Jean Paul
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§ 4
Über den höheren Sinnenkörper oder Ätherleib

Bisher hab' ich mit den Beweisen, daß nicht einmal das unmagnetische Sehen und Hören sich aus den mechanischen Theorien erkläre, geschweige das magnetische, indem vielmehr das letzte zu einer anderen Theorie des ersten verweise, anzudeuten gesucht, daß unser Geist zuletzt durch eine ganz andere, höhere Körperhülle, als die äußerliche rohe ist, die sich mit ihren Gliedern selber austastet, in den Bund mit Kräften kommt. Die rohe äußere ist nur eine Sammlung von immer feineren Hüllen oder Leibern, welche mit der äußersten unempfindlichen Haut (epidermis) und mit den nervenlosen Schmarotzer-Gliedern, den Haaren und Nägeln, anfängt und vom Fibern- und Aderngeflecht bis zum Nervenschleier geht. Aber warum wäre dieses noch fünfsinnliche mechanische Gewand das letzte? Warum soll den Geist kein dynamisches umgeben, gleichsam ein allgemeines Sensorium, das (wie der Gefühlsinn) Sinnen verknüpft und begleitet? Schon Bonnet setzte in den Erdleib einen zärtern Auferstehleib für die zweite Welt, und Platner nahm dasselbe unter dem Namen »zweites Seelenorgan«, aber schon für die erste, tätig an. Wie, wenn wir nun schlössen – weil uns die magnetischen Erscheinungen dazu zwängen –, daß der eigentliche Ätherleib der Seele aus den magnetischen, elektrischen und galvanischen Kräften gebildet sei? Und zwar dies so, daß, so wie von der Gewalt des organischen Lebens alle unorganische Teile, Erde, Wasser, Salze, zu einem neuen, ihnen unähnlichen Gusse verschmolzen, entkräftet und gekräftigt werden, daß ebenso die gedachten drei Kräfte sich unter der Gewalt des geistigen Lebens zu einer höheren Misch-Einheit verarbeiteten? – Denn woher kämen sonst, bei so vieler Verwandtschaft des organischen Magnetismus mit dem mineralischen und mit Elektrizität und Galvanismus, wieder Ungleichartigkeiten, als z. B. solche sind, daß die elektrischen Leiter, Wasser und Eisen, nach Wienholt magnetische Isolatoren sind, Holz und Leinwand aber Leiter, daher ein Baum (nach Mesmer und Kluge), ungeachtet seiner leitenden Verbindung mit der Erde, magnetisch zu laden ist; – daß ferner Nichtleiter, wie Schwefel und Siegellack, so unangenehm wirken wie zusammengesetzte Metalle; – daß der Nichtleiter (nach Fischer) dem magnetisierten Kranken so gut elektrische Schläge gibt als das leitende Metall, und daß er zwar das strömende Feuer sieht, womit ihn die Finger des Arztes laden, daß er aber (nach Gmelin, Heineken und Nasse) dem Elektrizität-Messer keinen Funken elektrischer Ladung verrät; – ferner daß der Kranke, zuwider allen körperlichen Ähnlichkeiten mit Magnetismus, Elektrizität und Galvanismus, sich selber durch Striche laden und durch Gegenstriche entladen kann – und daß, ungleich jenen, der Mensch unmittelbar ohne Berühren, von fernen, durch Deckbetten hindurch, durch Blicken und Hauchen zu laden ist – daß vollends jene drei Kräfte weder einzeln noch vereint bei aller heilenden Erhebung des Körpers nichts zu jener Verklärung des Geistes vermögen, welche den organischen Magnetismus allein begleitet – und endlich, daß bisher die magnetischen Ärzte, besonders Hufeland, die galvanische Säule mehr als eine aufhaltende Sandbank für den Magnetismus gefunden denn als eine Siegsäule desselben? – Doch wozu aus dem tausendfachen im All eingewurzelten Wunderreiche der Menschennatur die abweichenden Umbildungen jener Dreikraft holen, da wir an einem einzigen Tier so manche zeigen können! Der Zitterfisch fühlt (nach Humboldt) den Magnet nicht; gleichwohl ist Eisen ein Leiter seines Schlags. Er führt (nach Hunter) eine ihm eingebaute elektrische Batterie bei sich; gleichwohl werden (nach Humboldt) seine stärksten Schläge nicht vom elektrischen Größenmesser angezeichnet. Er treibt durch eine Reihe aufeinander liegender Zitterfische seinen Blitzschlag hindurch, aber ohne auf diese zu wirken, indes ein elektrischer Funke die Menschenkette schmerzlich durchfährt.

