Jean Paul
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§ 12

Indes durch diese erschleichende Verwechslung der toten Nahrung mit lebendigem Samen wagt man sich von weitem an eine stärkere Verwechslung der höhern Kost mit der höhern Tiererzeugung.Meiners l. c. S. 34. Aus Meertieren destilliert man die bessern Amphibien und die Vögel, gleichsam aus wässerigen Meteoren die feurigen; fleischfressende Tiere entstehen, sobald etwas zu fressen da ist, nämlich pflanzenfressende. Und sogar der Mensch entstand, folgerecht nach dieser Hypothese ausgedrückt, aus dem Brode für ihn, eine Art Brodverwandlung, zwar nicht in einen Sohn Gottes, aber doch in ein Ebenbild Gottes. Ja Treviranus tut noch zwei unhaltbare Schritte weiter (dessen Biolog. z. B. S. 225-226). Erstlich läßt er die ausgestorbenen Zoophyten der Vorwelt als die Urformen höherer Bildungen nachher durch den Übergang in höhere Gattungen entweichen und erlöschen. Aber er antworte, warum hinter dem vollkommensten Erdgeschöpf, dem Menschen, nicht das ganze Tiergerüste der tieferen Wesenleiter nach dessen Aufbau abgebrochen worden, und warum die Austerbank noch neben seiner Fürstenbank besteht. Noch kühner ist seine zweite Behauptung, daß sogar der Mensch sich in ein noch höheres Erdgeschöpf hinaufbilden und verlieren könne. Zu wünschen wäre der Menschheit ein solcher Untergang zum Übergange, und zumal jetzo wären ein Paar Hochmenschen, gegen welche wir nur Untermenschen und Affen wären, eine Erlösung durch ein messianisches Paar.

So wird denn wieder die Frage nur umschlichen oder verdeckt, aber nicht beantwortet, wenn der Machinist, ungleich den jetzigen jungen Leuten von Stand, früher zu ernähren als zu erzeugen sucht; denn damit der Löwe ein blumenfressendes Lamm selber als seine Blume abpflücke und fresse, muß nicht bloß das Lamm vorher da sein, sondern auch der ganze Löwe. Eigentlich will man nur meinen, daß die niedrigern Tiere die Aufgüsse (Infusorien) immer höhrer seien. Aber außerdem, daß für die tieferen das Übergehen in die höheren zugleich ein eignes Vergehen und Verschwinden sein würde:Oken wollte wirklich das Verwandeln kleiner Aufgußtierchen in größere gesehen haben; aber Gruithuisen (Oberd. Lit. Z. l. c.) hob den Schein durch die Bemerkung, daß die Aufgußtierchen, wenn ihr Nahrung-Schleim abnimmt, sich nur näher aneinander drängen und so den Schein größerer geben. so sollte doch erstlich nur die Möglichkeit der Übergänge der pflanzenfressenden Tiere in Raubtiere, der Amphibien in Vögel, oder dieser in Landtiere, und dann irgendeine Wesenleiter und Schneckentreppe, auf welcher Tiere Rang nach Rang sich auseinander entfalten, gebauet nachzuweisen sein; und vollends bei dem Menschen müßte geantwortet werden, ob der Affe, der Elephant oder der Fuchs oder irgendein geripp-ähnliches Tier sein letzter Vorgänger und Figurist und Heckmännchen zu nennen sei, nachdem der Aufguß-Wurm sein erster Adam gewesen, so wie er jetzo dessen letztes Selbstgeschoß und Zergliederer wird. – Zwar KöhlreuterDessen dritte Fortsetzung der Nachricht von einigen das Geschlecht der Pflanzen betreffenden Versuchen. S. 51 ff. verwandelte wirklich eine Gattung Tabak (nicotiana rustica) durch lange Bastard-Bestäubungen in eine andere (nicot. paniculata); aber hier bringe man, außer menschlichen Scharf- und Vorsinn und Vorrichtung, noch den Hauptpunkt in Rechnung, daß Tabak nur in Tabak verwandelt wurdeMischlinge sind nur bei verwandten Pflanzen fruchtbar. Klügels Enzyklopädie. Auch bemerkte Köhlreuter selber, daß fruchtbare Bastarde nach einigen Zeugungen wieder in der ganzen alten Natur ihrer Stammeltern erscheinen., so wie etwan der Schakal nach Büffon nur sich in ähnliche Wölfe, Füchse, Hunde zerteilte; und zwar alles durch Befruchtungen, also vermittelst zweier schon ganz fertig dastehender Geschlechter.

 
§ 13

Diese aber fehlen ganz dem organischen Machinisten und müssen doch von ihm gepflanzt werden, damit die ersten Tiere sich fortpflanzen.

