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Betrachtung über die Dinge

Ich trete in ein großes Viereck sich bewegenden Schattens ein. Ein Mann sitzt hier und klopft beim Licht einer bunten Kerze Nägel in eine Schuhsohle. Zwei Kinder strecken die Hände gegen den Herd aus. Eine Amsel schläft in dem Rohrkäfig. Das Wasser brodelt in dem irdenen rauchschwarzen Topf, aus dem ein Geruch von ranziger Suppe steigt und sich mit dem nach Gerberlohe und Leder mengt. Ein Hund sitzt vor dem Herd und starrt in die Glut.

Diese Wesen und Dinge tragen in all ihrer Armseligkeit eine solche Sanftmut in sich, daß ich mich gar nicht frage, ob ihr Dasein einen anderen Sinn habe als eben diese Sanftmut, noch, ob ich mir ihre Dürftigkeit mit irgendeiner Schönheit schmücken solle.

Hier wacht der Gott der Armen, der schlichte Gott, an den ich glaube. Er, der aus einem Körnlein eine Ähre werden läßt, der das Wasser vom Lande scheidet, das Land von der Luft, die Luft vom Feuer und das Feuer von der Nacht; der die Leiber beseelt, der das Laub macht, Blatt um Blatt, wie wir es nie werden machen können, worein wir aber unser Vertrauen setzen wie in die Arbeit eines vorzüglichen Arbeiters.

Ohne Sehnsucht nach Menschenwissen denke ich nach; und so kann es geschehen, daß Gott sich mir offenbart. In der Hütte des Schuhflickers öffnen sich mir die Augen so einfach wie dem Hunde, der da sitzt. Und nun sehe ich, sehe in Wahrheit, was wenige sehen werden: das Bewußtsein der Dinge, zum Beispiel die Opferwilligkeit dieses rauchenden Lichtes, ohne das der Hammer des Arbeiters kein Brot schaffen könnte.

Fast während all unserer Zeit nahen wir uns leichtfertig den Dingen, die doch gleich uns leiden und glücklich sind. Wenn ich eine kranke Ähre unter den gesunden erblicke, wenn ich die fahlen Flecken an ihren Körnern gesehen habe, dann schaue ich sehr klar den Schmerz dieses Dinges. Und in mir selber fühle ich das Leiden der Pflanzenzellen wieder. Ich verstehe, wie schwer sie es haben, auf dem Flecke, der ihnen zugewiesen ist, zu wachsen, ohne einander zu erdrücken, und mich erfaßt heiß der Wunsch, mein Taschentuch zu zerreißen und daraus einen Verband für die kranke Ähre zu machen. Dann denke ich freilich, daß das kein rechtes Heilmittel für eine bloße Kornähre sei und daß eine solche Behandlung in den Augen der Menschen, denen ich schon sonderbar genug vorkomme mit meinen Fürsorgen für einen Vogel oder eine Grille, eine arge Narretei sein müßte. Doch von dem Leiden dieser Körner habe ich Gewißheit, denn ich fühle es mit ihnen.

Eine schöne Rose wiederum flößt mir ihre Lebensfreude ein. Ich fühle, wie glücklich sie an ihrem Stiele ist. Wenn jemand einfach die Worte: »Es ist schade, sie zu brechen!« ausspricht, bekennt er damit, daß er das Glück der Blume mitempfindet und daß er es ihr bewahren will.

