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Da Frankreich es mit Bayern nicht verderben wollte, hatte Feuquières Auftrag, sich in Sachen der vertriebenen pfalzgräflichen Familie, namentlich im Hinblick auf die Wiedererlangung der Kur, vorsichtig zu äußern, aber die Zuneigung des Königs für Friedrichs Erben nachdrücklich zu betonen. Dieser Aufgabe sich geschickt zu unterziehen, hatte Feuquières in Berlin häufig Gelegenheit, wo die kurfürstlichen Damen sich sehr für die Zukunft der pfälzischen Verwandten interessierten. Namentlich die Pfalzgräfinwitwe Juliane von Oranien, die sich zu ihrer Tochter, der Kurfürstin von Brandenburg, zurückgezogen hatte, zog den französischen Gesandten oft in ihre Gesellschaft und sprach von ihrer Liebe für Frankreich, ja, daß sie eigentlich Französin sei. Sie verstehe ja auch die französische Sprache besser als die deutsche, und wenn sie von den Erfolgen des Königs von Frankreich vernehme, so berühre das ihr Herz, als betreffe es sie selbst.

In gleicher Weise, sagte Feuquières, ziehe sein König sich das Schicksal ihres Hauses zu Herzen. Der Anteil, den er am Kriege nehme, gehe von dem Wunsche aus, die alten Besitzverhältnisse und die Freiheit im Reiche wieder herzustellen.

Sie könne für ihre unglücklichen Enkel nichts mehr tun, sagte Juliane; aber sie vererbe ihnen ihre Verwandtschaft mit der Familie des französischen Königs, und das sei mehr wert als Gold. Der König möge seinerseits nicht vergessen, daß in den Adern der vertriebenen Waisen Bourbonenblut fließe.

Feuquières versicherte, daß sie stets in Frankreich eine Zuflucht finden würden und daß sein König sich mit Stolz der Verwandtschaft mit einer so erhabenen Fürstin wie der Kurfürstin Juliane bewußt sei. Sich der Vergangenheit erinnernd, erzählte Juliane, wie Heinrich IV., der Vater des regierenden Königs, ihr besondere Gunst zugewendet und ihr bei ihrer Vermählung 100 000 Gulden als Mitgift geschenkt hätte, wovon ihr 50 000 sofort ausgezahlt worden wären. Auf mehrfaches Anhalten wären später noch 25 000 nachgeliefert worden.

Der König, sagte Feuquières, werde es ihm ohne Zweifel Dank wissen, wenn er ihn daran erinnerte, daß diese Ehrenschuld noch nicht gänzlich getilgt sei.

Nein, nein, fiel ihm Juliane ins Wort, von einer Schuld solle nicht die Rede sein. Sie sei dem Könige für seine großmütige hilfreiche Gesinnung zu dankbar, als daß sie ihn an eine Schuld mahnen möchte. Wolle der König ihr aber die 25 000 Gulden als Geschenk geben, so werde sie nie aufhören, ihm dafür erkenntlich zu sein. Daß sie des Geldes für ihre armen vertriebenen Enkel bedürfe, könne Feuquières sich vorstellen.

Er werde nicht unterlassen, dem Könige davon zu schreiben, erwiderte Feuquières; denn er kenne des Königs Herz gut genug, um zu wissen, daß ihn nichts mehr beglücken könnte als eine Gelegenheit, ihr zu dienen.

*

In einem Dorfwirtshaus in der Umgegend von Breslau befand sich der alte Graf Matthias Thurn und entzifferte mit Hilfe eines Sekretärs ein Schreiben aus dem kursächsischen Hauptquartier, das er soeben erhalten hatte. »Erstens,« so las der Sekretär, »ob Ihre Gnaden der Herr Graf Thurn die Avisation, wann man aufbrechen sollte, vom Herrn Generalleutnant empfangen wolle.«

Thurn beugte sich tief über den langen tannenhölzernen Tisch, auf dem das Schreiben lag, und folgte dem weisenden Finger des Sekretärs. Das schreibe sich daher, sagte er, daß er kürzlich auf eigene Faust nach Breslau aufgebrochen sei, um die Zölle zu erheben, was ihm auch zugestanden, dem Arnim aber nicht gepaßt hätte. Ob er etwa hier die Rolle eines Rößleins spielen und nach dem Hühott des Herrn Arnim traben sollte?

»Zweitens,« las der Sekretär weiter, »ob der Herr Graf die Zugsordnung und Bataille, die der Herr Generalleutnant gut befinde, ihm wolle belieben lassen und sich danach bequemen, und drittens, wie weit der Herr Graf mitzugehen begehre und ob er sich auch von der Oder begeben und in andere Lande mit folgen wolle.«

»Die scheinen mich für einen ehrlosen Buben zu halten«, rief Thurn aus, indem er sich aufrichtete und den Arm in die Seite stemmte. Womit er das verdient habe, da er jetzt über sechzig Jahre alt sei und keiner seine Ehre habe verkleinern dürfen! Es sei ihm wohl noch schlechter gegangen als jetzt, und er habe sich doch nie von der guten evangelischen Sache separiert. Und ob er in andere Lande folgen wollte! Er wäre bis vor Wien und bis nach Jütland, wenn auch mit schlechtem Glück, gezogen, würde auch jetzt nicht dahinten bleiben.

Der Sekretär bemerkte, der Herr Generalleutnant wolle sich wohl den Oberbefehl über die schwedische Armee anmaßen, es aber nicht geradeheraus sagen.

Ja, sagte Thurn nach einer Pause, indem er den Sekretär groß ansah, das sei das punctum saliens. Der Name des Herzogs von Lauenburg stehe zwar auch unter dem Wisch, aber der Arnim habe es sicher allein ausgebrütet. Ein maulfauler, mißfarbener, verpichter Mensch das sei, man könne geradesogut mit einer Kanonenkugel traktieren. Da sei der Lauenburger ein anderer Mann, wenigstens gehe es bei dem von Herzen zu Herzen, wenn auch mitunter unverhofft und widerwärtig. Nur das sei ihm unbegreiflich, daß er so am Arnim hänge, gerade wie der Wallenstein.

Der Herr Generalleutnant wisse sich ein Ansehen zu geben, meinte der Sekretär, weil er meistenteils das Maul hielte.

Bei ihm schlüge das nicht ein, rief Thurn aus, bei ihm käme es auf die Tat und das gute Herz an. Er wisse auch wohl, daß sich alles noch davon herschriebe, daß er vor zwei Jahren die Köpfe der armen böhmischen Märtyrer von der Brücke habe abnehmen lassen, das könne der Arnim nicht verwinden, er sei aber herzensfroh, daß er es getan hätte.

»Sechstens,« schloß der Sekretär, »es solle aber der Herr Graf, wenn er gebeten werde, Avisation anzunehmen, Avisation nicht für Ordonnanz ansehen, was ihm niemand zumuten werde.«

Thurn schlug die Hände zusammen: ja, was denn das heißen solle? Ob sie drüben meinten, er habe nicht so viel gelernt, um Avisation von Ordonnanz zu unterscheiden? Er hoffe allerdings, daß der Arnim ihm keine Ordonnanz erteilen wolle, die würde ihm bald zwischen die eigenen Zähne zurückfliegen; denn er, Thurn, würde der schwedischen Königin gegenüber seine Pflicht schlecht erfüllen, wenn er der kursächsischen Armee einige Präeminenz über die schwedische zugestände. Dagegen wolle er in seiner Antwort dem Arnim zu verstehen geben, wie redliche Feldherren sich reziprok gegeneinander zu verhalten hätten, damit das gemeine Wesen keinen Schaden litte.

Kurze Zeit hernach saß Graf Thurn beim Herzog Franz Albrecht von Sachsen-Lauenburg in einer Geißblattlaube. Die Sache sei nun beigelegt, sagte er, er trüge niemandem etwas nach, würde am liebsten Frieden und Freundschaft in der ganzen vereinigten Armee sehen, und deshalb sei er auch gekommen. Er sei des Kempfendorff Freund nicht, aber das könne er nicht verbergen, daß der Herzog ihm unrecht tue, wenn er ihn Hurensohn und Galgenvogel schimpfe; womit der Herzog das begründe?

Ach, sagte Franz Albrecht, der Kempfendorff sei einmal ein Hundsfott. Er, der Herzog, habe seinen Getreidevorrat auf rechtmäßige Weise zusammengebracht, da komme der verhenkerte Kerl und beanspruche unter nichtigen Vorwänden einen Teil davon. Wenn er ihm eine tüchtige Tracht Prügel anschmieren könnte, würde er es tun.

Aber er habe doch auf kurfürstlichen Befehl gehandelt, sagte Thurn, gewiß stecke der Arnim dahinter.

So hätte er es auf gelindere Manier anfangen sollen, beharrte Franz Albrecht; er müsse wissen, wie man einem Herzog aus uraltem fürstlichem Geschlecht aufzuwarten habe.

Er sei gewiß ein Ehrenmann, sagte Thurn, anders kenne er ihn nicht; vielleicht sei er gerade betrunken gewesen.

Nun ja, wenn er sich entschuldigte, wolle er es dabei bewenden lassen, sagte der Herzog; er tue das aber nicht wegen des Kempfendorff, der doch eine Hundsschnauze sei, sondern aus besonderer Liebe zum Grafen Thurn.

Thurn bedankte sich lebhaft und versicherte Franz Albrecht seiner Anhänglichkeit. Die Wohlgesinnten, sagte er, sollten doch in dieser Zeit gegen den gemeinsamen Feind zusammenhalten; hätte man vordem die heilige Konkordia besser geachtet, so stände es jetzt nicht so schlecht um die Evangelischen.

Der Herzog lobte Thurns aufrichtiges Herz, das nur allzu gut sei. Der Kempfendorff habe es nicht verdient, daß Thurn so wacker für ihn einträte, er habe Thurn erst kürzlich einen alten Kürbis und Faselhans tituliert, der an allem Unglück Böhmens schuld sei, weil er sich zum Feldherrn wie ein Sauhirt schicke und nach des Feindes Pfeife tanze.

Das Blut stieg Thurn ins Gesicht, und in seinen immer größer werdenden Augen malte sich Staunen und Entrüstung. Nein, er könne es nicht glauben, rief er, wenn Kempfendorff das von ihm gesagt hätte, müsse seine Seele ja geradezu in der Hölle geschwärzt sein.

Er schwatze unbedacht darauf los, sagte Franz Albrecht, das sei alles; der Graf solle es in Gottes Namen ruhen lassen. Für ihn sei es jetzt ohnehin Zeit, er habe noch etwas vor für die Nacht.

