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Oxenstierna fand den französischen Gesandten Feuquières tölpelhaft und das ironische Lächeln in seinem steifen Gesicht unausstehlich, weshalb er sein Benehmen zwar höflich und entgegenkommend gestaltete, aber Wendungen persönlicher Vertraulichkeit einstweilen unterließ. Indessen veranlaßte ihn das störrische Verhalten der in Heilbronn anwesenden Fürsten, Herren und Deputierten und die wühlende Tätigkeit kursächsischer und kaiserlicher Agenten, Feuquières zu einer besonderen Anstrengung aufzufordern, damit der Bund nach ihrem beiderseitigen Wunsch zum Abschluß käme. Feuquières sagte, er habe im Sinn, an die versammelten Stände eine Ansprache zu halten über die wohlwollende Gesinnung seines Königs, über die Vorteile, die sie durch bereitwillige Annahme derselben erlangen, und den Schaden, den sie durch Zaudern oder gänzlichen Widerstand auf sich ziehen würden; ob Oxenstierna damit einverstanden sei?

Durchaus, erwiderte dieser; er setze großes Zutrauen in Feuquières' Eloquenz. Feuquières verbeugte sich mit ernster Miene. Ob Oxenstierna inzwischen bedacht habe, wie er des Königs Wunsch wegen Besetzung einiger fester Plätze an der Rheingrenze beantworten wolle?

So schnell könne er nicht denken, sagte Oxenstierna, im nördlichen Klima brüteten die Vögel länger über ihren Eiern als im Süden.

Und ein Schwan, setzte Feuquières hinzu, brüte länger als eine gemeine Taube oder Schwalbe; er zweifle nicht, daß Oxenstierna fruchtbare und segensreiche Entschlüsse ausreifen werde.

Feuquières wisse wohl, sagte der Kanzler, daß seines Königs Wünsche gewisse eigensinnige Meinungen oder Vorurteile der deutschen Reichsstände gegen sich hätten, und noch sei seine, Oxenstiernas, Stellung im Bunde nicht so befestigt, daß er sie beeinflussen, geschweige denn zu einem Opfer überreden könnte, dem sie abgeneigt wären.

Es handle sich ja um kein Opfer, sagte Feuquières; denn wenn der König Benfeld, Breisach, Schlettstadt und etwa Philippsburg besetze, so tue er es, um seinen Verbündeten besser beistehen zu können, also einzig zu ihrem Wohle. Zum Beweise seiner Uneigennützigkeit diene seine Absicht, die Plätze nach Abschluß des zu erhoffenden Friedens zurückzugeben. Er könne nicht genug versichern, daß der König sich in diese Verhältnisse nur einließe, um dem Heiligen Römischen Reich zur Erneuerung seiner vormaligen Blüte zu verhelfen. Dies namentlich wolle er den Ständen in einer ausführlichen Rede auseinandersetzen.

Am Tage, nachdem Feuquières die Ansprache gehalten hatte, besuchte ihn zuerst der Markgraf Friedrich von Baden, um ihm zu sagen, was für einen tiefen Eindruck die Rede auf ihn gemacht habe und welche Dankbarkeit die Zuneigung des Königs für die Protestanten ihm einflöße. Nach seinem Dafürhalten liege die Sache so, daß nur die Hilfe des französischen Königs einen guten Frieden herbeiführen könne.

Feuquières sagte, daß es seines Königs Wunsch sei, den Platz des glorreich gefallenen Königs von Schweden einzunehmen. Huldvoll und uneigennützig biete er den versammelten Reichsständen die Hand, sie brauchten sie nur anzunehmen.

Er habe schon durch seinen Abgeordneten vernommen, sagte der Markgraf, daß der König ihm eine gewisse Summe zur Verfügung stellen wolle, falls die kriegerische Zeit seine Hilfsmittel verschlungen habe. Das sei leider an dem, ohne Geld lasse sich ja nicht Krieg führen, namentlich heutzutage. Wenn der König ihn zu seinem Schuldner machen wolle, so mache er ihn dadurch zugleich zu seinem ergebenen Diener und Freunde, der jede Gelegenheit suchen werde, diese Gesinnung zu betätigen.

Nichts werde dem König lieber sein, sagte Feuquières. Des Königs großmütiges Herz brenne vor Ungeduld, dem Markgrafen gefällig zu sein, dessen Verdienste er hochschätze.

Der König habe im Sinn, sagte der Markgraf, ihm eine jährliche Pension von 2000 Reichstalern auszusetzen. Ob der König ihm vielleicht außerdem noch eine Anleihe gewähren wolle?

Feuquières sagte, er wolle es dem König melden und hoffe, dem Markgrafen bald eine erwünschte Antwort geben zu können.

Nachdem der Markgraf von Baden sich entfernt hatte, kam Pfalzgraf Johann von Zweibrücken, den Feuquières mit Danksagungen für sein der französischen Sache gewidmetes Wohlwollen und Vertrauen empfing. Die Zuneigung zu Frankreich, sagte der Pfalzgraf, sei in seinem Hause erblich. Jedermann wisse, wie seine Vorfahren für König Heinrich IV. Blut und Leben gewagt hätten. Freilich habe sich seitdem vieles verändert.

Der Pfalzgraf war noch nicht fünfzig Jahre alt, aber sein Gesicht war verfallen, er hielt sich nur mit Mühe stramm und fiel leicht in einen Zustand von Müdigkeit und Zerstreutheit.

Dem großen Gemüte des Königs, erwiderte Feuquières, sei Glaubenshaß fremd. Er, Feuquières, sei zwar für seine Person in den Schoß der Kirche zurückgekehrt, aber seine Frau sei Hugenottin und erziehe auch ihre und seine Kinder in ihrem Glauben; trotzdem genieße er die besondere Gnade des Königs. Er habe zwar kaum nötig, das anzuführen, da ja die Zuneigung seines Königs für den glorreich gefallenen Schwedenkönig, die er jetzt auf die evangelischen Reichsstände übertragen habe, genugsam beweise, daß er kein Fanatiker sei.

Der Pfalzgraf sprach von dem Bestreben des Königs, die aus Frankfurt und Speyer ausgewiesenen Kapuziner zurückzuführen. Der Nachdruck, mit dem Feuquières das Geschäft betreibe, mache böses Blut namentlich bei den Städten, die Einmischung in ihre Angelegenheiten überhaupt nicht liebten. Auch er könne Feuquières deswegen nicht so unterstützen, wie er sonst gern täte.

Die Offenheit des Pfalzgrafen, sagte Feuquières, sei hoch zu schätzen; aber er solle sich in die Lage des Königs versetzen, dem das Los seiner Glaubensgenossen am Herzen liege und der durch uralte Titel zum Schutze des katholischen Glaubens verpflichtet sei. Da er so viel für seine Freunde im Reich täte, wäre es unpassend, wenn sie ihrerseits ihm, wenn auch nicht durch Unterstützung, so doch wenigstens durch Zurückhaltung, nicht gefällig wären, wo es seine persönlichen Wünsche anginge.

Er habe nicht unterlassen wollen, seine Ansicht auszusprechen, sagte der Pfalzgraf; übrigens könne er dem Könige nichts vorschreiben, dessen Beistand er ja in Anspruch nehmen müsse.

Ob er dem König mitteilen dürfe, fragte Feuquières, daß der Pfalzgraf ihm die Freude mache, die als Zeichen besonderer Zuneigung ihm angebotene Pension anzunehmen?

Er nehme sie dankend an, sagte der Pfalzgraf, wisse sich leider anders nicht zu helfen. Das Haus Österreich habe sein Haus von jeher mit Haß und Neid verfolgt; seit er sich dem Schwedenkönig angeschlossen habe, sei das Band vollends zerrissen. Versöhnung mit dem Kaiser sei unmöglich, so müsse er den Waffen und Gott vertrauen.

Und dem König von Frankreich! setzte Feuquières hinzu; der werde einen so alten Freund und Bundesgenossen nie verlassen. Wenn die Reichsstände nur nicht selbst den König der Mittel beraubten, sie zu schützen! Es sei unglaublich, wie viele Schwierigkeiten sie machten, ihm ein paar Plätze, wie Breisach und Philippsburg, abzutreten.

Der Pfalzgraf schwieg und sah starr vor sich nieder. Der König wolle sich ja zum offenen Krieg gegen den gemeinen Feind nicht entschließen, sagte er endlich. Also komme es dem Bunde zu, seine Festungen selbst zu behaupten.

Es sei nur zu befürchten, daß der Bund bei der Größe des Kriegstheaters es nicht vermöchte, entgegnete Feuquières; aber er beharrte für den Augenblick nicht bei dem Gegenstande.

Es erschien nun ein Abgeordneter der Stadt Nürnberg, ein großer, beleibter Mann, dem das Heraufsteigen der enggewundenen Treppe ein wenig den Atem versetzt hatte. Er hatte ein ausgedehntes fleischiges Gesicht und eine gebieterische Nase und ließ den Blick mit verhaltenem Mißtrauen und feindseligem Spott auf dem schmalen Franzosen ruhen. Feuquières habe eine verständige Rede gehalten, sagte er, indem er sich langsam in den angebotenen Sessel niederließ. Die Herren Nachbarn wären Muster von Beredsamkeit, das wisse man ja. Er billige, was Feuquières gesagt habe. Entschlossen das gesetzte Ziel zu verfolgen, das sei auch immer der Grundsatz der nürnbergischen Regierung gewesen; jedermann sei ja bekannt, wie die verstorbene Majestät von Schweden sich hauptsächlich auf sie gestützt habe.

Ja, sagte Feuquières lächelnd, das wisse man. Die Stadt Nürnberg sei eine vielumworbene Schöne, unter deren Fenstern die Herren Ständchen brächten.

Der Abgeordnete lachte, daß die goldenen Troddeln an seiner Weste zitterten. Feuquières zweifle hoffentlich nicht, sagte er, daß die Schöne tugendhaft sei. Tugendhaft und sehr wählerisch, bestätigte Feuquières. Sein König selbst achte sich nicht zu hoch, ihr seine Verehrung zu bezeigen.

