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Dritter Teil.

1.
Unvermutete Wendung

Nach Verlauf eines Monats finden wir Herrn Johann von Karpáthi bereits wieder in Preßburg; er nimmt es jetzt sehr übel, wenn man ihn »Jancsi« nennt.

Der Nabob hat sich sowohl äußerlich als innerlich sehr verändert; sein Leib ist so sehr zusammengefallen, daß er alle seine früheren Kleider nicht mehr tragen kann, weil sie ihm viel zu weit geworden sind, von seinem Gesicht ist die fieberhafte Röte gewichen, im Umkreis seiner Augen fehlt die frühere Aufgedunsenheit; er spricht jetzt ernst, kümmert sich um öffentliche Angelegenheiten, Nationalunternehmungen, sucht für seine Güter gebildete, ehrliche Beamte, meidet die ausschweifenden Unterhaltungen und hält auf dem Landtag vernünftige Reden. Niemand kann sich vorstellen, was ihn auf einmal überkommen habe.

Kis Miska ist jetzt sein einziger Liebling, mit dem er sich auf allen öffentlichen Plätzen zeigt; oft begegnen sie Abellino und dann sehen der Nabob und der Pfingstkönig einander an, sie lächeln, flüstern miteinander und deuten an, daß sie gegen Abellino etwas vorhaben, irgendeine lustige Antwort auf die Übersendung des Sarges; jetzt lachen noch die jungen Roués auf Kosten des Alten, aber bald wird Jung und Alt auf Abellino mit Fingern zeigen und lachen, denn in der Komödie, die er begonnen hat, wird ihm eine Rolle vorbereitet, die sehr geeignet sein wird, das Publikum in gute Laune zu versetzen. Nach zweiwöchentlicher Abwesenheit verfolgte Abellino seine unterbrochene Jagd auf das schöne Bürgermädchen mit verdoppelter Hitze. Die vereitelten Versuche reizten ihn nur noch mehr und das Ziel erschien ihm um so schätzenswerter, je schwerer es zu erreichen war. Endlich wurde er rasend verliebt in das Mädchen, nicht Eitelkeit, nicht Prahlerei, nicht die eingegangene Wette drängten ihn mehr sie zu verführen, er war jetzt von der hartnäckigsten Leidenschaft beherrscht. Er fühlte, er müsse das Mädchen besitzen und vielleicht glücklich machen oder zu Grunde gehen.

*

Meister Boltay stand eben im Thor und hielt hinter dem Rücken einen kurzen Prügel, als ob er einem Hund auflauerte.

Der gute Mann hatte viel Kopfschmerzen, seit er sich in Fannys Angelegenheiten eingemischt. – Ein Philister, der ein Mädchen hütet! Kann es wohl eine lächerlichere Figur geben? Immer glaubt er, daß man ihn betrüge und gerade wenn er nicht daran denkt, betrügt man ihn; weder bei Tag, noch bei Nacht hat er Ruhe, er erwacht bei dem geringsten Geräusch, wenn sich in der Nacht der Fenstervorhang bewegt, glaubt er, der Verführer krieche durchs Fenster, während dieser bequem durch die Thüre ein- und ausgeht, die sich vor seinem Gelde öffnet; er durchstöbert jedes Blumenbouquet, ob damit nicht ein Billet-doux eingeschmuggelt werde, während er, ohne es zu wissen, den Liebesbrief in seinen eigenen Rocktaschen nach Hause trägt; jeder seiner Diener ist ein Verräter, alles ist wider ihn verschworen, er schaut immer und sieht nie etwas. Solche Mädchenhüter wählte sich der Witz zu allen Zeiten am liebsten zum Gegenstand des Spottes; die Unterhaltungslitteratur führt euch immer betrogene Männer und hinter das Licht geführte Väter und Vormünder vor, die vor der Thüre Wache stehen, während sich der Gegenstand ihrer Wachsamkeit drinnen mit der Geliebten unterhält, die einem Schatten nachlaufen, während der glückliche Schwelger sie bestiehlt und zugleich auslacht. Die allgemeine Vorliebe, deren sich eine solche Lektüre erfreut, lehrt, daß sich der Dichter eine dankbarere Rolle erwählt hat, wenn er süße Verbrechen schildert und dem Leichtsinn die Wege vorzeichnet, als wenn er sein Gesicht in ernste Falten legt und über die Abgründe der Gesellschaft lange Predigten hält.

Meister Boltay hatte einen kleinen Landbesitz, der im Preßburger Gebirge lag; im ersten Schrecken brachte er Fanny mit ihrer Tante dorthin, um sie zu verbergen.

Aber möge Danaë auch in einem unterirdischen Gemach verborgen sein, Jupiter gelangt doch zu ihr; und wenn einmal die edlen Nachahmer dieses ersten aller verliebten Kavaliere ein Weib zu ihrem Opfer auserkoren haben, so wirst du, lieber Dichter, dir vergebens den Kopf zerbrechen, wie du sie befreien könnest; vergebens verleihst du ihr einen stählernen Charakter, eine demantene Tugend, du mögest Unwahrscheinlichkeiten über Unwahrscheinlichkeiten erzählen, du wirst ihr nicht anders helfen können, als wenn du den Verführer erschießest, aufhängst, vernichtest.

Schon in der ersten Woche hatte Abellino erfahren, wo man das Mädchen vor ihm verborgen habe und einige Tage darauf hatte Therese bereits eine Magd des Hauses dabei ertappt, als sie in Fannys Lesebuch einen verdächtigen Brief legen wollte. Meister Boltay jagte die Magd sogleich fort. Aber Tag für Tag folgten neue verdächtige Anzeichen; junge Kavaliere jagten in der Nähe des Besitzes und erdachten tausend Schelmereien, um hineinzukommen, bald boten sie verkleidet ihre Dienste als Gärtner oder Meier an, aber Therese witterte Verrat und sperrte ihnen die Thüre vor der Nase zu, bald schlichen sie sich als alte Zigeunerinnen in den Hof und wahrsagten dem Mädchen, ein reicher Herr sei in sie verliebt und werde sie heiraten.

