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Achtzehntes Kapitel.

Wer war dieser Johann Szobieszky? Und wie kam er jetzt hierher? Er entstammte einer Familie von Helden. Seine Mutter war früh Wittwe geworden. Theophila gab ihren beiden Söhnen Markus und Johann eine vortreffliche Erziehung. Der junge Johann wusste den Pinsel so zu führen, wie den Speer und den Säbel; er traf den Menschenkopf lebensgetreu mit dem Pinsel, todesgetreu mit der Waffe. Er war Dichter und zugleich Troubadour; seine Reden waren hinreißend. Schon in seiner Kindheit gewöhnte ihn sein Vater daran, mit ihm zu streiten, präcis und ausdrucksvoll. Er möge den Freiheitskultus damit beginnen, daß er auch dem einzigen Menschen, den das göttliche Gesetz selbst zu seinem unumschränkten Herrn eingesetzt, dem Vater gegenüber, seine Unabhängigkeit wahre. Und als die Jungen der Schule entwachsen waren, sandte sie der Vater in die weite Welt hinaus. »Mögen sie auf den eigenen Schwingen fliegen lernen,« sagte er. Bei dem Abschied übergab Theophila ihren Kindern das die beiden Familienwappen vereinigende Schild mit dem Losungswort der spartanischen Mutter: »Entweder mit diesem, oder auf diesem

Die zwei Heldensöhne gingen nicht auf die Jagd nach Liebesabenteuern und Genüssen dieser Welt. Sie suchten jene Stellen aus, wo Gewitter drohten. Sie bereisten England während der großen Kämpfe Cromwell's, suchten Neapel auf, während Masaniello dort der Herr war, und kämpften als gemeine Soldaten in Paris gegen die Liga.

Und dann verabredeten sie, die Türkei zu bereisen. Sie suchten den mächtigsten Feind, gegen den ihre Väter so viele verhängnissvolle Kämpfe gekämpft, in seinem eigenen geheimnissvollen Reiche auf und wollten den rätselhaften Riesen, welcher ganz Europa bedroht, am eigenen Hofe studiren. Sie reisten mit einander nach Stambul.

Inmitten der Feenmärchen des Orients ereilte sie die Trauernachricht von dem Tode ihres Vaters und die noch traurigere Nachricht, daß ihr Vaterland in den Todeszügen liege. Diese Nachrichten riefen sie nach Hause. Sie benützten nicht den langen, aber sicheren Seeweg, sondern setzten sich zu Pferde und eilten den gradesten Weg von Stambul nach Hause – durch Thrazien und Bulgarien, über die Donau nach der Walachei hinübersetzend und von dort bis zur podolischen Grenze, keinen Tag rastend und selbst die Nächte zur Hälfte verkürzend.

Und endlich, endlich am Ende ihres langen Weges war das Erste, was ihnen entgegenkam, die Schaar der gefangenen Vaterlandssöhne! Wie eine Heerde Rinder wurden sie von Tartaren, Walachen und Kosaken in die Sklaverei auf die Märkte getrieben. Eine lange Prozession, mehr als zweihunderttausend Menschen, durch Stricke mit einander verbunden: Mönche, Nonnen an einander gefesselt, ihre Treiber in die teuren Gewänder der Gefangenen gekleidet und die Glieder und Körper der halbnackten Menschen von Geißelhieben bis aufs Blut geschlagen.

Mit erbitterter Wut verstellten die beiden Szobieszky diesem Trauerzuge den Weg. Nur gering war ihr Gefolge, nach dem ersten Zusammenstoss jedoch vergrößerte es sich. Sie rissen die Fesseln von den Gefangenen, gaben ihnen die Waffen der niedergemachten Wächter in die Hände, und wie eine Schneelawine schwoll ihre Schaar an. Auf ihrem Heimwege befreiten die beiden Heldensöhne das gefangengenommene polnische Lager. Sie sammelten ein Kriegsheer auf feindlichem Boden, und mit dem durch die befreiten Sklaven ergänzten Heere, dessen Waffen die Erbitterung, deren Taktik die Todesverachtung war, griffen sie den mächtigsten der Feinde, den König von Schweden, unter den Mauern Zamojszky's an und besiegten ihn.

Dies war Johann Szobieszky's erster Sieg.

Er wusste, daß er das Weib, welches die Mutter der Szobieszky's war, an dem einzigen Orte finden könne, welcher sich dem Feinde noch nicht unterworfen. Er zählte zur Zeit nicht mehr als zwanzig Jahre. Er sehnte sich nach dem mütterlichen Belohnungskuss.


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