Nein, entrüstete sich Thurn weiter, wenn Kempfendorff von ihm, der es so redlich mit ihm meinte, so etwas gesagt hätte, so müsse er ja falscher als Judas sein. Er begriffe nicht, wieso einem solchen Lügner die Zunge nicht verfaulte.

Was Falschheit und Verleumdung betreffe, sagte Franz Albrecht leichthin, so wisse er ein Liedchen davon zu singen; man müsse sich dergleichen nicht zu Herzen nehmen, die schöne Nacht sei etwas Besseres wert.

Er stand auf, als Arnim dazukam, der, von Thurns Anwesenheit offenbar unangenehm überrascht, denselben kurz und steif begrüßte. Ob die Herren damit einverstanden wären, fragte er dann, daß man sich morgen in Verfassung setzte? Seine Offiziere berichteten, es herrsche große Unzufriedenheit unter der Mannschaft, daß man mit Stilliegen die gute Gelegenheit verpasse. Viele hätten ihn in Verdacht, er halte es mit dem Feinde; sein System und Grundsatz sei zwar, böse und einfältige Mäuler schwatzen zu lassen, und er tue es nicht deshalb; aber die Quartiere wären sowieso eng, und sie sollten mehr in Feindesland vorrücken.

Ihm sei alles recht, sagte Franz Albrecht; die Armee sei zwar durchaus nicht vorbereitet zum Schlagen, aber beim Stilliegen komme sie noch mehr herunter, also könne man etwas hasardieren.

Ob er nicht zuvor noch einmal zum Friedländer hinüber sollte? fragte Thurn. Er hätte immer gehofft, es käme noch zu einem guten Übereinkommen mit Wallenstein. Das letztemal hätte nicht viel gefehlt, daß sie sich verständigt hätten.

Vielleicht hätte es gerade an einigem Säbelrasseln gefehlt, sagte Arnim; mit Worten habe man es nun genug versucht.

Thurn sagte, ihm komme es so vor, als liege es an des Generals Krankheit, daß er gar so bedächtig sei. Über seine Gesinnung habe er gar keinen Zweifel. Er würde lieber das Schwert gegen den Kaiser als gegen die Schweden und Sachsen ziehen, die er sehr liebhätte.

Arnim sah vor sich nieder und scharrte mit seinem Stiefel im Sande, indes Franz Albrecht nach allen Seiten blickte und eine Melodie pfiff. Seine Meinung sei, ein Gefecht könne nicht schaden, sagte er nach einer Weile, die Herren möchten es untereinander ausmachen. Der Mond sei schon am höchsten, und das Geißblatt rieche stark, es müsse spät sein, und er habe eine Verabredung.

Er habe etwas gehört, sagte Arnim, indem er einen forschenden Blick auf den Lauenburger warf, als sei ein französischer Unterhändler verkleidet im Lager und als gehe Franz Albrecht damit um, die sächsische Armee an den König von Frankreich zu verkaufen. Ob sein Stelldichein etwa damit zu tun hätte?

Franz Albrecht lachte laut und anhaltend. Da kenne ihn Arnim wenig, sagte er, wenn er glaubte, er, Franz Albrecht, vertriebe sich die Nächte mit politischen Traktationen. Nein, wenn die Franzosen ihn zu dergleichen Prozeduren sollten veranlassen wollen, würde er Arnim mitnehmen, damit er gleich einen Zeugen für sein redliches Verhalten hätte. Aber der Vertrag, den er jetzt abschließen wollte, sei von der Natur, daß man ohne Zeugen um so besser eins würde, wenigstens halte er es so; und die Dame, um die es sich handle, sei so keusch wie Diana; ach was, Diana, eine Vestalin, eine Lukretia sei sie und würde sich auf der Stelle den Dolch in den Busen stoßen, wenn sie sich belauscht wüßte.

Er habe gestern ein Frauenzimmer in einer Kutsche ankommen sehen, ob es etwa die sei? fragte Thurn neugierig. Und ob das die Gewisse aus Böhmen sei, die um des Herzogs willen ihrer Familie davongelaufen sei? Der Herzog solle sich nur in acht nehmen, daß es nicht einen Überfall oder ein Duell gäbe.

Ein Duell wäre ihm gerade recht, sagte Franz Albrecht; übrigens wäre die Familie nicht so dumm, daß sie sich etwas gegen ihn herausnähme. Die Dame in der Kutsche sei allerdings die Rechte, es sei aber nicht die Gewisse aus Böhmen, sondern eine Jungfrau aus uraltem Adel, mehr könne er für jetzt nicht sagen und könne sie auch nicht länger warten lassen. Die Herren könnten sich denken, in was für einem Fieber das arme Ding läge, bis er da wäre.

Das Frauenzimmer in der Kutsche, sagte Thurn, als Franz Albrecht fort war, sei allerdings fein herausgeputzt gewesen; ob sie aber von altem Adel sei, komme ihm zweifelhaft vor, nachdem sie so allein im Lager umhervagiere.

Arnim zuckte die Schultern und sagte, es werde irgendeine Troßdirne sein.

Und ob denn wirklich etwas an dem sei, fragte Thurn weiter, was Arnim von den französischen Unterhändlern gesagt habe? Oder ob er es nur gleichsam zur Probe vorgebracht hätte?

Die französischen Unterhändler schössen ja jetzt allerorten wie Pilze auf, sagte Arnim. Daß der Herzog Heimlichkeiten mit dem Herrn von Feuquières habe, wisse er, glaube auch, daß er Geld von ihm annähme; aber er halte dafür, daß er den Franzosen betrügen wolle. Übrigens wolle er die ganze Sache dahingestellt sein lassen.

Am übernächsten Morgen schickte Franz Albrecht einen reitenden Boten an Arnim mit der Frage, was seine Meinung sei. Im feindlichen Lager sei allerdings keinerlei Bewegung mehr wahrzunehmen; aber da die Bataille einmal geordnet sei, könne man wohl doch vorrücken. Arnims Antwort lautete, ihm scheine es besser, vorher noch einen kleinen Kriegsrat abzuhalten, worauf die höchsten Offiziere sich versammelten. Sie saßen noch beieinander, als sie von der Richtung des Wallensteinischen Lagers her sich einige Reiter heranbewegen sahen, von denen einer eine weiße Fahne trug. Es zeigte sich, daß es ein Terzkascher Trompeter war, der Arnim ersuchte, in höchst wichtiger Friedensangelegenheit hinüberzukommen, welche Einladung anfänglich abgelehnt, nach längeren Weiterungen aber angenommen wurde. Es kränkte zwar Thurn, daß er Arnim nicht begleiten sollte, da jedoch ein anderer böhmischer Exulant, der in sächsischem Dienst stehende Herr von Fels, dazu bestimmt wurde, gab er sich zufrieden.

Terzka begrüßte die Ankömmlinge mit lauter, derber Herzlichkeit. Sie hätten wohl beiderseits auf eine hitzigere Begegnung gerechnet, sagte er; nun, er wäre auch dazu bereit. Mit tapferen Feinden sich zu messen, sei ja für jedes ritterliche Herz eine Ehre und Freude; aber als ein Liebhaber des Friedens und der keinerlei persönlichen Haß auf seine Gegner hätte, stimme er doch freudig in die Friedensvorschläge ein, die der Fürst, sein General, ihm aufgetragen hätte. Sie wären doch Narren, habe der General gesagt, daß sie einander die Köpfe zerstießen; ja, das wären seine selbsteigenen Worte. Was hätten sie im Grunde gegeneinander? Wären sie nicht alle des Kriegs müde? Sie sollten mehr Verstand haben, als sich von blindwütigen Spaniern und Jesuiten aufeinanderhetzen zu lassen.

Der Herzog von Friedland, sagte Arnim, kenne ihn als seinen ergebenen Diener und Verehrer, wie er auch ein guter Untertan des Kaisers sei. Wenn er sich als Beförderer des Friedens erweisen könne, so sei ihm nichts lieber; er halte es aus Gründen der Religion und Staatskunst mit Perikles und Thukydides, welche den Krieg nur als Mittel zum Frieden angesehen wissen wollten.

Er halte es allemal mit dem Herzog von Friedland, sagte Kolonna von Fels; er habe nie daran gezweifelt, daß Seine Durchlaucht das Römische Reich nebst Böhmen endlich in den ersehnten Friedens- und Glückszustand versetzen werde, da er es ja allein vermöge und an Einsicht und Kraft alle Kriegshelden und Staatsmänner Europas übertreffe.

Nun, sagte Piccolomini, wenn sie alle so guter Gesinnung wären, so würde es nicht schwer sein, daß sie sich einigten. Der Herzog habe die ernstliche Absicht, über einen Waffenstillstand zu traktieren, aus dem wie aus einer verheißungsvollen Knospe mit der Zeit die Friedensrose erblühen werde.

Bei dem zu Ehren der Gäste veranstalteten Festmahl erschien Wallenstein, augenscheinlich bei guter Gesundheit, aufgeräumt und zutraulich. Er sei nun fünfzig Jahre alt, sagte er, wolle endlich das große Werk ausführen, das er sich in der Jugend gesetzt, nämlich den Türken austreiben. Schande und Spott sei es, daß die Christenheit vor dem Hundsfott zittern müsse, heraus aus Europa solle er, möge immerhin in Asien sein Wesen weitertreiben.

Diese Ankündigung des Herzogs fand Beifall. Ein allgemeiner Krieg gegen den Halbmond wäre wohl schön und verdienstlich, sagte Herr von Burgsdorf; wenn man nur den Katholiken besser trauen könnte.

Wallenstein lachte. Ei, sagte er, der Herr habe eine gar schlechte Opinion von den Katholiken. Man habe doch lange Jahre leidlich miteinander gehaust.

Ja, antwortete Burgsdorf, das wäre in der guten alten Zeit gewesen. Den alten Katholiken wolle er auch nichts Übles nachsagen, er hätte es nur mit den Jesuiten; die hätten die mörderischen Prinzipien ins Reich eingeführt, durch die Treu und Glauben vernichtet wären.

»Da hat der Herr recht!« rief Wallenstein, »da spricht der Herr meines Herzens Meinung aus. Der Teufel soll sie allesamt holen, und damit desto geschwinder und gewisser exequiert wird, will ich sein Amt nehmen und Reichsverweser in der Hölle sein.«

Es erhob sich dröhnender Beifall. Die Vorsicht sei vonnöten, schrie Terzka, sonst möchten die Erzschelme auch den Teufel bestechen.

