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Robinson Crusoe

Ich setze diese Verse hierher; sie sind aus einem Gedicht, das ich in Holland geschrieben habe:

»Robinson Crusoe hat [so glaub ich], da er heimfuhr / Von seinem grünen schattigen Eiland, das / Voll frischer Kokosnüsse war, auch Amsterdam berührt. / Wie hat es ihn gepackt, als er die ungeheuern / Tore mit ihren wuchtigen Klopfern schimmern sah! / Stand er voll Neugier hier vor den Gewölben, / Wo Schreiber über Rechnungsbüchern saßen? / Mußte er weinen, da sein lieber Papagei / Ihm einfiel und der plumpe Sonnenschirm, / Der Schutz war auf dem milden, traurigen Eiland?

›Gepriesen seist du, ewiger Gott!‹ so rief er, / Als er die tulpenübermalten Truhen sah. / Allein sein Herz, betrübt in Heimkehrfreude, / Sehnte sich nach dem Lama, das allein im Weinberg / Des Eilandes zurückgeblieben, das vielleicht gestorben war.«

Was aus den Worten und Bildern dieses Buches seit der Kindheit am lebendigsten vor mir steht, das ist nicht die Schönheit der Weinreben, die so tiefen Schatten gaben, noch ist es der Fisch, den er mit einer Schnur und einem Haken daran gefangen hat, nicht die einsame Kokospalme in der blauen Glut des Morgens ist es, noch auch sind es die rosigen und purpurnen Flecken des Meeresstrandes bei Ebbe, voll des Seegetiers; nicht das gebratene Zicklein, das er mit Salz aus einer Felsmulde gesalzen hat, ist es, was mich so ganz ergriffen hat; auch die Eier der schläfrigen Schildkröten sind es nicht. Noch ist es die Fieberkrankheit, die der Trunk Wassers, darein er Rum getan hatte, allmählich gelindert hat, weder der Papagei ist es noch die Freundschaft mit dem Hund und der Katze, nicht der verzweifelte Glanz der Sonne, die er auf den Kompaß gemalt hatte, und nicht die Quelle süßen Wassers ist es, es sind auch nicht die Speisen, die er sich so kunstlos bereitet hat [obwohl ich mich gerade ihrer vielleicht am häufigsten erinnert habe!], all das hat mich nicht so erschüttert wie Robinsons Alter.

Immer wieder muß ich an die Zeit seines Lebens denken, da er wieder in der Menge verschwunden war und dann, zweiundsiebzig Jahre alt geworden, einsamer ist, als er es je zuvor war. In einem Gewande aus blumendurchwirktem Sammet saß er in London in seinem düsteren kleinen Gemach, das eine unendliche Güte gleich dem matten Licht in Sturmwettern erfüllte, und wußte nichts mehr zu erwarten als den Frieden des Todes.

Ich grüße dich, mein Bruder Crusoe! Auch mich haben die Orkane des Lebens auf eine wüste Insel geworfen; und nun, wohin immer ich schaue, gewahre ich nichts mehr als das betäubende und eintönige Wasser. Zuweilen trägt es mir treibende Trümmer zu, die ich dann einen Augenblick lang schweigend betrachte. Bald aber ergreift mich mein Träumen wieder, das nun seinen Frieden gemacht hat mit dem großen Dröhnen des unendlichen Meeres, und manchmal schon findet sich ein Lächeln in mein Gesicht. Wie der Zyklon still wird!

O mögen in meinem Alter Gottes Palmen mein Herz wie die friedliche Weinlaube deines Eilandes überschatten!


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