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Als der Kurfürst den Verrat Johann von Werths erfuhr, wurde er gelb im Gesicht, schloß die Augen und schnappte nach Luft, so daß sein Rat Küttner von Kunitz, der bei ihm war, voll Schrecken einen Sessel herbeirollte, die Arme ausstreckte, um seinen Herrn aufzufangen, und nach der Glocke schielte, als wolle er mit den Augen läuten. Nach einer kurzen Pause jedoch vermochte der Kurfürst einen strengen Blick auf Küttner zu werfen, sich ohne Hilfe zu setzen und den Mund zu öffnen; es solle augenblicklich, sagte er, eine Kommission eingesetzt werden, um den Werth zu prozessieren, und es sei sein ausdrücklicher Wille, daß die Folter angewendet werde, damit keine Einzelheit dieser unerhörten Felonie verborgen bliebe.

Küttner rang die Hände und bemerkte, des Kurfürsten Befehl werde augenblicklich exequiert werden; es stehe zu hoffen, daß keiner der Schuldigen entkäme und auch der Werth verdientermaßen gefangen würde.

Der hundsföttische Verräter, sagte der Kurfürst, wäre ihm mit der halben Armee nicht zu teuer bezahlt.

Da müßte ja kein gerechter Gott im Himmel sein, sagte Küttner, wenn der stinkende Bösewicht entschlüpfte.

Es wären verhoffentlich die nötigen Ordres gegeben? sagte der Kurfürst.

Die Befehle wären bereits ausgefertigt, erwiderte Küttner, der Kurfürst müsse nur noch unterschreiben. Die allgemeine Meinung wäre, daß, wenn nicht Gewalt oder List angewandt würde, der bayrische Soldat sich nicht von seiner Pflicht würde abtrünnig machen lassen. Von den Obersten Walbot, Druckmüller und Herzog von Württemberg wären schon treuherzige Versicherungen eingelaufen, daß sie mit dem Höllenwerth nichts gemein hätten und gebührenden Abscheu vor dem basiliskischen Verräter hegten. Sie wollten Leib und Leben wagen, um dem Kurfürsten die Armee zu erhalten, und der Herzog von Württemberg habe noch hinzugefügt, er hoffe, der Kurfürst werde sich seines Bruders, des regierenden Herzogs, in Gnaden annehmen.

Es solle in der Antwort an die treu gebliebenen Obersten, befahl der Kurfürst, mit Vertröstungen nicht gespart werden. Die Belohnung der Guten solle ebenso enorm sein wie die Strafe der Übeltäter.

Inzwischen hatte sich Küttner wieder gesammelt und sagte, es sei nur gut, daß der Teufel an seinem schwefelichten Gestank zu erkennen wäre und der Böse sich dem Guten verdächtig und auffällig machte. Er, Küttner, habe noch letzthin, als der Werth in München gewesen wäre, gesagt, der Werth habe dem Kurfürsten am besten gedient, als er zu Vincennes gefangen gesessen habe. Und der Kurfürst werde sich erinnern, wie oft er überhaupt gesagt hätte, man solle den Werth in Vincennes lassen, so brauche man ihn nicht selbst zu bewachen.

Es hätte Küttner ja freigestanden, sagte der Kurfürst mürrisch, den Bösewicht damals zu entlarven, als er in München gewesen sei. Eine so weitverzweigte Verschwörung müsse damals schon im Schwange gewesen sein.

Ach Gott, jammerte Küttner, der Schalk habe ihn mit Nachäffung altbayrischer Redlichkeit und Unschuld zu verblenden gewußt! Die Strafe hätte ihn bald erreicht, denn wenn es nach Werths Willen gegangen wäre, so hätte er den Kurfürsten mitsamt seinen Räten gefangengenommen, und Schimpf und Erniedrigung, vielleicht sogar ein elender Tod wäre ihnen allen zuteil geworden.

Es solle wohl umgekehrt kommen, sagte der Kurfürst entschlossen. Sofort solle die Ächtung aufgesetzt und in Bayern, Österreich und allenthalben im Reich verkündet werden. Derjenige, der ihn lebend oder tot einliefere, solle 10 000 Taler erhalten; auf den Sporck solle auch etwas ausgesetzt werden, aber weniger. Seine Güter im Bayrischen sollten eingezogen, die Beamten abgesetzt und alle Schriften und Habseligkeiten ausgeliefert werden.

Es wären ihrer viele, sagte Küttner; die Gnade des Kurfürsten habe sich reichlich über den Unwürdigen ergossen.

Die vielen Schlösser und Güter, die er am Rheine hätte, fuhr der Kurfürst fort, sollten alle eingeäschert werden, dafür müßten ihm die Franzosen sorgen. Der Sporck habe Häuser im Hessischen, deren könne man auch durch französische Vermittelung mächtig werden.

Demnächst mußte Küttner nach Eger zum schwedischen Feldmarschall Wrangel eilen, damit der nicht etwa meine, der Übertritt Werths geschähe im heimlichen Einverständnis mit dem Kurfürsten. Küttner solle die schönen Worte nicht sparen, schärfte der Kurfürst ihm ein, um Wrangel jeden Argwohn zu nehmen, und ebenso trug er Sorge, die Franzosen seiner unerschütterlich aufrichtigen Bundestreue zu versichern.

*

Unweit der holländischen Grenze in einer sandigen Mulde lag ein Siechenhaus, das seit mehr als hundert Jahren dazu diente, Aussätzige aufzunehmen; jetzt bewohnten es Vagabunden, die, als sie bettelnd in diese Gegend gekommen waren, den Einfall gehabt hatten, sich hier einzunisten. Die kräftigsten unter den Kranken, die sich ihnen widersetzten, brachten sie um, einige verschonten sie, teils aus Mitleid und Widerwillen, teils damit sie die Vorräte abholten, die ihnen zwei- oder dreimal im Jahre von der jülichschen Regierung zugetragen werden sollten.

Es war August, und die Sonne stach glühend auf die schattenlose Fläche, als ein junger Bursche mit guten Nachrichten von einem längeren Ausfluge zurückkam; aber ehe er berichtete, sagte er, müsse er etwas zu trinken haben, denn die Zunge klebe ihm am Gaumen. Ein alter Mann, sein Vater, schlug es ihm ab; der Wein, der noch da sei, müsse für ihn bleiben. Der Streit endete damit, daß der junge Mann nachgeben und mit Wasser vorliebnehmen mußte; dann erzählte er, daß ein vornehmer Herr, nur von einem einzigen Diener begleitet, noch am selben Abend hier vorbeikommen werde. Er gehöre zu der englischen Gesandtschaft, die in Wien gewesen sei, und habe krank in Köln zurückbleiben müssen. Er führe viel Gepäck mit, kostbaren Staat und auch Geld.

Mit dem silbernen und goldenen Zeug könnten sie ja doch nichts anfangen, sagte die Mutter des Burschen abweisend; wenn sie es verkauften, machten sie sich verdächtig. Das bestritt der Mann; er habe doch auch die Dose aus purem Gold und mit Edelsteinen besetzt gut angebracht, die der Schwede ihm damals für ihre letzte Kuh gegeben hätte.

Ja, sagte die alte Frau, fünf Taler habe ihm der Jude dafür gegeben, und an die hundert sei sie wert gewesen. Er hätte den Handel nie eingehen sollen, das Gold habe ihn verblendet. Wenn sie die Kuh behalten hätten, so hätten sie ihr Häuschen niemals zu verlassen brauchen. Sie begann zu weinen in Erinnerung an ihr kleines Anwesen, die strohgedeckte, von Weiden umgebene Hütte am Bache.

Die Traurigkeit, die sich verbreitete, vertrieb der junge Mann, indem er den Vater mahnte, daß sie sich einig werden müßten, wie sie das Wild in die Falle lockten.

Wenn es Nacht würde, bevor er käme, sagte der Alte, wollten sie Licht anzünden, damit er meinte, es sei da ein Wirtshaus, und vielleicht einspräche.

Der Sohn entgegnete, es sei doch sicherer, ihm an der Straße aufzulauern, hinter dem großen Ginsterbusch könnten sie sich verstecken. Oder sie könnten ihn verfolgen und ängstigen, daß er in ihrem Hause Zuflucht suchte.