Es sei sehr zu beklagen, meinte Arnim, daß der Kaiser so große Stücke auf diesen Orden halte.

Das vampirische Geziefer habe ihn so eingesalbt, daß er es gar nicht bemerkte, wie sie ihm das Blut abzapften, sagte Terzka. Es müßten dem Kaiser die Augen geöffnet werden. Man sehe ja jetzt, wie gut sich Evangelische und Katholiken vertrügen. Bei Kavalieren müsse die Ehre, nicht die Religion den Ausschlag geben. Einen meineidigen Verräter könne keine Absolution der Welt weiß waschen. Sie wüßten wohl, daß es auch unter Türken und Tartaren Kavaliere gäbe, mit denen man ein Schwert kreuzen und einen Becher Wein trinken dürfte.

Auch er, sagte Piccolomini, sei kein Freund der Jesuiten. Er tue alles, was ein guter Katholik zu tun schuldig sei; aber das sei auch seine Meinung, daß die Religion nicht mit der Politik vermengt werden dürfe. So leicht werde man aber der Jesuiten nicht Herr werden können; wären sie auch aus dem Reiche ausgeschafft, so bliebe ihnen doch ihr Vaterland Spanien, das ihnen, wie die Mutter Erde dem Riesen Antäus, immer neue Kraft einflößen würde.

Freilich, sagte Wallenstein, man vertilge das Unkraut nicht, wenn man die Wurzeln stehen ließe. Spanien müsse vor allen Dingen klein gemacht werden. Es habe so wenig wie der Türke etwas im Reich zu suchen. Von Spanien komme ihm jeder Disgust, er wolle dafür sorgen, daß es im Reiche das Maul nicht mehr auftun dürfte. Die Pforte müsse einmal verstopft werden, aus der die Pest ins Reich fließe.

Was aber der Kaiser dazu sagen würde? wendete Arnim ein.

Der Kaiser? sagte Wallenstein; wenn sie alle eines Willens wären, werde sich der Kaiser auch bequemen müssen. Dafür solle Arnim ihn sorgen lassen. Er zog die Stirn in dicke Falten, und aus seinen schwarzen Augen loderte es düster wie Feuer aus Pechpfannen.

Nachdem der Herzog sich zurückgezogen und die Trunkenheit zugenommen hatte, erzählte Terzka, daß die bevorstehende Ankunft des Herzogs von Feria, der spanische Truppen aus Mailand ins Reich führen sollte, Wallenstein ausnehmend alteriert habe. Es gehe gegen die mit ihm geschlossenen Verträge und geschehe ihm zum Despekt; er sei aber nicht der Mann, einen solchen Affront ungerächt zu lassen. Die Herren dürften also ihr Mißtrauen fahren lassen, der General habe ernstlichen Grund, ihre Freundschaft zu suchen.

Nun gut, sagte Arnim, der vollkommen nüchtern war, er wolle, wenn er wieder im Lager wäre, die Friedenspunkte, wie sie sie mündlich besprochen hätten, aufsetzen und dem General zur Bestätigung zuschicken, dann seinem Herrn, dem Kurfürsten, vorlegen.

Auf einer Zusammenkunft mit diesem berichtete Arnim das Vorgefallene, indem er zu äußerster Vorsicht riet. Erstens laufe man Gefahr, sich mit dem Kaiser zu verwickeln, der zwar Wallenstein Vollmacht gegeben habe, über den Frieden zu traktieren, aber doch schwerlich so weit werde gehen wollen wie sein General. Sodann müsse man auch die Schweden berücksichtigen, die leicht Mißtrauen schöpfen könnten, und schließlich könne es auch Wallenstein, anstatt auf einen ehrlichen Frieden, auf List und Überrumpelung abgesehen haben. Sein Rat war demnach, sich mit Brandenburg zu verständigen und Wallenstein möglichst hinzuhalten, bis er sich weiter herausließe und seine schimärischen Verheißungen besser verbürgte.

*

Als Graf Kinsky abends, als es dämmerte, in Dresden auf die Straße trat, lag die Luft bleischwer auf dem Pflaster; sie schien von der Hitze wie von einem Gift durchdrungen zu sein, das sie vergebens auszuscheiden gesucht hatte und von dem überwältigt sie nun hinsiechte. Kinsky hatte nur einige Schritte gemacht, als er einem Leichenwagen begegnete: es war ein schlechter Karren, dessen Ladung obenhin mit einem abgegriffenen schwarzen Tuche verdeckt war und den das magere Pferd nur langsam von der Stelle brachte, obwohl der Fuhrmann fluchend darauf einhieb. Hintenauf saß ein Knecht, ließ die Beine baumeln und wechselte Scherzreden mit den Vorübergehenden. Der Graf blickte angewidert zur Seite und erreichte mit beschleunigtem Schritt bald das schmale, dunkle, nach Norden gelegene Haus, das der schwedische Resident Nikolai bewohnte und in dem es ihn kalt wie in einem Keller anhauchte. Schon auf der Treppe hörte er die knarrende Stimme des Hofpredigers Hoë, der eben bei Nikolai um eine Belohnung für die Dienste anhielt, die er den Schweden nun seit Jahren geleistet habe. Er habe sich ein Gütlein gekauft und dabei in Schulden verstrickt, klagte er, wie es beim Bauen zu gehen pflege, sonst würde er nicht drängen. Auch schmerze es ihn, zu sehen, wie so mancher mit Gnaden überhäuft werde, der nicht halb soviel Herz für die schwedische Sache habe wie er, und es sei doch gewiß ein christliches Verlangen, daß der lieben Gerechtigkeit auf Erden Genüge geschehe und das Verdienst seinen Lohn empfange.

Der Eintritt Kinskys unterbrach das Gespräch. »Euer Gnaden sehen bleich aus, als ob Ihr ein Gespenst begegnet wäre«, sagte Nikolai, seinem Gast entgegengehend.

Es habe ihn ein Frösteln überlaufen, sagte Kinsky, als er aus der Schwüle der Straße in Nikolais kalten Hausflur getreten sei.

Ja, die Sonne scheine jahraus, jahrein nicht in sein Haus, sagte Nikolai, das genieße er jetzt; er habe nicht wie andere von der Hitze zu leiden.

Der Wechsel sei aber auch ungesund, sagte Kinsky, es schaudere ihn noch bis in die Knochen.

»Wir stehen alle in Gottes Hand,« sagte Hoë, die Stimme laut erhebend, »der Mensch sollte nicht so viel sorgen.« Er habe übrigens vernommen, fuhr er fort, daß Kinsky ein Söhnlein verloren habe, und trage christliches Erbarmen mit seinem Leid, sei aber überzeugt, Gott wisse, wozu es gut sei.

Jetzt sei ihm auch das Töchterlein erkrankt, sagte Kinsky, und schwebe in großer Gefahr. Ob es etwa Nikolai unlieb sei, daß er ihn aufsuchte? Sein Haus werde aber täglich mit Wacholderbeeren ausgeräuchert.

Nikolai erklärte, nicht ängstlich zu sein; ohnehin grassiere ja jetzt die Pest so, daß man sich nicht davor schützen könne, sondern es Gott anheimstellen müsse.

Seine Durchlaucht, der Kurfürst, sei ja auch da, sagte Hoë, ohne Zweifel werde Gott seine Hand über diesem werten Haupte halten. Er neige dahin, zu glauben, daß die Seuche eine von Gott verhängte Strafe sei, die der Unschuldige und Gerechte nicht zu fürchten brauche, außer daß er sie etwa als nützliche Prüfung willkommen heißen müsse. Mit diesen Worten und einem herablassenden Kopfnicken verabschiedete sich der Hofprediger und stampfte langsam die Treppe hinunter.

Während ein Diner in dem nun ganz verdunkelten Zimmer einige Kerzen anzündete, sagte Kinsky, wenn sein Töchterlein nicht erkrankt wäre, würde er schon nach Pirna übergesiedelt sein, wo reinere Luft sei, und er wolle es auch effektuieren, sobald es sich mit dem Kinde so oder so entschieden hätte. Er habe Nikolai zuvor noch einmal begrüßen wollen.

Nikolai bedankte sich; er sei um so mehr erfreut, Kinsky zu sehen, als wunderliche Zeitungen vom Kriegstheater einliefen, über die Kinsky vielleicht einige Auskunft geben könnte. Ob es denn wahr sei, daß der Krieg in Schlesien sistiert sei und daß der Frieden bevorstehe? Er habe einen Brief vom alten Grafen Thurn empfangen, der aber so kraus und extrem ausgefallen sei, daß sich nichts Gewisses darauf basieren ließe.

Was denn Thurn geschrieben habe? erkundigte sich Kinsky.

Nikolai antwortete, er habe den Brief schon an Oxenstierna weitergeschickt, sonst würde er ihn vorlesen. Er handle von einem bereits beschlossenen Waffenstillstand und daß Wallenstein seine Armee mit der kursächsisch-schwedischen vereinigen wolle, um den Kaiser zum Frieden zu zwingen. Ferner davon, daß der Kaiser, falls er sich widersetzte, auf seine welschen Erblande, Steiermark und Krain, reduziert werden solle und daß Schweden mit Mecklenburg und Pommern, Wallenstein wegen Mecklenburg mit Böhmen solle entschädigt werden.

So im einzelnen wären ihm die Punkte freilich nicht bekannt, sagte Kinsky; für gewiß wisse er aber, daß Wallenstein sehr erzürnt auf den Kaiser sei und sich von ihm lossagen wolle.

So, so, sagte Nikolai; er habe sich doch aber dem Bubna gegenüber wegen der offenen Ruptur mit dem Kaiser durchaus nicht erklären wollen.

Wallenstein vertraue sich seinen Landsleuten nicht gern an, sagte Kinsky, weil er sie als Schwätzer kenne. Außerdem habe sich inzwischen manches verändert. Er, Kinsky, wisse durch seine Spione, daß Questenberg im Lager gewesen sei und neue Forderungen des Kaisers überbracht habe, nämlich daß Wallenstein einen Teil seiner Armee an den Feria abtreten und künftig den Krieg nur im Osten zu führen haben solle, während Feria im Westen bliebe. Darüber sei Wallenstein in eine Furie geraten und habe stracks den Terzka zum Arnim wegen eines Waffenstillstands geschickt.

Nikolai nickte; es scheine sich also in Wahrheit so zu verhalten. Bevor es zum Abschluß käme, würden aber die Friedenspunkte doch dem Kanzler Oxenstierna vorgelegt werden? So treulos könne Arnim doch wohl nicht sein, daß er über Schweden hinweg mit Wallenstein abschlösse?

