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7.
Karpáthi Zoltán

Wovor Abellino zittern mußte, das geschah.

Frau von Karpáthi wurde Mutter und brachte einen Knaben zur Welt.

Eines Tages wurde der Nabob von seinem Hausarzt mit der Freudennachricht überrascht: »Ihre Frau hat Ihnen einen Sohn geboren.«

Wer würde es wagen, Karpáthis Freude zu schildern. Sein kühnster, heißester Wunsch, den er nur zu deuten gewagt hatte, ist in Erfüllung gegangen, seine Frau ist eines Knaben genesen! Er hat nun einen Sohn, der seinen Namen erben und fortpflanzen wird, der in einer glücklicheren Zeit geboren, die Fehler seines Vaters gut machen, der mit seinen Tugenden bezahlen wird, was die Familie Karpáthi dem Vaterland und der Menschheit schuldig geblieben ist.

Was kann dieser Knabe durch eine edlere Erziehung, als seinen Vorfahren zu teil geworden ist, werden! Wie viel Glück, welche Größe wartet seiner! Wie werden Millionen Menschen seinen Namen einst segnen!

Wenn er nur noch so lange lebte, bis er den Knaben sprechen hört, damit er dem süßen Lallen horchen, das Kind Wörter lehren könne!

Wie soll der Knabe heißen? er soll den Namen eines jener Fürsten erhalten, welche mit dem ersten Ahnherrn der Karpáthis in Hunniens Gauen áldomás (Bundestrunk) tranken, er soll Zoltán heißen! Karpáthi Zoltán! Wie schön wird das klingen.

Bald brachte man ihm den neuen Weltbürger und legte ihn ihm auf die Arme, damit er ihn küsse; Freudenthränen strömten ihm aus den Augen, sodaß er kaum sehen konnte, was zu sehen er so sehr wünschte. Zitternd sah er das Kind an. Es war ein schöner, kräftiger Junge, ein kleiner, rotwangiger Engel mit blauen Augen und rundem Gesichtchen. Er weinte nicht, er lag ganz ernst da, als ob er schon jetzt wüßte, welche Schande die Schwäche sei. Nur als Karpáthi, hingerissen vor Freude, das Kind zu seinen Lippen erhob und es mit seinem borstigen Schnurrbart küßte, schrie es ein paarmal.

– Sprich, meine Seele, stammelte der Alte, sprich nur weiter, wir verstehen dich schon, sprich nur noch einmal.

Das Geschrei, welches der Alte für das erste Gespräch des Kindes hielt, wurde vom Arzt und den Hebammen dahin gedeutet, daß es nach der Mutter verlange. Sie nahmen daher den Säugling aus Karpáthis Händen und trugen ihn zu der Mutter hinein, worauf der Alte nichts anderes thun konnte, als ins Vorzimmer schleichen und horchen, ob das Kind nicht weine. Jeden, der herauskam, fragte er, was Mutter und Kind machten, durch jeden, der hineinging, ließ er etwas sagen.

Wer vermöchte zu beschreiben, wie er sich freute, wenn er das Kind lustig schreien hörte? wenn er es nur einmal wieder in die Hand bekäme, er würde es gewiß nicht wieder loslassen.

Gegen Mittag kam der Arzt wieder heraus und bat ihn, mit ins andere Zimmer zu gehen.

– Warum? Ich will dableiben. Wenigstens höre ich manchmal, was drinnen gesprochen wird.

– Das ist richtig, aber ich will nicht, daß man drinnen höre, was wir da sprechen.

Karpáthi erstarrte; er fühlte sich durch den kalten Blick des Arztes unwohl werden und maschinenmäßig folgte er ihm in das nächste Zimmer.

– Nun, Herr, was haben Sie mir zu sagen, das die anderen nicht hören sollen?

– Gnädiger Herr, heute ist große Freude in Ihr Haus gekommen.

– Das weiß, das fühle ich und ich preise Gott dafür.

– Gott hat Ihnen große Freude beschert, aber er hat es auch für gut gefunden, Sie durch Schmerz auf die Probe zu stellen.

– Was wollen Sie sagen? schrie Karpáthi erschrocken und erblaßte.

– Sehen Sie, gnädiger Herr, das war es, was ich fürchtete, und deshalb habe ich Sie ans dem Nebenzimmer fortgerufen; seien Sie ein Christ und ertragen Sie Gottes Hand.

– Peinigen Sie mich nicht, sagen Sie mir, was vorgeht.

– Ihre Gemahlin wird sterben.