Als die Dämmerung kam und Licht angezündet wurde, fragten die Aussätzigen, die in einem Winkel kauernd alles mit angehört hatten, was das zu bedeuten habe? Sie wollten kein Licht, es könne Wölfe anlocken.

Ob sie glaubten, ihre Knochen lockten die Wölfe? fragte der Alte.

Sie hätten die letzte Nacht Wölfe bellen hören, beharrten die Aussätzigen, und sie wollten nicht von Wolfszähnen zerrissen werden.

Nun, sie sollten nur kommen, sagte der Alte, er habe Messer und Äxte schon geschliffen. Ja, sie wüßten wohl, wozu, riefen jetzt die Aussätzigen. Er und sein Sohn wären Mörder! Aber sie wollten es nicht länger leiden, sie hätten der Greuel genug gesehen, sie wollten sie anzeigen.

Der junge Mann hob einen Knüttel und drohte, er werde ihnen die Knochen im Leibe zerschlagen, wenn sie nicht schwiegen.

Das sei ihr gleich, schrie mit gellender Stimme eine Frau, die rote, vereiterte Augen und offene Wunden im Gesicht und an den Armen hatte; er solle sie nur totschlagen, aber sie wolle es laut herausschreien, daß sie Landstreicher, Räuber und Mörder wären.

Der Bursche wollte auf sie losspringen, allein die alte Frau hielt ihn zurück. Er solle die armen Würmer schimpfen lassen, sagte sie, die brauche er doch nicht zu fürchten. Es solle nicht umsonst Blut vergossen werden, ohnehin werde es nicht gut ablaufen. Dazu jammerte sie und fluchte denjenigen, die sie so weit gebracht hätten.

Unterdessen ritt der junge Engländer die staubige Straße herunter in Gedanken darüber, was für ein wildes, häßliches Land Deutschland sei und wie er sich daheim für die ausgestandenen Entbehrungen entschädigen wolle. Als es dunkelte, sah er sich zuweilen nach dem deutschen Diener um, den er der Sprache wegen gemietet hatte, und sagte zu ihm, er solle sich dicht hinter ihm und die Pistole schußbereit halten.

Der Diener, der vorher Soldat in schwedischem Dienst gewesen war, sagte, daran fehle es nicht; aber verirren würden sie sich. Es sei ja nicht Baum und Strauch da, um den Weg zu erkennen. Sie hätten besser getan, im letzten Dorfe zu übernachten.

Er habe allerdings nicht gedacht, sagte der Engländer, daß sie sich in einer solchen Wüste befänden.

Sie könnten immer noch umkehren, schlug der Diener vor. In einer Stunde würden sie das Dorf erreicht haben.

Umkehren? sagte der Engländer. Das Wort verstehe er nicht. Es werde wohl wieder ein Dorf kommen, wo sie bleiben könnten oder einen Führer erhielten.

Wenn nun aber keins käme? meinte der Diener zögernd.

Das werde sich zeigen, entschied der Engländer.

Nach einer kleinen Stunde wurden in der Mulde die hellen Fenster des Siechenhauses sichtbar, das unter dem großen, überhängenden Dache wie ein lauerndes Tier dalag. Der Engländer drehte sich nach seinem Diener um und wies darauf hin.

Man könne doch nicht wissen, was für ein Haus das sei, sagte der Diener argwöhnisch.

So würden sie es erfahren, sagte der Engländer. Jedenfalls würde es Wasser für die Pferde geben.

Diesen Morgen, erzählte der Diener, während sie von der Straße abbogen und auf das Haus zuritten, als er die Stalltür habe öffnen wollen, um die Pferde herauszuholen, sei seine Hand voll Blut gewesen.

Nun, und was weiter? sagte der Herr. Er hätte sich doch waschen können.

Aber es habe gewiß nichts Gutes zu bedeuten, sagte der Diener.

Es habe zu bedeuten, erwiderte der Herr, daß der Wirt und die Stallknechte in der Herberge Schmutzfinken wären und daß er, der Diener, ein Dummkopf sei.

Als sie nahe bei dem totenstillen Hause waren, flüsterte der Diener, es könnten leicht bissige Hunde da sein.

»Sowie sich etwas Verdächtiges rührt, schieße!« befahl der Engländer.

Auf mehrmaliges Klopfen öffnete sich ein Fenster, und die alte Frau erschien, verhieß Wasser für die Pferde und auch ein Glas Wein und Brot für die Reisenden. Ob sie etwa auch Unterkunft für die Nacht erhalten könnten? fragte der Engländer, dem die Alte Vertrauen einflößte.

Es werde sich wohl tun lassen, wenn der Herr vorliebnehmen wollte, antwortete die Frau; sie wolle ihren Mann und ihren Sohn rufen, die draußen beschäftigt wären. Während der Engländer ins Haus trat und der Diener die Pferde tränkte, tat die Alte einen langen Pfiff durch die Zähne, der sich klagend in der Dunkelheit verlor; gleich darauf tauchten beim Ginsterbusche der alte Mann und sein Sohn auf und gingen mit eiligen Schritten die Mulde hinunter dem Hause zu.

*

Der Kommandant von Eger setzte seinen Offizieren auseinander, warum er es für richtig halte, zu kapitulieren. Auf einen Sturm dürfe er es nicht ankommen lassen; die Stadt sei ja im Herzen schwedisch und würde mit den Feinden gemeine Sache machen. Kapituliere er, so könne er wenigstens die Besatzung für den Kaiser retten.

Die Offiziere waren derselben Meinung; sie hätten so lange wie möglich auf Entsatz gewartet, nun müßten sie auf anderem Wege Rettung suchen. Was die rechtzeitige Annäherung der kaiserlichen Armee verhindert hätte, wüßten sie ja nicht, lehnten jedenfalls alle Verantwortung für die Folgen ab.

Einzig der junge Schaffgotsch widersprach. Dergleichen wunderliche Judicia, sagte er hochmütig, lasse sein Kopf sich nicht insinuieren. Der Kaiser sei in eigener Person im Heranziehen begriffen und würde sie wunderlich ansehen, wenn sie ihm auf schimpflichem Abzuge begegneten. Er halte eine Kapitulation für nicht kavaliermäßig.

Die anderen fühlten sich durch diese Worte beleidigt. Ob etwa der Kaiser sich freuen würde, sagte der Kommandant, wenn er Eger als Schutthaufen wiedersähe? Er sei für die Besatzung verantwortlich und dürfe sie nicht nutzlos abschlachten lassen.

Schaffgotsch verharrte bei seiner Meinung. Man hätte der verräterischen, ketzerischen Bürgerschaft von Eger, sagte er, von Anfang an die Kehle besser zuschnüren sollen. Er werde in Ewigkeit seine Stimme nicht zur Kapitulation geben.

Der Kaiser war in der Tat nicht wenig erschrocken und entrüstet, als er unweit Pilsen die Nachricht vom Verluste der wichtigen Festung erhielt, und der Kriegsrat, Schlick an der Spitze, bereitete sich zu nachdrücklicher Bestrafung des Kommandanten. Melander, der neue Oberbefehlshaber, nahm ihn in Schutz, da er nach so langer Verzögerung auf die versprochene Hilfe nicht mehr hätte rechnen können. Er, Melander, habe vorausgesagt, was man aufs Spiel setze, aber allen seinen Warnungen zum Trotz habe man die ungeschicktesten Wege eingeschlagen, damit die Güter des Grafen Schlick vom Durchmarsche verschont blieben.

Schlick, der in den letzten Jahren schwerhörig und zahnlos und infolge des Bewußtseins seiner allgemeinen Untauglichkeit durch Alter und Gebrechlichkeit sehr empfindlich geworden war, geriet über diesen Vorwurf in große Aufregung. Dahin sei es also gekommen, rief er aus, daß die treuesten, ergebensten Diener des Kaisers, zu denen er sich wohl rechnen dürfe, sich von Fremden und noch dazu Ketzern müßten beschimpfen lassen! Schon bei den weisen Römern wären die homines novi anrüchig gewesen; nach diesem uralten, erprobten Beispiel habe er sich gerichtet und sich stets vor solchen gehütet. Wozu schützte man eigentlich Kaiser und Reich vor Rebellen und Ketzern, wenn der Kaiser selbst einen Catilina am Busen nährte? Schweden und Türken wären nicht so gefährlich wie ein innerer Krebs, der den Körper von den Eingeweiden aus auffräße. Er habe es vorausgesagt und bleibe dabei, es könne von Melander nichts Gutes kommen, der es als ein Hesse und Mann unbekannten, niederen Ursprungs nicht redlich mit dem Kaiser meinte.