Hier wirft sich ihm die dritte schwere Frage entgegen. Denn wenn er auch unter unzähligen Würfen und Nieten von bildendversuchenden Jahrtausenden so glücklich war, endlich die Quaterne eines vollständigen und aufrechten Tieres zu gewinnen: so hatt' er so viel als nichts erbeutet – weil das Tier einsam im Kloster der Natur abstarb –, wenn er nicht auch die Quinterne, gleichsam als Prämie, dazugewann, nämlich ein zweites lebendiges Tier andern Geschlechts, und dieses zweite zwar durch alle Verhältnisse hindurch dem ersten organisch so zugleich entfremdet und doch zugebildet, daß durch ihre Ausgleichung auf einmal sogar ein drittes Tier auf einem ganz andern Wege als auf dem des bisherigen Elementen-Getriebes sich bildet, und auch auf einem andern Wege, als es die im Lose gewonnenen Eltern vermochten, sich ernährt, nämlich von diesen selber, und endlich, daß dieses dritte Tier, aus dem Geleise des elterlichen Entstehens herausgewichen, nun künftig regelmäßig in die Quaterne und Quinterne zugleich zerspringt und weiter erschafft.

Oder könnt ihr in der blinden Natur des organischen Machinisten eine Neigung der Kräfte nachzeigen, sich zu paarweiser Schöpfung zu entzweien, um sich selber auf diese Weise entbehrlich zu machen, ihre Nachschöpfer erschaffend? Wenn ein Gebilde sich harmonisch und nach abwiegenden Gesetzen ausbauet: so ist dies nur Natur-Notwendigkeit, weil im andern Falle die unharmonische Mißgeburt, das Mißgebilde, bestandlos sich selber aufriebe; wenn aber in zwei Wesen, die ganz unabhängigSogar zuweilen im Pflanzenreich, z. B. die Datteln, Gurken, Weiden. voneinander sich formen, nämlich in beiden Geschlechtern alle Ähnlichkeiten und Verschiedenheiten derselben mit schöpferischer Berechnung bloß für die Zukunft eines dritten unsichtbaren sich gestalten: so nenne man doch die blinden Kräfte, welche ein solches Zweierlei bilden, schauen und knüpfen. Nur nenne man nicht den Würfel der Aeonen-Unzahl, mit welchem der Gottleugner betrügt und gewinnt; denn in einer Jahr-Billion könnte wohl in einigen Tiergattungen diese unharmonische Harmonie des Geschlechtes anklingen; aber ein solches Doppelgesetz unverletzt durch das ganze Reich des Lebens fortgeführt zu sehen – setzt einen Gesetzgeber voraus. Nach LinneeDessen Amoenit. Acad. V. orat. de terra habitabili. fehlen oft einer Pflanzengattung die Blätter (z. B. der Flachsseide) – einer andern der Stamm (z. B. einigen Flechtengattungen) – einer andern der Blumenstil (z. B. der Blätterblume) – einer andern die Wurzel (z. B. dem Meergras) – aber keiner die Befruchtteile. Ja, nach PersoonVoigts Magazin 8. B. 4. St. ist der ganze Schimmel nichts als ein nacktes Befruchtwerkzeug. Nach Linnee sind die Zeugteile so sehr der eigentliche Pflanzengeist, daß alle Pflanzen, die sich in diesen ähnlichen, auch mit gleichen Arzneikräften wirken. – Der organischen Maschinerie müßte, sollte man denken, die Absonderung und Wechsel-Zubildung zweier Geschlechter gerade in den niedrigern unvollkommnern Gattungen, in welchen weniger auszugleichen und vorzubereiten ist, am stärksten gelingen; aber in diesen (z. B. den Schnecken) und in den Pflanzen herrscht das zweierlei Geschlecht des Hermaphrodismus; und erst in den höhern vielteiligen treten die Geschlechter reiner und ferner auseinander. – –

Kurz, nach allem sagen uns die aufgestellten hölzernen Säemaschinen des Lebens nicht mehr als der Kanadier,Genie du christianisme de Chateaubriand. welcher ganz faßlich alles auf einmal durch die Annahme erklärt, die Welt habe der große Hase geschaffen; wiewohl mancher solcher mechanischer Weltschöpfer sich vom kanadischen noch dazu durch die Kleinheit unterscheidet. Er erzeugt so mit Schreibfingern – nicht geistige Geburten, sondern körperliche – wie der Riese Ymer einen Sohn sich mit den Füßen, indem er den einen an dem andern rieb.Bragur 1. Band. – WaltherDessen Physiologie. behauptet, jede organische Gestalt beginne mit dem Bilden eines Kreises; schön nachahmend fangen die organischen Machinisten derselben mit einem, obwohl nur logischen Zirkel an und setzen gern das voraus, was sie zu beweisen haben, so daß sie hier, wo eben von der Suchung des Anfangs oder Petition des Prinzips die Rede ist, gerade am rechten Orte die logische Petitio principii anwenden.

 
§ 14

Aber die Paragraphen 7 und 8, welche uns Eingeweidewürmer, Aufgußtierchen und Aufgußpflänzchen als elternlose Geburten und als die Nachzeugen der früheren Entstehungen entgegenstellen, begehren mit Recht ihre besondere Erwägung.