Karpáthi blieb starr und sprachlos stehen.

– Wenn es für sie noch eine Hilfe gäbe, so würde ich sagen, es ist noch Hoffnung; aber es ist meine Pflicht, Ihnen zu sagen, daß Sie nur noch Stunden, Minuten zu leben hat; daher, gnädiger Herr, thun Sie sich Gewalt an und kommen Sie hinein, um von ihr Abschied zu nehmen, denn sie wird nur wenig sprechen können.

Karpáti ließ sich in das Zimmer der Sterbenden führen. Er sah nichts und hörte nichts, nur sie sah er blaß und starr daliegen, den Todesschweiß auf ihren schönen Wangen, die Todesblässe auf ihren lieblichen Lippen, mit dem gebrochenen Glanze des Todes in den Augen.

Er stellte sich zu ihrem Bette hin und sprach kein Wort. In seinen Augen war keine Thräne. Das Zimmer war voll von dienstthuenden Frauen. Hier und da hört man ersticktes Schluchzen. Er sieht und hört nichts, nur auf die Sterbende sieht er stumm und starr. Am Bette sitzen zwei bekannte Frauen: Therese und Flora. Die gute alte Tante betet mit gefalteten Händen, ihr Gesicht in den Kissen verbergend, Flora hält das kleine Kind, das in ihrem Schoß eingeschlafen ist.

Die Kranke erhebt den gebrochenen Blick zu ihrem Mann, sie streckt ihre zitternde heiße Hand aus und führt damit die ihres Mannes an ihre trockenen Lippen.

– Denke an mich, lispelt sie.

Er hört sie kaum und hält nur ihre Hand mit seinen beiden Händen, als ob er dadurch ihr Leben zurückhalten könnte.

Das Ächzen der Sterbenden wird immer schwerer, ihre Brust wogt fieberhaft, sie vermag ihren Kopf nicht ruhig zu halten. Sie stammelt nur mit schwerer Mühe einige unverständliche Worte. O wie schwer ist der Abschied, wenn sich Körper und Seele voneinander trennen müssen! Sie spricht im Delirium: »Die Iris – die Amaranthe – der gelbe Ahorn – pflanzt ihn anderswohin – kommst du zu mir, wenn ich sterbe? Wenn ich sterben werde, dann darfst du zu mir kommen.« – – – – –

Karpáthi fühlt an dem Zucken ihrer Hand, welche Qual sie leiden müsse, während sie diese Worte spricht.

Nach einem einstündigen, schweren Kampf beruhigt sich die Kranke, ihre Pulsadern schlagen nicht mehr so heftig, ihre Hand ist nicht mehr so heiß, ihr Atem wird leichter.

Sie beginnt wieder zu sehen und erkennt jeden. Mit ruhiger, sanfter Stimme spricht sie zu den Umstehenden, der Todesschweiß verschwindet von ihrem Gesicht. »Mein Mann, mein lieber Mann,« spricht sie, einen gerührten Blick auf Karpáthi werfend.

Er freut sich und denkt, das sei ein Zeichen, daß sie sich wieder erhole, der Arzt aber senkt den Kopf.

Dann wendet sich die Kranke zu Flora. Die Freundin versteht ihren bittenden Blick und hält ihr den Säugling an die Lippen.

Wie drückt und küßt sie das schlafende Kind! dann giebt sie es Flora wieder zurück drückt dieser die Hand und flüstert: Sei meinem Kinde eine Mutter.

Flora vermag nicht zu antworten, sie nickt nur mit dem Kopfe. Kein Laut kommt über ihre Lippen und sie wendet den Kopf ab, damit die Sterbende nicht ihre Thränen sehe.

Dann zieht Fanny ihre Hände zurück, faltet sie über der Brust und spricht das einfache Gebet, welches sie in ihrem Kindesalter gelernt hatte:

– Gott, mein Gott, sei barmherzig mit deiner armen Tochter, jetzt und immerdar. Amen. – – –

Dann schließt sie ruhig die Augen und entschläft.

– Sie ist eingeschlafen, flüstert der Alte.

– Sie ist gestorben, sagt der Arzt mit wehmütigem Blick. Und der gute alte Nabob fällt neben dem Bett auf die Kniee, sein Gesicht in den Kissen verbergend und weint und schluchzt bitterlich.

Sie schläft und ihr Schlaf ist der ewige. Auf ihrem Gesicht liegt der Widerschein des Jenseits. Jetzt kann sie träumen von glücklicher Liebe bis zur Auferstehung. Niemand wird sie mehr erwecken.


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