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4.
Eine vaterländische Institution

Der Landtag war zu Ende. Die Stände (Mitglieder des Unterhauses) und die Magnaten (Mitglieder des Oberhauses), die Juraten (die in Begleitung der Deputierten beim Landtag anwesenden Rechtskandidaten) mit ihren schwarzen Attilaröcken und klirrenden Säbeln, die Väter des Vaterlandes mit ihren goldbeschnürten und reichverbrämten Mentes, die prächtigen Equipagen mit den darinsitzenden Modedamen verschwanden plötzlich aus den Gassen Preßburgs; an den Hausthoren hingen die traurigen Anzeigen: »Wohnung zu vermieten«, die Kaufleute packten ihre kostbaren Modewaren wieder ein, die Kaffeehäuser waren leer und die paar übriggebliebenen Stammgäste glichen den wenigen Blättern, die im Spätherbste noch an den Bäumen hängen; man konnte bequem auf den Gassen gehen, ohne fürchten zu müssen, daß man niedergefahren werde; Nachts wurde man nicht von dem Gesang der unruhigen Jugend geweckt; auf die jungen Mädchen brauchte man nicht mehr so ängstlich acht zu geben, sie sahen auch nicht mehr so häufig aus den Fenstern auf die Straße; man brauchte nicht mehr zu zittern, die Landtagsjugend werde bei Gelegenheit einer Serenade mit Fackelbeleuchtung die Stadt anzünden, kurz: Preßburg erhielt sein früheres ruhiges und friedliches Ansehen wieder und die dortigen Studenten waren nicht mehr in den Hintergrund gedrängt.

Johann von Karpáthi reiste auch mit seiner Frau nach Hause. Die Preßburger Kaufleute sprachen noch lange von ihm; erstens, weil er von allem, was nur dem Auge auffällt, von Kleidern, Putzsachen, Geschmeiden, das Beste und Schönste für seine schöne, junge Frau kaufte, die er überall mitnahm und nie vom Arm lassen wollte, um mit ihr zu paradieren, wie ein Kind, das ein neues Kleid bekommen hat, dieses gar nicht wieder ausziehen und darin sogar schlafen möchte; zweitens, weil Karpáthi die Eigenheit hatte, wenn er kaufte, nur ungarisch zu sprechen; der Ladendiener hatte einen großen Vorteil, der mit ihm ungarisch sprechen konnte und sogar die Chefs bemühten sich, den großmütigen Nabob mit » alásszolgája« anstatt mit »gehorsamer Diener« zu grüßen. Karpáthi hatte sich sogar vorgenommen, eine Gesellschaft zu gründen, deren Mitglieder es sich zum Grundsatz machen sollten, beim Einkaufen nie anders als ungarisch zu sprechen, sodaß die Kaufleute genötigt werden, ungarisch zu lernen; sie selbst könnten ja zu Hause doch deutsch und lateinisch sprechen, zwei Sprachen, die damals in den ungarischen adeligen Kreisen am üblichsten waren.

Dieses Vorhaben übrigens auf später aufschiebend, reiste Karpáthi, wie gesagt, mit seiner geliebten Gattin nach Karpáthfalva zurück.

Fanny schied von ihren beiden lieben Alten mit einem Gefühl, als sollte sie dieselben nie wieder sehen. Diese bemühten sich auch, beim Abschied so ruhig als möglich zu sein, aber sie konnten das Weinen kaum unterdrücken; doch das hätte sich nicht geschickt, sie mußten sich ja vielmehr freuen, denn das Mädchen hatte ein großes Glück gemacht.

Fanny drückte der Abschied das Herz ab; sie fiel ihrer Tante um den Hals und konnte kaum die Worte stammeln: Lieben Sie mich immer!

– Ich habe dich ja immer geliebt, sagte Therese, und ihre Augen waren rot von den zurückgehaltenen Thränen. Aber sie durfte ja nicht weinen; Fannys Mann stand dabei, was hätte er dazu gesagt?

– Na, Meister Boltay, sagte der Nabob, ihm die Hand schüttelnd, ich hoffe, wir werden uns noch sehen. Sie sind mir einen Besuch schuldig. Ich bin schon auf Ihrem Landgut gewesen, jetzt müssen Sie mich in Karpáthfalva besuchen.

Der Handwerker errötete. Der Nabob wußte nicht, daß dieser Mann mit den von der Arbeit schwieligen Händen auch seinen Stolz habe.

– Ich danke, mein Herr, antwortete er; ich kann nicht fort, ich habe zu viel zu thun.

