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4. Kapitel

Der gehörnte Teufe!.

»Sie haben sich unverantwortlich benommen, Frau Baronin«, sagte er, indem er nach seinem Hut griff. »Sie wußten, daß Petersen bereits tot oder doch schwer verletzt von Fremden nachts in sein Zimmer geschafft worden war, daß sein Mantel und Hut fehlten, die er damals getragen hatte, und daß ein Verbrechen vorlag. Ich finde keine Worte dafür, Ihr Schweigen hart genug zu verurteilen. – Wo ist der Tuchfetzen geblieben?«

»Den hat Herr Savigli an sich genommen, einer der drei Herren ...«, schluchzte die Baronin kläglich, »Ich sehe ja ein, Herr Harst, daß ich aus Angst vor Unbequemlichkeiten sehr unrichtig gehandelt habe ... Ich möchte das wieder gutmachen. Herr Savigli wollte den Tuchfetzen für alle Fälle aufheben, er ist daheim, ich werde ihn holen, falls Sie darauf Wert legen ...«

»Gewiß, – bitte ...«

Frau von Grotthus eilte davon.

Harst nickte mir lächelnd zu. »Ich mußte sie etwas energisch anpacken, mein Alter, sonst hätte sie uns zum Beispiel das wichtigste Beweisstück, den Tuchfetzen, vorenthalten. Ich behaupte, dieser Milliardär Peter Petersen, der sein Zimmer hier so selten benutzte, besaß noch eine zweite Wohnung und ist aus gewinnsüchtigen Absichten beseitigt worden. Er lebte noch, als seine Mörder ihn hierher schafften, er kam noch einmal zu sich, nachdem sie das Zimmer zweckentsprechend – siehe Ofenvorsetzer und Kohlenkasten – hergerichtet hatten, und im letzten Todeskampf riß er irgendwo ein Stückchen Stoff ab ... Es fragt sich nur, wo ...«

Er musterte die Stelle des Teppichs, wo der Tote gelegen haben sollte, sehr genau und kippte dann einen in der Nähe stehenden modernen Nipssessel um.

»Bitte ...!!«, sagte er nur.

Ich beugte mich hinab. Der schwarze Stoff, mit dem die Sprungfedern des Sitzes unten überzogen waren, war zerrissen, und ein mehr als handgroßes Stück fehlte.

»Wenn jemand, der auf einem Teppich im Sterben liegt«, meinte Harst leise, »im letzten Todeskampf verzweifelt um sich greift, entwickelt er oft ungeahnte Kräfte ...«

Er kniete nieder und befühlte die Sprungfedern von innen. Plötzlich schob er etwas blitzschnell in die Manteltasche, sprang empor und richtete den Sessel wieder auf.

Frau von Grotthus und ein jüngerer, etwas zu geschniegelter Herr traten ein. Beide hatten rote Köpfe, waren sehr verlegen, und Savigli stotterte eine sehr lendenlahme Entschuldigung hervor, überreichte Harst ein Stück schwarzen Stoffes und war froh, als mein Freund lediglich erklärte: »Ich werde diese verfahrene Geschichte bei der Polizei in Ordnung zu bringen suchen. – Haben Sie wirklich niemandem erzählt, Herr Savigli, daß Sie und Ihre beiden Freunde und die Frau Baronin den Beamten so allerlei vorenthalten haben?! Bitte – – die Wahrheit!«

Der Filmschauspieler wurde noch betretener.

»Ich will nicht lügen, Herr Harst ... Ja, ich habe darüber gesprochen ...«

»Mit wem?«

»Mit einem Amerikaner, einem Impresario, der mir ein Engagement vermittelt hat. Ich bin nebenbei auch Kunstpfeifer.«

»Sie pfeifen zu viel und zu unvorsichtig, mein Lieber«, sagte Harst anzüglich. »Wie heißt der Impresario, wo lernten Sie ihn kennen und wann?«

»Vor vier Tagen in der Filmbörse, in unserem Kaffeehaus. Sein Name ist Gulliver Smith. Er setzte sich zufällig an meinen Tisch, wir kamen ins Gespräch und ...«

»Schon gut. Diese Zufälle kenne ich. Herr Smith wird Ihnen sofort einen Vorschuß gegeben haben, um jedes Mißtrauen von vornherein auszuschalten ... Wieviel gab er Ihnen?«

»Fünfhundert Mark ...«

»Ziemlich schäbig ... Und dann wird er über Tagesneuigkeiten gesprochen haben und den seltsamen Milliardär Petersen auch ganz zufällig erwähnt und Sie ausgehorcht haben, worauf Sie denn auch in der Freude Ihres Herzens prompt hereinfielen ...«

»Leider«, murmelte Savigli bedrückt.

»Und als dieser Herr Smith erfuhr, daß Petersen auf dem Teppich gelegen und einen Zeugfetzen vor den Mund gepreßt hatte, hat er Ihr Übereinkommen mit der Baronin, die Polizei zu täuschen, gut geheißen ...«

»So ist es«, nickte der Kunstpfeifer ängstlich.

»Trotzdem erschien Herrn Gulliver Smith die Geschichte nunmehr nicht mehr geheuer, und er und seine Helfershelfer stahlen die Leiche Petersens, versenkten sie in der Spree und wollten so eine Aufdeckung ihres Verbrechens verhindern.«

Frau von Grotthus und Savigli begriffen wohl jetzt erst so recht, was sie angerichtet hatten. Aber ihre Reue und Einsicht kamen zu spät. Harst nahm von ihren blassen, bestürzten Gesichtern keine Notiz und fuhr unbarmherzig fort: »Für die Zukunft mag Ihnen beiden dieser Vorfall eine ernste Warnung sein. Wenn nicht die Kriminalpolizei die drei Leute, die die Leiche vom Boot aus in einem Sack versenkten, beobachtet und die Leiche wieder herausgefischt hätte, würde dieser Mord vielleicht nie seine Sühne gefunden haben. – Frau Baronin, empfing Petersen jemals Besucher oder erhielt er Briefe?«

»Nie, nie ...! Auf mich, machte es überhaupt den Eindruck, als hätte er dieses Zimmer nur gemietet, um hier in der Nähe jemanden zu beobachten.«

Harst blickte sie scharf an: »Wie kommen Sie auf diese Vermutung?«

»Weil er wiederholt nur für zehn Minuten fortging, zurückkehrte und nach kurzer Zeit abermals davoneilte und weil ich ihn dreimal in der nahen Inselgasse gesehen habe ...«

»Unsinn!«, meinte Harst wenig höflich. »Wen sollte er beobachten?! – So, nun lassen Sie uns hier noch eine Weile allein, und wehe Ihnen, wenn Sie etwas von dem verraten, was ich Ihnen soeben mitteilte ...«

Frau von Grotthus und Savigli verschwanden eiligst. Kaum war die Tür hinter ihnen von Harst verriegelt worden, als er dicht auf mich zutrat, in die Tasche faßte und mir etwas sehr Merkwürdiges unter die Augen hielt.

Es war ein aufblasbarer Teufel aus Gummi, in grellen Farben bemalt. Der Schwanz des gehörnten Teufels war das Mundstück zum Aufblasen des handgroßen Spielzeuges ...


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