Er vernehme es gern und mit gebührendem Dank, sagte der Nürnberger Gesandte. Er wolle nun mit uralter deutscher Aufrichtigkeit frei heraussagen, daß er ein Geschäft mit Feuquières zu machen gesonnen sei. Die Geschäfte der Stadt Nürnberg bedeuteten seit alters, daß sie den Potentaten das liebe Geld ausliehe; aber seit der Krieg im Schwange sei, wären viele säumige Zahler darunter, und das Blättlein müsse sich einmal wenden, so daß sie aus Gläubigern zu Schuldnern würden. Da nun der König von Frankreich sein Füllhorn darbiete, so wären sie entschlossen, die Gnade aufzufangen; eine erkleckliche Summe müsse es aber sein, damit der leere Kasten voll würde.

Den Herren von Nürnberg Geld anzuvertrauen, sagte Feuquières, sei fast mehr Weisheit als Gnade; besser könne man es auf der ganzen Welt nicht anlegen. Der König werde sich freuen, zum Glanze der goldenen Säule des Reichs und der guten Sache etwas beitragen zu können.

Feuquières wisse es lieblich zu wenden, sagte der Nürnberger. Das verständen sie im Reich nicht so gut, sie könnten den alten Bärenpelz noch nicht ablegen; wollten es auch nicht, schämten sich ihrer altdeutschen Rauheit nicht, weil sie mit Redlichkeit gepaart sei. Er wisse nichts anderes, als dem Könige untertänigen Dank zu sagen.

Feuquières versprach es auszurichten und hob die Weisheit hervor, mit der die Herren von Nürnberg das Staatsschifflein bisher so sicher durch den Sturm gesteuert hätten. Sie hätten in dem letzten, großen Jahre viel erleiden müssen.

Ja, und noch mehr stehe bevor, sagte der Gesandte mit einem Seufzer. Sie sollten Kassierer für das ganze Reich sein, und dabei würden die Einnahmen immer geringer.

Wenn die Deutschen, sagte Feuquières, nur mehr Zutrauen zu seinem König haben wollten! Sie besännen sich so lange, des Königs billigen Wünschen entgegenzukommen. Sie hätten ja keinen uneigennützigeren, treueren Freund! Wollten sie sich ihm auch nur recht eng und fest anschließen!

»Wir Nürnberger«, sagte der Gesandte, »sind gewöhnt, auf eigenen Füßen zu stehen, und dabei stets gut gefahren. Die Freiheit ist eine Jungfrau, lockert sie den Gürtel nur ein wenig, so büßt sie ihre Kraft ein.«

Ach, sagte Feuquières, solche Grundsätze wären in diesem Falle nicht angebracht. Der König von Frankreich gehe auf ein rechtmäßiges, gottgefälliges Ehebündnis aus. Er freue sich nur, daß ihre Strenge die Herren nicht verhindere, die Sympathie des Königs und ihre äußeren Zeichen anzunehmen, und er sei überzeugt, die gegenseitige Freundschaft werde dadurch befestigt, nicht gelöst werden. Er, Feuquières, bedürfe der Freunde in der Versammlung sehr. Er habe nicht geglaubt, daß die Stände es dem König so schwer machen würden, ihnen beizustehen.

Man müsse sich doch erst kennenlernen und verständigen, sagte der Nürnberger mit Zurückhaltung. Übereilung bei politischen Geschäften sei vom Übel; nur die Bündnisse wären von Dauer, bei denen jeder Teilnehmer seinen Vorteil finde.

Graf Philipp Reinhard Solms, der den Nürnberger ablöste, trat mit der Miene eines vertrauten Freundes ein. Nun, sagte er, Feuquières die Hand bietend, er komme, ihn wegen seiner Rede zu beglückwünschen. Es sei ein großer Erfolg gewesen. Damit habe er das entscheidende Gewicht in die schwebende Waage geworfen.

Er habe geglaubt, einmal die Sporen gebrauchen zu müssen, damit sie vom Flecke kämen, sagte Feuquières.

Die deutsche Langsamkeit, sagte Solms, sei ein großer Jammer und könne einen schier an der ganzen Nation verzweifeln lassen. Feuquières solle aber nicht glauben, daß alle so wären. Es gebe auch solche, die rasch mit der Hand am Schwerte wären.

So kenne er ihn, den Grafen Solms, sagte Feuquières, und ebenso großes Zutrauen habe er zu dem jungen Herzog von Weimar. Es habe ihn aber stutzig gemacht, daß der Herzog die Pension zurückgewiesen habe, die der König ihm habe bewilligen wollen. Er habe geglaubt, mehr Entgegenkommen bei dem Herzog zu finden.

Graf Philipp Reinhard machte ein nachdenkliches Gesicht. Wieviel denn Feuquières ihm angeboten habe? fragte er.

6000 Reichstaler, antwortete Feuquières; der König habe dem Herzog durch eine so große Summe seine Sympathie und Anerkennung ausdrücken wollen.

Nun ja, sagte der Graf, er, Solms, würde sie mit Dank und Freuden angenommen haben. Aber dem Herzog Bernhard habe es wohl zuwenig geschienen. Er sei außerordentlich stolz. Feuquières möge verzeihen, daß er seine Meinung so offen heraussage, er tue es im Interesse des Königs. Nach seiner Meinung sei die Ursache dieses Refüs nur darin zu suchen, daß die Summe zu gering gewesen sei.

Feuquières bedankte sich für den Wink; er schöpfe nun Hoffnung, den Herzog doch noch zu gewinnen. Dem König liege viel daran, da des Herzogs Kriegstüchtigkeit und gute Gesinnung allgemein gerühmt werde.

Er sei tüchtig, sagte Solms, und der König tue wohl, ihn an sich zu fesseln. Doch müsse er sagen, daß Herzog Wilhelm, sein älterer Bruder, und Landgraf Wilhelm von Hessen fast ebenso wichtig wären. Besonders der letztere sei unübertrefflich, standhaft und zuverlässig und opfere alles dem Glauben und der Freiheit.

Aber ob er auch glücklich im Kriege sei? fragte Feuquières.

Er sei unermüdlich, erwiderte Solms, und habe in Melander einen erfahrenen General, der sich schon Anno 1620 beim Weißen Berge hervorgetan habe; auch wären die Hessen gute Soldaten. Herzog Bernhard werde von vielen für hitzköpfig und unbedacht gehalten.

Ob Solms denn glaube, fragte Feuquières, daß der Landgraf französische Bestallung annehmen werde? Der König habe ihm einen Titel in der französischen Armee und 1200 Gulden Pension zugedacht.

Der Landgraf sei hochverständig, antwortete Solms, und sein Land sei durch das räuberische Hausen der Kaiserlichen ganz verarmt; es sei ein gutes Werk, ihm beizuspringen. Wenn er, Solms, raten dürfe, so solle Feuquières hauptsächlich Kursachsen gegenüber nicht sparen. Nur durch Geld könne der Kurfürst aus seiner Unschlüssigkeit gerissen werden. Wenn ihn überhaupt etwas in Bewegung setzte, so wäre es das Geld. Feuquières solle nur tapfer bieten.

Ja, wenn Kursachsen ein anderes Haupt hätte! sagte Feuquières. Jetzt könne man fast sagen, es sei nur ein Rumpf und wackele hin und her wie eine geköpfte Wespe.

Davon könne er erzählen, seufzte Solms. Feuquières werde aber schon selbst seine Erfahrungen in Dresden machen. Er, Solms, schlüge sich noch lieber durch Dornen, als daß er sich auf dem Miste wälzte. Darum sei er auch fest entschlossen, sich an Frankreich zu halten.

Feuquières sagte, es sei ihm eine wahre Erquickung, in Solms einen Deutschen nach der guten alten Art kennengelernt zu haben. Solms habe vorhin erwähnt, daß er ein gutgemeintes Geschenk seines Königs nicht ausschlagen würde. Ob er ihn beim Wort nehmen dürfe?

Er stehe zu allen seinen Worten, sagte Solms, insbesondere aber zu dem, daß er sich mit ganzem Herzen an Frankreich schließen wolle.

Als Feuquières am Abend dem Herrn de l'Isle, den er nach Straßburg und Württemberg schickte, einige Instruktionen gab, sagte er zu ihm, er habe jetzt ein Trompetensignal herausgefunden, das die deutschen Pferde unfehlbar in die blutigste Schlacht brächte.

»Ich habe Sie immer für ein großes Genie gehalten«, sagte de l'Isle, indem er sich gegen Feuquières verneigte; »was ist es?«

Feuquières griff in eine Seitentasche seines Überrocks und warf eine Handvoll Goldstücke über den Tisch, daß es klirrte.

De l'Isle brach in helles Gelächter aus. »Diese Tiere scheinen sehr musikalisch zu sein!« sagte er.

»Das ist eine deutsche Eigenschaft,« sagte Feuquières ernsthaft, »vermittelst welcher es mir hoffentlich gelingen wird, die Bedürfnisse der Deutschen in Einklang mit den Wünschen unseres Königs zu bringen.«

*

Der gelungene Übergang über die Weser und die beim Überfall der Kaiserlichen gemachte Beute hatte die Unzufriedenheit des niedersächsischen Heeres für den Augenblick gedämpft, als aber Herzog Georg zur Belagerung von Hameln Anstalten traf, erwachte der Unwille von neuem. Da Knyphausen erklärte, sich der Sache nicht mehr annehmen zu wollen, erlaubten sich die Offiziere Vorstellungen beim Herzog und hoben namentlich den Mangel an Belagerungsgeschütz, Pulver und Mundvorrat hervor; allein Georg entgegnete, wenn er sich nur ernstlich zur Belagerung anschickte, würden ihn seine Vettern, die Herzöge von Celle und Wolfenbüttel, nicht im Stiche lassen. Diese waren aber mit dem Umsichgreifen Georgs durchaus nicht einverstanden, teils, weil sie sich dem Kaiser gegenüber nicht kompromittieren wollten, andererseits auch, weil sie merkten, daß es ihrem kriegerischen Verwandten nur auf die eigene Vergrößerung ankam. Besonders Friedrich Ulrich war böse, weil Georg verlangte, daß die von ihm, Friedrich Ulrich, geworbenen Truppen sich mit seinen vereinigten, indem nach dem mit Schweden abgeschlossenen Vertrage er, Georg, die Verfügung über alle in Niedersachsen stehenden Heeresteile hätte; ferner, weil Georg Auflagen an Brot, Kleidern und Geld von seinen Untertanen erhob und sich auch sonst Eigenmächtigkeiten erlaubte. Der wolfenbüttelsche Kriegsrat von Mandelsloh, der wegen dieser Geschäfte zwischen Braunschweig und den Quartieren Georgs hin und her reiste, kam auch nach Ohre zu Knyphausen; denn da er von dessen schlechtem Einvernehmen mit dem Herzog zu Lüneburg gehört hatte, hoffte er sich seine Unterstützung verschaffen zu können.