Ach nein, das stehe gar nicht zu befürchten, sagte Kinsky; was würde es auch helfen, einen Frieden zu schließen, in dem Schweden nicht begriffen sei?

Nun, meinte Nikolai, in diesem Krieg wären schon viel Bündnisse herüber und hinüber geschlossen worden, etwas Unerhörtes wäre es nicht, wenn sich der Kaiser und Sachsen einmal gegen Schweden zusammentäten. Dem Arnim traue er einmal nicht; von Wallenstein habe er keine genaue Kenntnis, doch solle er auch eines ziemlich labyrinthischen Gemütes sein.

Wallenstein habe doch schon mit dem verstorbenen König in Traktaten gestanden, sagte Kinsky. Und was sollte er eigentlich gegen Schweden haben? Mit dem Kaiser müsse er aber früher oder später zusammenstoßen, Böhmen und Habsburg reime sich einmal nicht.

Nikolai stützte den Kopf in die Hand und blickte gedankenvoll in das stille rötliche Licht der Wachskerzen. Er könne sich doch gar nicht vorstellen, sagte er endlich, daß Wallenstein sich wirklich zum König von Böhmen sollte machen wollen, noch warum die Böhmen es wünschen sollten. Wallenstein sei auch katholisch, noch dazu gewalttätiger als der Kaiser, fahre drein wie ein Dionys oder Kambyses, habe schließlich nicht einmal einen Erben, so daß nach seinem Tode der Tanz von neuem beginnen würde. Auch scheine der Tod ihm nahe bevorzustehen, und es komme ihm unnatürlich vor, daß ein Sterbender sich noch so tief und verhängnisvoll in irdische Angelegenheiten solle verwickeln wollen.

Das Bedenken habe er früher auch gehabt, sagte Kinsky, aber die Astrologen hätten Wallenstein erst kürzlich nahe bevorstehenden Triumph und Krönung geweissagt, und ein Arzt habe ihn, Kinsky, darauf aufmerksam gemacht, daß der Fürst die große Klimax nun glücklich überstanden habe. Wenn übrigens der Kaiser sich darauf einließe, den Zustand des Jahres 1618 in Böhmen wieder herzustellen, so bedürfe es ja keiner Gewaltsamkeiten. Er für seine Person würde natürlich am liebsten einen evangelischen Fürsten auf Böhmens Thron sehen, habe ja auch 1619 für den Kurfürsten von Sachsen votiert, wie Nikolai wohl bekannt sein werde.

Nikolai sagte, daß des Kurfürsten Wagemut leider in Bier ersoffen sei, wenn er je dergleichen gehabt hätte. Das gefalle ihm aber am Kurfürsten, sagte er, daß er die Franzosen nicht leiden möchte; er, Nikolai, wünschte sich auch nichts Besseres, als daß sie die schlüpfrigen Bundesgenossen loswerden könnten. Vielleicht lasse sich's tun, wenn Wallenstein, Sachsen und Schweden einig würden. Soviel er gehört habe, wolle Wallenstein auch von den Franzosen nichts wissen?

Kinsky, der heimlich mit dem französischen Gesandten Feuquières über ein Bündnis mit Wallenstein verhandelte, erschrak ein wenig und warf einen prüfenden Blick auf Nikolai, ob er etwa Verdacht geschöpft und die Frage absichtlich, um ihn auszuholen, gestellt habe; da der Schwede ihm aber ganz unbefangen vorkam, sagte er, daß Wallenstein allerdings ein geschworener Feind der Franzosen sei. Erst kürzlich habe er gesagt, sie wären gefährlicher als die Spanier, denn die wären so verhaßt, daß man sie ohnehin nicht lange duldete, die Franzosen aber wüßten sich beliebt zu machen und nisteten dadurch ganz unvermerkt ihr Dominium ein.

»Das Geld, das Geld!« sagte Nikolai sinnend; »die gemeine Sage mag recht haben, daß es Teufelsdreck ist und daß derjenige, der es aufliest, sich der Hölle verpfändet.«

Kinsky, die großen schwarzen Augen ängstlich auf Nikolai richtend, stimmte ihm zu. Es habe ihn kürzlich, erzählte er, ein vertriebener böhmischer Prediger besucht, der habe gesagt, die Evangelischen würden verdientermaßen so lange in Unglück und Todesnot schweben, wie sie sich mit dem König von Frankreich einließen, der im eigenen Lande das Wort Gottes und seine Bekenner ausrottete. Das möge auch wohl an dem sein; der alte Graf Zierotin habe einmal gesagt, er habe zur Zeit Heinrichs IV., den er hoch verehrt habe, keinerlei Frömmigkeit und Ernst in Frankreich gefunden. Was wolle man aber machen? Das Evangelium trage nur himmlische Früchte, und man bedürfe doch des Geldes, um auf Erden zu bestehen.

Ja, das Dilemma würden sie wohl nicht lösen, sagte Nikolai, nachdem sein teurer, verstorbener König es nicht vermocht hätte. Es sei vielleicht eine Folge der Erbsünde, daß etwas Trug und Abgötterei auf Erden immer mit unterlaufen müsse.

Als Kinsky aufbrechen wollte, bot ihm Nikolai einen Schluck Branntwein an: Kinsky habe eine so gar bleiche Gesichtsfarbe, und der Branntwein sei ein vorzügliches Spezifikum gegen Pest und allerhand Seuchen.

»Der Tod ist jetzt in diesen Gegenden stabiliert«, sagte Kinsky. Seine Schwiegermutter auf Nachod sei nun auch gestorben. In der habe Schweden eine mächtige Freundin verloren. Ihre Tochter, seine Frau, der zugleich das Kind gestorben sei, könne sich nicht trösten und habe gesagt, nun der Honig aus der Welt sei, möge der hohle Stamm immerhin zusammenbrechen. Der alte Terzka werde auch bald nachfolgen; denn er habe sich immer, ohne es zu wissen, auf seine Frau verlassen.

Bis in die Nacht hinein schrieb Nikolai an den Kanzler, um das eben gehabte Gespräch sogleich festzuhalten. Trotz der Versicherungen Kinskys ängstigte ihn der unverhoffte Waffenstillstand, der ihm nur den Vorteil Sachsens und Wallensteins zu bezwecken schien. Hätte doch Oxenstierna, dachte er, einen anderen als den alten Mathes Thurn nach Schlesien geschickt, der dem Arnim an Verschlagenheit nicht gewachsen war und der den verfänglichen Wallenstein nur durch das bunte Glas seiner Hoffnungen und Wünsche betrachtete! Hatte denn Schweden keinen aufrichtigen Freund in Deutschland? Er kam sich vor wie ein Wächter auf dem Turme und beschloß, wach zu sein und zu vigilieren, um jede heranschleichende Gefahr sogleich melden zu können.

*

Im Wallensteinischen Lager wurde die Rückkehr Arnims erwartet. Illo und Terzka ergingen sich oft in weitläufigem Ausmalen der Zukunft, wenn alles nach Wunsch ginge, was ihnen um so weniger zweifelhaft schien, als von Oxenstierna ein heimliches Schreiben kam, worin er Wallenstein seine Hilfe in Aussicht stellte, falls er die böhmische Krone zu erwerben willens sei. Wallenstein beteiligte sich an diesen Gesprächen meist nur dadurch, daß er zuhörte oder hie und da ein Wort einwarf; er fragte seine Getreuen mehrmals, ob sie glaubten, daß die Konjunktion mit Sachsen zustande käme, und konnte seine Unruhe über den Erfolg der Arnimschen Reise nicht verbergen.

Der Arnim sei ihm das letztemal recht schelmisch vorgekommen, sagte er gelegentlich zu Terzka. Nun freilich sei er ein Heuchler, lachte dieser; das wüßten sie ja aber längst und könnten sich davor schützen.

Die Lust, Ränke zu schmieden und Unheil zu stiften, liege in seiner Natur, fuhr Wallenstein fort, das sei sein Saufen und Würfelspiel; er, Wallenstein, habe lieber mit Hurern und Trunkenbolden zu tun als mit dem fuchsschwänzigen, mönchischen Brandenburger.

Sowie Arnim wieder im Lager eingetroffen war, schickte er Bericht an Wallenstein: Der Kurfürst finde die sämtlichen von Wallenstein vorgeschlagenen Punkte hochweise und vernünftig; auch zweifle er, Arnim, nicht, daß es zu erwünschter Verständigung kommen werde, doch habe der Kurfürst gemeint, er dürfe die zur Zeit unter der Vermittelung des Königs von Dänemark schwebenden Friedensverhandlungen nicht durchkreuzen und wolle ein wenig zuwarten, was für Effekt daraus zu verspüren wäre. Inzwischen würde er gern sehen, daß der Waffenstillstand verlängert würde, damit die Konjunktion der Armeen weiterhin in Konsideration gezogen werden könnte.

Während Terzka und Illo über das leidige Zaudern und Hinhalten des Kurfürsten schimpften, sagte Wallenstein gleichmütig, man habe nichts anderes erwarten können, auch lasse sich eine so schwere Sache wirklich nicht übers Knie brechen. Arnim dankte er, indem er seine wohlbekannte Dexterität und heroische Bemühung rühmte, durch welche er das nützliche Werk so weit gefördert habe.

In seiner Brust wühlten indessen Empfindlichkeit und Grimm. Glaubten etwa diese Leute, ihn wie einen Bettler vor der Tür auf ein Almosen warten lassen zu dürfen? Bedurfte er ihrer, oder war es umgekehrt? Konnte er nicht mit Hilfe Frankreichs zu seinem Ziele gelangen? Ohnehin waren ihm die niederträchtigen Sachsen verhaßt, zu schweigen von den vorlauten Schweden. Lag ihm denn überhaupt etwas an der böhmischen Krone, wie der gemeine Haufe, die eigenen unbesonnenen Triebe auf ihn übertragend, sich einbildete? Er hatte ja Macht genug, regierte ja den Kaiser und den König von Böhmen; sollte er ein solcher Geck sein, diese Herrschaft für ein Blendwerk zu hasardieren? Er wollte vielmehr Ruhe haben, Ruhe vor Feinden und Freunden.