Meister Boltay wurde, als er solche Sachen hörte, wütend, wie ein Büffel in den Hundstagen. Er nahm sich Schreckliches vor, er wollte dem ersten, den er erwischt, das Genick brechen. Der Feind ist ein leichtes, bewegliches, in Schelmereien erfahrenes Wesen und hat nichts anderes zu thun, als sich darüber den Kopf zu zerbrechen, wie er jenen daran kriegen könne, während er, wie sein einfältiger Geselle, Sándor, als ein schwerfälliges Tier dasteht, das sich die Hörner wachsen läßt, mit denen es den Feind niederstoßen will. Wenn Karpáthi auch keinen andern Grund hätte, der ihn in seinem Plan zur Ausdauer antreibt, so wäre schon der genügend, diesen von Bauernstolz besessenen Handwerker zu züchtigen, der frech genug war, den von ihm hingeworfenen Handschuh aufzuheben und ihn taub zu machen. Das wird den Burschen mehr schmerzen, als hätte er ihn mit einem Schuß getroffen; er wird ihm sagen können: elender Bretthobler, die dein Ideal war, ist meine Sklavin, die glücklich ist, wenn ich sie anlächle, die dich nicht einmal ansieht, wenn du vor ihr kniest und ihr die Seligkeit versprichst, liegt zu meinen Füßen, küßt mir die Hand und fleht, daß ich sie an meine Brust emporhebe; für dich wird sie gut genug sein, wenn ich ihrer überdrüssig sein werde.

Also Meister Boltay stand murrend vor der Hausthüre, als vor derselben eine schöne Equipage stehen blieb und aus dieser ein alter ungarischer Herr mit Hilfe seines Heiducken ausstieg.

Freundlich näherte sich der alte Herr dem Meister Boltay und sprach, nachdem er dem Heiducken gewinkt hatte, zurückzubleiben, den Handwerker an: Herr, ist dieses das Haus des Meisters Boltay?

Der Angeredete war so in Gedanken vertieft, daß er anstatt zu antworten, nur mit dem Kopf nickte.

– Habe ich vielleicht die Ehre, mit dem würdigen Meister selbst zu sprechen?

Meister Boltay war noch nicht völlig erwacht und stellte sich vor, dieser Herr wolle jetzt mit ihm einen Streit beginnen.

– Ja, ich bin es, ich leugne es nicht.

Der alte Herr lächelte, legte seine Hand auf den Arm des Meisters und forderte ihn mit gewinnendem, herzlichen Ton auf, mit ihm ins Haus zu gehen, denn er habe viel mit ihm zu reden.

Der Meister willfahrte ihm, führte ihn in sein innerstes Gemach, hieß ihn sich setzen, stellte sich vor ihn hin und forderte ihn auf, zu sprechen.

– Vor allem, begann der alte Herr mit seltsamem Lächeln auf den Meister blickend, muß ich mich Ihnen vorstellen. Ich muß damit beginnen, daß ich Ihnen einen Namen nenne, den Sie nicht gern hören werden: ich heiße Johann Karpáthi. Sprechen Sie den Ärger nur laut aus, der jetzt in Ihnen erwacht; ich weiß, daß, was Sie sagen wollen, nicht mich angeht, sondern meinen Neffen, der Bela heißt und sich selbst thörichterweise Abellino getauft hat. Sie haben gerechten Grund, auf ihn böse zu sein, denn er hat Ihnen Unglück ins Haus gebracht.

– Das hat er noch nicht gethan, sagte Boltay, und ich hoffe zu Gott, daß er mir auch kein Unglück ins Haus bringen wird.

– Das wünsche ich ebenfalls; aber es ist umsonst, der Teufel schläft nicht, besonders wenn von einem schönen Mädchen die Rede ist. Mein Neffe hat sich fest vorgenommen, Ihre Pflegetochter zu verführen.

– Das weiß ich, mein Herr, aber ich bin auf der Hut.

– Lieber Herr, Sie kennen nicht die Hälfte aller der Schelmereien, die von solchen in der großen Welt bewanderten jungen Herren in ähnlichen Fällen angewendet werden.

– Halt, Herr, eines weiß ich, daß nämlich das Mädchen wegen Ihres Neffen zu einem Klosterleben verdammt ist; ohne mich wird sie keinen Fuß auf die Gasse setzen und wenn ich diese Verfolgungen einmal satt habe, so verlasse ich meine Werkstatt und wandere nach einem andern Weltteil aus, ich verlasse mein Vaterland, das ich so sehr liebe, das ich mehr liebe, als viele, die sich Väter des Vaterlandes nennen; aber bis dahin, mein Herr, möge ich keinen von den Schmetterlingen in meiner Nähe erwischen, ich bin kein Edelmann, ich werde keine Herausforderung annehmen, sondern ich zerbreche den, der mir in den Weg tritt, wie schlechtes Glas; sagen Sie das Ihrem Neffen.