Als Lobkowitz dem Kaiser vorstellte, wie oft die Einmischungen des Kriegsrates den militärischen Erfolgen hinderlich gewesen wären, was für Zusicherungen man Melander diesbezüglich gegeben hätte, daß er der Mann nicht sei, sich etwas gefallen zu lassen, und daß Schlick schwachköpfig und unbrauchbar sei, antwortete Ferdinand, er werde den großmütigen Grundsatz seines Hauses, mit ergrauten Dienern unerschöpfliche Nachsicht zu üben, niemals entwurzeln. Lobkowitz solle sich erinnern, wie schläfrig der alte Slawata zuletzt gewesen sei; aber er, Ferdinand, habe ihm beim Tode seines Vaters versprochen, ihn immerdar bei sich zu behalten, und das habe er getan. Lobkowitz solle zusehen, wie das Problem gelöst würde, ohne Schlick Ombrage zu geben.

Nachdem es Melander nicht gelang, Eger zurückzuerobern, und überhaupt im Verlaufe des Sommers durchaus nichts ausgerichtet wurde, gab Lobkowitz den Rat, der Kurfürst von Bayern müsse wieder auf des Kaisers Seite gezogen werden. Dieser sei nun einmal der natürliche und nunmehr auch der einzig erhältliche Verbündete des Kaisers, er müsse mit aller Gewalt zu seiner Pflicht zurückgeführt werden.

Ferdinands blasses Gesicht rötete sich vor Unwillen. Er wolle lieber der Landgräfin von Hessen oder gar dem treulosen Herzog von Württemberg die Hand reichen, sagte er, als dem Judas, seinem Oheim.

Das sei wohl zu begreifen, sagte Lobkowitz, Maximilian habe häßlich an seinem gnädigen Kaiser gehandelt. Aber er habe es aus Staatsräson getan, um sein Land vor Verwüstung zu retten, und es liege Grund vor, zu glauben, daß es ihn schon wieder gereue. Nach seinem Dafürhalten würde der Kaiser am besten tun, sich Frankreich zu nähern; dadurch würde Bayern lahmgelegt, indem Frankreich den Kurfürsten aufopfern würde, wie er vormals Frankreich gegen den Kaiser ausgespielt hätte.

Frankreich ein Bündnis anzutragen, stehe dem frommen Erzhause nicht an, sagte der Kaiser; aber damit sei er einverstanden, daß man sich Frankreich zum Schein nähere, damit der Kurfürst innewürde, in was für eine Falle er sich mutwillig begeben hätte.

Durch seinen Gesandten davon unterrichtet, daß der Kaiser mit Frankreich angeknüpft hätte und daß Verhandlungen im Werke wären, wonach dem pfälzischen Prinzen Karl Ludwig die ganze Pfalz nebst der Kurwürde zurückgegeben werden sollte, begann Maximilian den Mahnungen seines Beichtvaters Gehör zu schenken, der die französische Politik immer mißbilligt hatte. Frankreichs Gottlosigkeit, triumphierte er, habe sich einmal wieder offenbart; es sei sofort bereit gewesen, seinen Bundesgenossen dem Kaiser preiszugeben, gegen den es seit Jahren einen hinterlistigen und räuberischen Krieg führe; Maximilian solle doch sein Heil bedenken und seine Seele durch Versöhnung mit dem Kaiser retten.

Gegen Lobkowitz, der nach München gereist war, um die Beziehungen neu zu knüpfen, äußerte sich Maximilian, er sei bereit, das alte freundvetterliche Verhältnis zum Erzhause, dem er schon so viele Opfer gebracht hätte, wieder aufzunehmen; der Kaiser möge ihm aber so weit entgegenkommen, daß er ihm Johann von Werth ausliefere, damit der schwarze Verräter und undankbare Höllensohn den gebührenden Lohn empfinge.

Das könne des Kurfürsten Ernst nicht sein, entgegnete Lobkowitz. Ja, er solle sich doch einmal in des Kaisers Lage versetzen. Einen Diener, der ihm in der Not die Treue gehalten, preisgeben! Der Kurfürst kenne seinen Schwager wenig, wenn er das für möglich hielte.

Das Faltennetz verstrickte sich enger um Maximilians graues, trockenes Gesicht. Er habe sich geschworen, sagte er, an dem spitzbübischen Schurken, der ihn mitsamt seinen Räten hätte fangen und erdrosseln wollen, Rache zu nehmen, und davon werde ihn niemand abbringen.

Lobkowitz äußerte Zweifel, ob Johann von Werth, der sich stets als redliches Soldatengemüt erwiesen, dergleichen lose Pläne wirklich gehegt hätte. Es zeige sich doch jetzt, wie gut er es mit dem Kurfürsten gemeint hätte, indem er ihn vor den Franzosen warnte, die jetzt sogleich bereit wären, den Kurfürsten, ihren Bundesgenossen, aufzuopfern.

Die Schelmerei der Franzosen hindere nicht, sagte Maximilian, daß der Werth ein abgefeimter Bube wäre und den Galgen verdiente. Seine fürstliche Ehre gestatte es nicht, neben einem unbestraften Verräter zu Felde zu ziehen.

Nun, sagte Lobkowitz, das wäre ja auch nicht nötig, der Kaiser könne den Werth auch anderswo gebrauchen. Freilich sollte auf die Wiederherstellung des altheiligen Bündnisses zwischen Ferdinand und Maximilian kein Schatten fallen, und er glaube sich von vornherein verbürgen zu dürfen, daß der Kurfürst dem Johann von Werth nicht begegnen würde.

Gab der Kurfürst insofern nach, als er auf die Auslieferung Werths verzichtete, so mußte der Kaiser die Demütigung auf sich nehmen, das Abberufungsdekret aufzuheben, durch welches er die Offiziere der gemeinsamen Armee an sich zu ziehen gesucht hatte. Der Aufgabe, Werth mit guter Manier zu entfernen, mußte sich Lobkowitz unterziehen.

*

Am 10. Oktober speisten Johann von Werth und Sporck beim Fürsten Lobkowitz, der den Wirt mit einem besonderen Aufwande von Munterkeit und Späßen machte. Sowohl Sporck wie Werth waren nach ihrer Art schweigsam, aber des letzteren Gesicht glänzte von Genugtuung. Seit einem Jahre, sagte er, habe der Wein ihm nicht geschmeckt wie heute; das sei ihm mehr wert als der herrlichste Sieg, daß der Bayer zu Kreuze gekrochen sei.

Lobkowitz lachte wie närrisch und feuerte die Herren mit Bezugnahme auf Werths letzte Worte zum Trinken an, worauf Sporck, vor Vergnügen grunzend, sein soeben gefülltes Glas langsam hinuntergoß. Was ihn betreffe, sagte er, indem er die Augen langsam im Kreise herumgehen ließ, so höre er heute nicht auf, bis er besoffen unterm Tische läge; aber zuvor wolle er gehörig Bresche in Lobkowitzens Keller schlagen.

Das sei von solchen Feldherren zu erwarten, antwortete Lobkowitz, und habe auch nichts zu sagen; sein Keller sei wie ein Kaninchenstall, es gäbe immer wieder Nachwuchs.

Sporck zwinkerte und schnalzte mit der Zunge. Ja, das sei ein feuriger Wein, sagte er, der könne viele Fässer bersten machen. Johann von Werth solle sich ein Beispiel daran nehmen.

Werth, der seit einigen Jahren Witwer war und mit Heiratsgedanken umging, lachte ein kollerndes, wohlgefälliges Lachen. Das müsse mit dem Teufel zugehen, rief er, wenn er nicht noch einen Sohn erzeugen sollte. Wozu hätte er denn mit lauter Arbeit den Adel und einen ruhmvollen Namen verdient, wenn ihn sein Sohn nicht auf die Nachwelt brächte? Er fürchte nur, daß er zu alt sei. Er habe die beste Zeit und Kraft für den Kaiser und den heiligen Glauben ausgegeben.

Zu alt? rief Lobkowitz. Werth sei doch gewiß nicht älter als er, und er gedenke seinen Freunden noch manche Überraschung zu bereiten. Übrigens habe Abraham mit hundert Jahren noch einen Sohn erzeugt. Jetzt sei gerade der rechte Augenblick, die beste Gelegenheit für Werth, sich ein Nest zu bauen und ungestört mit einem Weibchen zu kosen.