Als der Waffenstillstand ablief, kamen Arnim, der Herzog von Sachsen-Lauenburg, der alte Thurn und mehrere andere Offiziere aus dem sächsisch-schwedischen Lager nach Strehlen, wo damals Wallensteins Quartier war, um, wie vorausgesetzt war, die Verlängerung der Waffenruhe festzusetzen. Ein Bankett wurde gerichtet, an dem auch der Herzog teilnahm, der sich ausnehmend gut gelaunt zeigte; daß er schweigsam war, fiel nicht auf, da das seine Art war und auch das Toben und Schreien der Zechenden früher als sonst die Stilleren überschwemmte. Der ungewöhnliche Durst, den die Hundstagshitze erzeuge, müsse mit ungewöhnlichen Weingüssen gelöscht werden, sagte Illo einladend, und Wallenstein fügte ermunternd hinzu, die Herren müßten den Gott Bacchus wegen seiner und Arnims Nüchternheit versöhnen; sie möchten sonst von den empfindlichen Mänaden zerrissen werden.

Wenn er hörte oder läse, sagte Terzka, wie die alten Götter sich nach Belieben in Tiere hätten verwandeln können, so freue es ihn allemal, daß die Menschen im Wein einen Zauber besäßen, vermittelst dessen sie dergleichen zu tun vermöchten. Ihm scheine nichts wonniger, als wenn anstatt der Systeme und Prinzipien, die sonst das menschliche Gehirn vergitterten, plötzlich das purpurne Chaos ein bestialisches Haupt anfüllte.

Was? rief Illo; er schwatze mit Feuerzungen wie die Heiligen am Pfingsttage!

Das wäre wohl zu glauben, sagte Terzka, daß der ausgegossene Geist himmlischen Trauben ausgepreßt gewesen sei.

Franz Albrecht von Lauenburg sagte, er halte umgekehrt dafür, daß der gemeine Mensch ohne Wein nur ein Vieh sei. Die Götter im Olymp wären ja auch immer betrunken gewesen, und was ihn betreffe, so wolle er lieber ohne Brot als ohne Wein leben. Er erzählte, wie er kürzlich, da ihm im Lager der Wein ausgegangen wäre, sich welchen verschafft hätte: er habe einen verschlagenen und verwegenen jungen Burschen in seinem Dienst, dem habe er ein Fähnlein versprochen, wenn er sich wacker gebrauchen ließe; der habe ausgekundschaftet, daß eine Ladung Wein für den Landgrafen von Hessen-Darmstadt in der Nähe vorbeikäme, habe sich mit ein paar anderen Gesellen verkleidet, die Fuhrleute überfallen und ein paar Fässer davongebracht, ohne daß jemand die geringste Wissenschaft von den Tätern bekommen hätte.

Solche schlaue und ehrgeizige Kerle wären unschätzbar, sagte Piccolomini, und er habe auch einen, dem er in Krieg und Frieden die heikelsten Sachen anvertraute. Kürzlich habe er in Olmütz ein hübsches Bürgermädchen gesehen, die er gern einmal zum Nachtessen bei sich gehabt hätte, sie sei aber spröde gewesen, und er habe nicht gewußt, wie er ihrer habhaft werden könnte. Da habe der Bursche sie durch eine listige Vorspiegelung in eine Kutsche einzusteigen bewogen und zu ihm gebracht, wo er denn für das Weitere gesorgt hätte. Am folgenden Morgen habe er sie mit einem Schmerzensgeld heimgeschickt.

Diese Geschichte gab dem Lauenburger Anlaß, die Gesundheit des Frauenzimmers vorzuschlagen, worauf plötzlich Wallenstein die Stimme erhob und sagte, er als General und treuer Diener des Kaisers könne nicht dulden, daß eine andere Gesundheit vor der seines kaiserlichen Herrn getrunken werde.

In dem augenblicklichen Stillschweigen, das entstand, brummte Illo, sie wären unter Kameraden, da brauche es nicht so feierlich herzugehen; hingegen rief der alte Thurn gerührt, er sei dabei, des Kaisers Gesundheit zu trinken. Wenn auch Widerwärtige ihn als Rebellen ausschrien, so habe er doch ein Herz für den Kaiser, wisse, was für ein gutes frommes Gemüt er habe, und wünsche nichts mehr, als mit gutem Gewissen in des Kaisers Dienst treten zu können.

Zum wenigsten, sagte Wallenstein scharf, sei es des Kaisers Schuld nicht, wenn jetzt die Schwerter wieder aus der Scheide müßten; er habe durch ihn, Wallenstein, die Friedenshand dargeboten.

Arnim warf einen erschrockenen Blick auf den General, aus dessen fahlem Gesicht die Augen düster hervorlauerten. Er habe Seine Durchlaucht wohl nicht richtig verstanden, sagte er, er sei ja gekommen, um den Waffenstillstand, die Pforte des Friedens, zu erneuern.

Das sei auch seine Meinung, entgegnete Wallenstein; aber da der Kurfürst von Sachsen so vorsichtig und argwöhnisch sei, verlange die Politik von ihm dasselbe und bedürfe er einer Bürgschaft, daß es dem Gegenpart ernst mit der Friedensneigung sei. Arnim solle ihm Schweidnitz und Jauer einräumen, das wolle er als ein Pfand der kurfürstlichen Friedenslust ansehen.

Er könne nicht wohl glauben, sagte Arnim, daß dies des Herzogs ernstlicher Wille sei; der Kurfürst müsse ihm ja auch ohne Pfand trauen.

Er verlange es keineswegs, sagte Wallenstein; wenn der Kurfürst ihm nicht traue, solle er es laut sagen.

Ob der General damit die Verhandlungen beenden wolle? fragte Arnim.

Wenn Arnim es so auffaßte, erwiderte Wallenstein, sei es ihm recht; er sei des Kunktierens und der Ränke überdrüssig.

Ein allgemeiner Aufbruch entstand, und nachdem die Gäste sich entfernt hatten, drängten die friedländischen Offiziere sich erstaunt und bestürzt um ihren Feldherrn. Man hätte ja, sagte Illo, den hundsföttischen Sachsen ein paar Dörfer abbrennen können, ohne deswegen die Unterhandlungen abzubrechen. Wallenstein sagte, er bedauere, sich mit den unredlichen Leuten eingelassen zu haben, er wolle ihnen so über den Kopf kommen, daß sie ihre Falschheit bereuen sollten.

Geschwind und heimlich brach er auf, um Schweidnitz zu überrumpeln, das jedoch durch Arnim und Thurn rechtzeitig entsetzt wurde. Nur wenige Tage darauf erhielt Arnim einen Brief Wallensteins: es sei ihm sehr leid, daß sich die Unterhandlungen wegen des Friedens zerschlagen hätten, es sei nicht seine Schuld gewesen, wie er denn auch bereit sei, die Traktate wieder aufzunehmen und eine Waffenruhe herzustellen, um den Fortgang derselben zu fazilitieren.

Kopfschüttelnd las Oxenstierna den Bericht des alten Grafen Thurn von diesen Vorgängen: er wisse sich das extravagante Benehmen des Herzogs nicht zu deuten, schrieb Thurn, und möchte fast denen recht geben, die ihm eine Gemütskonfusion zuschrieben. Antwortend ermahnte der Kanzler Thurn, gut aufzuachten und sich nicht überlisten zu lassen; denn es sei dem Friedländer einmal nicht zu trauen, und die mäandrischen Traktate würden zum Schaden Schwedens auf einen Separatfrieden des Kaisers mit Sachsen hinauslaufen, wenn nicht auch Sachsen durch den erprobten Lügner betrogen würde.

Vom nördlichen Kriegsschauplatze trafen indessen gute Nachrichten ein. Als Abgesandter des Herzogs Georg von Lüneburg berichtete Herr von Hodenberg von dem großen Siege seines Herrn bei Hessisch-Oldendorp, dem die Einnahme Hamelns gefolgt war. Die kaiserlichen Feldherren suchten einer dem andern die Schuld an dem Verluste zuzuschreiben: Merode, der verwundet nach Köln transportiert und dort gestorben war, hatte auf dem Sterbebette seinen Vetter, einen anderen Merode, für das Unglück verantwortlich gemacht. Dem Gronsfeld, sagte Herr von Hodenberg, sei nun das Grafenhütlein, das der alte Tilly ihm nach der Schlacht bei Lutter aufgesetzt, häßlich zerhauen, er werde sich eine Weile nicht mehr können blicken lassen.

Des Umstandes, daß Oxenstierna vor mehreren Wochen auf Knyphausens Betreiben dem Herzog Georg befohlen hatte, von der Belagerung Hamelns abzustehen, und daß Georg sich mit diesem Befehl durch gänzliche Nichtbeachtung desselben auseinandergesetzt hatte, wurde jetzt beiderseits nicht gedacht; vielmehr beglückwünschte Oxenstierna den Gesandten zu dem rühmlichen Erfolge, worauf dieser sich seines eigentlichen Auftrags entledigte. Herzog Georg, sagte er, habe der gemeinen evangelischen Sache nun wiederum einen erheblichen Dienst geleistet, obwohl er noch nie eine Belohnung von der Krone Schweden erhalten hätte. Als der verstorbene Held, König Gustav, auf deutschem Boden erschienen sei, habe der Herzog sein Schwert für ihn gezogen und es tapfer und treu, ohne abzuweichen, geführt, habe auch schöne Versprechungen vom hochseligen König erhalten, aber immer noch keine Realrekompens erblickt. Er sei nun bei dem mühseligen Soldatenleben grau und etwas ältlich geworden, möchte gern einmal einen Ertrag sehen.

Das erkenne er an, sagte Oxenstierna, der verstorbene König habe große Stücke auf Herzog Georg gehalten, und er, Oxenstierna, den der König seiner besonderen Freundschaft gewürdigt habe, betrachte sich als den Vollstrecker seines Willens. Herzog Bernhard von Weimar sei ja nun auch formaliter in sein Herzogtum Franken eingeführt, alle Welt müsse erkennen, daß er, Oxenstierna, nichts für sich begehre, sondern die evangelischen Fürsten groß machen wolle.

Die Forderungen des Herzogs, mit denen der Gesandte nun herausrückte, erstreckten sich außer auf das Eichsfeld, welches ihm Gustav Adolf versprochen hatte, auf die Bistümer Minden und Verden, wozu noch Geld und andere Nebendinge kamen; was alles in einer Schenkungsurkunde zu versprechen Oxenstierna sich bereitwillig bequemte, den Ausgang der Zukunft anheimstellend.

*

Der Quartiermeister solle sich gefälligst erklären, sagte Feuquières zu diesem Herrn, ob der Kurfürst von Sachsen der Meinung sei, er solle sein Bett unter freiem Himmel aufschlagen oder er solle in der Vorstadt bleiben?

Ei bewahre, antwortete der Quartiermeister, da könne ihm ja bei den unverhofften Einfällen des Feldmarschalls Holk eine feindliche Kugel ins Fenster schlagen.