Ich erinnere mich noch ganz genau, wie sich mir zum ersten Male das Leiden eines Dinges geoffenbart hat. Ich war drei Jahre alt. In meinem Heimatdorfe fiel ein kleiner Junge beim Spielen auf einen Glasscherben und starb an seiner Wunde. Wenige Tage später kam ich in das Haus, in dem das Kind gewohnt hatte. Seine Mutter weinte in der Küche. Auf dem Kamin lag ein armseliges kleines Spielzeug. Ich sehe deutlich vor mir, daß es ein kleines Pferd aus Zinn oder Blei, vor ein Blechfäßchen auf Rädern gespannt, war. Die Mutter sagte mir: »Dieser Wagen hat meinem armen kleinen Louis gehört, der tot ist. Soll ich dir ihn schenken?« Da ging eine Flut von Zärtlichkeit über mein Herz. Ich fühlte, daß dieses Ding seinen Freund, seinen Herrn nicht mehr hatte und daß es daran litt. Ich nahm das Spielzeug und empfand solches Mitleid mit ihm, daß ich schluchzte, während ich es nach Hause trug. Ich weiß es noch ganz bestimmt, daß ich weder ein Gefühl für den Tod des kleinen Jungen noch für die Verzweiflung der Mutter hatte, wozu ich wohl noch zu jung war. Ich hatte nur Mitleid mit dem bleiernen Tiere, das mir dort auf dem Kamin ganz verzweifelt erschien und für immer ausgeschlossen aus dem Leben, da es den verloren hatte, den es liebte. Ich erinnere mich an all das, als ob es gestern geschehen sei, und kann als sicher behaupten, daß der Wunsch, das Spielzeug zu besitzen, um mich damit zu vergnügen, mir gar nicht gekommen ist. Das ist gewiß wahr, denn ich habe, als ich weinend heimkam, das Pferd mit dem kleinen Faß meiner Mutter gegeben, die übrigens das Ganze vergessen hat.

Die Gewißheit von der Beseeltheit der Dinge lebt in den Kindern, den Tieren und den schlichten Herzen. Ich habe erlebt, daß Kinder ein rohes Stück Holz oder einen Stein so sehr mit allen Eigenschaften lebender Wesen begabt glaubten, daß sie ihnen eine Handvoll Gras brachten und dann, nachdem ich das Gras heimlich weggenommen hatte, nicht daran zweifelten, daß das Holz oder der Stein das Gras aufgegessen hätten. Die Tiere machen keinen Unterschied in dem, was ihnen geschieht. Ich habe Katzen gesehen, die lange Zeit hindurch etwas, das ihnen zu heiß gewesen war, zerkratzten. Das spricht dafür, daß die Tiere eine Vorstellung vom Kampf gegen die Dinge haben und für sie die Möglichkeit sehen, nachzugeben – und vielleicht auch zu sterben.

Ich meine, daß nur die Erziehung durch eine falsche Eitelkeit es mit sich bringt, daß der Mensch sich solch eines Glaubens beraubt.

Für mich unterscheidet sich die Handlung des Kindes, das einem Stück Holz zu essen gibt, gar nicht von gewissen Opferbräuchen der Urreligionen. Und schließlich bedeutet der Glaube, daß Bäume, die an dem Tage, an dem Kinder geboren wurden, gepflanzt worden sind, siechen und vertrocknen, wenn die Kinder kränkeln und sterben, nichts anderes, als daß man Bäumen ein tieferes Verbundensein mit uns als mit ihrem Leben zuschreibt.

Ich habe leidende Dinge gekannt, und ich weiß von solchen, die an ihrem Leiden gestorben sind. Das traurige Kleiderwerk, das von unseren Abgeschiedenen zurückbleibt, verfällt rasch. Oftmals hat es die Krankheiten, an denen die litten, die es getragen haben; denn es hat seine Sympathien. Oft habe ich Gegenstände in ihrem Zugrundegehen betrachtet. Ihre Auflösung gleicht völlig der unseren. Auch sie haben ihren Knochenfraß, ihre Geschwülste und ihre Wahnsinne. Ein wurmzerfressenes Möbelstück, ein Gewehr mit gebrochenem Verschlusse, eine Lade, die sich wirft, eine Geige, die ihre Stimme verloren hat, sehe ich an Krankheiten leiden, vor denen ich erschüttert stehe.

Warum sollen wir glauben, daß nur wir Dinge liebhaben können und den Dingen die Liebe zu uns absprechen? Wer bürgt denn dafür, daß die Dinge der Liebe nicht fähig sind, wer zeugt dafür, daß sie kein Bewußtsein haben?

Hatte der Bildhauer nicht recht, der sich mit einem Klumpen Ton in den Händen begraben ließ, von jenem Ton, der seinen Träumen so gehorsam gewesen war. Dieser Ton hatte ihm doch immer die Aufopferung eines guten Dieners, wie wir sie am meisten bewundern, bewiesen: sich schweigend darzubringen, ohne etwas dafür zu erwarten, hingegeben gläubig. Voll Glanz und Erhabenheit ist ein solches Bild, das dem Menschen also dient, wie der Mensch Gott dient. Jener Künstler wußte nicht mehr als sein Ton davon, welchem Geheiße er untertan war. Von dem Augenblicke an, da sie beide die gleiche Erleuchtung empfangen hatten, glaube ich auf gleiche Weise an ihr Bewußtsein und liebe sie beide mit derselben Liebe.