Knyphausen empfing Mandelsloh in einem niedrigen Zimmer, das durch einen umfangreichen Kachelofen erhitzt war, und hörte, in seinen Bierkrug starrend, zu, was der Rat von Herzog Georgs Rücksichtslosigkeit erzählte; wie er sich gebärde, als sei er allein auf der Erde, während er doch nur ein jüngster Sohn ohne Fürstentum und zur Zeit fast ohne Apanage sei. Dann, wie er den neuen hessischen General Melander im Quartier vor Hameln getroffen habe, einen grämlichen, unartigen Mann, der ihn, Mandelsloh, wie ein armes Schreiberlein habe herunterputzen wollen. Da gehe es zu wie im Lager der übermütigen Prätorianer zur Zeit der römischen Kaiser! Er habe seine ganze Dexterität gebrauchen müssen, um zwischen diesen soldatischen Herren das fürstliche Ansehen zu wahren.

Nun, sagte Knyphausen, er sei gewiß mit dem barschen Wesen des Herzogs von Lüneburg nicht einverstanden, aber Herzog Friedrich Ulrich sei auch selbst schuld. Er, Knyphausen, habe sich dermaßen ausgesetzt und verwickelt, um das billige Recht der Herzöge von Celle und Wolfenbüttel Georg gegenüber zu schützen, habe auch manches erreicht, und es wäre gewiß noch ganz anders über das Cellische und Wolfenbüttelsche hergegangen, wenn er sich nicht dawidergesetzt hätte; aber er habe bis dato noch keine Belohnung von ihnen gesehen. Wenn sie so fortführen, würden sie sich bald die treuen Freunde verscherzt haben. Er habe nur 2000 Reichstaler vom Herzog von Celle verlangt, die er notwendig brauche, der habe sie ihm abgeschlagen; nun sei er es müde, sich umsonst Widerwärtigkeiten aufzuladen.

Mandelsloh suchte den Herzog damit zu entschuldigen, daß allerorten Mangel sei; Knyphausen solle den unsäglichen Schaden bedenken, den der Krieg verursacht habe, man könne nicht alle Löcher auf einmal stopfen.

Auf das Notwendige, sagte Knyphausen, müsse aber doch gedacht werden. Er lasse jetzt den Herzog von Celle fahren. Der Herzog von Wolfenbüttel, Friedrich Ulrich, sei hoch in seiner Schuld, er habe es noch nicht aufgegeben, seine Gebühr von ihm zu erlangen, und wenn der Herzog ihn befriedige, so solle er sehen, daß seine Sachen in guten Händen lägen.

Wieso denn der Herzog Knyphausens Schuldner sei? erkundigte sich Mandelsloh.

Ach, sagte Knyphausen, Mandelsloh solle nicht den Einfältigen spielen. Er habe vor Jahren dem jüngeren Bruder des Herzogs, weiland Herzog Christian, 20 000 Reichstaler geliehen, welche Schuld der auf Friedrich Ulrich übertragen habe; das stehe noch immer aus, er habe bisher Geduld gehabt, brauche es aber jetzt hochnötig und wolle davon abhängig machen, wie er sich inskünftig gegen den Herzog verhalte.

Ach Gott! rief Mandelsloh aus, es sei ja Knyphausen bekannt, daß Wolfenbüttel noch in den Händen der Kaiserlichen sei und wie unfürstlich Friedrich Ulrich zu Braunschweig sein eigenes Geld verzehren müsse. Das liebe Geld sei ja zur Zeit rarer als Diamanten. Auch sei es immerhin eine im Nebel schwebende Sache mit der Christianischen Schuld.

Dagegen verwahrte sich Knyphausen, die Schuld sei sonnenklar, verbrieft und versiegelt, er könne alles nachweisen. Übrigens wolle er sich nicht auf Geld steifen, der Herzog könne es ihm auf ein Gütlein anweisen, etwa auf das Amt Syke; es trage nicht viel, grenze aber an das Amt Meppen, das Oxenstierna ihm als Rekompens versprochen habe, so sei es ihm bequem und wolle er damit vorliebnehmen.

Und was denn Knyphausen Handgreifliches für den Herzog tun wolle? fragte Mandelsloh.

Des Herzogs Recht bei Georg und bei Oxenstierna vertreten, sagte Knyphausen; Oxenstierna höre mehr auf ihn als auf Herzog Georg, ja, Oxenstierna sei bereits sehr unzufrieden mit dem Herzog.

Das sei doch aber nichts Gewisses, worauf er die Hand legen könnte, meinte Mandelsloh.

So wolle er denn Mandelsloh seinen Sinn rundheraus sagen, war Knyphausens Antwort. Es sei unzweifelhaft, daß Georg die Festung Hameln für sich einnehmen wolle, die doch Friedrich Ulrich zustehe und auf die er auch wegen ihrer Wichtigkeit nicht verzichten könne. Wenn es nicht zu verhindern wäre, daß Georg Hameln erstürme, müsse es wenigstens mit wolfenbüttelschen Truppen besetzt werden. Das würde zwar Mühe kosten, er werde es aber durchsetzen. Wahrscheinlich sei es aber, daß es gar nicht dazu käme, denn Oxenstierna beabsichtige, den Herzog im Reich zu verwenden und, wie er Mandelsloh im engsten Vertrauen mitteilen wolle, ihm, Knyphausen, den Oberbefehl über die niedersächsische Armee zu geben. Dann sei Herzog Friedrich Ulrichs Sache im trocknen.

Mandelsloh kratzte sich hinter den Ohren, trank ein Schlückchen und schob den Bierkrug wieder zurück. Das sei wohl schön und tröstlich, sagte er, aber bei alledem habe der Herzog doch keine Sicherheit, die ihm Knyphausens gute Dienste verbürgte?

Das gehe ihm nicht ein. Was Mandelsloh damit meine? sagte Knyphausen. Er fing langsam zu sprechen an, wurde aber schnell hitziger. Ob etwa eines ehrlichen Ritters Wort nicht mehr genüge? Es habe ganz anderen Potentaten angestanden, als Friedrich Ulrich sei. Ob Mandelsloh eine bessere Bürgschaft wisse als sein Ehrenwort? Plötzlich sprang er auf und ging mit gezogenem Säbel auf Mandelsloh los: Der Herr solle ihm die Antwort nur gleich mit dem Schwerte geben.

Mandelsloh blieb ruhig auf seinem Stuhle sitzen und schüttelte mißbilligend den Kopf. »So kommen wir nicht weiter,« sagte er, »und es können auch solche Eruptionen des Herrn Feldmarschalls Gesundheit nicht zuträglich sein.«

»Das ist wahr,« erwiderte Knyphausen, indem er den Säbel einsteckte, »man setzt Gesundheit und Verstand bei diesem Leben zu. Die Hitze hier im Zimmer ist mir zu Kopfe gestiegen.«

»Ja,« sagte Mandelsloh, »der Wind bläst aus Westen, und die Erde gibt einen fruchtbaren Geruch von sich. Das kommt dem Herzog von Lüneburg bei seiner Belagerung zugute.«

Nun, schloß Knyphausen, Mandelsloh solle seinem Herrn klarmachen, daß die 20 000 Taler bei ihm, Knyphausen, wohl angewandt wären. Das beste würde sein, wenn Herzog Friedrich Ulrich selbst ins Lager käme, sie könnten dann gemeinsam mit desto besserem Nachdruck vorgehen.

Als die beiden Herren aus dem Hause traten und sich die weiche, unruhige Frühlingsluft um die heißen Köpfe wehen ließen, erregte ein heranrollender Wagen ihre Aufmerksamkeit. Vielleicht eine Botschaft von Herzog Georg oder gar von Oxenstierna, meinte Knyphausen, und es kam Mandelsloh vor, als ob der Ritter ihn eilig loszuwerden suchte. Indem er behutsam über den schlammigen Boden stapfte, warf er einen Blick in die Kutsche und glaubte ein wohlbekanntes Gesicht zu sehen; jedenfalls beschloß er, in der Nähe zu bleiben, bis er sich über den neuen Gast Gewißheit verschafft hätte. Mit geringem Aufwand brachte er so viel heraus, daß der Ankömmling der ehemalige wolfenbüttelsche Rat Rauschenberg war, der im Dänischen Kriege seinen Herrn an Wallenstein verraten hatte, und daß Knyphausen wegen der vermeintlichen Schuld Herzog Christians mit ihm verhandelte.

Friedrich Ulrich nahm den Bericht seines Kriegsrates zunächst sehr unwillig auf. Nun und nimmermehr wolle er Knyphausen die 20 000 Taler geben, sagte er. Knyphausen sei es ja gewesen, der seinen armen Bruder Christian zum Bösen verführt und dadurch alles Unglück angestiftet hätte, und nun solle er ihn noch dafür belohnen? Davon zu schweigen, ob er überhaupt ein Recht darauf hätte.

Nach Recht und Unrecht pflegten die Kriegsleute selten zu fragen, meinte Mandelsloh bedenklich. Auch sei jetzt der Erzschelm, der Rauschenberg, bei ihm, der habe sich nicht gescheut, Friedrich Ulrich an Wallenstein zu verraten, werde jetzt das Judasgeschäft weiter treiben. Schließlich könne leicht an der Christianischen Schuld etwas Wahres sein, und davon sei er überzeugt, daß Knyphausen es sonst redlich mit ihnen meine. Mit Herzog Georg und der Cellischen Linie sei er ganz überquer, wenn Friedrich Ulrich ihm den Beutel ordentlich füllte, würden sie einen nützlichen Beförderer an ihm haben. Knyphausen habe sogar den Wunsch ausgesprochen, daß Friedrich Ulrich persönlich ins Lager käme, was er, Mandelsloh, aber widerriete.