– Entschuldigen Sie, guter Freund, ich pflege meinem Neffen keine Posten zu überbringen, ich bin auch nicht des bloßen Geschwätzes wegen hergekommen, mich hat ein gut überlegter und berechneter Plan hergeführt. Ich hasse den Menschen mehr, als Sie es thun. Sie brauchen nicht zweifelnd den Kopf zu schütteln; es ist, wie ich es Ihnen sage. Sie hätten Ihr Leben lang hier wohnen können, ohne daß ich Sie belästigt hätte, wenn nicht ein unangenehmes Verhältnis Sie mit Abellino in Verbindung brachte, der mein Todfeind ist und dem ich dasselbe bin. Dieses verwandtschaftliche Verhältnis werden Sie leicht begreifen, wenn ich Ihnen sage, daß er sein schönes väterliches Erbe vergeudet und überdies in Paris große Schulden gemacht hat, die er mit meinem Vermögen bezahlen möchte. So stehe ich ihm denn im Wege; er will, daß ich sterbe, ich aber will nicht. Sehen Sie, das ist Ursache genug, daß wir uns gegenseitig todfeind sind und da ich wahrscheinlich einen kürzeren Weg zum Grabe habe, so wird der Kampf mit sehr ungleichen Waffen geführt. Er hat mir kürzlich zu meinem Namenstag einen Sarg als Präsent mit dem Wunsch überschickt, ich möge ihn je früher je lieber benutzen. Jetzt wird bald sein Namenstag sein und ich werde ihm einen Bettelstab überschicken, mit dem Wunsche, er möge ihn recht lange benutzen.

– Gut, mein Herr, das geht Sie an, aber nicht mich: ich bin ein Tischlermeister und fabriziere keine Stöcke; wenn Sie ihm einen Bettelstab schicken wollen, so können Sie einen bei meinem Nachbar bestellen, der ein Drechsler ist.

– Meister Boltay, seien Sie nicht ungeduldig; dieser Bettelstab ist ja nur bildlich gemeint. Ich habe, wie gesagt, einen Plan, den Sie kennen müssen. Es wird besser sein, wenn Sie sich zu mir setzen und mich ruhig anhören; so. Ich will, daß Abellino vergebens auf meinen Tod warte und wenn ich einmal sterbe, so sollen meine Güter nicht auf ihn übergehen, sondern auf jemand andern. Verstehen Sie?

– Ich verstehe.

– Sie verstehen gar nichts. Über das Gut kann ich nach unsern Gesetzen nicht nach Willkür verfügen; es muß nach meinem Tode dem gesetzlichen Erben zufallen und bis jetzt ist Bela mein gesetzlicher Erbe. Eine schöne Erbschaft! sie ist schon der Rede wert. Die jährlichen Einkünfte belaufen sich auf anderthalb Millionen.

– Anderthalb Millionen! rief der Handwerker schaudernd und staunte den Magnaten an, als ob er gar nicht glauben könne, daß der ein Mensch sei, der ein jährliches Einkommen von anderthalb Millionen hat.

– Ja, jährliche anderthalb Millionen erwarten denjenigen, der mich einst beerben wird; und selbst im Grabe noch würde mir der Gedanke weh thun, daß das Erbe meiner Ahnen, für welches ihr edles Blut geflossen ist, in die Hände eines unwürdigen Nachkommen gelange, der es zerstückeln und an Wucherer vergeuden würde, der über meinen Tod nicht weinen, sondern jubeln wird. Ich will ihn dieser Freude berauben.

– Soll ich Ihnen hierzu einen Rat geben?

– Nicht nötig! Hören Sie nur, was ich sage.

– Anderthalb Millionen! seufzte der Handwerker, kaum hörend, was der Magnat weiter sagte. Nicht Habgier, sondern Angst und Schrecken veranlaßten ihn zu dem Ausruf; wenn diese erstaunliche Summe in die Hände jenes Menschen käme, wie viel Böses würde er damit verüben können! wie schwer wiegt ein so großer Schatz gegen die Tugend und die Ehrlichkeit eines armen Menschen! Wer so viel Geld hat, der kann ja alles kaufen, dem ist ja nichts unmöglich! Deshalb seufzte der Handwerker: anderthalb Millionen!

Karpáthi ergriff die Hand des Meisters, um ihn zu besserer Aufmerksamkeit zu nötigen.

– Es giebt ein Mittel, das mir ermöglicht, Abellino einen Strich durch die Rechnung zu machen und ich will es, ich will ihm bis aufs Blut, bis ins Herz weh thun, denn er hat mich tief beleidigt und dieses Mittel ist nichts anderes, als daß ich heirate.

Hier schwieg Karpáthi still und erwartete zurückgelehnt, was der Handwerker dazu sagen werde. Dieser nickte nur, wie einstimmend mit dem Kopfe.

– Wenn mir vielleicht noch ein Kind geboren wird, fuhr Karpáthi mit leiser unterdrückter Stimme fort und schlug dann mit unterdrückter Heiterkeit auf den Tisch; ha! dieser Gedanke belebt mich aufs neue! Herr, ich bin nicht bigott, aber als ich auf dem Sterbebett lag, gab mir eine himmlische Erscheinung diese Versicherung und als ich zum Staunen der Leute aus dem Reich des Todes wiederkehrte, als ich zu mir kam, während mich alles für tot hielt, da bekam ich Kraft und Lust zum Leben und ich bin überzeugt, daß jene Erscheinung kein leerer Traum war. Ich werde heiraten und hören Sie jetzt, inwiefern Sie das interessirt.

Der Kopf des Handwerkers war, als ihm so viele Ideen und Vermutungen auf einmal kamen, ganz verwirrt.

– Sie haben eine junge Pflegetochter, die Abellino verfolgt, auf welche seine Kameraden Wetten machen, wie bei Wettrennen, gegen die seine Komplotte im Werke sind, der auf Schritt und Tritt unsichtbare Schlingen gelegt werden. Ich will diese schnöde Verfolgung vereiteln und das Mädchen in einen Zufluchtsort bringen, wo mein Neffe Abellino und sollten ihm auch Thüren und Fenster offen stehen, sie nicht aufsuchen wird und dieser Zufluchtsort soll mein Haus sein.

– Wie, mein Herr?

– Ich bitte Sie, mir Ihre Pflegetochter zur Frau zu geben.