Werth winkte mit dem dicken Zeigefinger ab. Nein, sagte er, jetzt sei weniger Zeit als je. Jetzt, hoffe er, solle die Kampagne erst angehen, und es solle die schönste und rühmlichste seines Lebens werden. Heldentaten wolle er verrichten unter den Augen des Kurfürsten, der solle ihn jetzt ›Mein lieber von Werth‹ nennen, ihn, den er lieber am höchsten Galgen sähe.

Ach, sagte Lobkowitz, da wäre vieles zu sagen. Werth kenne die Hartköpfigkeit, Verbissenheit und gänzliche Enormität des Kurfürsten nicht.

Ha, lachte Werth, wer denn die kennte, wenn nicht er? Man könne eher einen Wolf aus seinem Fell als den Kurfürsten aus seinem Willen peitschen. Das lege er alles in Gottes Hand, der der Unschuld zu ihrem Recht verhelfe.

Sporck schlug ein Kreuz und goß ein Glas hinunter. Er sage nichts weiter, sagte er, als Gott habe das letzte Wort, und das sei gut.

Noch habe Gott das letzte Wort nicht gesprochen, sagte Lobkowitz; täte er es aber, dann freilich bleibe der Lohn nicht aus. Er erzählte von seiner Mutter, die in diesem selben Hause Anno 1618 den Martinitz und Slawata gepflegt hätte nach der Defenestration, und wie dasselbe Haus dann von den Aufständischen besetzt worden, aber ihre Standhaftigkeit doch nicht zu erschüttern gewesen wäre. Ja, was hätte er eigentlich dazumal für Aussichten gehabt? Und dann bei der Wallensteinischen Affäre! Da hätte er, Lobkowitz, leicht in die abscheuliche Verräterei hineintappen können, da er unter Wallensteins Oberbefehl gestanden hätte. Er sei ja noch glücklich davongekommen, aber zwischen Scylla und Charybdis habe er damals hindurch müssen.

So? sagte Werth, die Stirne faltend; Lobkowitz sei ein Politiker, er, Werth, aber nur ein alter Soldat und verstehe sich schlecht auf politische Weisheit. Seine Maxime sei, die Segel aufzuziehen, wenn ein Wetter drohe. Fürchten tue er keinen Menschen und habe auch keine Ursache dazu. Er habe den Herrgott und den Kaiser auf seiner Seite, die beiden würden ihn nicht verlassen.

Lobkowitz beteuerte eifrig die Großmut des Kaisers und seine besondere Zuneigung für Johann von Werth. Werth müsse aber auch die Lage des Kaisers begreifen. In was für Not sich derselbe durch die bayrische Treulosigkeit und den französischen Übermut befinde, sei ja bekannt. Was bliebe ihm übrig, als für den Augenblick zum Schein sich den anmaßlichen Forderungen des Kurfürsten zu fügen?

»Was soll das heißen?« rief Werth und schlug mit der Faust auf den Tisch. »Soll das heißen, daß der Kaiser den treuen Werth dem verräterischen Kurfürsten preisgibt?«

Lobkowitz prallte mit komisch übertriebenem Entsetzen zurück. Solche Worte dürften in diesem Palaste nicht laut werden! In diesem Hause wären selbst die Wände dem Kaiser so ergeben, daß sie solche Worte zurückwürfen! Das sei doch Werth wohl schon mitgeteilt worden, daß der Kurfürst darauf bestände, der Kaiser müsse das Abberufungsdekret aufheben und Werth entfernen, damit seine fürstliche Ehre nicht Schaden litte.

»Und meine Ehre?« schrie Johann von Werth. »Und meine Ehre? Das Abberufungsdekret aufheben heißt mich zum Schelmen machen!«

Lobkowitz brach plötzlich in ein Gelächter aus und konnte erst nach einer Weile wieder sprechen. Wenn das so wäre, sagte er, noch glucksend, würde ja dasselbe für den Kaiser gelten. So sei das nicht aufzufassen. Wenn ein wenig Gras über diesen labyrinthischen Vorgängen gewachsen sei, würde alles von selbst wieder in die alten Geleise kommen.

Unterdessen schluchzte Werth so, daß sein Körper davon erschüttert wurde. »Ich habe dem Kaiser meine Ehre anvertraut,« jammerte er, »der Kaiser soll mir meine Ehre wiedergeben!«

Sporck goß ein Glas Wein hinunter und sagte, er fordere jeden vor sein Schwert, der seine Ehre antasten wollte. Er fürchte den Höllenfürsten nicht, wieviel weniger den Kurfürsten von Bayern.

Sporck habe recht, vollkommen recht, sagte Lobkowitz eifrig. Es sei kein Beweis von Furcht, wenn man einem Wütenden nachgäbe, bis er wieder Vernunft annähme. Es sei ja nicht so, als ob Werth in kaiserliche Ungnade gefallen sei, bewahre! Es sei ja auch möglich, daß der Kurfürst noch zur Einsicht käme; was an ihm sei, wolle er tun und ihm womöglich ein Lichtlein in den Schädel setzen.

In dieser beschwichtigenden Rede wurde Lobkowitz unterbrochen und kehrte, nachdem draußen eine Weile laut geredet worden war, in sichtbarer Verlegenheit zurück. So gehe es zu in der Welt, sagte er, man könne nicht vergnügt beieinander sein, ohne daß der Teufel seinen Schwanz dazwischensteckte. Eben bringe ein Eilbote Bericht, daß Graf Gronsfeld mit dem Vortrab der bayrischen Armee im Anzuge sei. Nun helfe kein Maulspitzen mehr, nun müßten Werth und Sporck sich beiseite schlagen, damit nicht Pulver und Feuer in einem Fasse beieinander wären.

Ihm wäre es gleich, sagte Sporck gelassen, wenn Prag in die Luft flöge. Lobkowitz lachte krampfhaft. Ja, wenn sein Haus nicht da stände, sagte er, hätte er auch nichts dagegen.

Also der Gronsfeld käme, sagte Sporck. Der würde sich gewiß freuen, den Melander wiederzusehen, dem er das letztemal bei Hessisch-Oldendorp den Rücken gezeigt hätte.

Gronsfeld sei aber doch ein sehr gelehrter General, sagte Lobkowitz, habe das Kriegswesen unter Tilly studiert.

Sporck stieß ein grunzendes Gelächter aus. Freilich, sagte er, wenn man das Davonlaufen studiert hätte, ginge es um so besser.

Nun, sagte Lobkowitz, je untauglicher sich Gronsfeld zeigte, desto eher würden Werth und Sporck wieder herbeigerufen. Ach, er beneide sie! Sie könnten sich jetzt wie die Maulwürfe in trauliche, unterirdische Löcher verkriechen, mit dem Frühling steckten sie die Nase heraus, und wenn sie Tauluft witterten, machten sie sich mit Anemonen und Veilchen völlig ans Licht.

Werths Augen standen voll Tränen, als er mit Sporck im Reisewagen aus Prag fuhr. »Ein gewaschener Wolf bleibt doch ein Wolf,« sagte Sporck, »und Fürsten und Adel kleben nun einmal zusammen wie ein Weichselzopf.« Wie hätte es Werth der Württemberger Ulrich gemacht, den er für einen Bruder angesehen hätte! Und von dem Wallenstein sagten auch viele, er sei zu Unrecht ermordet worden.

Werth verschluckte seine Gemütsbewegung, um zu antworten. Wallenstein, sagte er, sei ein Bösewicht gewesen und mit Heimlichkeiten umgegangen, er dagegen, Werth, habe offen wie ein Ehrenmann seine Pflicht getan. Übrigens sei der Wallenstein ja auch ein Edelmann gewesen. Aber was den Württemberger Ulrich betreffe, so sei keine Schlange so giftig wie er, und wenn Gott ihn, Werth, nur so lange leben ließe, bis er seine Rache stillen könnte, so wolle er hernach gern den bittersten Tod erleiden. Müßte er vor seiner Rache absterben, so wolle er auch nichts von Gott wissen und lieber zur Hölle fahren.