Warum denn das? fragte Friedrich Ulrich. Er könne sich nicht denken, was Mandelsloh dagegen haben sollte. Es sei doch ein altes wahres Sprichwort, daß eine Armee am meisten ausrichte, wenn der Fürst sie selbst anführe.

Nun ja, sagte Mandelsloh, aber mit dem Kriegswesen laufe es heutzutage wunderlich, eins, zwei, drei habe man eine Schlappe weg, dann falle der Schimpf auf den Fürsten anstatt auf den Feldhauptmann.

Mandelsloh wolle doch nicht etwa andeuten, fragte Friedrich Ulrich mißtrauisch, daß es ihm an Tapferkeit oder sonst an Feldherrngaben mangle?

Das wolle er beileibe nicht, versicherte Mandelsloh, erinnerte aber daran, wie empfindlich es etwa der Kaiser aufnehmen könnte, womit sich Friedrich Ulrich einstweilen beschwichtigen ließ. Hinsichtlich der Christianischen Schuld machten sie aus, daß der Herzog dieselbe nicht anerkennen, aber Knyphausen die 20 000 Taler als Belohnung versprechen und das Amt Syke pfandweise dafür einräumen solle, wenn Knyphausen zuwege brächte, daß Hameln, falls Herzog Georg es eroberte, nicht in seinem, sondern in Friedrich Ulrichs Namen besetzt würde.

*

»Vergesse der Herr Oberst nicht, daß er zu seinem General und einem deutschen Reichsfürsten spricht«, sagte Herzog Bernhard zum Obersten Pfuel; »sonst zwingt er mich, anstatt der Hand des Kameraden das Schwert des Herrn gegen ihn zu gebrauchen.«

Der Oberst sah dem Erzürnten dreist in die Augen und sagte: »Ich vertraue auf meines Generals und eines tugendhaften Fürsten Gerechtigkeit. Wir kämpfen alle nicht umsonst, auch der Heilige rechnet auf einen Platz an Gottes Seite.«

»Ich rede nicht von der Sache«, sagte Bernhard; »aber den drohenden Ton sollt Ihr mäßigen.«

Stände Bernhard ihnen in der Sache bei, antwortete Pfuel, so wollten sie den Ton gern umstimmen; es sei in der Natur, daß man laut riefe, wenn man leise nicht gehört würde.

Er habe gehört, sagte Bernhard, und sich sehr verwundert, daß sie ihre Klagen in diesem Augenblick vorbrächten. Wenn Gelegenheit zu einer großen Aktion wäre, müsse ein rechter Offizier Essen, Trinken und Schlafen, ja das Atmen darüber vergessen; leben könne man wieder, wenn die Gelegenheit genützt sei. Wenn sie den Aldringen jetzt geworfen hätten, wäre Bayern ihnen offen gewesen. Er selbst gebe ihnen das Beispiel. Pfuel wisse wohl, was für große Projekte er wegen Regensburg gehabt hätte: er habe sie fahren lassen, um im Verein mit dem Feldmarschall Horn Schwaben zu schirmen. Davon, daß er auch vieles, und mehr als die Obersten, vom schwedischen Kanzler zu fordern hätte, wolle er nicht reden.

Und warum er nicht davon redete? fragte Pfuel. Nun, Bernhard sei ein großer Herr und Fürst und komme wohl immer noch zu dem Seinigen; sie, als arme Obersten und Privatleute, müßten sich beizeiten umtun. Je höher der Schuldner stehe, desto unsicherer sei er. Manch ein großer Kaufherr sei um des Kaisers willen zum Bettler geworden.

Herzog Bernhard stand still, bückte sich nach einem Löwenzahn, der am Wege blühte, starrte in den rötlichgelben Strahlenkelch und ließ die Blume wieder fallen.

Geld sei ja jetzt vorhanden, fuhr Pfuel fort, der französische Gesandte streue mit vollen Händen in Heilbronn aus; aber bis an die Donau fliege der goldene Samen nicht. Ja, wer habe denn eigentlich das Hauptverdienst um die großen, wundervollen Eroberungen, die gemacht worden wären? Etwa die schwedischen Edelleute, die Räte und Schreiber, die sich jetzt in Heilbronn gütlich täten und mit goldenen Ketten prunkten? Da müßte die Sonne vom Himmel stürzen, wenn es so auf Erden zuginge, daß die Müßiggänger gemästet würden und die, welche Schweiß und Blut verackerten, leer ausgingen!

Er habe bereits erwidert, daß er ihre Sache führen wolle, sagte Herzog Bernhard; ob sie bei ihm nicht in guten Händen wäre?

Das wohl, versicherte Pfuel, sie vertrauten gänzlich auf ihn; aber sie unterständen sich, ihn zu erinnern, daß er den Augenblick am Schopfe fassen müsse. Jetzt habe Moses mit dem Stab an den Felsen geschlagen, jetzt müsse ein jeder sein Schälchen unter die Quelle halten.

Gut, sagte Bernhard, er wolle mit Horn reden und verbürge sich dafür, daß ihre Forderungen dem Kanzler eingereicht und von ihm unterstützt werden würden; dagegen solle Pfuel versprechen, die Armee zur Ruhe und zum Gehorsam zurückzubringen.

Lieber hätte Bernhard die Unterredung mit Horn hinausgeschoben; allein er war gewöhnt, sich der drückendsten Aufgaben am schnellsten zu entledigen, und suchte den ungeliebten Mitfeldherrn sofort auf. Horn hörte Bernhards Vorschlag, sie wollten die Forderungen der Obersten bei Oxenstierna vertreten, mißbilligend an; es wundere ihn und sei noch nie erlebt, sagte er, daß ein Feldherr sich meuternder Soldaten annähme, die von Rechts wegen an den Galgen gehörten.

Bernhard rügte den scharfen Ausdruck: wenn es Meuterer wären, würde er nicht für sie eintreten. Sie suchten ihr Recht, und das stehe freien Männern zu.

Jetzt gelte kein anderes Recht für sie als das Soldatenrecht, sagte Horn. Wohin käme man, wenn Soldaten wegen ausstehender Forderungen den Dienst verweigern dürften?

Würden berechtigte Forderungen dauernd übersehen, so verliere man den Kredit, entgegnete Bernhard, und werde zuletzt niemand mehr für einen arbeiten. Horn solle sich einmal von der Stimmung überzeugen, die unter den Soldaten herrsche.

Auf den Befehl des Obersten Pfuel kamen die Unteroffiziere seines Regiments, das vor Neuburg lag, in sein Quartier, wo auch Bernhard von Weimar und Horn sich eingefunden hatten. Er habe im Sinn, am folgenden Tage etwas gegen Eichstätt zu tentieren, sagte Pfuel zu den Unteroffizieren; vor Sonnenaufgang müsse aufgebrochen werden.

Nach einer Pause erwiderte einer der Unteroffiziere, das sei unmöglich; wenn er den Befehl ausgäbe, würde offener Widerstand ausbrechen. Sie wollten wohl ihr Leben in der Schlacht wagen, nicht aber sich von einer wütenden Soldateska erwürgen lassen.

Pfuel zuckte die Achseln und sagte gegen Bernhard gewendet, er habe es vorausgesagt, mit Gewalt sei den erbosten Leuten nicht mehr beizukommen.

Davon wolle er sich mit eigenen Augen überzeugen, sagte Horn, dessen blasses Gesicht ungeduldiger Zorn rötete. Die Herren möchten ihn ins Lager führen.

In verhaltener Erregung ritten sie schweigend aus dem Tor heraus, wo die Lagerstatt sich weithin erstreckte. Das Trompetenzeichen, das die Truppen zusammenblasen sollte, schien niemand zu hören; erst nach geraumer Zeit, als Oberst Pfuel im Begriff war, es wiederholen zu lassen, erhoben sich die Soldaten langsam von ihren Plätzen. Sie hatten schon gespeist, denn es war Abend, aber die Sonne noch nicht untergegangen, und sie würfelten mit Kameraden oder spielten mit ihren Kindern; gemächlich schlenderten sie herbei wie Neugierige, die gelegentlich sehen wollen, was es gibt. Oberst Pfuel sah es mit Genugtuung, aber fast wider Willen empörte ihn der Anblick der übermütigen Untergebenen, die seine Anwesenheit kaum beachteten, geschweige denn, daß sie ihnen Unterwürfigkeit einflößte. »Kennt ihr euren Obersten nicht?« schrie er die nächsten an. »Bin ich unter Bauernrüpel geraten?«

Die Männer redeten eine Weile untereinander, dann trat einer vor und sagte, der Herr Oberst wisse ihre Meinung: sie täten keinen Dienst, bevor sie nicht den rückständigen Sold erhalten hätten.

Horn war kaum imstande, seine Entrüstung zu bemeistern: Pfuel, der Oberst, und Bernhard, der General, sahen der meuterischen Aufführung dieser Kerle zu, ohne sich zu rühren, als gehe es sie nichts an. Würden sich gemeine Soldaten mit solcher Frechheit hervorwagen, wenn sie sich nicht vor Strafe sicher wüßten? Bewies ihr Benehmen nicht, daß eine Verschwörung zwischen ihnen und den Häuptern bestand, die gegen ihn und seinen Schwiegervater, den Kanzler, gerichtet war? Unwillkürlich griff er nach dem Degen und machte eine Bewegung, als wolle er vom Pferde springen und sich mitten unter die Trotzigen werfen, um sie Gehorsam zu lehren.

Inzwischen hatte sich die ganze Mannschaft versammelt und stand in einem massigen Haufen zusammengedrängt gespannt erwartend da. Sie kamen Horn vor wie ein einziges gigantisches Tier, das, scheinbar bewegungslos, die ganze Kraft sprungbereit macht, während es das Ziel mit den Augen an sich reißt. Nur wenige von ihnen hatten Waffen; aber sie bedurften ihrer so wenig wie ein Rudel Wölfe: mit Fäusten und Zähnen hätten sie ihn in einer Minute in Stücke gerissen. Ein Grauen vor dieser Bestie, die man sich zog, um einen Gegner zu erlegen, und die sich unversehens auf den eigenen Herrn werfen konnte, überlief ihn. Wie ekelte ihn vor diesem Kriege und vor denen, die den Blutdurst der Bestie entfesselten, um sich zu bereichern.