– Was?

– Sie soll meine gesetzliche Gattin sein. Die Welt hat mich viele Jahre hindurch als einen »guten Narren« gekannt; die Tage, die mir noch beschieden sind, möchte ich dazu verwenden, um den Titel Narr von meinem Namen abzuwetzen.

Meister Boltay erhob sich langsam.

– Mein Herr, Ihr Antrag ehrt und überrascht mich; Sie haben ein jährliches Einkommen von anderthalb Millionen, Sie sind ein unermeßlich reicher Herr, Sie sind der reiche Mann aus der heiligen Schrift. Aber ich weiß, mein Herr, daß Reichtum nicht auch Glück ist. Ich habe ein armes Mädchen gekannt, die von ihren Eltern voriges Jahr an einen reichen Mann verheiratet und heuer als Leiche aus der Donau gezogen wurde; sie ist trotz dem Reichtum eine Selbstmörderin geworden. Ich will meine Pflegetochter glücklich machen, aber für Schätze, für Reichtümer gebe ich sie nicht hin.

Karpáthi blieb sitzen und faßte den Handwerker freundlich an der Hand.

– Setzen Sie sich wieder nieder, lieber Meister Boltay. Sobald ich Ihr ehrliches Gesicht sah, war ich auf diese Antwort gefaßt. Sie haben Ihrer Pflegetochter gewiß ein ruhiges, glückliches Los bereitet und das ist rühmenswert von Ihnen. Sie wollen ihr Ihren nicht zu verachtenden Besitz, Ihr Gewerbe hinterlassen und haben ihr vielleicht schon einen ehrlichen, geschickten, verständigen, jungen Mann ausgewählt, an dessen Hand sie ruhig durchs Leben wandeln soll. Aber es steht nicht mehr in Ihrer Macht, ihr ein solches Leben zu bereiten. Das Mädchen ist aus einer unglücklichen Familie, die Eitelkeit liegt ihr im Blut; ihre erste Erziehung erhielt sie in der Schule der Genußsucht, des Hochmuts, der Sucht zu glänzen, ihre später strengere Erziehung hat diese Erinnerungen und die Neigungen, die mit ihr geboren wurden, nur unterdrückt, aber nicht verwischt. Sie hat einmal das Verbrechen gefeiert, die Sittenstrenge verlacht gesehen; das ist eine schlimme Erfahrung und ein starkes Herz gehört dazu, wenn jemand von dem Süßen sagen soll: das ist bitter und von dem Bitteren: das ist süß. Möglich, daß Sie, wenn Sie das Mädchen seit ihrer zartesten Kindheit nach Ihren strengen Grundsätzen erzogen hatten, für ihre Tugend und Genügsamkeit gut stehen könnten; aber Sie haben das Mädchen in einem Alter bei sich aufgenommen, in welchem das Herz schon zur Erkenntnis gelangt ist und kein Zauberer der Welt kann sie dieser Kenntnis berauben. Der Ehrgeiz, die Sucht zu glänzen und sich auszuzeichnen, haben in der Seele des Mädchens bereits Wurzel geschlagen. Haben Sie nicht bemerkt, wie sie gegen den braven armen Jungen plötzlich kalt geworden ist, wie sie sich's in den Kopf gesetzt hat, sie könne eine von der Welt gefeierte Schönheit werden? Anfangs dachte sie, sie werde das durch sich selbst, durch ihre Kunst erreichen, jetzt glaubt sie das wahrscheinlich nicht mehr, denn jemand hat ihr beigebracht, daß ihre Stimme kaum zu den erträglichen gehöre; aber in ihrer Seele blieb der Trieb zurück, zu glänzen, um in Pracht und Gemächlichkeit zu leben. Jetzt schaudert sie vor dem Weg, auf welchem sie das erreichen kann, noch zurück, aber bald kommt der Überdruß, die Leidenschaft, das Verlangen des Bluts, zuweilen noch Erbitterung, ein Augenblick des Selbstvergessens, in welchem das Herz den schlechten Ratgebern Gehör leiht und wer kann ein Mädchen vor dem Fall schützen, wenn sie fallen will?

– Das glaube ich nicht, mein Herr, ich glaube gar nichts von dem, was Sie gesagt haben. Ich fühle wohl, daß Sie die Wahrheit sagen, aber ich leugne es dennoch. Es ist wahr, im allgemeinen ist es so, wie Sie sagen, aber mein Schützling macht eine Ausnahme.

– Ich will nicht streiten. Sie werden wissen, daß sich die meisten beeilen, Ihrem Schützling Gelegenheit zum Falle zu bieten, denn der Ruf ihrer Schönheit ist bis in die höchsten Kreise gedrungen, freilich auch der Ruf ihrer Tugend. Aber zum Kuckuck! die Tugend ist die reizendste Lockspeise; man spricht niemals von der Tugend eines Mädchens, ohne daß man wünscht, die Diebe möchten kommen und sie ihr stehlen. Sehen Sie, ich verlange nicht, daß Sie mir Ihre Pflegetochter gegen den Willen derselben zur Frau geben oder daß Sie sie dazu bereden sollen; setzen Sie sie bloß von meinem Antrag in Kenntnis. Sagen Sie ihr: ein reicher Magnat verlangt dich zur Frau, der Freier ist weder schön, noch jung, noch liebenswürdig, er könnte dein Großvater sein, indes übernimmst du gegen ihn keine andere Verpflichtung, als dich ihm antrauen zu lassen und ihn zu ehren; wenn du willst, so kannst du von ihm getrennt leben, du brauchst ihn nicht zu sehen, ausgenommen, du suchst ihn selbst auf; glaubst du, daß dich der Glanz des großen Namens und die Macht des Reichtums beglücken werden? willst du den Antrag annehmen? – Wenn das Mädchen hierauf »nein« sagt, so werden wir von der Sache schweigen und ich werde Sie nicht weiter belästigen. Das zu thun, sind Sie als Pflegevater verpflichtet. Zur Antwort lasse ich Ihnen eine Woche Zeit. Nach Verlauf derselben werde ich meinen vertrauten Diener, der dort neben der Kutsche steht, hersenden, weil ich den etwaigen Korb mir nicht gern selbst abholen möchte; der Diener wird fragen, ob ich nicht diesen Brillantring hier vergessen habe. Wenn die Antwort abschlägig sein wird, so schicken Sie mir den Ring zurück, wird aber der Antrag angenommen, dann lassen Sie mir sagen, ich möge den Ring selbst abholen.