Das wäre! sagte Sporck mißbilligend. Wenn Gott im Himmel wäre, und daran könne doch niemand zweifeln, so würde er dergleichen hundsföttische Kerle schon beim Schopfe nehmen. Deshalb sei er auch so getrost und in seinem Gott vergnügt. Den Bösewichten würde es schon eingetränkt werden; die ärgsten Malefikanten kämen beim Rädern zuletzt an die Reihe, und wenn die Rache saftig sein sollte, müsse sie lange kochen.

*

Im Frühjahr 1648 hatte es Wrangel endlich durchgesetzt, daß Turenne zu ihm stieß und ihn in den Stand setzte, den Eingang nach Bayern zu erzwingen. Er begrüßte Turenne mit ausnehmender Höflichkeit und sprach lächelnd von seiner Freude, ihn wiederzusehen, worauf Turenne ein wenig ungeduldig mit den Augen blinzelte und sagte, in Geschäftssachen müßte das Herz schweigen, sonst würde er sich nie von ihm getrennt haben. Sie besprachen ihre Lage, einigten sich über die Quartiere, und Wrangel teilte mit, daß sie sich etwa sechs Wochen, nicht länger, hier herum, nämlich in der Oberpfalz und Schwaben, würden halten können. Dann würde alles kahl gefressen sein, und sie müßten sich in Bayern erholen. Bis dahin würde Königsmarck von Eger zurück sein, sie würden dann nahe an 20 000 Mann zählen und brauchten am Erfolge nicht zu zweifeln.

Turenne faltete die Brauen und sagte, es sei Wrangel doch wohl bekannt, daß Königsmarck sich unerhörte Impertinenzen gegen ihn herausgenommen hätte.

Dies bezog sich darauf, daß die letzten Reste der Weimaraner sich von Turenne getrennt und ihren Dienst Königsmarck angetragen hatten, der trotz gewisser Bedenken darauf eingegangen war. Turenne, der die Weimaraner als Deserteure und Rebellen betrachtete, fühlte sich dadurch beleidigt und weigerte sich, seine Truppen neben ihnen fechten zu lassen.

Wrangel entschuldigte Königsmarck damit, daß die Weimaraner im andern Falle zu Lamboy übergegangen wären, der sie mit großen Versprechungen angelockt hätte; es würde doch nicht vernünftig gewesen sein, gute alte Soldaten ins feindliche Lager laufen zu lassen.

Man hätte sie einschließen und niederhauen sollen, sagte Turenne.

Er hätte geglaubt, sagte Wrangel unbefangen, daß Turenne das schon versucht hätte, daß es ihm aber nicht geglückt wäre.

Turenne wurde rot und sagte, er sei damals in einer Lage gewesen, die ihm das unmöglich gemacht hätte.

Wrangel zuckte die Achsel und sagte, das habe er nicht gewußt. Immerhin wäre es schade, erprobte Soldaten niederzumachen zu einer Zeit, wo Mangel daran wäre. Er habe Königsmarck geraten, sie zu den heikelsten Aktionen zu gebrauchen, dann würde der Feind die Bösewichte schon allmählich dezimieren. Um Ärgernisse zu vermeiden, habe er Königsmarck nach Eger geschickt unter dem Vorwande, Proviant in die Festung zu werfen; Königsmarck schlüge nie etwas aus, wobei es Beute zu machen gäbe. Übrigens wäre Königsmarck schon gestraft, denn die Königin von Schweden habe den Anschluß der Weimaraner sehr ungern gesehen. Von dem trotzigen Geist der deutschen Truppen und insbesondere der weimarischen habe man ja genug Proben gehabt, und sie besorgte, dieselben möchten ihre Meuterei auf das reguläre Heer übertragen. In ihren Reden und Erlassen hätten sie allerlei verfängliche Ausdrücke von der deutschen Freiheit gebraucht, dergleichen dazumal dem Oberst Seckendorff den Hals gebrochen hätten. Königsmarcks Kopf habe auch stark gewackelt.

»Schade, daß er nicht ganz heruntergefallen ist!« sagte Turenne.

Sie sprachen von der Vorliebe der Königin von Schweden für Königsmarck, und Wrangel meinte, sie habe wohl eine mütterliche Zuneigung für den Brandenburger, auch ließen sich die Damen nun einmal von den dreistesten Bramarbassen verblenden. Königsmarck sei im Grunde ein ganz roher Mensch und würde in Schweden kaum für einen Bauern gut genug sein.

Turenne pfiff leise durch die Zähne, um damit anzudeuten, daß es in Schweden überhaupt nichts als Bauern gäbe und daß er Wrangels Neigung, sich mit seinem Adel in die Brust zu werfen, sehr komisch fände.

Nachdem Königsmarck um die Mitte des April zurückgekehrt war, drang das nun hinreichend starke Heer gegen die Donau vor, überschritt sie bei Lauingen und drängte das kaiserlich bayrische Heer auf den Lech zurück, dessen ungestüme Wellen nun wie zu Gustav Adolfs Zeit die beste Schutzwehr des bayrischen Landes bildeten. Melander und Gronsfeld, der kaiserliche und der bayrische Feldherr, waren nicht weniger uneinig untereinander als die Anführer des schwedisch-französischen Heeres; Melander war außerdem durch eine im Beginn des Jahres erhaltene Verwundung beeinträchtigt. Er fiel, von Königsmarck bei Zusmarshausen überrascht, und Gronsfeld, der den unsicheren Erfolg einer Schlacht nicht wagen wollte, zog sich, den Lech preisgebend, ins Innere Bayerns zurück, weswegen ihn der erzürnte Kurfürst vor ein Kriegsgericht stellte. Indem er sich dadurch selbst seines besten, tüchtigen Heerführers beraubt hatte, mußte er sich zur Versöhnung mit Johann von Werth bequemen.

Wrangel und Königsmarck freuten sich auf die herrliche Jagd bei München, wovon sie gehört hatten. Die Herren müßten sich aber beeilen, bemerkte Turenne; denn die Schmiede von Osnabrück und Münster hätten das Schloß schon fast fertig, um ihnen die Tür vor der Nase zuzuschließen.

Ach, davor habe er keine Angst, sagte Königsmarck. Das sei alles nur Spiegelfechterei und der Friede so fern wie je. Schweden werde seine Festungen nie herausgeben, bevor es die Hand auf die Satisfaktionsgelder legen könnte. Und der Kaiser schwinge zwar den Ölzweig, mache aber hinterrücks Spanien ein Zeichen mit dem Schwerte. Warum auch die Königin von Schweden schon Frieden machen sollte? Es sei noch viel mehr aus dem Reich auszupressen. Wenn man ihm, Königsmarck, nur Zeit ließe und Raum schaffte, so mache er sich anheischig, dem Kaiser die Schlinge um den Hals zu werfen.

»Hoffentlich bin ich dem Herrn General dabei nicht im Wege?« sagte Wrangel spöttisch.

»Höchstens durch Euer Gnaden Ruhm und große Talente«, erwiderte Königsmarck schnell und liebenswürdig. »Ich bin dem Zeitalter meinen Ruhm noch schuldig, daher meine Ungeduld.«

Sei es, um dem Brandenburger die ersehnte Gelegenheit zu geben, oder um den Ausbruch der beständig zwischen den Feldherren schwebenden Feindseligkeiten zu verhindern, schickte Wrangel den üppigen Brandenburger wieder nach Eger, an dessen Erhaltung den Schweden viel gelegen war.

Auf dem Wege dorthin meldete sich bei Königsmarck ein Mann, der Odowalsky zu heißen und Oberstleutnant in kaiserlichem Dienst gewesen zu sein vorgab und in geheimer Unterredung sich anerbot, dem schwedischen General die Stadt Prag in die Hände zu liefern. Er sei kürzlich in Prag gewesen, sagte er, kenne die Gelegenheit genau und wisse, wo die Kleine Seite zugänglich sei. Er könne das Heer auch solche Wege führen, daß sein Heranzug sicher unbemerkt bleiben werde.