Das hatten sie erreicht, daß er seine Ohnmacht einsah und sich trotz seines Widerwillens entschloß, nach Heilbronn zu reisen und seinem Schwiegervater die Forderungen der Obersten vorzulegen, während Bernhard mit der einstweilen beruhigten Armee kleine Streifzüge in der Umgegend ausführte. Oxenstierna erledigte die Angelegenheit dadurch, daß er anstatt Geld diejenigen Güter auszuteilen versprach, mit denen der verstorbene König namentlich während seines Aufenthaltes in Würzburg verdiente Offiziere reichlich beschenkt hatte; der Wert der zu vergebenden Länder wurde auf vier bis fünf Millionen Taler geschätzt.

Es war Mitte Mai, als Horn mit dieser Nachricht zurückkehrte. Wie wenn die Stürme, die den Frühling bringen, sich legen und die erschütterte Erde sich sammelt, bevor sie blüht, wurde der Aufruhr in Bernhards Brust plötzlich still, und er empfand nichts als ein unbestimmtes, feierliches Vergnügen. Ohne zunächst sich zu äußern, warf er sich auf sein Pferd und ließ es traben; bald rascher, bald langsamer trug es ihn einen schmalen Weg an der Altmühl hin, eine Anhöhe hinauf, wo er in der letzten Woche mehrmals gewesen war, um einen Überblick über die Umgegend zu gewinnen. Dort stieg er ab und legte sich ins Gras, um sich dessen, was war und was er wollte, bewußt zu werden.

Dies war der Augenblick: der Schatz blühte, er mußte ihn ergreifen ohne Furcht vor Tod und Hölle. Daß Oxenstierna nachgegeben hatte, bewies seine Schwäche; er tat widerwillig, was er mußte, und ebenso würde er seine, Bernhards, Forderungen bewilligen. Hatte er einmal Schenkungen des verstorbenen Königs anerkannt, so konnte er auch ihm das Herzogtum Franken, das Gustav Adolf ihm versprochen hatte, nicht vorenthalten: das Recht und die Not wanden es ihm miteinander aus den geizigen Fingern. War es möglich? Er war nicht der waghalsige Beutejäger mehr, der abenteuernde Heerführer, der gewissenlose Söldner; er war regierender Fürst, ein mächtiger Stand des Reichs, Herzog von Franken. Er reihte sich den Häuptern an, die die Kaiserkrone trugen zu jener Zeit, wo die Kaiser des heiligen Reichs Imperatoren der Welt waren. Was nur Schimäre für einen Schweden sein konnte, wenn es auch ein Gustav war, er besaß es in Wirklichkeit: die Anwartschaft auf eine neue Krone im neuen Reich deutscher Nation reines deutschen Glaubens. Bis das verwirklicht werden konnte, mußte er sich mit dem Schwert durch Dornen hauen, aber das schreckte ihn nicht; was sein Lehrer ihm, dem Knaben, als Motto in seinen Plutarch geschrieben hatte: Per ignes et enses, das hatte er sich ins Herz gegraben, und es hatte sich unvertilgbar hineingewachsen. Er hörte es klirren und sausen, es schmetterte wie ein Marsch vor ihm her: durch Flammen und Schwerter; es würde ihn über den tiefsten Abgrund tragen.

Indem er sich umblickte, sah er sich umschlungen von den Reigen und Chören der nahen und fernen und ferneren, weit hinten im bläulichen Horizont verschwimmenden Hügellinien; still lag er wie mitten im Kelch einer groß aufgerollten, ihre Vollendung feiernden Blume. Es mochte das letztemal vor den Kämpfen sein, die nun beginnen mußten. Das Nächste würde vielleicht das Allerschwerste sein: das häßliche, kleinliche Streiten mit Oxenstierna. Dieser würde Ausflüchte suchen; er würde sagen, daß er, solange der Krieg währte, wichtige Punkte wie Würzburg und Bamberg nicht aus der Hand geben dürfe; er, Bernhard, würde die Gemeinsamkeit der Interessen betonen und auf die Schenkungen weisen, die schwedische Offiziere erhalten hatten, namentlich Oxenstiernas Schwiegersohn Horn. Um sicher zu gehen, würde er die alleinige Direktion des Bundesheeres fordern, wie Gustav Adolf sie gehabt hatte; die würde der Kanzler ihm nie gewähren wollen und würde froh sein, den Verzicht darauf mit einem Herzogtum zu erkaufen. Er, Bernhard, wäre lieber Generalissimus als Herzog von Franken geworden; denn war er Herr des Heeres, so glaubte er zugleich Herr des Krieges, Herr im Reiche zu sein. Es wäre der geradere, kürzere Weg. Als Generalissimus wäre er unabhängig, als Herzog von Franken wurde er gebunden.

Langsam verschattete sich sein frohes Gemüt unter diesem Gedanken. Dieser Schlinge konnte er sich nicht entziehen: begehrte und nahm er das Land als ihm vom König erteiltes Geschenk, so wurde er Vasall der schwedischen Krone. Er hatte oft lange darüber gegrübelt und mit seinem Lehrer Hortleder, der in den staatsrechtlichen Fragen bewandert war, darüber gesprochen; es war ihm nie so bitter erschienen wie in dieser Stunde, die eben noch so leicht gewesen war. Hätte der König gelebt, so hätte er sich wenigstens vor einem Höheren beugen müssen, nicht vor einem Edelmann; andererseits, hätte der König gelebt, wieviel schwerer und gefährlicher wäre die Lehenschaft für ihn gewesen! Von dem königlichen Kind Christine drüben in Schweden hatte er nichts zu besorgen; der schwedische Graf stand zu tief unter ihm, als daß er ihn ernstlich gefürchtet hätte.

Dennoch blieb es eine Demütigung, ein Wagnis, ein Frevel, eine Qual; niemand, auch nicht Gott, konnte es ihm schneidender sagen, als er selbst es sich sagte. Was hätte er geantwortet, wenn eine Stimme vom Himmel ihn angerufen hätte: ›Luzifer! Rebell!‹

Sein Herz schlug laut, und unwillkürlich lauschte er in die leise hauchende Stille. Gott rief ihn nicht; und hätte er's getan, er, Bernhard, hätte doch Rede gestanden. Gab es denn einen anderen Weg, Vaterland und Glauben zu retten? Diese Zweifel gehörten mit zu der ihm auferlegten Prüfung. Die Ritter, die auszogen, um Verzauberte zu erlösen, hatten nicht nur ritterliche Kämpfe auszufechten: Drachen, Fratzen, Unholde und Würmer versperrten ihren Weg und gaukelten ihnen die Hölle vor. Nicht das war das Schwerste, dem Tode zu trotzen, sondern Verhaßtes und Niedriges zu tun. Herkules hatte den Stall vom Unrat gereinigt, er war des unwürdigen Mannes und des Weibes Knecht gewesen, bevor das Feuer ihn zum Gott verklärte.

Der Herzog stand auf und atmete tief. Wenn er es nicht vermöchte, was er sich vorgesetzt hatte, dann wäre er schuldig; aber er war der Mann, es hinauszuführen, er, keiner außer ihm. Sie alle suchten den Genuß, sei es den Rausch oder die Liebe, den Ruhm, die Bequemlichkeit; er opferte alles der heiligen Sache. Die Flamme, die in ihm brannte, verzehrte den unreinen Stoff, mochte sie immerhin zuletzt ihn selbst verzehren.

Indem er sein Pferd lockte und an den großen König dachte, dem es gehört und den es zum Grabe getragen hatte, tauchte flüchtig die Sorge um seine Gesundheit in ihm auf. Seinen Körper hätte er kräftiger wünschen mögen; es kam ihm vor, als ob die Bäder, die er auf den Rat der Ärzte gebraucht hatte, ohne bessernde Wirkung geblieben wären. Er tröstete sich damit, daß sein Wille diese Schwäche ersetzen würde; er hatte es noch immer möglich gemacht, zu tun, als sei ihm wohl, wenn er sich krank fühlte.

Heimreitend sah er von der kürzlich erstürmten Willibaldsburg, die wie ein heidnischer Opferblock dalag, weiße Rauchringe in die kosende Luft schweben. So, dachte er, würde er einst, wenn sein Werk getan wäre, zu Gott auferstehen, nicht mehr ein Fürst, nicht mehr ein Sklave, sondern eines Helden Seele, gottgeworden, frei.

*

Am Morgen des 15. Mai verließ Wallenstein Prag, um sich zur Armee nach Schlesien zu begeben. Sein junger Vetter Max, der ihm zum bevorstehenden Feldzuge Glück wünschen wollte, stieg mit ihm in die Sänfte, um ihm ein Stück Wegs das Geleite zu geben. Der Fürst sehe ja wieder wohl und gesund aus, begann der junge Graf, indem er einen schnellen Blick auf das fahle Gesicht an seiner Seite warf. Er sei soweit zufrieden, gab Wallenstein zur Antwort, fühle sich nicht eben als ein Sterbender.

Das sei vortrefflich, fuhr Max fort; in Wien erwarte man herkulische Taten von ihm.

So, so, sagte Wallenstein spöttisch. Nun, der Löwe sei bereits erwürgt, jetzt würde er gern einen gewissen Stall ausmisten.

Der junge Graf lachte ein wenig verlegen, da er nicht recht wußte, wie er die Anspielung auffassen sollte. Ob der Vetter ins Reich zu ziehen gedenke? fragte er nach einer Pause.

Einstweilen habe er vor, in den österreichischen Erblanden zu bleiben, antwortete Wallenstein. Sie sähen in Österreich immer nur des Kriegsgottes Faust voll Beute; wenn sie nicht auch einmal seinen eisernen Fuß spürten, würden sie nie Frieden machen.

