?! Nein, nur eine immerwährende Angst vor Entdeckung, eine ewige Hetzjagd, eine demütigende Gemeinschaft mit erkauften Schurken und jetzt schließlich noch das Allerschlimmste: Harst als Verfolger!! Unterschätzt diesen Mann nicht! Mir gefällt es zum Beispiel gar nicht, daß Svendsen, der immerhin der zuverlässigste unserer Leute war, seit heute nachmittag verschwunden ist. Wo steckt der Bursche? Er sollte Savigli aushorchen – als Impresario Smith, Gulliver Smith ... Auch das war deine Idee, Berty. Du hast nichts als Dummheiten angestellt.«

Berty, der jüngste, aber auch der verlebteste, glättete grinsend seinen dünnen Scheitel und zeigte all seine blendend weißen Vorderzähne unter den hochgezogenen, etwas wulstigen Lippen. »Wenn man eine Sache übernimmt, die brenzlich aussieht«, sagte er hochfahrend, »muß man sie auch in demselben Sinne zuendeführen, mein lieber Albert. Savigli kann uns abermals viel nützen.«

»Also war es doch ... kein Unfall«, meinte die Gräfin leise und zog den bunten Seidenschal fester um die Schultern.

Niemand antwortete ihr. Die drückende Stille wurde nur ausgefüllt durch das Knistern und Knallen der Buchenscheite.

Die Gräfin Lydia betrachtete abermals ihre Neffen mit scheuer Eindringlichkeit und rückte fröstelnd ihren Sessel näher an den Kamin heran. Sie wagte nichts mehr zu fragen. Sie hatte ja auch die entsetzliche Wahrheit geahnt.

Albert Elsen erhob sich. »Die Bilder müssen verschwinden! Ich ... fürchte mich!« Ein feindseliger Blick streifte die weißhaarige elegante Frau. Er nahm die Fotografien und warf sie in den Kamin, nur drei behielt er in der Hand und besichtigte sie eingehend. Es waren Gruppenaufnahmen. »Wie jung waren wir damals!«, sagte er bitter. »Und wie rein war unser Gewissen. – falls wir überhaupt ein Gewissen haben, wir Elsens, was ich bezweifele. Adel, Hochadel ...!! Wie blutiger Hohn klingt es! Adel verpflichtet. Wir haben nie Pflichten gekannt. Wir haben nur das Nichtstuerdasein unserer Vorfahren fortsetzen wollen, und als du uns den Tipp mit dem Goldschiff gabst, Tante Lydia, kam bei uns das Seeräuberblut zum Durchbruch.« Er sprach es mit rücksichtsloser Brutalität.

Dann schleuderte er auch die letzten drei Bilder in die Flammen ...


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