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Kleine Hund' und alle miteinander. |
Lear. |
Als ich von der Ankunft der Lady Lillycraft auf der Halle Bericht erstattete, hätte ich auch erzählen sollen, wie sehr es mich unterhielt, ihren Wagen abpacken und ihr Gefolge unterbringen zu sehen. Es ist für mich etwas ungemein Unterhaltendes in der Anzahl künstlicher Bedürfnisse und der Menge eingebildeter Bequemlichkeiten, aber auch wahrer Lasten, womit sich Prachtliebende gewöhnlich zu beschweren pflegen. Ich beachte gern das sonderbare Treiben und Drängen bei solchen kleinen Reisen. Die Menge vierschrötiger Bedienter und Begleiter aller Art, welche sich mit einem unendlich abgemessenen, wichtigen Aussehen umhertummeln, um beinahe nichts zu thun; die vielen schweren Koffer und Pakete und Pappschachteln, welche der Dame gehören; und die angelegentliche Sorgfalt der Kammerfrau um irgend eine gewöhnliche, schlecht aussehende Schachtel; die Kissen, welche in der Kutsche aufgehäuft sind, um einen weichen Sitz noch weicher zu machen, und die gefürchtete Möglichkeit eines Ruckes zu verhindern; die Riechfläschchen, die stärkenden Tropfen, die Körbe mit Zwieback und Früchten; die neuesten Bücher; alles Schutzwehren gegen Hunger, Ermüdung und Langeweile; die Reitpferde, um auf der Reise eine Abwechselung zu haben; und alle diese Anstalten, dieser Prunk, um vielleicht irgend ein unnützes Menschenkind ein kleines Stück auf der Erde weiter zu befördern!
Ich will den letzteren Theil dieser Bemerkungen nicht auf Lady Lillycraft angewendet wissen, vor deren einfacher Herzensgüte ich eine große Achtung habe, und die wirklich ein sehr liebenswerthes, würdiges Wesen ist. Ich kann dennoch nicht umhin, etwas von dem bunten Gefolge zu sagen, das sie mitgebracht hat, und das in der That von der überschwänglichen Herzensgüte zeugt, die es ihr nothwendig macht, mit Gegenständen umgeben zu sein, an denen sie sie auslassen kann.
Zuerst hat Ihre Herrlichkeit einen wohlgenährten Kutscher, mit einem rothen Gesichte und Backen, welche wie Wammen herabhangen. Er beherrscht sie offenbar in Rücksicht auf die fetten Pferde; und fährt nur aus, wenn er es für gut findet, und wenn er meint, daß es »gut für die Thiere« sein würde.
Sie hat einen Lieblingspagen zur Aufwartung um sich: einen hübschen Knaben von ungefähr zwölf Jahren, der aber ein naseweiser Bursche, sehr verwöhnt, und auf dem besten Wege ist ein Taugenichts zu werden. Er ist grün gekleidet, und hat eine Menge goldener Schnüre und vergoldeter Knöpfe an seinen Kleidern. Sie hat immer einen oder zwei Begleiter dieser Art, und ersetzt sie durch andere, sobald sie 14 Jahr alt geworden sind. Sie hat auch zwei Hunde mitgebracht, von einer großen Anzahl kleiner Kläffer, die sie zu Hause hält. Der eine davon ist ein fetter Wachtelhund, Zephyr genannt – der Himmel bewahre mich indeß vor einem solchen Zephyr! Er ist so gefüttert, daß er alle Form und alle Behaglichkeit verloren hat, seine Augen springen beinahe zum Kopfe heraus; er keucht vor Fettigkeit, und bewegt sich nicht ohne die größte Mühe. Der andere ist ein kleines, altes graumäuliges, filziges Thier, mit einem unglücklichen Auge, das wie eine Kohle glüht, wenn du es nur ansiehst; seine Nase steht empor; sein Maul ist in Runzeln gezogen, so daß man seine Zähne sehen kann; kurz, er hat ganz das Ansehn eines Hundes, der es schon weit im Menschenhasse gebracht hat und der Welt ganz müde ist. Wenn er geht, trägt er seinen Schweif so steif in die Höhe gekrümmt, daß dieser seine Füße vom Boden zu heben scheint; und er macht selten von mehr als drei Füßen zugleich Gebrauch, indem er den vierten, als eine Aushülfe, emporhält. Dieser letztere Krüppel heißt Beauty (Schönheit).