Er besorge nur, sagte Graf Max, daß sein Vetter sich dadurch Feinde mache. In Wien sei ein Zetergeschrei wegen der Kriegskontribution gewesen, sogar Eggenberg nehme es empfindlich auf, daß er zahlen müsse, und solle Tränen vergossen haben.

Wallenstein lachte halblaut. »Tränen sind ja kein Scheidewasser«, sagte er, »und machen die Münzen nicht schlechter.«

Beim Kloster Strahow ließ Wallenstein halten und stieg aus, um mit dem Abte über Pappenheims Beisetzung zu verhandeln.

Es wurde ihm im Garten ein Frühstück vorgesetzt, wovon er nichts anrührte; aber die starke Wärme schien ihm wohlzutun. Flieder und Rotdorn blühten in Fülle in den großen Gärten, die sich vom Kloster, von der Burg und von anderen Palästen gegen die Moldau hinuntersenkten; von oben sah es aus, als quöllen aus der Erde Ströme und Springbrunnen von Blüten, deren rosige Brandung an den Mauern emporschäumte, verführerische Arme, die das Menschenwerk in das dunkle Element hinunterziehen wollten. Wallensteins Augen wendeten sich gleichgültig von dem ihn umrauschenden Frühlingsgewoge ab und musterten den strahlenden Himmel, dessen Bläue nur am Horizonte hie und da ein leichter weißer Flaum trübte, indem er an das Glück dachte, das ihm Seni aus diesem schönen Tage prophezeit hatte. Der Abt folgte seinem Blick und sagte lächelnd, Gott habe gleichsam einen Triumphbogen errichtet, durch den der General als ein Eroberer auf die Kriegsbühne ziehe. Prag freilich bleibe verwaist zurück und müsse billigerweise ein Trauerkleid anlegen.

Es sei ja nicht auf lange, sagte Wallenstein, und bei seiner Rückkehr gedenke er ein Friedensölzweiglein mitzubringen.

Als der Zug gegen Abend in Brandeis ankam, war die Sonne hinter Wolken verschwunden, die sich düster vom schwefliggelben Himmel abhoben. Beim Aussteigen bemerkte Wallenstein die veränderte Witterung und sah sich prüfend um: die Eichbäume, die auf den Hügeln und am Fluß entlang wuchsen, standen so still, als habe ein plötzliches Grauen sie gelähmt, und ihre erstarrten Blätter glühten geheimnisvoll wie das Grün eines Waldteiches. Es könnte ein Wetter geben, sagte der Verwalter des Schlosses, wo Wallenstein abstieg; nun, der Fürst sei unter Dach, so habe es nichts auf sich. Er überreichte dem General einen für ihn abgegebenen Brief; aber Wallenstein war von der Reise so erschöpft, daß er, ohne ihn zu lesen, sich zu Bette bringen ließ und sogleich einschlief. Kurz vor Mitternacht weckte ihn der Wind, der das Haus erschütterte. Er läutete einem Kammerdiener und ließ den Astrologen Seni rufen, der gleich darauf erschrocken, eine brennende Kerze in der Hand, in einem schnell übergeworfenen Mantel auf Filzschuhen hereinschlürfte. Er habe ihm am Morgen den wolkenlosen Himmel als einen Triumph ausgelegt, rief Wallenstein ihm entgegen; ob dies Donnerwetter einen Umsturz seines Glücks zu bedeuten habe?

Der Wind vertreibe es vielleicht noch, sagte Seni; aber wie dem auch sei, was der Himmel einmal prophezeit habe, könne nicht rückgängig gemacht werden; er wolle sich nun die neue Konfiguration betrachten. Wie er sich bemühte, das Fenster zu öffnen, gegen das der Sturm sich stemmte, warnte ihn der Herzog, nicht mit dem in seiner linken Hand zitternden Licht den Vorhang zu entzünden, worauf er die Kerze auf einen Tisch abstellte und es von neuem versuchte. Plötzlich fuhr er zurück, da ein erster Blitz fiel, dem nach kurzer Pause ein noch verhaltenes Donnern folgte. Bald danach kam der Kammerdiener und sagte, es werde ein sehr böses Gewitter geben, die Blitze stießen senkrecht vom Himmel in die Erde, das sei ein gewisses Zeichen. Der Herzog möge ihm doch gestatten, das Licht zu löschen, es sei ein bewährter Glaube, daß kein irdisches Licht unter dem Zornfeuer Gottes brennen dürfe.

Er solle es immerhin ausblasen, sagte Wallenstein.

Das Unwetter stürmte heran, und als wenn ein reitendes Heer im Vorüberrasen glühende Lanzen schleuderte, stürzten die Blitze herunter: jäh erschienen die waldigen Hügel, scheinbar mit dem Flusse hingleitend. Der Kammerdiener und Seni beteten auf den Knien, indes Wallenstein die hohlen Augen nach dem wechselweise aufflammenden und erlöschenden Fenster richtete. Als der Regen in plötzlichem Guß dazwischenrauschte und der Donner nachließ, schickte er den Kammerdiener fort und winkte Seni zu sich ans Bett. »Dies muß eine unerwartete und fürchterliche Katastrophe bedeuten«, sagte er. Freilich, freilich, erwiderte Seni, aber sie betreffe nicht ihn, sondern seine Feinde. So gewiß morgen die Sonne sauber und glänzend im Osten aufgehen werde, so gewiß werde des Fürsten unverminderte Glorie über dem niedergeschmetterten Feinde prangen.

Über welchem Feinde? wollte Wallenstein fragen; aber er sprach es nicht aus, sondern hieß Seni sich wieder zu Bette legen. Er selbst konnte nach der starken Erregung nicht wieder einschlafen, erinnerte sich des Briefes und öffnete ihn. Nachdem er ihn zweimal gelesen hatte, zerriß er ihn in kleine Fetzen und ließ sie am Lichte verkohlen. Er war vom Grafen Bubna, einem böhmischen Exulanten, der schwedischen Dienst angenommen hatte und dem General meldete, er sei im Auftrage des Grafen Oxenstierna zum Zweck einer persönlichen Unterredung auf dem Wege nach Gitschin.

Wallenstein legte sich in seine Kissen zurück und sann. Dieser Bubna, mit dem er als Knabe die protestantische Schule besucht hatte, war ihm damals nicht unlieb gewesen: er war offen und ehrlich, und obwohl er schweigsam war, verbarg er doch den Kameraden nichts, außer wenn die Pflicht es forderte. Für tiefe und verwickelte Angelegenheiten war er zu einfach und hatte niemals geahnt, was in ihm, dem abseits sich haltenden Mitschüler, vorging; aber eben darum war er ihm recht: er konnte sich gerade so weit gegen ihn herauslassen, wie es ihm beliebte, jener würde ihn weder ausholen noch durchschauen können. Noch wußte er selbst nicht, ob und wie weit er sich mit Schweden, wie weit er sich mit den böhmischen Emigranten einlassen wollte. Was hatte dies Häuflein landflüchtiger Böhmen zu bedeuten? Daß sie zu kurzsichtig und zu engherzig waren, um für sich allein etwas gegen Habsburg auszurichten, das hatte sich 1620 gezeigt; so viel oder so wenig bedeuteten sie wie ein Pfeil, dessen Kraft und Wirkung von dem Schützen abhängt, der ihn abschießt. Ja, von ihm hing es ab, ob des Kaisers Sohn Ferdinand, der scharrende Hahn, der ungeduldig war, den olympischen Adler zu spielen, sich länger auf dem alten böhmischen Throne breitmachen durfte oder ihn räumen müßte. Von ihm hing es ab, ob die Schweden schimpflich aus dem Reiche abziehen müßten oder dablieben, um noch fernerhin den kaiserlichen und bayrischen Übermut zu dämpfen. Das Horoskop fiel ihm ein, das er erst kürzlich dem Thronfolger hatte stellen lassen und wonach er morsch, natürlichem Absterben verfallen war. Am allerbesten wäre es gewesen, wenn der habsburgische Stamm geräuschlos verfaulte; warum sollte er sich vergebliche Arbeit machen? So einfältig war der Friedländer nicht, sich mächtige Barone zu züchten, die ihn hernach als Hampelmann traktierten. Vielleicht war es eher möglich, den Kaiser als den böhmischen Adel im Zaume zu halten.

Es war schon Nacht, und im Schlosse von Gitschin herrschte Schweigen, als Bubna zu Wallenstein geführt wurde, der in einem Sessel gebettet saß und sich mit seinem kranken Bein entschuldigte, daß er ihm nicht entgegenging. »Widerwärtigkeiten und Sorgen spannen Postpferde vor den Karren des Alters«, setzte er hinzu, als ob er Bubnas Gedanken erriete; denn dieser starrte den General an und wunderte sich, daß er in seinen Zügen nichts von dem Gesicht des schönen, dunkeläugigen Knaben mehr wiederfinden konnte. Jawohl, sagte Bubna schnell, indem er durch sein starkes, buschiges Haar fuhr, er sei auch vor der Zeit ergraut, das begreife sich bei einem armen Vertriebenen. Er bringe die gute alte Zeit nicht aus dem Sinn. Man habe doch zu Kaiser Rudolfs Zeit, was für ein Lügensack und Maulwurf er auch gewesen wäre, Frieden und Wohlstand in Böhmen gehabt. Er habe dazumal nicht gewußt, was für eine Lust es sei, in den eigenen Wäldern zu jagen, das eigene Korn zu ernten und die Kinder im eigenen Hause spielen zu sehen; nun sei alles verloren, zur Strafe dafür, daß die rechte Einmütigkeit nicht geherrscht habe.

Sie tauschten Erinnerungen aus der Vergangenheit aus, und Wallenstein sagte, die schönen Tage könnten ja wiederkommen, und vielleicht sogar schönere; denn König Rudolf habe als ein Fremder doch das rechte Herz für Böhmen nicht gehabt, abgesehen davon, daß von dem faulen habsburgischen Stamme nun einmal nichts Gutes kommen könnte.

Ja, wenn er, Wallenstein, sich Böhmens annehmen wollte, sagte Bubna lebhaft, dann könnten sie wieder hoffen. Und sie täten's ja auch, warteten nur auf ein entscheidendes Wort von ihm und wären dann bereit, für ihn zu kämpfen.