Nur noch eines! Wenn bekanntlich Unterbindung einem Nerven die Empfindung unterhalb des Verbandes abschneidet: so muß in ihm etwas anderes gehemmt und unterbrochen werden als ein elektrischer oder ein galvanischer Fluß, da dem einen wie dem andern bei seiner Feinheit keine roh-mechanische Verengung sein Bett und seinen Zusammenhang mit dem Gehirn entziehen könnte; so wie hier auch der Schmerz des Unterbindens nichts erklärt, weil er sonst eben so gut oberhalb des Verbandes die Empfindung binden müßte. Noch könnte man sagen: der Nerve stirbt, ungleich andern Körperteilen, am Hunger eines Augenblicks und erträgt keine, auch kürzeste Entbehrung des nährenden Gehirns; aber dann ist Nahrung, die dem Nerven mechanisch abzuschneiden ist, noch verschieden von dem Nervengeiste, welcher im Darben entweicht.

Warum will man die Seele als die höchste Kraft nicht als das stärkste Verbind- und Zersetz-Mittel (Menstruum) der feinern (den tiefern Kräften unauflösbaren) Stoffe, wie Elektrizität, Magnetismus, Licht und Wärme sind, annehmen? Wenn die Seele in Krankheiten schon rohere Stoffe, wie Blut und alle Absonderungen, mit solcher Gewalt angreift, umarbeitet, umkocht – und zwar dies nur mittelbar auf dem Umwege durch Nerven –, soll sie, da doch die mittelbare Reihe zuletzt mit einer unmittelbaren schließen muß, auf welche sie ohne Zwischenkräfte zuerst einwirkt, nicht die unmittelbaren am stärksten verändern, verwandeln, sich aneignen können? Wo soll aber hier die Stärk- und Trennkraft des Geistes aufhören, der schon z. B. bei Heben der Lasten keinen Hebel zu vergrößern braucht als seinen Entschluß? Übrigens kann uns das ursprüngliche Wesen des nächsten oder konzentrischen Kraft-Kreises, der den Mittelpunkt Seele umzieht, nicht bekannt werden, weil er uns erst nach ihrer Einwirkung und Veränderung bekannt wird. Kann es nicht ein Wasser geben, uns ewig unkenntlich, weil es nur als Eis, als Nebel, als Dampf, als Schnee, als Wolke erscheint, und nie als Wasser?

Nur stelle man sich den erwähnten Ätherleib nicht mit grober Vergleichung vor, gleichsam als das letzte engste Seelen-Futteral mit eingebohrten Sinnenlöchern für das eingesargte Ich. So wie Licht und jede Kraft, so muß eine organische Verschmelzung jener unorganischen Kräfte alle geometrischen Formen ausschließen. Sie wird unsern schweren Leib zugleich durchdringen und umschweben, eine weiche Flamme, welche den dunkeln Leib-Docht umfließt und durchfließt. Oder in einem andern Gleichnis: der Erdleib ist nur die Topferde, worin der Ätherleib, als Blume wurzelnd, außer ihren tiefern Säften auch Licht und Luft einsaugt.

Letztes weiset uns noch auf etwas Neues hin. Es wird nämlich von Reil und Humboldt schon dem groben Leib eine sogenannte »sensible Atmosphäre« zugeschrieben (so wie jeder Körper eine elektrische um sich hat), und den warmblütigen Tieren eine von einer halben Linie, und den kaltblütigen eine von einer fünfviertel Linie Entfernung, in welcher Metalle auf unberührte Nerven und Muskeln galvanisch wirken. Der hoch- und scharfsinnige Reil hatte diese Fernwirkung früher unter dem Namen »Nervensphäre« verkündigt. Mit dieser Nervensphäre wollen die meisten Erklärer die magnetischen Wunder umschließen. Aber ist diese Sphäre mit den Nerven, wie notwendig, gleicher Natur: so kann sie nur leisten und tun, was diese; aber keine magnetischen Wunder. Hingegen muß der wahrscheinliche Ätherleib, welcher diese verrichtet, dann auch seine Fühl-Umweite haben, und niemand kann die flüssigen Gränzen und Außenlinien dieser organischen Kräfte abmarken. Wird denn der eine Nervengeist am Ende des bewegten Muskels vernichtet, anstatt weiter zu gehen, oder der andere am Anfange des empfindenden Nerven gefangen bewahrt; und ist dies unmöglich, und umgibt sich schon das Geruchkörnchen mit einem kleinen Weltkreis von Luft: so lasse man nicht durch die rohen Körper, welche sich zu einer festen Ruhe zusammenziehen, den Blick über die feineren irre werden, welche, wie Wärme, Elektrizität, Luft und Licht, ihre eigne Form nicht behaupten, sondern vielmehr bekriegen und keine Schranken ihrer Umbreitung und Verstreuung kennen als die Unendlichkeit!