Unendlich ist die Traurigkeit in den Dingen, die keinem Gebrauche mehr dienen. Auf dem Dachboden dieses Hauses, dessen Bewohner ich nicht gekannt habe, liegt das Kleid eines kleinen Mädchens und eine Puppe, der Verzweiflung verfallen. Vor der jahrealten Einsamkeit der Dinge hier fühle ich die Gewißheit, daß der eisenbeschlagene Stock dort, der einst fest in die Erde der grünen Hügel gebissen hat, ebenso glücklich wäre, wenn er noch einmal die kühle Frische von Moos empfinden dürfte wie der Sommerhut, der nun trüb erleuchtet vom armen Lichte einer Dachluke daliegt, wenn er noch einmal einen Sommerhimmel sehen dürfte.

Die Dinge aber, die wir liebevoll bewahren, erhalten uns ihre Dankbarkeit und sind immer bereit, uns ihre Seele darzubringen, auf daß sie sich an uns verjünge. Sie sind wie die Rosen in sandigem Grunde, die unendlich erblühen, wenn nur ein wenig Wasser sie der Azure ihrer verlorenen Brunnen gemahnt.

In meinem bescheidenen Wohnzimmer habe ich einen Kindersessel stehen. Auf ihm saß mein Vater und spielte, als er in seinem siebenten Jahre die Überfahrt von Guadeloupe nach Frankreich machte. Er erinnerte sich noch gut daran, wie er auf ihm im Schiffssalon saß und die Bilder ansah, die ihm der Kapitän geliehen hatte. Das Holz von jenen Inseln muß sehr fest sein, denn es hat den Spielen eines kleinen Jungen standgehalten. Dieses kleine Möbelstück, das in meinem Wohnzimmer einen Hafen gefunden hat, schlief hier lange fast vergessen. In langen Jahren hat es seine Seele nicht geoffenbart, denn das Kind, dem es gedient hatte, gab es nun nicht mehr, und andere Kinder kamen nicht, um sich wie Vögel daraufzusetzen. Doch neuerdings ist das Haus fröhlich geworden; meine kleine Nichte ist da, die eben sieben Jahre alt wurde. Sie hat sich hier auf meinem Arbeitstisch eines alten botanischen Atlas bemächtigt. Und da ich in das Wohnzimmer komme, finde ich sie im Lampenlichte auf dem kleinen Sessel sitzen und, wie dereinst ihr seliger Großvater, die schönen sanften Bilder anschauen. Da sagte ich mir, daß einzig dieses kleine Mädchen den Sessel habe neu beleben können und daß seine dienensfrohe Seele sachte das arglose Kind dazu gelockt habe. Zwischen dem Kinde und dem Dinge war ein geheimnisvolles Spiel von Anziehungskräften am Werke: das Mädchen hätte es nicht vermocht, nicht zu dem Sessel zu gehen, der einzig dadurch hatte wieder zu Leben kommen können.

Die Dinge sind sanft. Aus eigenem Antriebe tun sie niemals Böses. Sie sind die Geschwister der Geister. Sie nehmen uns in sich auf, und wir bringen ihnen unsere Gedanken, die Sehnsucht nach ihnen haben wie die Düfte nach den Blumen, zu denen sie gehören.

Der Gefangene, den keine Menschenseele trösten kommt, muß seine Zärtlichkeit zu seiner Pritsche und zu seinem irdenen Kruge tragen. Da ihm von seinesgleichen alles versagt wird, schenkt ihm sein armes Lager den Schlaf und stillt ihm sein Krug den Durst. Und selbst die nackten Mauern, die ihn doch von der ganzen Welt trennen, werden ihm lieb, weil sie zwischen ihm und seinen Peinigern stehen.

Das gezüchtigte Kind liebt das Polster, auf dem es weint. Da an einem solchen Abende alles ihm gegrollt und wehgetan hat, tröstet es die schweigende Seele des Federkissens wie ein Freund, der mit seinem Schweigen dem Freunde Ruhe schenken möchte.

