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Erstes Kapitel.

Wir wissen sehr gut, daß jenes wunderbare Gewächs, dessen Name Frauenhaar ist, seit den ältesten Zeiten und seitdem die Dichter den Geschichtsschreibern ins Handwerk pfuschen, Verherrlicher fand. Berenicens Haar ward zu den Sternen erhoben; das Haar der Karthagischen Frauen spielte im letzten »bellum punicum« als Bogensehnen eine große Rolle. Es gehört übrigens nicht einmal viel Phantasie dazu, sich für ein so üppiges, glänzendes Haargezelt zu begeistern: diese von einer Marmorstirne niederwallende, zerzauste Strahlenflut, dies Versteck der Elektricität ist fähig, selbst den kaltblütigsten Philosophen zu einem Phantasten zu galvanisiren; diese mit hunderttausend Saiten bespannte Harfe, aus Gold, wenn es blond, aus Stahl, wenn es schwarz ist, kann Jeden zum Dichter salben, es ist leicht auf derselben zu spielen; unsere Geschichte spricht jedoch blos von einem einzigen Haar, von »einem« Frauenhaar. Und dies war gerade jenes Haar, an welchem es hing, daß sich Europas Karte nicht gänzlich umgestaltete, – daß ein ungarischer Graf in Ungarn keine neue Dynastie gründete, – daß die türkischen Sultane ihre Residenz Stambul nicht mit Wien vertauschten, – daß in Polen keine Könige aus französischem Blute regieren, – daß in Moskau nicht die Polen die Herrschaft führen; – all dies hing an einem Haare, – und daran, daß dasselbe »nicht« riß.

Das Frauenhaar spielt eine große Rolle in der Weltgeschichte. Die klügsten Menschen sind im Stande, allerlei Aberglauben an ein Frauenhaar zu knüpfen. Wenn König Gordios den um eine Wagendeichsel geschlungenen unlösbaren Knoten statt aus Hanffäden, aus einem Frauenhaar geknüpft hätte, hätte selbst Alexander der Große denselben weder aufzulösen, noch entzweizuhauen vermocht.

Den Zusammenhang unserer Geschichte bildet also ein veritables, kein allegorisches, sondern ein goldrotes Frauenhaar.


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