– Sie haben ja einen wackern Gesellen, ich habe mit ihm gesprochen, ein kluger Junge, dem können Sie alles anvertrauen. Wie heißt er?

Mit von Rührung erstickter Stimme sprach Boltay den Namen: Barna Sándor; wider seinen Willen traten ihm bei diesem Wort Thränen in die Augen und rollten ihm über die Wangen hinab. Als Therese das sah, begann auch sie zu weinen und Fanny wurde blaß.

– Also im Winter einmal, guter Boltay, fuhr Karpáthi fort; wenn Sie wollen, so komme ich herauf und hole Sie ab. Lieben Sie die Jagd?

– Nein, mein Herr, ich habe mit den Tieren zu viel Mitleid.

– Nun Sie, gute Therese, Sie werden doch Ihre Nichte gern einmal sehen wollen? Kommen Sie nachzuschauen, ob ihr nichts fehle, wie sie mit ihrem Schicksal zufrieden sei. Sie soll sich einmal vor Ihnen ausweinen, wenigstens werde ich ihr dann erträglicher sein.

Auf diesen Scherz antwortete Therese nicht und Fanny war es so weh ums Herz, daß sie kaum zu atmen vermochte, als sie sich endlich in den Wagen setzen mußte und dieser davon rollte.

Kaum waren zwei Wochen vergangen, so erhielt schon Therese einen Brief von Fanny.

Die junge Frau bemühte sich, mit guter Laune zu schreiben; sie beschrieb die unterhaltenden Menschen, von welchen sie umgeben war, den schelmischen Horhi Miska, der alles mögliche ersinnt, um sie zum Lachen zu bringen, Kis Miska, den feurigen guten Burschen, der täglich vier Meilen weit reitet, um sie zu sehen, den alten Güterdirektor mit dem Zopf, der sich mit großer Ausdauer bemüht, sie mit allen Zweigen der Wirtschaft bekannt zu machen, den alten Heiducken, den alten Narren und den unterhaltendsten, den Herrn Johann selber, die sich alle zusammen verschworen haben, die junge Frau zu amüsieren, ihr gute Laune, Freude, Zerstreuung zu verschaffen, was ihnen denn auch ziemlich gelang.

(Gute Laune, Freude, Zerstreuung! – von Liebe, Glückseligkeit war keine Rede in dem Briefe.)

Jetzt beginnt indes ein neuer Gegenstand dem Leben Johanns Interesse zu verleihen.

Seitdem er auf dem Landtag war, besonders aber seit den Qualen jenes entscheidenden Tages, welche sein Neffe ihm bereitet, hatte er sich es in den Kopf gesetzt, dem Vaterland zu nützen.

Er stiftet Fundationen für die Mittelschulen, oft fährt er zu dem in der Nachbarschaft wohnenden Grafen Szentirmay, der ein ganz besonderer Mann sein muß, weil er von jedem so sehr gelobt wird, der immer darüber nachsinnt, wie er die Bauern vom Urbarium befreien könne, der mit andern ihm gleichgesinnten Männern Beratungen hält über Dampfschiffe, Fabriken, Theißregulierung, Errichtung von Dämmen, über eine Gelehrtengesellschaft, ein Theater und Wettrennen, der den größten Teil des Jahres in Pest zubringt und die andern Magnaten beredet, im Winter gleichfalls in Pest zu wohnen. Auch den Herrn Johann habe er schon dazu bewogen, in der Hauptstadt ein großartiges Palais zu bauen; wenn er auch dort nicht wohnen will, so wird er dadurch die Stadt verschönern. Jeder der Herren, die bei diesem Grafen zusammenkommen, macht irgendeinen neuen Vorschlag; einer von ihnen soll sich sogar angeboten haben, sein Einkommen von einem ganzen Jahr, sechzigtausend Gulden zu opfern, damit eine Akademie zustande komme und als man ihn fragte, wovon er leben werde, sagte er, er werde schon bei einem oder dem andern Freunde mitessen. Diese Gesellschaften besuche Herr János oft und seitdem trage er dem Güterdirektor auf, sich von den Verwaltern pünktliche Rechnungen ablegen zu lassen, denn er werde jetzt für die öffentlichen Angelegenheiten viel Geld brauchen. Endlich habe auch er einen Vorschlag ersonnen, den alle, welchen er ihn mitgeteilt, so gemeinnützig fanden, daß sie aus Freude darüber den Herrn Johann lobten und priesen.