Hiermit stand der Magnat, nachdem er den Ring auf den Tisch gelegt hatte, auf, drückte dem Meister Boltay freundschaftlich die Hand und überließ ihn seinen verwirrten Gedanken.

Boltay begann unruhig auf und ab zu gehen. Was soll ich thun? Er fühlte, daß Karpáthi die Wahrheit gesagt habe. Das Mädchen wird nicht widerstehen können, sie wird den Antrag annehmen und unglücklich werden. Wie sollte sie glücklich sein? Wenn ihr Mann lange lebt und sie ihm treu bleibt, so wird sie traurig dahinwelken; in dem Kreise, in welchen ein blinder Zufall sie erhoben hat, wird man sie verachten als eine Person, die außer ihrer Schönheit kein Verdienst hat; und wie viel wird sie erst verlieren, wenn sie die Huldigung, welche man der Schönheit darbringt, annimmt! Für das sogenannte Glück wird sie die Ruhe ihrer Seele hingeben und sie nie wieder finden. Und dennoch wird sie den Antrag annehmen; die Seele eines Kindes wird von so viel Glanz noch geblendet, überdies ist der Antrag ehrend, einer der reichsten Magnaten bietet einem armen verlassenen Bürgermädchen seinen Namen an; wer würde das nicht für ein Glück erachten? Gewiß, man würde das Mädchen für wahnsinnig halten, das einen solchen Antrag zurückweist.

Er geriet schon auf den Gedanken, dem Mädchen gar nichts zu sagen. Doch nein, das schickt sich nicht, das wäre eine Lüge.

Plötzlich fiel ihm ein Gedanke ein, der dem Übel die Spitze abbrechen könnte. Er eilte fort, um Sándor aufzusuchen.

Der wackere Junge arbeitete eben an seinem Meisterstück; es war ein prächtiger Schreibtisch mit schönem Schnitzwerk und geheimen Schubfächern, er war ganz vertieft in die Arbeit.

– Sándor, sagte Boltay, dein Meisterstück wird wirklich meisterhaft.

– Ich bin stolz darauf; Tag und Nacht denke ich daran.

– Tag und Nacht? und denkst du sonst an gar nichts weiter?

– Ich? woran sollte ich denn denken?

– Zum Beispiel, daß du übermorgen schon Meister sein wirst.

– Dessen bin ich gewiß.

– Na, und wenn du schon einmal Meister bist, möchtest du nicht auch eine Frau Meisterin ins Haus bringen? An deinem häuslichen Glück, das ich nie genossen habe, würde ich meine Freude finden.

Sándor seufzte.

– Wir müßten lange leben, wenn wir das erleben sollten.

– Geh, wie sprichst du da? du willst doch kein Hagestolz bleiben? Na, mach mir nur kein so heiliges Gesicht. Vor mir willst du ein Geheimnis haben, vor mir, der ich dich ganz durchschaue? Ich weiß sogar auch, wen du liebst. Na, soll ich's sagen? Sei doch nicht so feig und verseufze nicht deine Jahre! Du mußt der Sache gerade auf den Leib rücken, mußt dem Mädchen sagen: höre, Mädchen, ich liebe dich, ich kann dich auch ernähren, wenn du mein Weib wirst, so sollst du keinen Mangel leiden. Oder willst du, ich soll für dich werben? Meinetwegen, ich werde gern dein Freiwerber sein, heute noch spreche ich mit dem Mädchen und morgen, das wette ich, feiern wir eine Verlobung, über welche selbst die Engel im Himmel ihre Freude haben werden.

Wie wir sehen, beantwortete sich Meister Boltay seine Fragen selbst. Sándor sprach kein Wort, er schlug die Augen nieder, drückte dem Meister stumm die Hand und ging aus dem Zimmer; wer weiß, was ihm fehlt?

Bisher hatte Meister Boltay ein lustiges Gesicht gemacht, aber sobald der Junge fort war, kamen ihm die Thränen in die Augen. Auch er vermutete, auch er fürchtete, daß Sándor unglücklich liebe.

Und dennoch hielt er an dem rettenden Gedanken fest.

Karpáthis Antrag kann er vor Fanny einmal nicht verschweigen; aber wenn das Mädchen einem Werber, der jenem zuvorkommt, ihr Jawort giebt, dann braucht er ihr doch nichts zu sagen.

Also zuerst wird er für Sándor um Fannys Hand werben; wer weiß, ob sie nicht dennoch etwas für ihn fühlt. Wenn sie ihn aber zurückweist, wenn sie sagt, daß sie für den jungen Mann gar nichts fühlt, was wird sie dann zu dem zweiten Antrag sagen? Kann sie vorgeben, sie werde einen siebzigjährigen Greis lieben, wenn sich ihr Herz gegen einen wackern jungen Menschen mit Kälte wappnet?

Der Plan war gut ausgedacht.

Boltay fuhr noch an demselben Tage nach seiner Landwohnung hinaus, die in einem lieblichen Thal der Karpathen lag.