Nimmt man also für den Ätherleib auch eine Ätheratmosphäre an, wie für den Erdleib eine »sensible«: so sind damit viele magnetische Wunder, wenn nicht erklärt, doch einstimmig. Rechnet man noch dazu, daß dieser Ätherleib mit seiner Fühlweite doch eben so gut in seinem Elemente leben muß wie der Vogel und der Fisch in dem seinigen, und daß es am Ende ein feinstes Element, als das letzte, geben müsse, das alle übrigen Elemente umschließt und nicht bedarf: so wäre wenigstens der Spielraum angewiesen, worin der magnetische Arzt und der Kranke mit ihren Ätherkörpern (wie in der Ehe die Erdleiber sogar zu neuen Schöpfungen) so zu organischen Mitteilungen und Schwächungen ineinandergreifen. Denn nicht nur der Magnetarzt und seine Kranken leben nun miteinander so sehr in einem gemeinschaftlichen Körper fort, daß diese seine eingenommenen Arzneien und seine KrankheitenAls der Arzt Wienholt ein Brechmittel bloß für sich nahm, tat es auf ihn und die Kranke gleiche Wirkung. Als er einmal mehre Wochen krank war und wegblieb, und die Hellseherin sich drei Blutigel an die Schläfe setzen ließ: bekam er auch an den seinigen die Pusteln davon (z. B. 3. Abt.). Die letzte Tatsache führ' ich nur mit großem Mißtrauen an, da der Arzt sonst nirgend die Kräfte-Erhebungen und Aussichten der Hellseherin teilt. – Merkwürdiger ist vielleicht die Angabe, daß der Ireländer in der Stunde, wo er das doppelte Gesicht (second sight) der nächsten Zukunft hat, diese prophetische Kraft dem mitteilen könne, auf dessen Fuß er im Schauen trete. (Monatliche Unterredungen vom Reiche der Geister nach J. Aubrey de Miscellaneis a. 1695.) teilen – nicht nur kann der magnetische Arzt wieder den Gesunden, der ihn berührt, mit sich und den Kranken in einem Ätherring auffassen, sondern mehre gemeinschaftlich magnetisierte Kranke leben (nach Wienholt) in ihrem Hellschlummer verbunden, sprechend und freudig neben- und ineinander, und jede befestigt mit ihrem Schlafe nährend den Schlaf der andern; ja Mängel, wie Vergeßlichkeit, Harthören, Trauer, gehen vom Arzte und von der Mithellseherin in die Hellseherin über, und endlich denkt diese die geheimen Gedanken des Arztes mit, obwohl er nicht ihre.

Die Arten des Einwirkens auf die große organische Kraft-Dryas können uns weniger irren als leiten. So ist z. B. das Streichen dem metallischen Magnetisieren ähnlich, auch dem Elektrisieren, das Schütteln und Spritzen der Fingerspitzen mehr dem letzteren; das Anhauchen dem Galvanisieren.Aldini bemerkte, daß ohne alles Metall Galvanismus bloß durch drei tierische Organisationen zu erzeugen sei, und daß z. B. der Froschschenkel, an einen Enthaupteten mit der Hand gehalten, galvanisch zuckte. Im obigen Falle wäre der Dunst des warmen Hauchs der Metall-Ersatz. Wenn übrigens nach Schellings Bemerkung die gerade Linie das Schema des Magnets, der Winkel das der Elektrizität und das Dreieck das des Galvanismus ist: so könnte der Kreis oder vielmehr das Eirund (da es überhaupt die Urgestalt organisierter Körper ist, und schon das Wort Ei-Rund sagt es) das Schema des organischen Magnetismus sein; und die Handbewegungen des Arztes folgen ja meistens eirund oder elliptisch (langkreisig) den ähnlichen Nervengängen.

Wenn der magnetische Arzt in den Kranken sowohl die nervenmagnetischen als die geistigen Kräfte höher steigert, als seine eignen sind: so läßt sich das nicht bloß daraus erklären, daß dieser fremde Ätherleib durch Krankheit des Erdleibs mehr entbunden und also des Geistigen empfänglicher ist, so wie die zurückkehrende Gesundheit des Erdleibs wieder den ätherischen einkettet, sondern auch am mineralischen MagneteAutenriehts Physiolog. B. 1. erscheint etwas Ähnliches, insofern er mehren abgesonderten Eisenstücken eine im Ganzen genommen größere Ziehkraft anstreicht, als er selber allein besitzt. Überhaupt entziehen Kräfte nach dem Maße ihrer geistigen Annäherung sich allen Rechnungen mechanischer Körper; Spallanzani befruchtete Eier mit Froschsamen, von einer Wassermenge verdünnt, die ihn an Gewicht 2880 mal übertraf. Ebenso muß das winzige Saft-Tröpfchen des männlichen Blumenstaubs anfangs durch lange hohle, und endlich durch dichte verschloßne Gänge auf die Samenkörner belebend durchwirken.Treviranus Biologie B. 3. S. 387.

– Wie der magnetische Schlaf Heilung ohne Verhältnis des Arznei-Aufwandes, so bringt schon der gemeine Wiederstärkung ohne Verhältnis des Zeit-Aufwandes (z. B. der nachmittägige von einigen Minuten), und der Totenschlaf der an Pest, Schlagfluß oder Nervenschwäche Scheingestorbenen beschert volle Genesung von vorher unheilbarer Zerrüttung bloß durch Aufwand von drei tauben, blinden, todkalten Tagen.


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