Doch nicht allein ihr Stummsein ist es, das uns ihre Zuneigung empfinden läßt. Sie klingen in so verschwiegenen Akkorden, mögen sie nun in dem Forste klagen, den René mit seiner gewitternden Seele erfüllt, oder sie hinsingen über den See, an dem ein anderer Dichter in Betrachtungen versunken ist. Es gibt Stunden und Zeiten, in denen manche dieser Akkorde ein stärkeres Leben haben, in denen die tausend Stimmen der Dinge lauter zu hören sind. Zwei- oder dreimal in meinem Leben habe ich den Ruf dieser Geheimniswelt vernommen.

Gegen Ende August um Mitternacht nach einem sehr heißen Tage geht über die hingeknieten Dörfer ein ungewisses Raunen. Es klingt anders als das der Bäche und Quellen oder das des Windes, anders ist es als das Geräusch, mit dem die Tiere das Gras zermalmen, oder das ihrer Ketten, an denen sie über den Krippen zerren, anders ist es als die Laute der unruhigen Wachhunde, der Vögel oder der Schiffchen an den Webstühlen. So mild sind diese Klänge dem Ohre, wie dem Auge der Schimmer der Morgenröte ist. Nun regt sich eine ungeheure und sanfte Welt; die Grashalme lehnen sich bis zum Morgen aneinander, unhörbar rauscht der Tau, und mit jedem Sekundenschlag ändert das große Keimen völlig das Antlitz der Gefilde. Nur die Seele kann diese Seelen erfassen, den Blütenstaub in der Glückseligkeit der Blumenkronen ahnen und die Rufe und das Schweigen vernehmen, darin das göttliche Unbekannte sich vollzieht. Es ist so, als ob man sich mit einem Male in einem völlig fremden Land befände und hier von der sehnsüchtigen Schwermut der Sprache zart ergriffen würde, ohne doch genau zu verstehen, was sie ausdrückt.

Aber ich kann doch tiefer in den Sinn des Raunens der Dinge eindringen als in den einer Menschensprache, die mir unbekannt ist. Ich fühle, daß ich verstehe und daß es dazu gar keiner großen Anstrengung bedarf. Vielleicht ist mein Dichten manchmal so weit, den Willen dieser verborgenen Seelen zu übersetzen und einige ihrer Lebensäußerungen auf eine faßliche Art aufzuzeichnen. Ich verstehe es schon, diesem unbestimmten Raunen innerlich Antwort zu geben, wie ich es verstehe, mit Schweigen verständlich die Fragen einer Freundin zu beantworten.

Aber diese Sprache der Dinge ist nicht völlig und einzig mit dem Ohre vernehmbar. Sie bedient sich auch anderer Zeichen, die blaß über unsere Seele hinhuschen und sich allzu schwach noch einprägen, die aber vielleicht deutlicher wiederkommen werden, wenn wir bereiter sind, Gott in uns aufzunehmen.

Es gibt Dinge, die mich in den wehevollsten Umständen meines Lebens getröstet haben. Etliche unter ihnen zogen in solchen Zeiten auf sonderbare Art meine Blicke auf sich. Und ich, der ich mich nie vor den Menschen beugen konnte, habe mich demütig diesen Dingen hingegeben. Da brach ein Strahlen aus ihnen – doch nicht nur aus den Erinnerungen, die mich mit ihnen verknüpfen – und durchdrang mich wie Schauer der Freundschaft.

Ich fühlte sie und fühle sie rings um mich leben in meinem verborgenen Reiche, und ich bin ihnen verantwortlich wie einem älteren Bruder. Im Augenblicke, da ich dies schreibe, empfinde ich, daß voll Liebe und Vertrauen die Seelen dieser göttlichen Schwestern auf mir ruhn. Der Sessel da, der Schrank, die Feder, sie sind mit mir. Ich glaube an sie über alle Systeme hinaus, über alles Verstehen und jede Deutung hinaus glaube ich an sie. Sie geben mir eine Überzeugung, wie kein Genie sie mir geben könnte. Jedes System wird eitel sein und alle Deutung Irrtum in dem Augenblicke, in dem ich in meiner Seele die Gewißheit dieser Seelen leben fühle.