Die Mühen und Genüsse des Landlebens boten dem Gemüte Fannys eine gesunde Nahrung; die Aussicht auf Wälder und Felder, das Gespräch mit den einfachen Dorfbewohnern gewöhnten ihre Seele an reinere Gedanken, der Hochmut und die Prunksucht, diese Bastarde der Civilisation, schrumpfen ein und verlieren sich im Schoß der heiligen Natur.

Fanny lief dem Meister Boltay schon von weitem entgegen, zog ihn vom Wagen und führte ihn mit heiteren kindischen Scherzen im Hof, im Garten, in den Scheuern herum; voll rosiger Laune zeigte sie ihm, wie sie das Getreide in den Scheuern habe aufschütten lassen, wie groß schon die Pflanzen in der Baumschule stehen, wie viel Schwärme die Bienen haben, wie das eingemachte Obst in der Speisekammer aufgestellt ist, wie schon der Flachs gewachsen ist u. s. w.

Boltay kniff das Mädchen in die Wangen und freute sich über ihre Heiterkeit.

– Was für eine gute Hauswirtin du geworden bist; du verstehst ja schon alles auf der Welt, man könnte dich ja schon ausheiraten.

– Ausheiraten! lachte Fanny, fiel dem Meister schelmisch um den Hals und sagte, heiraten Sie mich, Papa Boltay, Sie nehme ich gleich.

– Geh, du Schelm, sagte er, sich vor Freude kaum auskennend. Ich bin ja älter, als dein Vater. Wir werden dir schon einen aussuchen, der für dich paßt.

– Gut, Papa Boltay, je früher, desto besser, jetzt aber gehen Sie nur zur Tante Therese hinein, ich eile, das Nachtmahl zu bereiten.

Hiermit machte sie den neckischesten Knix, küßte dem Meister die Hand und trällernd sprang sie in die Küche, wie ein Kind, wie ein sorgloses Kind.

Meister Boltay ging zu Theresen. Fanny kam nicht eher in die Stube, als bis der Tisch gedeckt war und auch dann kam sie nur auf einen Augenblick, um nachzusehen, ob alles in Ordnung sei. Meister Boltay hatte indes Zeit genug, Therese von der Sachlage in Kenntnis zu setzen.

Der Antrag des Magnaten machte auch auf sie eine niederschlagende Wirkung. Er war zu glänzend, ein zu großes Glück, als daß man nicht dafür ein stilles, häusliches Glück aufgeben sollte. Bei so vielem Glanz, so großer Macht konnte man sogar die Schande vergessen, wie erst, wenn man dieses Glück noch in allen Ehren genießen kann.

Der Liebe Sándors vermochte auch Therese wenig Erfolg zu versprechen. Oft hatte sie Fannys Herz auf die Probe gestellt, vor ihr unvermutet den Namen des jungen Mannes erwähnt; aber das Mädchen blieb kalt, sie achtete und lobte ihn, aber das ist noch nicht Liebe.

Während des schmackhaften Abendmahls kam Meister Boltay noch oft auf seine Anträge zurück und machte scherzhafte Anspielungen, worauf das Mädchen mit ähnlichen Scherzen zu antworten wußte. Endlich räumten die Dienstleute den Tisch ab und die drei blieben allein.

Meister Boltays heitere Stimmung verwandelte sich jetzt in eine feierliche. Er faßte das Mädchen mit beiden Händen, zog sie zu sich und sagte: Es hat sich ein Freier für dich gefunden.

Das Mädchen seufzte und antwortete nichts.

– Der Freier ist ein wackerer, junger Mann, ein ehrlicher, arbeitsamer Handwerker, dazu ein kräftiger, gut gewachsener Bursche und was das Beste ist, er liebt dich schon lange wahrhaft, treu und heiß.

– Ich weiß es, das ist Sándor, sagte das Mädchen ruhig.

Meister Boltay schwieg. Es war nicht zu verwundern. daß das Mädchen das Geheimnis wußte.

Die beiden Alten warteten, was Fanny weiter sagen werde.

– Armer Sándor! seufzte sie.

– Warum bedauerst du ihn?

– Weil er mich liebt. Warum liebt er nicht ein besseres, treueres Mädchen, als ich bin, eine, die ihn glücklich machen könnte!

– Und du möchtest ihn nicht heiraten? fragte der Alte traurig.

– Wenn ich Ihnen damit Freude machen kann, so heirate ich ihn.

– Mir? Nicht mir, sondern dir selbst sollst du Freude machen; Sándor ist ein wackerer junger Mann, der seines Gleichen nicht hat, er ist auch kein so dummer Junge, wie andere Handwerker zu sein pflegen, er ist im Ausland gewesen und braucht sich vor niemandem zu verstecken – und wie liebt er dich!

– Ich weiß es, ich kenne ihn. Ich habe ihn immer geschätzt; er ist ein wackerer Mann. Aber lieben kann ich ihn nicht. Ich heirate ihn, wenn Sie es wollen, ich werde ihm treu sein bis zum Tode, aber wir werden beide unglücklich sein.

Boltay seufzte und nach einer Weile sagte er mit kaum verständlicher Stimme: So heirate ihn nicht.

Den beiden Alten traten Thränen in die Augen, beide liebten die zwei jungen Leute, als wären es ihre Kinder und wie gern hätten sie beide zusammen glücklich gesehen. Aber das Schicksal wollte es anders.

Fanny fühlte Mitleid mit ihrem weinenden Pflegevater, sie fiel vor ihm auf die Knie, ergriff seine schwieligen Hände und sagte: Bin ich undankbar, weil ich den nicht lieben kann, den Sie lieben? Aber ich wäre undankbarer, wenn ich ihm Liebe heuchelte und ihn unglücklich machte.

Beide schwiegen.