Königsmarck nahm den Vorschlag zunächst mit Mißtrauen auf. Was ihn denn zu solchem Verrat bewege? fragte er Odowalsky. Dieser erzählte, er habe bei der Eroberung Egers durch die Schweden sein Gut Gehag, das dem Pachelbel gehört und das er nach Austreibung der Protestanten erworben habe, verloren, wodurch er mit seiner Familie ins Elend geraten sei. Er habe sich darauf beim Kaiser um neue Bestallung beworben, es sei ihm auch eine Kommandantenstelle versprochen worden, ohne daß er sie aber wirklich erlangt hätte; er sei selbst nach Prag gereist, sei von diesem zu jenem geschickt, von heute auf morgen vertröstet und endlich doch an der Nase herumgeführt worden. Gut und Blut habe er im kaiserlichen Dienst zugesetzt, sehe sich zum Lohn mit Weib und Kind dem Hungertode überantwortet; wenn er nun, da mehrfaches Sollizitieren nicht geholfen hätte, den Acheron in Bewegung setzte, habe der Kaiser es sich selbst zuzuschreiben.

Es sei ja bekannt, wie das Haus Österreich seine Diener lohne, sagte Königsmarck. Aber wenn er, Königsmarck, Odowalsky trauen solle, müsse er doch eine Sicherheit haben.

Die Sicherheit sei seine Person, sagte Odowalsky. Er gehe ja mit nach Prag, wolle sich stets an Königsmarcks Seite halten. Finde sich List oder Tücke hinter seinen Angaben, so könne Königsmarck ihn im Augenblick niederhauen.

Das leuchtete Königsmarck ein; aber auch Odowalsky wünschte zu wissen, wessen er sich, falls der Anschlag gelinge, von Königsmarck und der Königin von Schweden zu versehen habe. Beim Kaiser werde er hernach verfemt sein; wenn er dann nicht Zuflucht bei Schweden fände, sei er vom Regen unter die Traufe geraten.

Ein Dienst sei des anderen wert, sagte Königsmarck; die Königin von Schweden werde sich erkenntlich zeigen. Wonach denn Odowalsky aspiriere?

Odowalsky versicherte, daß er sich nicht unterstehe, einem großen Herrn wie Königsmarck Bedingungen vorzuschreiben; er werde mit einem angemessenen Dienst im schwedischen Heere zufrieden sein, der ihn vor der Rache des Kaisers schütze. Seine Familie bedürfe zwar auch eines Gütleins oder Geldsümmchens zum Leben; aber in Prag wären ja Schätze aufgehäuft, daß Tausende seinesgleichen davon reich werden könnten. Königsmarck werde ihm gewiß einen kleinen Anteil daran nicht versagen.

Ja, auf dem Hradschin, sagte Königsmarck, dessen Augen weit wurden, da sollten ja von Kaiser Rudolfs Zeiten her Gold und Edelsteine sackweise verborgen sein.

So habe er gehört, sagte Odowalsky. Ein Saal solle voll der kostbarsten Raritäten sein. Für das Horn eines Einhorns, welches in uralten Zeiten in dichten Wäldern gehaust habe und womit man alle Krankheiten und Gebrechen heilen könne, habe Kaiser Rudolf 200 000 Reichstaler gezahlt. Zu der jüngst stattgehabten kaiserlichen Hochzeit habe man ein Bett des besagten alten Kaisers hervorgekramt, daran sei an purem Golde so viel gewesen, daß man ein ganzes Regiment jahrelang damit erhalten könnte.

»Wenn nur der Kaiser nicht inzwischen alles nach Wien wegführt!« meinte Königsmarck.

Nein, nein, erwiderte Odowalsky, da könne Königsmarck unbesorgt sein. Man lebe in Prag ganz unbekümmert in den Tag hinein; Colloredo, der Kommandant, verprasse seine Kriegsbeute, und so machten es die anderen Obersten, die dort wären, meist alte, ausgediente Leute. Sie tanzten und schwelgten dort, als ob sie auf dem Reisberg des Schlaraffenlandes säßen anstatt auf einem rauchenden Vulkan.

Feste, das sei ihm recht, rief Königsmarck gutgelaunt, da wolle er dabeisein. Er male sich schon die Überraschung der Herren, wenn er in den Saal träte und höflich fragte, ob ein Platz für ihn offen sei.

*

Im Mai, als die erste Begegnung zwischen Königsmarck und Odowalsky stattfand, kehrte Fürst Octavio Piccolomini aus Spanien zurück und stellte sich in Prag dem Kaiser vor. Dieser empfing ihn sehr gnädig und sagte ihm, er freue sich, daß Piccolomini auf die spanischen Lorbeeren nunmehr verzichtet habe; es sei inzwischen eine Ernte im Reich herangewachsen, die von seinem Heldenschwert gemäht zu werden warte.

Piccolomini erwiderte, daß er, mit welchem Eifer er auch Spanien gedient habe, doch ein patriotisches Heimweh nie habe unterdrücken können. Sein Wunsch sei, sich auszuruhen, vor allen Dingen aber den Befehlen des Kaisers wie immer zu gehorchen.

Noch am selben Tage suchten den Fürsten Graf Trauttmansdorff und Fürst Lobkowitz auf, segneten den Tag seiner Rückkehr und beschworen ihn, sich dem kaiserlichen Dienst nicht zu entziehen. Sie hätten es vorausgesagt, daß sein Abgang die kaiserlichen Angelegenheiten in Ruin stürzen würde, und so sei es auch gekommen. Von Jahr zu Jahr sei es hurtiger bergab gegangen, so daß man jetzt, Gott sei es geklagt, recht hübsch im Sumpfe säße.

Gallas sei doch seinerzeit ein vortrefflicher Offizier gewesen, sagte Piccolomini, wiewohl etwas kurzsichtig nach Art der Tiroler und trunksüchtig.

Zuletzt sei er aber recht alt geworden, erzählten die Herren. Er habe alles ganz ungewöhnlich schlampen lassen, sich um nichts mehr bekümmert. Vor dem Tode habe er noch die alte Wallensteinische Geschichte aufwärmen wollen, kurz, hätte lieber zehn Jahre früher sterben sollen. Der Götz habe mehr Glück gehabt, indem er bei Jankau gefallen sei, denn der sei auch ganz und gar versoffen gewesen.

Ja, sagte Piccolomini, viele glaubten leider, man brauche nur recht mit dem Schwert fuchteln und fluchen zu können, um ein großer General zu sein. Aber von dem Melander habe man doch etwas Besseres erwarten können.

Er hätte allerdings selbst große Hoffnungen auf ihn gesetzt, sagte Trauttmansdorff; aber Melander habe sich in das österreichische Wesen nicht recht schicken können. Er habe wohl das Heerwesen auf einen leidlich guten Fuß gebracht; aber sein rauhes Wesen habe die Offiziere disgustiert, und den gemeinen Soldaten habe er auch nicht bei guter Laune erhalten können. Sein unverhoffter Tod sei wohl als eine weise Anordnung der Vorsehung zu betrachten: er habe gleichsam die Lücke in die Mauer gerissen, durch welche Piccolomini, der Feldherr von Gottes Gnaden, wiederum einziehen könne, um die Herrschaft zu übernehmen.

Ja, es sei gewiß höchste Zeit, fügte Lobkowitz hinzu, daß Piccolominis Sonnengestirn aufgehe und die kleinen Sterne unterwerfe, auf daß wieder Ordnung und Klarheit am Himmelsgewölbe herrsche.

Piccolomini lächelte geschmeichelt. Die Herren wüßten wohl, sagte er, daß es nicht geraten sei, eine noch so reiche Erbschaft anzutreten, wenn allzuviel Schulden darauf ständen.

Trauttmansdorff und Lobkowitz versicherten, daß Piccolomini alle Mittel zu Gebote gestellt werden würden, die er zu einer gedeihlichen Kriegführung für notwendig hielte. Überhaupt sei es des Kaisers Wunsch, daß allen Ansprüchen Piccolominis Rechnung getragen werden solle, namentlich verstehe es sich von selbst, daß Piccolomini nicht unter die Würden hinabsteigen könne, die ihm in Spanien zugebilligt wären. Der Kaiser habe sie ausdrücklich ermächtigt, auf dieser Grundlage mit Piccolomini einig zu werden.

Nun versicherte Piccolomini, daß er sein Leben, Glück und Vermögen einmal dem Kaiser geweiht habe und dabei verharren wolle, und daß er allzu patriotisch empfinde, um sein persönliches Wohlergehen zu bedenken, wenn es sich um das Heil des Reiches handle.