Ja, was der Kurfürst denn meinte? sagte Feuquières ungeduldig. Seine Diener hätten kein passendes Hotel für ihn in Dresden auftreiben können.

Der Quartiermeister erklärte sich bereit, die Diener des Gesandten zu begleiten; es werde sich schon ein Plätzchen auftreiben lassen. Mit einem Plätzchen sei ihm nicht gedient, rief Feuquières, er müsse ein geräumiges Haus haben, wie es sich für einen Vertreter des Königs von Frankreich schicke.

»Wer sucht, der findet«, sagte der Quartiermeister. Er sei bereit, bis Mitternacht zu suchen.

Feuquières stampfte mit dem Fuße auf. Damit sei ihm aber nicht gedient! Er wolle keine Nacht mehr in der Vorstadt zubringen.

Nun, dann wolle er keine Zeit verlieren, sagte der Quartiermeister und machte sich mit einigen Dienern des Gesandten auf den Weg. Nach einer Liste der verfügbaren Wohnungen durchliefen sie die Straßen schweigend; denn aus Unkenntnis ihrer Sprachen konnten sie sich nur mühsam verständigen. Viele Häuser lehnten die Diener des Gesandten schon nach flüchtiger Betrachtung des Äußeren durch eine Gebärde ab. Vor einem hohen Gebäude, das einen einigermaßen herrschaftlichen Eindruck machte, blieben sie stehen und sahen den Quartiermeister fragend an, der zuerst die Schultern zuckte, dann mit dem Kopfe nickend sich einverstanden erklärte, es anzusehen. Im Flur fiel ihnen ein starker Geruch auf, der aus Essig und Wacholder gemischt zu sein schien. Auf einem eichenen Tische stand eine Schüssel mit irgendeinem steifgewordenen Brei und ein Teller mit Brot; ein umgefallener Krug hatte seinen Inhalt, augenscheinlich Bier, auf den steinernen Boden ergossen, und er stand, am Rande versiegt, zum Teil in dunkler Lache. Es sah aus, als hätten die Bewohner in hastiger Flucht das Haus verlassen. Einer der Franzosen öffnete die nächste Tür, blieb aber mit einem Schrei des Schreckens auf der Schwelle stehen: auf einem Bette lag ein Toter, halbnackt, mit verkrümmten Gliedmaßen, blaue Flecke auf dem verzerrten Gesicht. Der Quartiermeister packte den von Entsetzen Gelähmten am Arme und zog ihn aus dem Hause, den anderen nach, die sogleich davongelaufen waren; erst nach einer Weile blieben sie stehen, um den Quartiermeister in französischer Sprache mit Vorwürfen zu überhäufen. Dieser schüttelte den Kopf und wies auf ein rotes Kreuz an einer Haustür, womit er sagen wollte, ein solches Zeichen bedeute, daß hier jemand an der Pest gestorben sei, und ein ebensolches Zeichen sei auch an dem betreffenden Hause gewesen. Um die Franzosen zu versöhnen und ihre bleichen Gesichter wieder zu färben, führte er sie in das nächste Wirtshaus, ließ Wein bringen und erzählte dem Wirt das häßliche Abenteuer. Die Totengräber, erklärte dieser, hätten sich am vorigen Abend trotz des Klagens der Nachbarn geweigert, den Toten mitzunehmen unter dem Vorwande, ihr Karren sei schon vollgeladen, sie wären müde und wollten Feierabend machen; nun schienen sie ihn leider vergessen zu haben. »Das sind verfluchte Kerle,« sagte der Quartiermeister, »ehrlichen Leuten einen solchen Braten aufzutischen!«

Man sehe ihnen den Schrecken noch an, sagte der Wirt; sie sollten nur fest trinken, der Wein sei wie Feuer, fresse das Pestgift auf. Es sei noch nie ein Besoffener an der Pest gestorben.

Am folgenden Tage erschienen einige kurfürstliche Räte bei dem erzürnten Gesandten, um ihn zu beschwichtigen. Es treffe sich unglücklich, sagten sie, daß am Tage zuvor das Gefolge des Prinzen von Holstein eingetroffen sei, des Verlobten der ältesten Tochter ihres Herrn; daher sei die Stadt überfüllt.

Sie wagten also, sagte Feuquières, ihm Leute vorzuziehen, deren Herr dem seinigen weit nachstehe! Das sei eine neue Beleidigung. Er sehe klar, daß der Kurfürst seine Anwesenheit nicht wünsche, und werde danach handeln. Bei seinem letzten Aufenthalt in Dresden hätten sie ihm zu verstehen gegeben, daß der Kurfürst gern 100 000 Reichstaler von seinem König annehmen werde; er habe das berichtet, und der König habe es gut aufgenommen in der Hoffnung, er setze dadurch den Kurfürsten instand, den Krieg nachdrücklicher zu betreiben. Unter den obwaltenden Umständen könne von dem Gelde nicht mehr die Rede sein.

Oh, sagten die Räte, das werde dem Kurfürsten sehr empfindlich sein. Es sei durchaus nicht des Kurfürsten Schuld, daß Feuquières nicht seinem Range gemäß untergebracht sei, er sei seinem Schwiegersohn entgegengereist und werde erst am nächsten Tage zurückkommen. Feuquières könne überzeugt sein, daß der Kurfürst ihn gut aufnehmen werde; an dem Gelde sei ihm außerordentlich viel gelegen.

Auch der Hofprediger Hoë, der sich für empfangene 2000 Reichstaler bedankte, machte einen Versuch, seinen Herrn zu entschuldigen, wurde aber von Feuquières unterbrochen, der sagte, dadurch mache Hoë die Sache nur schlimmer. Wer den Kurfürsten entschuldige, beleidige ihn gleicherweise.

Das sei leider nicht zu leugnen, sagte Hoë lächelnd, daß der sächsische Hof eine gewisse bäurische Plumpheit noch nicht ganz abgestreift habe. Er bedaure es sehr, daß ein so mächtiger Reichsfürst die feine Sitte, wie Frankreich sie unübertrefflich hervorgebracht und ausgebildet habe, nicht annehmen wolle. Soviel er könne, wirke er darauf hin; aber man müsse bekanntermaßen mit Fürsten glimpflich umgehen, da sie stachelig und gefährlich zu sein pflegten.

Er fürchte sich nicht, sagte Feuquières, und werde es den Kurfürsten unverhohlen merken lassen, daß er sich für eine derartige Behandlung zu hoch schätze.

*

Der Statthalter von Stettin, Steno Bjelke, wurde von zwei Kammerdienern mit vieler Mühe und unter gräßlichen Flüchen angekleidet, um nach Wolgast zu reisen und die Leiche Gustav Adolfs, die in den nächsten Tagen dort ankommen sollte, in Empfang zu nehmen. Als sie damit zustande gekommen waren, ließ er sich in einen Sessel setzen und fragte, ob sie wüßten, weshalb er sie während des Ankleidens so hart geschimpft und sich auch wohl die eine oder andere Maulschelle hätte entwischen lassen. »Weil Euer Gnaden in der Furie waren«, sagte einer der Kammerdiener. »Teufelskerl,« lachte Steno Bjelke, »die, welche du jetzt bekämest, hättest du rechtmäßig verdient.« Dann erklärte er, daß das Podagra ihm bei jeder Bewegung heftigen Schmerz verursache und daß er außerdem wegen des bevorstehenden Begräbnisses der seligen Majestät betrübt sei, gab ihnen ein Stück Geld zur Vergütung und den Auftrag, ein Frühstück zu bringen, damit er sich von der gehabten Anstrengung erhole. Gleichzeitig kamen mehrere Offiziere, die Steno Bjelke begleiten und sich nach seinem Gesundheitszustande erkundigen wollten. Er stecke nun gottlob in den Kleidern, sagte der Statthalter, und gedenke sich nicht auszuziehen, bis er wieder in Stettin sei und sich zu Bette legen könne. »Generalissimus Tod«, sagte er, »hat einen Sturm auf die Festung Steno Bjelke kommandiert; aber er ist glücklich abgeschlagen. Die paar Löcher, die die Mauer bekommen hat, sind gestopft und die paar Giebel, die gebrannt haben, gelöscht; inzwischen schickt vielleicht der Himmel Entsatz.« Die Offiziere lachten und ergriffen die Becher, um den Abzug des gemeinen Feindes zu feiern. Es sei ja nur ein Aufschub, sagte Steno Bjelke wehmütig, einmal müßten alle irdischen Festungen fallen; aber mit Ehren wolle er's tun und sich mit großen und kleinen Stücken bombardieren und zusammenschießen lassen, bevor er kapitulierte.

Die Offiziere lobten seinen männlichen Entschluß und erzählten, in der Stadt gehe das Geschwätz, als habe er die Pest; sie hätten es aber nicht glauben wollen und hätten die Eulen Lügen gestraft.

Wer sage, daß Steno Bjelke die Pest habe, rief der Statthalter, dem solle sie selbst in die Eingeweide schlagen. Einen guten festen Trinker fasse die Pest überhaupt nicht an, er fürchte sie nicht. Wenn er nur erst zu Pferde säße, er könne den teuren königlichen Helden doch nicht in der Sänfte empfangen.

Indessen rollten die Wagen mit dem Sarge und dem Teil der Leidtragenden, die ihn geleiteten, langsam durch die Julihitze. Die verwitwete Königin saß neben ihrem Bruder von Brandenburg und sprach mit ihm über eine etwaige Verheiratung seines Sohnes mit ihrer Tochter. Ihre Tochter sei von früh auf, sagte sie klagend, eigenwillig und wunderlich gewesen, wie würde es erst jetzt gehen, nun des Vaters Hand sie nicht mehr zügeln könne? Sie habe keinen Einfluß auf das Mädchen, werde überhaupt in Schweden wenig geachtet und als Fremde beargwöhnt.

Der Kurfürst sagte, daß der verstorbene König zwar ein großer Held gewesen sei, daß es aber besser gewesen wäre, wenn er das Labyrinth des Römischen Reiches nie betreten hätte. Nun sei der Faden gerissen, wie sollte sich die verwaiste Schar herauswickeln? Je mehr sich in das Spiel mischten, desto schwerer wäre es hernach, einen jeden auszuzahlen. Er sähe voraus, daß es über ihn und Pommern gehen würde, könne es aber vor Gott und der Nachwelt nicht verantworten, sich das rechtmäßige Erbe aus der Hand winden zu lassen; würde sein Sohn König von Schweden, so ließe sich das Problem am ehesten lösen.