Wallenstein schwieg eine lange Weile und sagte dann in vertraulichem Tone, viele von den böhmischen Herren hätten ihn früher wohl gehaßt und ihn für einen Treulosen gehalten, der sich aus Ehrgeiz an den Tyrannen hänge und die heimische Freiheit unterdrücken helfe. Man hätte ihm unrecht getan, er wolle sich einmal frei gegen Bubna darüber aussprechen. Sie hätten es dazumal falsch angefangen, indem sie das Schicksal des Vaterlandes auf die Pfalz gesetzt hätten. Er habe das Unglück vorausgesehen und deshalb zum Kaiser gehalten und ihm zum Siege verholfen, wofür er freilich wenig Dank geerntet hätte. Nie hätte er gedacht, daß sich Neid und Habgier so einmischen und sein liebes Böhmen in Grund und Boden ruinieren würden. Seine Feinde rasten, weil seine Güter in Flor ständen, das übrige Böhmen aber wüst und elend läge; er sei stolz darauf, denn es bewiese nichts anderes, als daß er sein untergebenes Land und Volk gut hielte, der König und seine Kreaturen dagegen das ihrige verderbten.

Er und andere wüßten wohl, sagte Bubna, daß Böhmen in Wallensteins Händen wohlgeborgen sein würde.

Wallenstein sah lange gedankenvoll vor sich hin. Ja, sagte er endlich, im Frieden würde er ihrer gedenken und darauf dringen, daß jeder von ihnen wieder zu dem Seinigen käme. Er wollte, daß seine Landsleute sein Andenken segneten, nicht verfluchten.

Frieden? fragte Bubna aufmerksam. Ja, wie er denn den herzwingen wollte? Er glaube schon, daß Wallenstein Wunder tun könnte, aber er möchte es so gern mit dem Verstande begreifen können. Die Eindringlinge würden ihren Raub nicht freiwillig herausgeben, und der Kaiser könne sie nicht zwingen, selbst wenn er wollte; nun würde er es aber nicht wollen, man sähe ja täglich, wie grausam er das evangelische Bekenntnis in seinen Erbländern ausrottete. Es ginge einmal nur auf dem Wege, daß in Böhmen die alte Wahlfreiheit wieder hergestellt würde.

Auf den Kaiser komme nicht so viel an, sagte Wallenstein wegwerfend. Und was seinen Sohn betreffe, so sei der so fürchterlich nicht, wie es den Anschein habe. Es wäre manches darüber zu sagen, er wolle es aber jetzt nicht anrühren. Bubna solle nur ihn, Wallenstein, sorgen lassen, die Hundsfötter und Giftmischer in Wien dürften ihre Nase nicht in seine Küche stecken.

Bubnas Herz war voll froher Unruhe: er hatte nicht erwartet, Wallenstein so zutraulich und willig zu finden; andererseits waren seine Aussagen nicht so klar und bindend, daß er andere, die den Eindruck seines Wesens nicht hatten, von seiner Aufrichtigkeit hätte überzeugen können. Wie er nach einer Pause forschend zu Wallenstein hinübersah, bemerkte er, daß seine Augen geschlossen waren, wie wenn er schliefe. Bubna betrachtete ihn mit einem unbehaglichen Gefühl: er hatte etwas Grauenvolles und Heiliges um sich wie ein Leichnam. Sollte er versuchen, sich ohne Geräusch davonzuschleichen? Wie konnte er aber abreisen, ohne eine bestimmte Zusage, einen sicheren Grund für die künftigen Handlungen heimzubringen? Wie er sich zweifelnd bewegte, knarrte sein Stuhl, worauf Wallenstein zusammenzuckte und langsam die schweren Lider hob. Bubna entschuldigte sich, daß er so lange geblieben sei, der General bedürfe nach der Reise und bei seiner schweren Tätigkeit augenscheinlich des Schlafes. Schlaf? wiederholte Wallenstein ein wenig scharf. Er habe nicht geschlafen, schliefe überhaupt selten. Nur einen Anfall seiner Schmerzen habe er gehabt, es sei nun aber vorüber.

So wollten sie noch einmal das Besprochene zusammenfassen, sagte Bubna. Wallenstein sei also willens, mit schwedischer Hilfe den alten Stand in Böhmen wieder herzustellen, wolle sich auch der böhmischen Krone nicht entziehen, wenn sie ihm angetragen würde?

Er sei des Kriegs gründlich müde, antwortete Wallenstein. Wenn der Kaiser sich einem billigen Frieden widersetzte, so müsse man ihn zwingen.

Was ihn betreffe, sagte Bubna zögernd, so habe er Wallenstein recht verstanden und getröste sich seiner Zusage. Leider sei aber bei den Schweden nicht allenthalben ein solcher Glaube. Oxenstierna würde, bevor er sich näher einließe, eine Realdemonstration sehen wollen und daß Wallenstein sich öffentlich und gänzlich vom Kaiser lossagte.

So könne nur Unverstand und Bosheit reden! fuhr Wallenstein auf. Ein derartiges Werk wolle sorgfältig vorbereitet sein. Was wohl die Folge wäre, wenn er jetzt plötzlich vom Kaiser abfiele und zu den Schweden überginge, ohne sich vorher der Armee versichert zu haben? Vielleicht sei es auch gar nicht nötig und könne er den Kaiser bewegen, einen Frieden nach seinem Willen anzunehmen. Zuerst müsse man die gütlichen Mittel versuchen, bevor man das Schwert zückte. Einmal aus der Scheide gerissen, würde es unversehens lebendig, spränge hierhin und dorthin, entspränge auch wohl ganz und gar und raste weiter, solange Blut zu vergießen wäre.

Da er Bubnas erstaunten Blick auffing, sagte er einlenkend, was den Schweden auch einfiele, zu verlangen, daß er sich ihnen mit gebundenen Händen auslieferte? Müßte doch auch er zu ihnen Vertrauen haben! Ein Gleiches verlange er von ihnen.

Müde und in wunderlichen Gedanken ging Bubna durch den duftenden Schloßgarten zur Stadt hinunter, halb unbewußt einer nahen, laut schlagenden Nachtigall lauschend. Der Diener, der ihn begleitete, berichtete allerlei, was in der Gesindestube gesprochen worden war: ein Kammerdiener hatte erzählt, wie er einmal des Morgens in des Herzogs Schlafkammer gekommen sei, habe derselbe steif ausgestreckt und wachsgelb wie ein Toter dagelegen, daß ihm vor Schrecken die Knie gezittert hätten. Auf einmal hätten die toten Augen sich bewegt und langsam herumrollend auf ein Fläschchen voll roter Flüssigkeit geblickt, das auf einem Tischlein vor dem Bett gestanden hätte. Er, der Diener, hätte ihm davon gereicht, obwohl er es vor Zittern kaum vermocht hätte, da sei der Fürst wieder zum Leben gekommen. Einige wollten wissen, daß er natürlicherweise schon längst gestorben sei und daß der Satan ihm mit diesem Elixier künstlich das Leben friste.

Das sei müßiges Geschwätz, sagte Bubna, es werde eine Arznei wider das Podagra sein.

Es gehe aber die Rede, fuhr der Diener furchtsam und neugierig fort, daß der Fürst immer etwas Scharlachrotes an seinem Leibe habe, weil er die Livree des Teufels tragen müsse.

Unwillkürlich besann sich Bubna: der General war ganz schwarz gekleidet gewesen, nur aus seinen Ärmeln und hohen, weichen Stiefeln hatte er grellrotes Futter hervorlugen sehen. Indessen verschwieg er es und verbot dem Diener, dergleichen weiterzuerzählen, vielmehr solle er für den Herzog beten, der von Gott ausersehen sei, ihres armen böhmischen Vaterlandes Heiland zu werden. Wider seinen Willen überlief es ihn plötzlich, während er auf die von Mondlicht überschwemmten Hügel und Häuser hinuntersah, als habe er die ganze Zeit einer wächsernen Figur gegenübergesessen und durch die gelbe Maske hindurch habe eine dämonische Stimme aus dem Geisterreiche zu ihm gesprochen. Lachend schalt er sich ein altes Weib und schüttelte die Einbildungen von sich; die schwarzen Augen, die zuweilen so böse geblitzt und ihn dann wieder so feierlich und wehmütig angesehen hatten, waren doch die seines einstigen Schulkameraden, und er hatte ihre eindringliche Sprache verstanden. Nicht nur lockte ihn die Krone, sondern seines Vaterlandes Untergang reute ihn, und er wollte es frei und glücklich machen; nur mußte man ihn nicht drängen, sondern ihm blind vertrauen; so war er als Knabe schon gewesen, und so mußte man ihn nehmen, wenn man mit ihm vorwärtskommen wollte.

*

Am Bette der alten Gräfin Terzka, die auf den Tod lag, saß ein Prädikant und betete den neunzigsten Psalm, der vom Sterben handelt: ›Das macht dein Zorn, daß wir so vergehen, und dein Grimm, daß wir so plötzlich dahin müssen. Denn unsere Missetat stellest du vor dich, unsere unerkannte Sünde in das Licht vor deinem Angesicht.‹ »Ich denke,« sagte die alte Frau, indem sie sich bemühte, deutlich zu sprechen, »daß ich mein Leben lang rüstig für Gott und die Wahrheit gekämpft habe; das Zeugnis könnt Ihr mir ausstellen.«

»Wenn ich zu Euer Gnaden Fleisch und Blut spräche,« antwortete der Prädikant, »so würde ich sagen: ja, von ganzem Herzen, ich bezeuge es. Da ich aber zu Euer Gnaden Gewissen und unsterblicher Seele rede, sage ich: nein! nein! nein! Und Euer Gräfliche Gnaden weiß, was ich damit meine.« »Ja, ich weiß es; aber Ihr habt unrecht damit«, rief die Gräfin heftig. Nach einer Pause, während sie nach Atem rang, befahl sie ihm, ihre Kissen höher zu richten und das Fenster zu öffnen, sie brauche Luft.

Der Prädikant gehorchte und fragte am Fenster stehend, ob die Gräfin wohl das liebliche Gezwitscher der Vögel in den Büschen höre?