Als ich bei dem Schuhflicker eintrat, habe ich mich, mit den Kindern und dem Hunde beim Herde sitzend, unvermittelt aufgenommen gefühlt und habe meine Seele den tausend unbekannten Stimmen der Dinge aufgetan. In dieser andächtigen Besinnung wurde aus dem Niederfall einer halbverwelkten Ranke, aus dem Knirschen des Schürhakens, aus dem Schlage des Hammers und dem Flackern der Kerze, wurde aus dem schwarzen geblähten Flecke, als den ich die eingeschlafene Amsel sah, und aus dem Auf- und Niedergehen des Deckels auf dem Kochtopf eine geheiligte Sprache, die meinem Lauschen verständlicher war als die Rede der meisten Menschen. Diese Laute und Farben waren nichts anderes als die Gebärde der Gegenstände, deren sie sich als Ausdrucksweise bedienen wie wir der Stimme und der Blicke. Brüderlich fühlte ich mich diesen demütigen Dingen verbunden. Und ich erkannte, wie armselig es sei, die Reiche der Natur voneinander zu scheiden, da es doch nur das eine Reich Gottes gibt. Wie darf man behaupten, daß die Dinge uns niemals Zeichen ihrer Zuneigung geben? Rostet nicht das Werkzeug, dessen sich die Hand des Arbeiters nicht mehr bedient, ebenso wie der Mann, der das Werkzeug feiern läßt?

Ich habe einen Schmied gekannt; er war fröhlich in den Zeiten seiner Kraft, und der blaue Himmel leuchtete an strahlenden Mittagen in seine schwarze Schmiede. Lustig gab der Amboß seinem Hammer Antwort. Der Hammer, den der Meister vom Herzen schwang, war das Herz des Ambosses. Wenn die Nacht hereinbrach, erhellte er die Schmiede mit seinem bloßen Schimmer und dem Blicke seiner Augen, die unter dem ledernen Blasbalge als Kohlenglut glommen. Eine erhabene Liebe verband die Seele dieses Mannes mit der Seele seiner Dinge. Wenn er sich an den heiligen Tagen zur Andacht sammelte, betete die Schmiede, die er schon am Abend vorher gesäubert hatte, schweigend mit ihm. Dieser Schmied war mein Freund. Oft stand ich an der schwarzen Schwelle und rief ihm eine Frage zu – und die ganze Schmiede gab mir Antwort. Die Funken lachten über die Kohlen hin, und metallen klingende Silben wurden zu einer tiefen und geheimnisvollen Sprache, die mich ergriff wie Worte von Pflicht. Hier widerfuhr mir fast das gleiche wie bei dem armen Flickschuster.

Eines Tages wurde der Schmied krank. Sein Atem ging kurz; wenn er jetzt an der Kette des Blasbalges, der vordem so stark gewesen war, zog, merkte ich deutlich, daß dieser keuchte und allmählich von der Krankheit seines Herrn befallen wurde. Sprungweise und ungleich ging nun das Herz des Mannes, und auch der Hammer, den er über dem Ambosse schwang, fiel verstört auf das Eisen nieder. Und im gleichen Maße, wie das Licht in den Menschenaugen abnahm, leuchtete auch das Feuer in der Esse weniger und weniger. Abends flackerte sie dann noch weiter, und an den Wänden und der Decke erblich lange das Zucken ihres Vergehens.

Eines Tages fühlte der Schmied bei der Arbeit seine Hände und Füße kalt werden, und am Abend starb er. Ich betrat die Schmiede; sie war kalt wie ein Körper ohne Leben. Ein bißchen Glut nur fand ich im Kamin als eine armselige Totenwache neben dem Sterbebette glimmen, an dem zwei Frauen beteten.

Drei Monate nachher kam ich wieder in die verlassene Werkstätte, um an der Schätzung ihrer geringen Einrichtung teilzunehmen. Alles war feucht und schwarz wie in einem Grabe. Das Leder des Blasbalges war angefault und löchrig geworden und löste sich, da jemand an der Kette ziehen wollte, von seinem Holzrahmen los. Die einfachen Leute, die mit mir die Schätzung vornahmen, erklärten: »Der Amboß und der Hammer haben ausgedient. Sie haben mit ihrem Meister zu leben aufgehört.«

Ich stand erschüttert. Denn ich hörte den geheimen Sinn dieser Worte.


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