Die Königin versprach zu tun, was in ihrer Macht sei. Ohnehin kränke sie der Hochmut des schwedischen Adels; wenn ihr Neffe die Faust hätte, ihm den Sattel fester aufzuschnallen, möchte sie es ihnen gönnen.

In Wolgast waren inzwischen eine Menge schwedischer Würdenträger angelangt, um beim Leichenbegängnis zu figurieren, und es gab einige Ungelegenheiten, weil der Reichsstallmeister Benedikt Oxenstierna darauf bestand, die Trauerfahne zu tragen, obwohl sie übermäßig schwer und er von schwächlicher Statur war, welche Schwierigkeit, da er auf sein herkömmliches Recht durchaus nicht verzichten wollte, dadurch gelöst wurde, daß man ihm drei Herren beiordnete, die ihm nachzufolgen und die Fahne von hinten zu stützen hatten.

Nachdem der Hofprediger Fabrizius unter dem Schluchzen aller Anwesenden die Trauerrede beendigt hatte, traten einige Herren an ihn heran, gaben ihm die Hand und dankten ihm für die rührenden Worte. Die Tränen wären ihm stromweis übers Gesicht gelaufen, sagte Steno Bjelke, sich die Augen trocknend; nebenbei sei er voll trauriger Gedanken gewesen, weil ihm in letzter Nacht im Traume der verstorbene König erschienen sei, ohne Koller, schmutzig und blutig und das geliebte majestätische Antlitz fast unkenntlich verunstaltet. Er habe ihn flehend angesehen und mit schauerlicher Stimme geflüstert: »Bete für mich!«, und zwar so deutlich, daß er nicht zweifeln könne, es sei wirklich des Königs Geist gewesen. Nun liege es ihm schwer im Gemüt, daß der fromme Held nicht in der Glorie zur Seite Gottes sitze, sondern so trübselig und fast schändlich einhergehen müsse, als ob er gar aus der Hölle oder dem Fegefeuer komme.

Infolge der Erbsünde, sagte Fabrizius nach einer Pause, sei auch der Tugendhafteste nicht ganz ohne Tadel und müsse einer Läuterung unterworfen werden, bevor er die himmlische Seligkeit genießen könne. Nach seinem Dafürhalten müsse der König aber diese Reinigung bereits überstanden haben.

Die Zeit habe in der Ewigkeit wohl ein anderes Tempo als auf Erden, meinte der General Torstensson, und der Mensch könne es mit dergleichen schweren Mysterien überhaupt nicht aufnehmen.

»Ach Gott, ja,« sagte Steno Bjelke, »wir blasen uns auf wie Seifenblasen und platzen und zerrinnen spurlos wie sie. Als ein unüberwindlicher Imperator ist der König kürzlich hier gelandet und wird wieder hergeschleppt als ein Sklave des Todes, des wahren Despoten der Welt.«

Unter diesen gewechselten Reden waren sie beim Hauptportal der Schloßkirche angelangt und traten ins Freie. Es war etwa fünf Uhr nachmittags; während der Predigt hatte es sich zu einem Gewitter zusammengeballt; aber als brächten sie die Lust zum Kampfe nicht auf, zerfielen die aufgeblähten Wolken wieder und lagen auf dem trüben Horizonte wie schlaffe Segel in einer Windstille.

Allerlei Volk, Fischer, Hirten und Bauern hatten sich angesammelt, um die denkwürdige Prozession nach dem Meere schreiten zu sehen, wo ein Schiff vor Anker lag und auf den Sarg wartete. Unabsehbar wand es sich durch die Wiesen; voran zu Pferd Oberst Axel Lilje, dem sein Regiment folgte, dann der General der Artillerie Lennart Torstensson, mit der Blutfahne, dann Reichsräte und Kämmerer mit Windlichtern in den Händen, dann wieder Soldaten, dann der Sarg unter schwarzem Baldachin, und dahinter der Kämmerer Karl Horn auf des Königs Roß in des Königs Rüstung, aber ohne den fröhlichen Schwung, der dem Toten eigen war. Dann kamen der Kurfürst von Brandenburg und Steno Bjelke, dann die Witwe und viele fürstliche und adelige Damen, dann ein wankendes Ungetüm, die von vieren getragene Trauerfahne, wiederum Soldaten, Professoren, Studenten und wieder Soldaten. Es währte drei Stunden, bis der Zug das Meer erreicht hatte. Während das späte Abendrot erlosch und Erde und Meer gegen den blassen Himmel anschwollen, betrat Steno Bjelke, die Witwe führend, das Gerüst, das vom Ufer bis zum Schiffe errichtet war, und hielt im Namen der Königin die Danksagung an die versammelten Herrschaften für die dem Verstorbenen erwiesene Ehre, worauf zwölf Kammerherren den schwarzen, mit silbernen Totenköpfen beschlagenen Sarg über die Brücke ins Schiff brachten. Während die Leidtragenden mit eingerollten Fahnen den Weg zurück nach Wolgast gingen, umschlang das Meer das Schiff mit dem heimkehrenden Eroberer und trug ihn wiegend und singend in den Schoß der Mitternacht.

*

Der Hofkriegsratspräsident Schlick, der um die Mitte des August mit allerlei heiklen Aufträgen zu Wallenstein abgeordnet war, machte Piccolomini einen Besuch und erinnerte ihn daran, wie sie sich vor neun Jahren kennengelernt hätten. Es sei ihm nicht leicht geworden, sagte er seufzend, das Schwert mit der Feder zu vertauschen; aber er habe durchaus unter Wallenstein nicht länger dienen können und sich deshalb von der kaiserlichen Majestät auf andere Weise gebrauchen lassen. Es komme doch vor allen Dingen auf des Kaisers Dienst an, der Meinung werde Piccolomini auch sein.

Das sei selbstverständlich, sagte Piccolomini; übrigens sei es gut, wenn im Kriegsrat eine Person sitze, die Soldat gewesen sei und die Bedürfnisse des Soldaten kenne. Es werde im Kriegsrate nur zu oft dadurch gesündigt, daß befohlen werde, was im Felde nicht praktikabel sei.

Schlick gab das zu; andererseits, sagte er, müsse doch auch der Krieg auf den Staatshaushalt und das Gemeinwohl Rücksicht nehmen. Man müsse sich eben entgegenkommen und vertragen. Wenn das Schwert allein regierte, da hätte man ja eine Tyrannis und unleidliche Soldatenherrschaft, was gleichbedeutend sei mit Anarchie. Dem Geschichtskundigen sei es bekannt, wie das alte Römerreich durch den Übermut der kaiserlichen Leibwache und ihrer Befehlshaber in Ruin gestürzt sei. Dahin könnte es jetzt auch kommen, daß die raublustige Soldateska einen aus ihrer Mitte auf den Thron setzte, wenn sich die treuen Diener des Kaisers nicht um diesen scharten.

Schlick werde doch nicht zweifeln, daß hier im Lager lauter treue Diener des Kaisers wären, sagte Piccolomini scharf.

An ihm, Piccolomini, zweifle er nicht, sagte Schlick, darum wende er sich ja an ihn, um über dies und jenes Auskunft zu erhalten. Er selbst sei weder von dieser noch von jener Partei, halte sich abseits von den Hofränken, tue einfältig des Kaisers Dienst. Der Kaiser glaube Ursache zum Mißtrauen gegen den Herzog zu haben und habe ihn, Schlick, beauftragt, seine Gesinnungen zu erforschen; täusche sich der Kaiser, so sei es um so besser. Es wolle dem Kaiser so scheinen, als tue der Herzog dem Feinde nicht genug Abbruch, sorge mehr für des Feindes als für seinen Vorteil. Dagegen habe der Kaiser ihn geradezu an Piccolomini gewiesen, als an einen, dem er unbedenklich Krone, Leib und Leben anvertrauen könne. Auch er halte Piccolomini für einen Offizier von Ehre und sei überzeugt, daß, wenn der Herzog wirklich mit hochverräterischen Plänen schwanger gehe, Piccolominis reines Herz das Kontagium nicht aufnehmen werde, daß er höchstens zu redlich sei, um die im Finstern schleichende Kabale zu durchschauen.

Daß er dem Kaiser unbedingt ergeben sei, beteuerte Piccolomini; aber er glaube, daß auch des Herzogs Treue nicht angezweifelt werden dürfe. Wenn der Herzog sich in etwas verfehle, so sei es höchstens insofern, als er seine Zunge zu zähmen nicht gewohnt sei und oft grob herausfahre, auch sich nicht gern dreinreden lasse; seine Absicht sei aber gewiß gut, wovon er doch schon viele Proben abgelegt hätte.

Ja, sagte Schlick, das Wort recht in die Länge ziehend, wenn die Gebrechlichkeit der menschlichen Natur nicht wäre! Wenn Ehrgeiz und Habsucht nicht wären! Wo wäre eine Tugend so sicher begraben, daß diese beiden schnöden Hyänen sie nicht herauswühlten und schändeten? Piccolomini nehme er freilich aus, und was ihn betreffe, so wisse ja jeder, daß er jahrelang als bescheidener Privatmann und Familienvater gelebt und sich nur ungern und auf Befehl des Kaisers dem drückenden Amt des Hofkriegsratspräsidenten unterzogen habe; was für Mängel ihm auch ankleben möchten, Ehrgeiz und Habgier seien ihm allezeit fremd gewesen. Deswegen habe er dergleichen auch nicht ohne Unwillen an Wallenstein bemerkt, wie auch Aldringen, Collalto und andere mehr getan hätten. Aldringen habe damals, wie er, den Dienst quittieren wollen, er habe ihm aber selbst zugeredet, zu bleiben, damit doch einer da sei, den gefährlichen Mann zu überwachen. Sie hätten dazumal nichts lieber gesehen, als wenn Piccolomini oder der nun längst von Gott heimberufene Collalto an Wallensteins Stelle getreten wäre, Kavaliere, die mit Ehrenmännern hätten umgehen können.

Piccolomini sagte, er sei an Wallensteins Launen gewöhnt und könne sich persönlich nicht beklagen: Wallenstein habe ihn stets als Freund und Bruder traktiert.

Ja freilich, lachte Schlick, er wisse wohl, daß er es nicht mit allen verderben dürfe. Wie er denn seine schwarzen Pläne ausführen sollte, wenn ihm seine Offiziere nicht blind ergeben wären!

Nun, blind ergeben sei er ihm eben nicht, sagte Piccolomini, die Lippen aufwerfend und den Kopf steif in den Nacken stellend; er habe seine eigene Ehre und sein eigenes Gewissen, etwas Ehrloses könne ihm niemand zumuten.