Nein, erwiderte sie, das sei nicht mehr für sie. Sie wolle ihm jetzt Antwort geben auf das, was er vorher angedeutet habe. Ja, es sei wahr, sie habe in dem Unglücksjahre das papistische Hütlein aufgesetzt, es sei eine verfluchte Maskerade gewesen, aber keine Todsünde, weil keine böse, sondern eine gute Absicht dabei gewesen sei. Sie habe es nicht aus Furcht vor dem Tode getan oder um Hab und Gut nicht einzubüßen, obwohl es ohne dergleichen Schwachheit, die einmal am Fleische hafte, nicht abgehe; aber die Hauptsache sei gewesen, daß sie die alte Mutter Böhmen nicht habe lassen wollen. Es sei ja nichts als schlechtes, verräterisches, jesuitisches Pack im Lande geblieben und ins Land gekommen, die der Armen den Strick gedreht und sie hätten erwürgen wollen. Hätten es mehr redliche Protestanten wie sie gemacht, so wären doch Leute dagewesen, ihr beizustehen und die Schelme bei guter Gelegenheit hinauszuwerfen.

Der Prädikant schüttelte den Kopf: das wären Ausflüchte und Beschönigungen, die die schamhafte Seele sich selber webe, um ihre Blöße zu decken. Die armen Exulanten draußen, die in des Königs von Schweden Dienst getreten wären, täten mehr für ihr Vaterland als sie; wenn sie aber auch nichts ausrichteten, so müsse man doch zuerst Gott die Treue halten.

Ja, wenn sie ein Mann gewesen wäre, sagte die Gräfin, so wäre sie auch dem König von Schweden nachgelaufen, das wisse er so gut wie sie. Und was er übrigens gesagt habe, das tauge alles miteinander nicht. Ob sie etwa hier auf Rosen gebettet gewesen wären? Immer von Spionen umschnüffelt und in Gefahr des Lebens! Und wo er, der Prädikant, denn wäre, nämlich am Galgen, wenn sie ihn und viele seinesgleichen nicht versteckt, ernährt und behütet hätte, damit sie das Evangelium predigen könnten!

An seinem Leben sei nichts gelegen, erwiderte der Prädikant, es handle sich jetzt um ihre Seele, die sie durch ihren Abfall befleckt habe. Er wolle aber für sie beten, und sie solle es auch tun, daß Gott ihr die Sünde vergebe.

Nein, rief die Alte zornig, sie sei nicht abgefallen! Sie habe immer den wahren Glauben im Herzen behalten. Den Ferdinand und seine Jesuiten und Klosterschweine habe sie betrogen, das sehe sie aber für erlaubt und sogar verdienstlich an.

Über diesem Wortwechsel kam der alte Graf Terzka mit einem dürftig gekleideten Freunde aus dem Nebenzimmer herein und fragte, ob es seiner Frau besser gehe, weil sie so ungestüm reden könne. Nein, sagte sie schwach aus ihren Kissen heraus, es gehe ihr sehr übel, der Pfaff halte ihr vor, sie habe gesündigt, weil sie papistisch geworden sei, obgleich er es doch besser wissen müsse. Dabei hätte sie es vielleicht nicht einmal getan, wenn er, ihr Mann, sie nicht gedrängt hätte, und ihm sei es freilich um den Kopf und um Hab und Gut bange gewesen.

Je nun, sagte der Graf, die Widerwärtigen hätten genug Blut böhmischen Adels gesoffen, er habe ihnen das seinige nicht noch dazu schenken wollen. Auch täten sie ja nun das Ihrige, um den wahren Glauben wieder herzustellen.

Sie müßten es aber ganz anders anfangen, wenn es erklecken sollte, keuchte die Alte mühsam; mit dem Friedländer wären sie betrogen, der führe sie nur am Narrenseil.

Ach, sie wolle ihm nun einmal nicht trauen, entgegnete er, und es kämen doch von ihrem Sohn Adam die besten Nachrichten, wie er sich täglich mehr mit dem Hofe zerrütte und daß schon alles ausgemacht sei wegen Böhmen, nur dürfe man es nicht laut sagen.

Das eine sei freilich bedenklich, nahm der Freund das Wort, daß der Wallenstein so viel Rebellengut an sich gebracht hätte. Ob er denn das wieder herausgeben würde?

Nun, sagte Graf Terzka, wenn er erst oben auf dem Dache sei, könne er wohl die Leiter verbrennen.

Der andere rieb sich kichernd die Hände; er für seine Person, meinte er, möchte lieber die Wallensteinischen Güter als die böhmische Krone haben. »Ja,« lachte Terzka, »solch ein schlechtes Edelmännle, wie du bist! Aber der Wallenstein will hoch hinaus, dem ist es um die Ehre und den Königsnamen!«

Eine seltsame Ehre, die der Landsverräter und Landsverderber sich bisher erworben habe, höhnte seine Frau.

Nun, sagte der Graf entschuldigend, er habe sie doch immer mit Salvaguardien versehen, um ihnen das Ihrige zu erhalten, während er den Kardinal von Dietrichstein zu Tode geärgert habe mit Einquartierungen und Kontributionen, und selbst der Eggenberg habe den Beutel aufschnüren müssen. Ihrem Sohn Adam habe er für gewiß die Grafschaft Glatz versprochen, wenn es soweit wäre, und der zweifelte gar nicht, daß es bald sei.

Da könne der Adam sich freuen, wenn er Glatz bekäme, sagte der Freund, da wären vorzügliche Forsten.

Und die Hirsche! fügte der alte Terzka hinzu, in ganz Schlesien und Böhmen sei keine solche Hirschjagd. Adam habe im Sinn, vom Grafen Schaffgotsch Schmiedeberg einzutauschen, dann gäbe es ein schönes, rundes Stück Land.

Der Prädikant mischte sich jetzt ein und sagte, es nehme ihn wunder, daß die Herren sich so weit mit dem Friedländer einlassen möchten, einem Abtrünnigen, der nach mancher Leute Dafürhalten im Bündnis mit dem Teufel stehe.

Jedenfalls sei es recht, wenn der Teufel ihn holte, stimmte die Gräfin bei; denn er sei nicht zum Schein und aus Not, sondern mit Haut und Haaren papistisch geworden.

Das bestritt der alte Terzka; Wallenstein gäbe sich überhaupt nicht viel mit der Religion ab und habe erst kürzlich gesagt, man solle doch den Lämmermann, des Kaisers Beichtvater, endlich aufhängen, bevor er zu zäh für die Raben würde. Und in dem Briefe von Kinsky, der heute eingetroffen sei, stehe doch auch geschrieben, der Wallenstein traktiere über den Frieden mit den Schweden, und die Hauptparagraphen gingen, die böhmischen Exulanten sollten in den alten Stand gesetzt und die Jesuiten sollten aus Böhmen und dem Reiche gewiesen werden, damit der Friede ewigen Bestand hätte. Er zog einen sorgsam zusammengefalteten Brief aus der Tasche und zeigte ihn: die Schrift sei so blaß, erklärte er, weil er mit heimlicher Tinte geschrieben sei, über dem Feuer würde sie sichtbar. Aus Vorsicht wolle er ihn verbrennen, wenn er ihn noch einmal gelesen hätte, das brauche aber Zeit.

Die alte Frau hatte sich inzwischen die Kissen wieder fortnehmen lassen, weil sie nicht mehr sitzen könne, und lag schwer atmend da. Ihre Tochter, sagte sie mühsam, habe wohl Mut, aber es sei doch nur ein Fünklein, und sie besorge, es werde erlöschen, wenn sie es nicht mehr anblasen könne. Der Kinsky, ihr Tochtermann, sei sonst gut, aber ein Ofenhocker und Träumer; auch sei es ihr zuwider, daß er sich an den Kurfürsten von Sachsen gehängt habe, der sei vom Geschlecht der Fische, könne nichts als in Bier schwimmen und glotzen. Indem sie den Kopf erschöpft auf die Seite legte, sagte sie, auf Erden gäbe es nur Weiber, sie möchte wissen, ob sie im Himmel einen Mann träfe.

Nun, sagte der Graf, sie rede gar jungfräulich, habe doch einen trefflichen Mann und auch Kinder gehabt.

Sie lag eine Weile mit geschlossenen Augen da, dann gab sie ihm die Hand und sagte, ja, er sei ihr ein guter Mann gewesen, sie danke ihm dafür, und er solle ihrer gedenken. Jetzt solle er sie mit dem Geistlichen allein lassen, denn das Ende sei da.

Nachdem der weinende Graf mit seinem Freunde das Zimmer verlassen hatte, sagte die Sterbende, wenn Gott Gott sei, müsse er in ihr Herz sehen können und daß es immer recht evangelisch gewesen sei; aber sie wisse wohl, daß das Fleisch sündhaft sei, darum möge der Prädikant für sie beten und ihr die Beichte abnehmen, wie es in der Ordnung sei. Er nahm darauf die Bibel wieder zur Hand, las den Psalm zu Ende und fragte sie, sich über sie neigend, ob sie Feinde habe und ob sie ihnen vergeben wolle.

»Meine Feinde sind Gottes Feinde,« sagte sie, »denen kann ich nicht vergeben.«

Der Prädikant besann sich und schlug vor, ob sie nicht sagen wolle, sie für ihre Person vergebe ihnen, das übrige stelle sie Gott anheim.

»Nein,« sagte sie, »das will ich nicht sagen. Wenn ich ein Mann und jung wäre, so wollte ich das Blut meiner Feinde vergießen, bis Böhmen gerächt und frei wäre; hernach könnte ich ihnen vergeben.«

Er glaube und hoffe, sagte der Prädikant, daß Gott ihr diese unversöhnliche Gesinnung nicht als Sünde anrechnen werde.

Schon verdunkelten sich ihre Augen, und sie tastete mit unsicherer Hand nach einer Kassette, die neben ihrem Bette stand; mit der Hilfe des Prädikanten fand sie, was sie suchte, nämlich das auf Gold gestochene Bildnis des Königs von Schweden, das sie an einem Bande auf der Brust getragen hatte. »In diesem niederträchtigen Jahrhundert«, röchelte sie, »hat es nur zwei Männer gegeben, die sind nun hin: der eine war der König, der andere war ich.«

* * *

 


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