Dieser Vorschlag betrifft die Gründung einer Gesellschaft zur Zucht von Windhunden.

Sie, schrieb Fanny weiter, verstehe zwar nicht, von welchem Nutzen diese Gesellschaft sein könne, sie verstehe das so wenig wie die andern Vorschläge, welche Dampfschiffe, Dämme, die Akademie und die Wettrennen betreffen; aber sie merke, daß alle, die von dieser Idee sprechen, davon außerordentlich begeistert sind und sie glaube die Windhunde haben eine glückliche Zukunft und einen glänzenden Beruf zu erwarten. Im kommenden Monat werde im Kastell zu Karpáthfalva die erste Generalversammlung abgehalten werden.

Den Brief schloß Fanny mit allen Zeichen der Liebe und mit herzlichen Grüßen von Seite ihres Gemahls.

Vom eigentlichen Lebensglück, von der Freude des Herzens, vom Glück der Liebe war kein Wort in ihrem Brief. Arme Frau! dachten die Empfänger, sie hat niemanden, vor dem sie ihr Herz ausschütten kann.

Als Fanny nach Karpáthfalva kam, fand sie außer den paar lustigen Leuten, die sie beschrieb, nichts von den früheren Narrheiten vor.

Herr Johann von Karpáthi hatte seinem Güterdirektor noch aus Preßburg geschrieben, er werde eine junge Frau mitbringen, es müsse daher alles aus dem Schloß beseitigt werden, was die junge Dame skandalisieren könnte, auch müsse ein Flügel des Schlosses für die neue Herrin eingerichtet werden. Der Güterdirektor erhielt Vollmacht zu allen nötigen Anordnungen.

Der wackere alte Mann reformierte binnen einer Woche, nachdem er die Vollmacht erhalten, die ganze Einrichtung des Schlosses so sehr vom Grund aus, daß es nicht mehr zu erkennen war.

Die Bauerndirnen, deren Verrichtungen völlig unbestimmt waren, wurden nach Hause, Dienstboten, die sich durch Fluchen und einen ungewaschenen Mund auszeichneten, auf die Pußta geschickt. Den Beamten wurde eingeschärft, die gnädige Frau mit der größten Ehrerbietigkeit zu empfangen und sich im Schloß keinerlei Freiheit mehr herauszunehmen; dem Fiskal wurde bedeutet, er müsse sauber und nett erscheinen, sonst werde man ihn gleich in den Ruhestand versetzen. Der ehemalige Pfingstkönig wurde samt seinem Weibchen ins Schloß beordert, wo er als Kutscher und sie als Kammerdienerin der gnädigen Frau angestellt wurden. Der Güterdirektor selbst ging nach Pest und kaufte mit einem Geschmack, der seinem Zopf weit voraus war, die Einrichtung für den Flügel des Schlosses, welchen die junge Frau bewohnen sollte und welcher an der Front die Aussicht nach dem Gebirge und durch die Seitenfenster die Aussicht in den Park bot. Alle frivolen Bilder, die im Schloß waren, wurden aus den Rahmen genommen und dafür hübsche Landschaften und andere gute Bilder hineingethan. Vieles andere, kurz alles, was an das frühere frivole Leben des Schloßherrn erinnern konnte, wurde aus dem Schloße beseitigt und von den vielen Lustigmachern wurde nur der Zigeuner Vidra wegen seiner Anhänglichkeit im Schloß behalten und auch ihm wurde bedeutet, daß er sich von nun an vernünftig zu benehmen habe.

Als sich in der Umgegend das Gerücht verbreitete, Herr Jancsi habe geheiratet, kamen von allen Seiten, von den bekannten originellen Käuzen Gratulationen in Versen und Prosa an. Der Güterdirektor vernichtete sie aber alle, damit sie der jungen Frau nicht in die Hände gerieten, denn sie waren nicht minder cynisch und frivol als die fortgeschafften Bilder. Besonders zeichnete sich darunter ein schmutziges Pasquill aus, das von dem Poeten Gyárfás herrührte, welcher jetzt bei Kutyfalvi Bandi Kost und Wohnung hatte. In dieses Pasquill wickelte der zuweilen auch witzige alte Güterdirektor ein Stück schimmeligen Käse und in Asche getunktes Brot (mit welchen die Bauern die Hunde kurieren, die im ersten Stadium der Tollwut sind), that dies alles in ein zweites Couvert und schickte es dem Herrn Kutyfalvi zurück, auf dessen Veranlassung das Pasquill gewiß entstanden war. Mit der Sendung wurde Marczi betraut und wurde ihm aufgetragen, auf dem besten Renner hinzureiten und bei der Übergabe des Pakets gar nicht abzusteigen. Als Kutyfalvi das Paket öffnete und den Inhalt sah, wollte er vor Zorn aus der Haut fahren und befahl den Dreschern, die eben im Hofe waren, das Thor zuzusperren und Marczi nicht fortzulassen; aber der ehemalige Pfingstkönig setzte mit seinem guten Pferd über die Bretterumzäunung des Hofes und kam mit der Nachricht nach Hause, daß Kutyfalvi ihn samt seinen Knechten bis zum Saume des Waldes verfolgt habe.