Nachdem diese Verständigung erreicht war, fingen die Herren unbefangen zu plaudern an: Piccolomini machte Lobkowitz, auf den ein großer Teil der Wallensteinischen Güter und Titel übergegangen war, ein Kompliment über die Erweiterung seines Besitzstandes, und Trauttmansdorff erwähnte, daß Lobkowitz kürzlich einen Sitz auf der Reichsfürstenbank erhalten habe, worauf Piccolomini sich ein wenig verneigte und auch dazu seinen Glückwunsch anbrachte.

Lobkowitz bekam einen Lachanfall und sagte, als er sich davon erholt hatte, er verdanke das dem Eggenberg. Der habe gewühlt wie ein Maulwurf, und es sei ja bekannt, daß Maulwürfe oft mehr anrichteten als Elefanten. Er wolle sich aber keineswegs mit einem Elefanten vergleichen. Aber sein kaiserlicher Herr habe gesagt, er gebe dem Eggenberg nichts, was der Lobkowitz nicht auch bekäme. Er selbst würde seinem kaiserlichen Herrn damit nicht inopportun gefallen sein.

Piccolomini sagte, der Kaiser sei allerdings gnädig, habe aber auch seinen eigenen Nutzen bedacht, indem er Lobkowitz mächtig gemacht habe. Dann beklagte er, daß sich Lobkowitz ganz vom Kriegsdienst zurückgezogen habe.

Ja, wenn er hundert Arme hätte wie der Riese Briareus, lachte Lobkowitz. Übrigens habe er die Lust verloren, als Piccolomini nach Spanien gegangen wäre, und vollends, als Erzherzog Leopold Wilhelm das Kommando niedergelegt hätte. Piccolomini wisse ja wohl, in was für einem innigen Verhältnis er zum Erzherzog gestanden hätte, und er würde ihm auch nach Belgien gefolgt sein, wenn es sich mit dem kaiserlichen Dienst vertragen hätte.

Dann war die Rede von den häuslichen Verhältnissen des Kaisers und daß sie seine ganze Kraft in Anspruch genommen hätten. Der Tod des Infanten Balthasar habe die hohe Familie aus ihrer Sicherheit aufgeschreckt und die dem Hause drohende Gefahr schauderhaft enthüllt. Nun habe man aber eingesehen, daß es im Grunde so besser sei. Der Infant Balthasar sei doch überaus subtil gewesen und hätte sich in der Ehe vielleicht übel bewährt. Die Erzherzogin Maria Anna sei eine höchst verständige Person und habe sich bald überzeugt, daß sie mit dem Vater viel besser versehen sei als mit dem Sohne. So stehe zu hoffen, daß durch sie noch ein tauglicher Erbe erzielt werde, im schlimmsten Falle aber wäre von der bevorstehenden Heirat des Kaisers mit der Erzherzogin Marie Leopoldine, der Tochter des verstorbenen Erzherzogs Leopold, etwas zu gewärtigen. Nun sei alles aufs beste stabiliert, und sie hätten auch dabei gehandlangert, wiewohl natürlich des Kaisers hocherleuchtete Weisheit und Frömmigkeit den Hauptbeweggrund eines so wunderlichen Gelingens bildeten.

Der Kaiser war mit dem Erfolge der Verhandlungen seiner Räte sehr zufrieden. Piccolomini, sagte er, sei immerhin ein seinem Hause sehr ergebener Diener, und er gönne ihm den Ruhm, den Krieg, in dem er so vielfach tätig gewesen sei, zu Ende zu führen. Er solle angehalten werden, sogleich einen Hauptschlag auszuführen, durch welchen den Franzosen das vorwitzige Maul gestopft würde. Mehr bedürfe es nicht, die Angelegenheiten seines Hauses wären jetzt ohnehin auf immer geordnet.

Lobkowitz fragte, ob es dem Kaiser gefällig sei, am folgenden Tage dem Adepten zuzusehen, der um die Gnade gebeten habe, seine Kunst vor den Augen Seiner Majestät zu produzieren?

Ob denn der Kerl wirklich Gold machen könne? erkundigte sich der Kaiser. In dem Falle müsse man ihn doch festhalten.

Trauttmansdorff sagte achselzuckend, es pflege bei der Kochkunst weniger auf die Schüssel zu kommen, als man in den Tiegel getan hätte. Dem hochseligen Kaiser Rudolf sei fast all sein Geld dabei in Rauch aufgegangen.

Je nun, meinte Lobkowitz, wenn kein Nutzen, so schaue doch eine Kurzweil dabei heraus, und es schicke sich für den Kaiser, ein Beschützer der Wissenschaften zu sein.

Dies leuchtete dem Kaiser ein. Aber was denn der Goldmacher für ein Kerl sei? Er könne doch nicht einen beliebigen Halunken sich bei Hofe zeigen lassen.

Man könne ihm ja geschwind einen Adelsbrief ausstellen, schlug Lobkowitz vor, oder ihn zu einem ungarischen Kammergrafen machen; dergleichen gebe es viele und komme auf einen mehr oder weniger nicht an.

Wenn er sich aber hernach als Schwindler auswiese, wie schon oft vorgefallen wäre? wandte Trauttmansdorff ein.

Das werde er sich doch nicht unterstehen! sagte der Kaiser erschrocken.

Nein, nein, sagte Lobkowitz, das nehme er auf sich. Er habe schon ein paar Versuche mit dem Manne erprobt. Gold in Haufen könne er zwar nicht machen, dazu sei das Verfahren zu kostspielig; aber ein Stückchen werde schon geraten.

Einige Tage später fand die Vorstellung in einem Zimmer der Burg statt; der Kaiser war bei dieser Gelegenheit nach spanischer Mode gekleidet und trug eine umfangreiche Lockenperücke, die bestimmt war, ihm etwas Olympisches zu verleihen. Nachdem der Hof Platz genommen hatte, hielt der Alchimist zunächst einen Vortrag über seine Kunst und wie er zu derselben gelangt sei. Er habe nämlich das Glück gehabt, den großen, wunderwürdigen Weisen La Busardière zwar nicht persönlich kennenzulernen, aber doch seiner Spur zu begegnen, nämlich im Hause des Grafen Mansfeld. Diesen habe er einmal durch seine chemischen Versuche belustigt und in Erstaunen gesetzt, worauf er ihm erzählt habe, er besitze ein rotes Pülverlein, genannt Rubinus coelestis, das jener La Busardière ihm einmal als Gastgeschenk hinterlassen habe und das er heilighalte, obwohl er sich seiner nicht zu bedienen wisse. Er, der Alchimist, habe sofort erkannt, daß es sich um das weltberühmte arcanum handle, das aus dem Besitz des großen Setonius Scotus stamme, und aus Dankbarkeit, und weil er es doch nicht hätte benutzen können, habe sein Gastfreund, der Graf Mansfeld, es ihm geschenkt. Er lasse das Pülverlein, das mit allen Schätzen der Welt nicht zu erkaufen wäre, nie von sich, werde sich aber glücklich preisen, wenn der Kaiser ein gnädiges Auge darauf zu werfen geruhen wolle. Damit reichte er dem Kaiser ein kleines verstöpseltes Fläschchen, in dem sich etwas Rotes befand.

Der Kaiser betrachtete es, nickte und gab es wieder zurück.

Lobkowitz, der neben des Kaisers Sessel stand, sagte, es habe die Farbe des Morgenrots und bedeute das Morgenrot des Goldenen Zeitalters, wo jedermann Geld in Fülle haben werde. Hierüber lachte der Kaiser, worauf alle anderen lachten, und der Alchimist sagte, er empfinde das selige Schaudern der erkühlten Erde vor dem Aufgang der Sonne, da jetzt das kaiserliche Gnadenantlitz über ihm aufgehen wolle. Die Verwandlung gelinge keineswegs immer, er zweifle aber nicht, daß die kaiserliche Gegenwart den magischen Prozeß begünstigen werde.

Nun bewegte er sich mit großer Behendigkeit um den Ofen herum, blies mit dem Blasebalg das Feuer an, rührte in der Masse herum und begleitete alles, was er tat, mit unverständlichen Erklärungen. Endlich sagte er, der wonnevolle Augenblick sei gekommen, wo Braut und Bräutigam das Hochzeitsbette bestiegen und in himmlischer Vermählung verschmölzen. Der rosenfarbige Schaum, der die Masse überziehe, bezeichne die Geburt des neuen Kaisers, den die wohlgelungene Umarmung erzeugt habe.