Diese Erscheinungen sind nicht erklärende, sondern selber zu erklärende. Warum aber will man nicht lieber annehmen, daß alle diese Organisationen schon als Eier und Körner vorher in den Elementen vielleicht Jahrtausende lang umgeschwommen, ehe sich die entwickelnde äußere Mutterhülle für sie vorgefunden? Raten uns nicht so viele Analogien dazu? Sogar vollendete Tiere halten den ganzen Scheintod im Eise des Winterschlafs und andere, wie die Krokodile und Schlangen,Humboldts Ansichten etc. ihren im heißen ausgetrockneten Schlamme des Sommerschlafs so viele Monate aus, daß ihr Schlaf durch Verlängerung der Kälte und Hitze noch bis zu unbestimmten Grenzen auszudehnen wäre. – Blieben nicht Kröten in hundertjährigen EichenTreviranus Biologie 2. B. und in noch älterem Marmor unbeschädigt eingeschlossen? Der Same der Sinnpflanzen, Gurken und Kassien bewahrt sich unter der Erde unvermodert 50 Jahre lang zu künftigem Erkeimen auf.Linn. Amoenit. acad. V. 2,. orat. de terra habitabili. Ja die Kleisteraale kann man nach Bonnet,Kants phys. Geogr. 3. B. 2. Abth. – So bemerkt Haller im achten Bande seiner großen Physiologie, daß Landseen, welche sieben Jahre lang ausgetrocknet gestanden, bei dem ersten Zuflusse des Wassers wieder die vorigen Fische getragen, deren Samen folglich ebenso lange lebendig geblieben. so oft man will, zu Scheinleichen eintrocknen lassen, und sie doch nach vielen Jahren mit einem Tropfen Wasser gleichsam wie mit Nervensaft wieder ins Leben zurücktaufen.

Warum soll die Aufgußwelt mit ihren einfachen niedrigen unentwickelten Keimen und Kernen nicht Jahrhunderte länger unerstorben auf die verschiedenen Lebenwasser und Brutreize für ihre verschiedenen Bewohner warten können? – Was der gemeine Wassertropfe belebend für den Kleisteraal, kann dies nicht noch reicher für das alte Ei des Eingeweidewurms das gleichsam magnetisierte Wasser thierischer Säfte sein? Und wenn der tierische Magnetismus so mächtig die höheren Organisationen zum verklärten Wiederleben aufweckt: so kann ja alles Tierische noch leichter die tiefsten Organisationen zum Leben reizen. Vielleicht ist der Luftkreis und das Wasserreich das unendliche Eiweiß zahlloser kleiner Eidotterpünktchen, die nicht erst einen Vater brauchen, sondern nur eine warme Federbrust.

Die Beobachtungen Joblots,Zimmermann l. c. 3. B. welcher im Heu-Aufguß sechs Arten Aufgußtierchen (wie Hill fünf im Regentropfen), ebenso viele im Austernwasser, endlich im Eichenrinden-Aufguß zwanzig fand, schon diese Beobachtungen lassen den nämlichen Wassertropfen viel glaublicher für einen Besatz- und Streckteich als für einen Zeugteil verschiedener Tiergattungen auf einmal ansehen. Flogen hingegen vorher ihre tierischen Samenstäubchen umher: so konnten leicht mehr Arten in demselben Tropfen ihr Klima finden.

Es ist kühn, aber auch weiter nichts, zu vermuten, daß vielleicht seit der Schöpfung lebendige Keime kalt-unentwickelt umherfliegen, welche nur im jetzigen Jahrhundert eine eben jetzo recht gemischte Feuchtigkeit ins Leben brütet, so wie nach den Sternkundigen manche Sonne oben leuchtet, die erst nach Jahrhunderten ihr Licht zu uns herunterbringt. Was gilt Zeit denn der Natur? Der Ewige wird nicht mit Jahren kargen, der Unerschöpfliche nicht mit Geschöpfen. Die Ewigkeit hat zu allem Zeit und zu allem Kraft.

Folglich beweiset das Erscheinen neuer Tiere auch in neuerfundnen Aufgüssen wie in Met, Bier, Dinte nichts gegen vorheriges Eier-Dasein derselben. Nur ist die Frage sogar, ob es auch nur neue Tiere sind, und ob man mit ihnen nicht die neuen Klimate verwechselt; in den tiefen Tälern des niedrigsten Tierreichs wimmeln die Wesen ohne Scheidewände zahllos durcheinander; erst auf dem Gebirggipfel steht neben dem Menschen niemand, und fernab von ihm kriecht bloß der Affe, von der Meerkatze begleitet. Ebenso sind nicht die Wasserkügelchen, aber wohl die Weltkugeln einander unähnlich.

Wenn Fabritius und Müller dreihundert und neunzig Gattungen Aufgußtierchen zählen und beschreiben: so muß man sie wohl fragen, ob die Kennzeichen dieser schwimmenden Pünktchen nicht vielleicht ebenso gut bloße Unterschiede ihrer Sekunden-Jahre – ihrer fingerbreiten Himmelstriche – ihres augenblicklichen Wachsens und Welkens und Nährens gewesen.


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