Wenn ein junges Mädchen über ihre Herzensangelegenheiten in so festgeschlossenen Syllogismen sprechen kann, so beweist dies, daß sie darüber wohl nachgedacht hat und daß man ihr gar nichts Unerwartetes sagen kann.

Boltay streichelte ihr die heiße Stirne und sagte mit erzwungener Ruhe: Steh auf, meine Tochter, das Herz kann und darf man nicht zwingen. Deine Hand ohne deine Liebe würde er gewiß nicht annehmen. Sprechen wir jetzt von etwas anderem, es ist noch ein anderer Freier da.

– Nennen Sie ihn gar nicht, Vater! rief das Mädchen, dem Meister Boltay um den Hals fallend. Wenn ich jemanden lieben könnte, so wäre er es, er, den Sie lieben und den zu lieben man so viel Grund hat. Nennen Sie mir niemanden, erlauben Sie mir, daß ich Sie nie verlasse, Sie und die Tante. Ich will bei Ihnen leben, Ihnen dankbar sein für Ihre Güte und jeden meiner Gedanken Ihnen und der Tante widmen; ich wünsche nicht, von Ihnen zu scheiden, jagen Sie mich nicht fort von Ihnen. Niemand wird mich zur Frau begehren, um dessentwillen ich Sie beide verlassen möchte.

– Dennoch, dennoch, mein liebes Kind. Es ist meine Pflicht, dich von deinem Glück in Kenntnis zu setzen. Ein großer, reicher Herr wirbt um deine Hand, ein Mann von hoher Familie, dessen jährliche Einkünfte sich auf anderthalb Millionen belaufen.

Fanny schlug die Augen nieder und schüttelte den Kopf; dann erwiderte sie kalt und klug: Das ist ein Glück, aber keine Glückseligkeit.

– Dein Freier ist zwar nicht mehr jung; aber statt der Liebe bietet er dir ein gemächliches Leben, eine hohe Stellung an.

– Wer ist es?

– Sein Name hat bei uns wohl keinen guten Klang, denn ein Mann dieses Namens hat uns die meisten Leiden verursacht; er ist der Onkel jenes Versuchers in der Kirche und heißt Johann Karpáthi.

Da lachte das Mädchen auf.

– Dieser Dicke, der aussieht wie eine Spinne!

– Er ist seit einiger Zeit magerer geworden.

– Den man für einen so großen Narren hält!

– Er ist klüger geworden.

– Der immer trinkt und sich mit Bauerndirnen unterhält!

– Er hat seine Lebensweise geändert.

– Lieber Vormund, nicht wahr, das war nur ein Scherz? oder wenn es Ernst ist, so soll daraus ein Scherz werden? Der gute Herr will mich heiraten, um von sich einen seltsamen Streich mehr erzählen zu können? O, dazu bin ich nicht feil.

Und hiermit ging sie, stolz aufgerichtet, im Zimmer auf und ab; die beiden Alten weideten ihre vor Freuden strahlenden Augen an ihrem königlichen Wuchs.

Endlich lachte Meister Boltay, entzückt über ihre abschlägige Antwort.

Voll heitern Übermuts setzte sich Fanny dem Alten auf den Schoß.

– Sehen Sie, Papa Boltay, ich habe Ihnen soeben gesagt, Sie sollten mich heiraten, Ihre Frau werde ich gern; darauf sagten Sie, Sie könnten mein Vater sein und jetzt tragen Sie mir den Herrn Jancsi an!

Meister Boltay lachte, daß ihm die Thränen aus den Augen traten. Also das ist doch nicht wahr, was die alte Erfahrung für eine feststehende Wahrheit ausgiebt. Also auch die Seele eines Kindes kann stark sein und den Glanz des Reichtums verachten, während sie nur ihre Hand darnach auszustrecken braucht.

– Daß ich nicht vergesse! sagte Boltay, der würdige Herr hat diesen Ring bei mir gelassen, damit ich ihn ihm zurückschicke, falls du seinen Antrag zurückweisest.

– Soll ich einen Korb mitschicken? fragte das Mädchen lächelnd.

– Das ist nicht nötig, er wird es schon so verstehen, lachte der Meister; auch die gute Therese lachte seit langer Zeit zum erstenmale wieder.

Meister Boltay war außer sich vor Entzücken. Die Freude darüber, daß sich das Mädchen der Versuchung gegenüber so wacker gehalten hatte, überwog in ihm das Leid um Sándor, Er war schon im voraus stolz, wenn er sich vorstellte, wie er dem reichen Herrn wird sagen können: Du hast meiner Mündel für die Rosen ihrer Wangen anderthalb Millionen angeboten, sie weist aber deinen Reichtum zurück! Wie stolz, dachte er sich, werde er seinen Kopf vor den Stutzern erheben können, welche glauben, sie könnten Fannys Liebe um einige tausend Gulden taufen! Diese Bettler!

Beide küßten das Mädchen unzählige Mal und einander gute Nacht wünschend, ging jeder in sein Schlafzimmer.

Die Nacht war bereits vorgerückt. Es war schon Zeit zu Bett zu gehen; aber schlafen konnten sie nicht, ein unruhiger Geist scheuchte allen den Schlaf von den Augen.

Meister Boltay dachte an die stolzen Worte, mit denen er von Fanny wird sprechen können.

Theresens Seele irrte zwischen den Vorstellungen der Vergangenheit und Gegenwart, sie wollte Klarheit über so viele Widersprüche, die ein Mädchenherz bewegen und es nie zur rechten Erkenntnis des Guten und des Bösen, des Triebes und des Wissens kommen lassen; so ein Mädchen hat Geheimnisse, von denen es selbst nicht viel weiß, sie heuchelt und täuscht damit sich selbst, Phantasien sieht sie für Wirklichkeit an. Wer kann sich da zurecht finden! Einen Engel, einen Teufel kann man leicht erkennen, einen Mann, eine Frau schwer, ein junges Mädchen aber gar nicht.