»Wie wäre es,« sagte der Kaiser, »wenn ich eine Denkmünze aus diesem Golde schlagen ließe, damit meine geliebten Kinder ein sichtbares Zeichen dieses merkwürdigen Augenblicks besäßen?«

Ja, das wäre ein salomonischer Einfall, rief Lobkowitz außer sich. Erst durch das Gepräge des kaiserlichen Antlitzes würde diese Wunderschöpfung vollendet. Es sehe der Großmut und Klemenz des Kaisers gleich, daß er auch in den erhabensten und feurigsten Stunden der Posterität nicht vergäße.

Bald nach diesem Tage verließ der Kaiser Prag, um seine Vermählung zu vollziehen, und etwa einen Monat später brach die schwedische Armee von Eger auf.

Odowalskys Bericht erwies sich als wahr: eine schwache, schlecht verteidigte Mauer beim Kloster Strahow ermöglichte Königsmarcks Truppen, die Ende Juli um Mitternacht den Sturm wagten, mit geringem Verlust die wichtige, von Banér und Torstensson vergebens versuchte Eroberung zu machen, und wenn es auch nicht gelang, in die Altstadt vorzudringen, so konnten doch ebensowenig die Schweden aus der Kleinen Seite vertrieben werden.

*

In Münster waren die schwebenden Hauptfragen geordnet bis auf die Abtretung des Elsaß an Frankreich, in welche der spanische Gesandte durchaus nicht willigen wollte. Der bayrische Gesandte begab sich deshalb zum kaiserlichen Gesandten Volmar und sagte, es müsse einmal ein Ende gemacht werden; wenn man mit dem Verabreichen der Arznei noch lange zuwarte, werde das arme, kranke Deutschland vorher den Geist aufgeben. Die Herren Kaiserlichen sähen wohl ein, daß ein jeder etwas sakrifizieren müsse.

Volmar brachte geläufig vor, was für Opfer der Kaiser bereits aus purer Gnade gebracht hätte, daß er den Frieden gern mit seinem Blut erkaufen würde, daß die Herren ja wohl wüßten und selbst gesehen hätten, wie furios der spanische Gesandte sich aufführe, und daß er, Volmar, bisher vergeblich versucht hätte, ihn zu besänftigen.

Ei, der spanische Gesandte, sagte der württembergische, möge Feuer spucken, wenn es ihm Vergnügen machte, sie wollten ihm nicht im Wege sein; es wäre ihm wohl zu Kopfe gestiegen, daß der Friede mit den Staaten zusammengebracht wäre. Sie brauchten nur die Einwilligung des Kaisers, und sie wüßten, daß der kaiserliche Kurier mit dem Antwortschreiben gestern angekommen wäre.

Der sei allerdings eingetroffen, sagte Volmar; aber ein verdammter, höllischer Zufall wolle, daß das Schreiben in neuen Ziffern abgefaßt wäre, zu denen er den Schlüssel nicht hätte, er könne also trotz allen Eifers den Sinn nicht herausbringen. Er habe aber bereits eine eilende Post nach Wien abgeschickt, um sich den neuen Schlüssel auszubitten, der in einigen Tagen da sein werde.

Nachdem sie ihre Entrüstung nachdrücklich von sich gegeben hatten, traten die Herren den Heimweg an. Die steinernen Giebel und Türme der prächtigen Stadt starrten wie purpurne Klippen aus dem stillen Meere der Luft, das unersättlich saugend an dem späten Licht des Sommerabendhimmels hing.

Die neuen Ziffern kämen ihm seltsam vor, sagte der bayrische Gesandte, als sei es nur für eine Protraktion und Nasführung zu halten.

Dasselbe habe er auch gedacht, sagte der hessen-darmstädtische; Volmar sei bei weitem so bissig und vorwitzig nicht wie sonst, vielmehr fast kleinlaut gewesen.

Zwei oder drei Tage wollten sie noch warten, sagte der bayrische, nachher wolle er sich nicht länger von den Spaniern ludifizieren lassen, die ja doch hinter allem steckten. Schließlich bestehe die Möglichkeit, ohne den Kaiser abzuschließen.

Man könne immerhin damit drohen, sagte der württembergische; so weit werde Volmar es nicht kommen lassen.

Der Herr Kurfürst von Bayern, sagte der württembergische Gesandte, als der bayrische sich verabschiedet hatte, sei sehr pressiert, sein Schäflein ins trockene zu bringen, sei erstaunlich friedliebend für einen so martialischen Herrn geworden.

Ja, erwiderte der hessische lachend, er halte es nicht aus in seiner Wasserburger Residenz, wo er sich doch schon heimisch fühlen könnte.

Die Schweden und Franzosen hätten ihm den Strick um den Hals geworfen, brauchten nur zuzuziehen, sagte der württembergische; nun pfiffe sein letzter Atem um Frieden.

Als am übernächsten Abend sich die Kunde verbreitete, es sei ein kaiserlicher Kurier in Volmars Herberge angekommen, eilten die Gesandten zu diesem, um den Erfolg zu vernehmen. Sie wurden indessen nicht vorgelassen, sondern ein Sekretär gab die Auskunft, der Volmarsche Brief müsse leider in Wien mißverstanden worden sein; denn anstatt des verlangten Schlüssels oder eines neuen Schreibens sei nur eine Kopie des ersten eingetroffen. Der Herr Rat habe sich gleich darübergemacht, um es mit Gottes Hilfe doch zu entziffern, und dürfe dabei nicht gestört werden. Erst nach drei Tagen erschien Volmar siegreich, wenn auch etwas erschöpft, wieder und verkündete, der grundgütige Gott sei ihm zu Hilfe gekommen, daß er den Brief endlich entziffert habe, und es stehe darin, daß der Kaiser in die Abtretung des Elsaß willige, so daß dem Abschluß nichts mehr im Wege stehe.

In den allgemeinen Freudenausbruch stimmte einzig der spanische Gesandte nicht ein, der in vollem Zorne gelaufen kam und Volmar mit Vorwürfen überhäufte. Das sei wider die Abrede, sagte er, nun und nimmer werde sein König in die Cessio Alsatiae willigen, lieber wolle er bis zum Jüngsten Tage weiter kriegen, an Mitteln fehle es ihm nicht. Sein König bereue sehr, den Kaiser mit so ansehnlichen Geldern unterstützt zu haben, und aus der Hochzeit mit der kaiserlichen Prinzessin werde sicher nichts werden, wenn der Kaiser sich so unfügsam zeige.

Volmar entschuldigte sich mit der durch die Eroberung der Prager Kleinseite so unglücklich veränderten Lage. Die Kaiserliche Majestät habe keine Ruhe, solange die Schweden auf dem Hradschin säßen. Der Pfalzgraf Karl Gustav möchte etwa noch versuchen, ob seine Schuhe in die Fußtapfen seines Oheims, des weiland Winterkönigs Friedrich, paßten; und das werde dem König von Spanien auch nicht lieb sein, wenn der nun schon dreißig Jahre währende Krieg wieder von vorn anfinge.

Der König von Spanien, sagte der Gesandte, zähle die Jahre nicht, die ein Krieg währe, sondern nur die Siege, die er gewänne.

Ja, das sei auch leichter, sagte Volmar bissig. Übrigens habe er den Abschluß so lange wie möglich hinausgezögert, es sei auch jetzt nicht aller Tage Abend, mit der Unterschrift werde er sich noch lange besinnen, inzwischen könne sich die Kriegsfortuna wieder wenden. Der päpstliche Gesandte wolle ohnehin nichts von dem Frieden hören, nach welchem die Katholiken so viel herausgeben müßten, verspreche hoch an den Kosten beizusteuern, wenn nur der Krieg fortgesetzt werde. Er wolle es nicht an Fleiß fehlen lassen, daß das Türlein offenbliebe.

Allerdings weigerten sich Volmar und die übrigen kaiserlichen Gesandten, den Friedenstraktat zu unterschreiben: der Kaiser habe ausdrücklich befohlen, in dieser Sache caute, circumspecte et secure vorzugehen, ihr Kopf sei ihnen so lieb wie anderen, sie würden sich hundertmal besinnen, bevor sie die Feder eintauchten und sich etwa dem Teufel verschrieben.

Da sich indessen auf dem Kriegsschauplatz nichts veränderte, gaben sie dem allgemeinen Drängen nach, und am Abend des 24. Oktober, einem Samstag, wurde der Frieden unterschrieben.

* * *

 


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