Herr Johann selber war aufs freudigste überrascht, als er, nach Hause kommend, nichts von dem allen vorfand, was er gefürchtet hatte. Wo er hinsah, erwartete ihn eine neue Überraschung, aus der ganzen Narrenburg war ein Aufenthalt geworden, wie er sich für ernsthafte, fein gebildete Menschen schickt; alle Leute im Schloß betrugen sich schicklich und die höheren Bediensteten begegneten der gnädigen Frau mit so gutem Anstande, daß sie alle die Narrenpossen, die man ihr in Preßburg so oft von Johann von Karpáthi erzählte, für boshafte Erfindungen hielt.

Die ehemaligen Gesellen Jancsis kamen auch jetzt zu ihm auf Besuch und gaben sich anfangs Mühe, sich dem neuen Geist des Hauses zu fügen; aber nach und nach kehrten sie die alte Natur hervor und wollten in Jancsis Schloß ihre früheren Streiche ausführen. Allein Herr Johann von Karpáthi erfand ein eigentümliches, wirksames Mittel, sich sie nacheinander vom Halse zu schaffen.

Ein neues Leben regte sich damals in der ungarischen Nation; allenthalben entstanden Vereine zur Gründung oder Beförderung nationaler, humaner, wissenschaftlicher und landwirtschaftlicher Anstalten, Karpáthi nahm teil an allen diesen Vereinen und sah es gern, wenn man ihn hier und da zum Ehrenpräsidenten, zum Protektor wählte und ihn mit Subskriptionsbogen beehrte. So oft sich nun einer seiner ehemaligen Zechgenossen blicken ließ, präsentierte er ihnen einen Subskriptionsbogen, auf welchen bereits er und seine Frau beträchtliche Summen gezeichnet hatten; der Besucher mußte, ob es ihm nun lieb war oder nicht, auch unterschreiben, hütete sich aber sobald wieder zu kommen. Herr von Karpáthi brachte es endlich gar so weit, daß ihm seine ehemaligen lustigen Gesellen, wenn sie ihm unvermutet irgendwo begegneten, behutsam auswichen und sein altes, lustiges Schloß bei ihnen in Verruf kam, wie etwa eine Räuberkneipe.

Zuweilen gelang es ihm aber dennoch einen oder den andern von ihnen in die Sitzungen zu locken, welche bei dem Grafen Szentirmay gehalten wurden und in welchen man sich über allerlei gemeinnützige Gegenstände unterhielt.

Da pflegten ernste, wissenschaftlich gebildete Männer zusammen zu kommen, in deren Nähe sich die lustigen, guten Burschen unheimlich fühlten; sie zitterten vor dem Gedanken, der Graf werde sie einmal seiner Gemahlin vorstellen, die, wie man sagt, eine hochgebildete Frau ist – und es giebt Männer, welchen die Nähe solcher Damen höchst peinlich wird.

Was die Frau von Karpáthi betrifft, so ist das ganz was anderes. Von dieser weiß man, daß sie nicht aus einer vornehmen Familie stammt, man braucht in ihrer Anwesenheit nicht einmal die Worte zu wählen, denn zu Hause mag sie Dummheiten genug gehört haben und sie kann einen derben Ausdruck, der einem in guter Laune entschlüpft, nicht verübeln; während man in Gegenwart der Gräfin Szentirmay weder zu reden, noch sich zu rühren wagt, denn sie ist in England erzogen worden, von dessen Damen man sagt, daß sie gleich aufstehen und fortgehen, wenn man in ihrer Anwesenheit das Wort »Strumpf« oder »Hemd« ausspricht, oder wenn man sich nur die Handschuhe auszieht.