Der Zauber des Schlafes war weit von Fannys Augen. Der Mond, dieses Lieblingsgestirn träumerischer Gemüter schien durchs Fenster, die Gegend war still, die Luft lau, es war eine Nacht, in der die Elfen aus ihren Versteck schlüpfen und im thauigen Gras ihren Reigen tanzen, in der die Mädchen nicht schlafen können und wachend träumen.

Wo schweiften jetzt die Gedanken der jungfräulichen Seele? Wandelten sie den Weg der Glückseligkeit, der Liebe, irrten sie zwischen Gräbern, suchten sie die Spuren der Erkenntnis oder schwebten sie zu den Sternen auf?

Nur ein Gedanke webte jetzt in ihrem Herzen; sie sah das Gesicht jenes Mannes, den sie liebte, dessen Gestalt sie im Geist mit Blumen bekränzte, den sie sich edel, groß, ruhmreich dachte, von dessen Andenken ihr Herz erfüllt war, dessen lächelndes Antlitz sie sich so oft vorstellte und welche Vorstellung sie so sehr beruhigte.

Jetzt dachte sie weder an den alten Narren, dessen Hand ihr der Vormund antrug, noch an den traurigen jungen Mann, der sie so sehr liebte.

Sie dachte nur an ihn, den Unbekannten. Wo weilt er jetzt, den sie nicht nennen und nicht vergessen kann? Gewiß hat er keine Ahnung davon, daß ein Herz im geheimen nach ihm schmachtet, so wie der Mond keine Ahnung hat von dem Kranken, den seine Strahlen mächtig anziehen, von dem Kranken, der sich gefährlichen Abgründen nähert, um ihm, dem Mond näher zu sein.

O könnte sie ihm nur nahe sein!

Wie glücklich sind doch die Damen der großen Welt, die ihn täglich sehen, die mit ihm sprechen, ihn bewundern, ihn achten können! Lebt unter ihnen die Erwählte seines Herzens? Nein, keine kann ihn so innig lieben! Sie würde es ihm nie sagen, aber sterben könnte sie für ihn. Nur einmal möge der Dorn dieser Rose ihr Herz leicht verwunden und sie möchte sich in süßem Schmerz verbluten, bis sie stirbt und ins Grab sinkt, erst dann sollte er erfahren, wie er geliebt wurde und ihrem Grabe eine Thräne weihen.

Warum kann sie ihm sich niemals nähern?

Niemals?

Ein sonderbarer Gedanke ergriff plötzlich ihre Seele.

Also so hoch wären die Kreise der vornehmen Welt, jeder Weg zu ihnen so versperrt, daß selbst die anbetungsvolle Liebe ewig nur ein stummer Wunsch bleiben kann?

Es kostet sie ja nur ein Wort und die Vornehmen öffnen vor ihr die Thüren! Es kostet sie nur ein Wort und sie ist so hohen Ranges, sie kann dieselbe Luft einatmen, wie die von ihr beneideten Damen, die das Gesicht und die Stimme ihres angebeteten Ideals sehen und hören dürfen, denen es erlaubt ist, dem Blick seines Auges zu begegnen, vor ihm zu erröten, ihn mit sehnsüchtigen Blicken zu verfolgen und das tödliche Gift stummer Liebe einzusaugen.

Es schauderte sie.

Berührte vielleicht die kühle Nachtluft ihre Glieder?

Dieses Ziel wäre erreicht, wenn sie Karpáthi ihre Hand gäbe. Es kostet sie nur einen Schritt und sie befindet sich in der Höhe, die sie für unerreichbar gehalten.

Sie wies diesen Gedanken von sich; er blieb ihr nur einen Augenblick in der Seele und dann verlöschte sie ihn wieder.

Was würden ihre Lieben, Boltay und Therese sagen, wenn sie den wackern, mannhaften, edelgesinnten jungen Mann des Geldes wegen, aus Sucht zu glänzen zurückwiese und einem ungeliebten Greis die Hand reichte?

Doch andererseits hat sie Verwandte, die sie durch diesen Schritt glücklich machen, von Schmach und Elend, vielleicht von der Verdammnis erretten könnte: ihre Mutter und ihre Schwestern.

Dazu kommt die Rache, die Vergeltung, die sie an dem Menschen üben könnte, der sie erniedrigen, zum Gegenstand des Gelächters machen wollte, der auf ihren Fall eine Wette machte. Dem könnte sie in seiner eigenen Welt mit Verachtung begegnen!

Klügle nur, klügle nur, gute Jungfrau, du bist schon gefangen. Nicht Liebe zu deiner Mutter und deinen Schwestern leiten dich, sondern eine andere Liebe trägt vor dir die Fackel her, deine geheime Liebe zu jenem Unbekannten führt dich dem Greise in die Arme.

Spiegle dir nur vor, daß du ein Opfer bringen, deinen Pflegeeltern nicht mehr zur Last fallen willst, stelle dir nur vor, wie viel Gutes du in deiner Stellung den Leidenden wirst thun können! – Das alles ist Selbsttäuschung! Liebe verleitet dich dazu, daß du ohne Liebe deine Hand einem reichen Greise giebst, du gehst Gott versuchen, wenn du vor den Altar trittst und »Ja« sagst zu der Liebe, die einem andern gilt, als demjenigen, in dessen Hand die deine zittert.

Geh deinem Schicksal entgegen.

Endlich schläft alles im Hause. Träumet nur fort; über Nacht kommt Rat.

Am Morgen wurden die beiden Alten überrascht; Fanny ersuchte Boltay, er möge, wenn Karpáthi um den Ring schicke, ihm denselben nicht zurückschicken.


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