Diese Hunde haben eine Menge vornehmer Beschwerden, von denen gemeine Hunde gar nichts wissen, und werden von Lady Lillycraft mit der zärtlichsten Liebe gehätschelt und gepflegt. Sie werden von ihrem Mit-Günstling, dem Pagen, gefüttert und mit allen Arten von Leckerbissen gemästet: allein ihr Magen ist oft schwach und in Unordnung, so daß sie nicht essen können: doch habe ich auch zu Zeiten den Pagen, wenn seine Gebieterin nicht zugegen war, ihnen einen boshaften Kniff beibringen oder einen Schlag über den Kopf geben sehen. Sie haben Kissen zu ihrem ausschließlichen Gebrauch, worauf sie am Feuer liegen, und sind im Stande zu schauern und zu winseln, wenn sich nur der geringste Luftzug spüren läßt. Sobald Jemand in das Zimmer tritt, erheben sie ein fürchterliches Gebell, das beinahe betäubend ist. Sie sind ungeschliffen gegen alle die anderen Hunde im Hause. Ein edler Hühnerhund, ein großer Liebling des Squire, hat das Vorrecht in das Besuchzimmer zu kommen; aber in dem Augenblick, wo er sich sehen läßt, fahren diese Schmarotzer mit fürchterlicher Wuth auf ihn los; und ich habe die großartige Ruhe und Verachtung bewundert, mit der er auf seine elenden Angreifer herabzusehen scheint. Wenn Ihre Herrlichkeit ausfährt, werden diese Hunde gewöhnlich mitgenommen, um die freie Luft zu genießen, wo sie dann aus den beiden Kutschfenstern sehen und alle gemeinen, zu Fuße gehenden Hunde anbellen. Diese Hunde sind eine beständige Quelle von Plagen für die Hausgenossen: da sie immer im Wege sind, so tritt ihnen jeden Augenblick Einer auf die Zehen, und nun erhebt sich ein Geheul von ihrer Seite, und von Seiten ihrer Gebieterin ein lautes Wehklagen, welches das ganze Zimmer in Aufruhr und Verwirrung versetzt.
Endlich ist noch die Kammerfrau Ihrer Herrlichkeit vorhanden, Mrs. Hannah, eine förmliche, steife alte Jungfer; eine der unduldsamsten, unerträglichsten Jungfrauen, die je gelebt haben. Sie hat ihre Tugend erhalten, bis sie sauer geworden ist, und nun schmeckt jedes Wort und jeder Blick wie Essig. Sie ist der wahre Gegensatz ihrer Gebieterin, denn die eine haßt und die andere liebt alle Menschen. Wie sie zuerst zueinander gekommen sind, kann ich nicht errathen; allein sie haben schon viele Jahre mit einander gelebt; und da dieser Jesabel Gemüthsart widerwärtig und herrschsüchtig, die ihrer Gebieterin aber angenehm und nachgiebig ist, so hat die Erstere vollkommen die Oberhand erhalten und tyrannisirt die gute Dame insgeheim.
Lady Lillycraft beklagt sich hie und da, im engsten Vertrauen, gegen ihre Freunde darüber, gibt aber den Gegenstand sogleich auf, wenn Mrs. Hannah sich sehen läßt. Sie ist so an sie gewöhnt, daß sie nicht ohne sie fertig werden zu können glaubt; wenn gleich ein großer Gegenstand des Studiums in ihrem Leben der ist, Mrs. Hannah durch kleine Geschenke und Gefälligkeiten bei guter Laune zu erhalten.
Meister Simon hat einen heiligen, mit Ehrfurcht gemischten Abscheu vor dieser alten Jungfrau. Er flüsterte mir vor einigen Tagen zu, sie sei eine verwünschte hitzige – er fügte in der That noch ein Beiwort hinzu, das ich um die Welt nicht wiederholen möchte. Ich habe jedoch bemerkt, daß er immer sehr höflich gegen sie ist, wenn sie einander begegnen.