Wie bereits erwähnt, sollte unter dem Vorsitz des Herrn Johann von Karpáthi eine von ihm angeregte Anstalt gegründet werden, die sich schon im voraus des allgemeinen Beifalls erfreute, eine Anstalt, die wie mit Zaubermacht alle politischen Parteien einigte, weil sie die Interessen keiner derselben verletzte, nämlich ein Verein zur Zucht der Windhunde.

Sollte übrigens diese Idee unseren Lesern nicht für wichtig erscheinen, so mögen sie uns dennoch glauben, wenn wir versichern, daß sich alle Teilnehmer des im Entstehen begriffenen Vereins lebhaft dafür interessierten, wenn auch nicht wegen der Sache, über welche man beraten sollte, sondern wegen der Beratungen selber. Parlamentarisches Thun und Treiben zu großen oder kleinen Zwecken, in großen oder kleinen Sälen war damals die Lieblingsbeschäftigung in allen Abstufungen des ungarischen Adels; zudem hatte die alte, liebenswürdige, ungarische Gastfreundschaft in den Beratungen eine neue Gelegenheit gefunden, sich zu bethätigen.

Doch für uns hat die bevorstehende Zusammenkunft, die den Windhundverein förmlich ins Leben rufen sollte, jedenfalls ein großes Interesse, denn sie nimmt das arme, junge Herz Fannys, das wir zur Liebe erwachen gesehen haben, lebhaft in Anspruch.

Ihr Herz?

Sollten sich doch in dem Schloß, in welchem sie jetzt wohnte, dessen Herrin sie jetzt war, viele, sehr viele adelige Herren versammeln, selbst die ernsteren, gefeierten Männer; denn sie haben alle eine Vorliebe für Karpáthi, der trotz seiner Narrheiten und bizarren Einfälle doch auch so viel Empfänglichkeit für das wahrhaft Gute und Ernste befaß, auf dessen Bereitwilligkeit man trotz seines spaßigen Unternehmens, auch bei großen, edlen Unternehmungen zählen konnte.

Bei dieser Gelegenheit lud Herr Johann von Karpáthi zum erstenmal Damen zu sich ein; war er doch verheiratet.

Fanny dachte zitternd daran, daß vielleicht auch die vornehmem Damen der Gegend kommen werden. Werden diese sie ihrer Beachtung würdigen? Werden diese Damen, die nicht bloß aus alten, sondern auch aus tadellosen Familien stammten, ihr den hohen Rang zuerkennen, auf welchen die Laune Karpáthis sie erhoben hat?

Die vornehmen Herren der Gegend werden gewiß kommen, berühmte, im ganzen Lande geachtete Männer. Das Fest wird mehrere Tage dauern. Am ersten Tage wird die Sitzung gehalten werden; rings um den langen Tisch werden die Männer sitzen, innerhalb einer Seitengalerie werden die Damen die geistreichen Reden mit anhören. Hierauf wird ein Bankett folgen, bei welchem sie die Honneurs machen wird; – wer wird da auf ihre Gesundheit trinken?

Am folgenden Tage wird ein Windhundrennen folgen. Damen und Herren werden reitend den Fuchs jagen. Auch sie wird an der Hetzjagd teilnehmen; – wer wird ihr Ritter sein?

Abends wird derjenige, der mit seinen Windhunden die meiste Beute in der kühnsten Weise gemacht hat, aus ihrer Hand eine von ihr selbst gestickte, mit Gold und Perlen ausgelegte Schabracke erhalten, – wer wird diesen Preis gewinnen?

Am dritten Tage wird das Fest mit einem glänzenden Ball beschlossen werden; welch ein schöner, prächtiger Anblick wird das sein; – wer wird sie am liebsten zum Tanz auffordern?

Immer und immer schwebte ihr ihr Ideal vor Augen, der blasse Mann, den sie einmal im Magnatensaal in Preßburg gesehen hat. Ihn sah sie im Geist bei dem Bankett aufstehen, ihn hörte sie mit wohlklingender Stimme einen Toast auf sie ausbringen und dabei dachte sie, wie schön es wäre, wenn der Becher, mit dem sie an den seinen anstößt, mit Gift gefüllt wäre, wie möchte sie ihn austrinken bis zum letzten Tropfen und sterben. Ihn sah sie neben sich zur Jagd reiten, schnell und wild und sie dachte, wie schön es wäre, wenn das Pferd mit ihr stürzte, daß sie im Anblicke des geliebten Mannes stürbe. Ihn sah sie überall, an ihn dachte sie immer, fortwährend stand das schöne Bild des Unbekannten vor ihren Augen und immer dachte sie, wie gut es für sie wäre, zu sterben.


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