Schlick legte triumphierend seine Hand auf Piccolominis Arm. Das eben habe der Kaiser ihm gesagt, und das sei auch seine Überzeugung gewesen, daß Piccolomini etwas Ehrloses auch auf Wallensteins Befehl nicht tun würde. Darum spräche er, Schlick, so vertraulich mit ihm, wenn er auch sein Leben dabei aufs Spiel setzte, denn wenn Piccolomini es Wallenstein wiedererzählte, so habe sein letztes Stündlein geschlagen, das wisse er wohl. Wallenstein habe Banditen genug an der Hand, um einen Verhaßten aus dem Wege zu räumen. Was gelte ihm aber sein Leben, wo es auf des Kaisers Dienst ankomme! Der Kaiser sei ihm heilig, und er habe sich geschworen, ihn vor Unglück zu bewahren; er hoffe, Piccolomini werde ihm darin beistehen.

Piccolomini ergriff Schlicks dargebotene Hand und sagte, Schlick könne in allem, was des Kaisers Dienst betreffe, auf ihn zählen. Ob denn bereits etwas Bestimmtes gegen Wallenstein vorliege? Das vertrauliche Kommunizieren mit dem Feinde habe ihm ja auch nicht gefallen, aber es sei doch auf Befehl des Kaisers zur Beförderung des Friedens geschehen. Eins habe ihn immer verdrossen, nämlich die übergroße Freundschaft des Generals mit Arnim und dem Herzog von Sachsen-Lauenburg. Ihm für seine Person kämen die beiden nicht wie redliche Kavaliere vor, abgesehen davon, daß sie Ketzer wären; er habe den General oft wohlmeinend gewarnt, ihnen nicht soviel zu vertrauen. Auch mit dem Thurn hätte er sich nach seinem Dafürhalten nicht so weit einlassen sollen, der ein offenkundiger Rebell und Malefikant sei; er habe darin wohl dem falschen Terzka zuviel nachgegeben.

Nun begann Schlick freier heraus zu reden und erzählte, wie nach der Meinung des Kriegsrates Wallenstein viel eher einen günstigen Frieden vorschreiben könnte, wenn er den Feind rasch unterwürfe, wie er anstatt dessen die liebe Zeit verlöre, um seine schwarzen Anschläge auszukochen; was für gottlose Reden er gegen den Kaiser und sein Haus führte, und daß er dem König von Ungarn, dem Sohne des Kaisers, das Horoskop gestellt habe und auf seinen Tod warte; daß er Böhmen, Mähren und Schlesien dem Kaiser entreißen und teils unter seine Helfershelfer, die böhmischen Rebellen, verteilen wolle; daß er ein abergläubischer Atheist sei, wenn er nicht gar, wie viele bestimmt wissen wollten, mit dem Teufel im Bunde stände, und daß er das Herz des Kaisers verwundet habe, indem er zwei junge Prinzen von Toskana, wohlerzogene, tapfere fürstliche Herren, die ein Regiment unter ihm hätten kommandieren wollen, mit höhnischen Worten heimgeschickt habe, als sei kein Platz für sie frei.

Er habe das auch nicht manierlich gefunden, sagte Piccolomini, habe aber gemeint, der General tue es deshalb, weil eine große Überzahl von Offizieren beim Heere sei, die es belasteten, vorzüglich, wenn sie jung und unerfahren und der fürstlichen Geburt wegen schwer zu regieren wären.

Deshalb tue er es, sagte Schlick, weil er nur von ihm selbst abhängige Kreaturen um sich leiden wolle, die zur Not auch das Schwert gegen den Kaiser zögen.

Heilige Mutter Gottes! rief Piccolomini, sollte er unwissend vor einem Abgrunde stehen und Wallenstein ihn unter der Maske der Freundschaft dem Höllenrachen überliefern wollen? Er habe es wohl manchmal bedauert, daß Wallenstein der wahren heiligen Religion nicht so anzuhangen scheine, wie ein Edelmann solle; allein da er in so gutem Einvernehmen mit dem Pater Quiroga, dem Beichtvater der Königin von Ungarn, dem Bischof von Wien und anderen hohen geistlichen Personen stehe, habe er sich solcher Zweifel entschlagen zu sollen gedacht.

Er wisse die Guten so gleisnerisch zu verführen, sagte Schlick, wie der Satan selbst es nicht besser könnte. Denen gingen nun aber auch die Augen auf, und wenn sie sich freundlich gegen ihn stellten, so sei das nur die gebührende Vorsicht einem solchen gefährlichen Bösewicht gegenüber. Piccolomini dürfe sich auch beileibe die veränderte Gesinnung nicht merken lassen, sondern dieselbe Anhänglichkeit und Ergebenheit wie zuvor herauskehren. Die Aufgabe der Guten sei jetzt, ihn so zu betören wie Odysseus und seine Gefährten den gewalttätigen Zyklopen; sie wären jetzt gleichsam in seiner Höhle und seiner heidnischen Wut und Gefräßigkeit preisgegeben, und nur der äußersten List und Behutsamkeit könne es gelingen, die erhitzte Keule in sein eingeschläfertes Auge zu bohren. Er wolle es inskünftig auch lieber vermeiden, mit Piccolomini allein zu sein, um keinen Verdacht zu erregen, und Piccolomini solle es sich nicht verdrießen lassen, hie und da Verwünschungen oder argwöhnische Worte gegen ihn, Schlick, auszustoßen; er werde sehen, was für Beifall er damit fände, und könne das zugleich als Beweis für Wallensteins rebellische Gesinnung und Projekte begreifen.

Die Binde falle ihm allmählich von den Augen, sagte Piccolomini, und er sehe nun manches im Licht, was ihm früher dunkel vorgekommen sei. Schlick solle dem Kaiser versichern, daß er in ihm, Piccolomini, den treuesten, bis in den Tod unterwürfigen Diener habe, der nichts anderes auf Erden begehre, als sein Blut im Dienste des Kaisers zu verspritzen. Des Kaisers Klemenz und Gnädigkeit wären ihm zu bekannt, als daß er zweifelte, der Kaiser würde ihm die schuldige Treue nach Verdienst belohnen.

Nachdem Schlick angedeutet hatte, daß Piccolomini bereits zur Übernahme des höchsten Kommandos im Heere ausersehen sei, wenn Wallenstein beseitigt wäre, erkundigte er sich noch nach Charakter und Gesinnung anderer Offiziere und welche er nach Piccolominis Dafürhalten jetzt schon ins Vertrauen ziehen könne. Daß auf Aldringens Treue zu zählen sei, wisse er aus früherer Zeit, Gallas komme ihm leider wie vom Herzog verzaubert vor.

Piccolomini sprach seine Überzeugung aus, daß Gallas, wenn er von wahrhaft verräterischen Absichten des Generals in Kenntnis gesetzt würde, Abscheu davor tragen und das dem Kaiser beweisen würde; übrigens erbot er sich, die Gemüter der Offiziere bei Gelegenheit zu erforschen. Ob denn in Wien schon etwas Gewisses über den General beschlossen sei?

An Wallensteins Untreue und bösen Absichten zweifle der Kaiser nicht mehr, sagte Schlick; aber hinsichtlich der Konsequenz und Ausführung sei doch noch dies und jenes zu bedenken. Der Herzog, obwohl als schlichter Edelmann geboren, stelle sich ärger an als die übelberufenen Tyrannen des Altertums; wenn er auch freiwillig abzudanken sich bewegen lasse, so sei doch damit seine Herrschsucht, Rachsucht und Grausamkeit nicht entthront. Es handle sich also darum, ihm vorher die Hände zu binden, damit man vor seinen Eruptionen und Machinationen sicher sei. Es werde Piccolomini nicht entgangen sein, wie schon seine, Schlicks, Anwesenheit ihm die Galle errege, er lasse sich's aber nicht anfechten, verhalte sich höflich und aufrichtig, sage seine Meinung und vertraue auf Gott, der kein Gefallen am Morde der Unschuld habe.

In der Tat war Wallenstein über Schlicks Sendung sehr erzürnt, so daß er sich meistens unter dem Vorwande seines üblen Gesundheitszustandes seine Besuche verbat und sich von Zusammenkünften fernhielt. War er aber zugegen, so führte er spitze Reden, wie daß die Hofleute, die zu Hause säßen, sich einbildeten, ohne tägliches Blutvergießen in Schlachten sei es um das Kriegswesen schlecht bestellt, wie wenn Soldatenblut der beste Dünger für den Acker sei; oder daß, wenn er zwar den Frieden traktieren, aber keinen Waffenstillstand solle gewähren dürfen, dies nicht anders sei, als wenn ein Bauer Brot machen solle, ohne Korn zu schneiden; oder wie gewisse Herren, die in Böhmen konfisziertes Rebellengut an sich gebracht hätten, noch nicht fest in den Zweigen säßen und Angst vor einem konträren Wind hätten, der sie wieder herunterbliese.

Nachdem er sich etwa eine Woche lang im Lager aufgehalten hatte, verabschiedete sich Schlick von Wallenstein: er sei stets, sagte er, ein Bewunderer des Herzogs gewesen, habe ja auch unter ihm gedient, und wenn er sich jemals heroischer Taten rühme, so seien es diejenigen, die er unter des Herzogs glorreichem Befehl habe verrichten dürfen. Was für Vorteil der dermalige Waffenstillstand für den Kaiser habe, könne er nicht durchaus fassen und bitte den Herzog, ihm zu verzeihen, daß er, der seinen schwachen Verstand mit der unergründlichen Einsicht des Herzogs freilich nicht vergleichen könne, sich einer von der seinigen abweichenden Meinung unterstehe. Dieser Waffenstillstand scheine ihm etwas von dem meuchlerischen Pferde an sich zu haben, das die Griechen betrüglich in die trojanische Burg insinuiert hätten und aus welchem das Verhängnis zum Schaden der Trojaner hervorgebrochen sei; und er wage es, aus wohlmeinendem Herzen den Herzog zu warnen, damit es ihm nicht ebenso ergehe. Er bete täglich, daß Gott ihm den Schleier von den Augen löse, mit dem der schlaue Feind ihn umgarnt hätte; dies müsse er als aufrichtiger Freund und Diener des Herzogs sowie als ebensolcher Diener des Kaisers furchtlos äußern.

Wallenstein feierte die Abreise Schlicks durch ein kleines Bankett im Freundeskreise, an dem auch Piccolomini teilnahm.

Es reue ihn, sagte Wallenstein, daß er den schnüffelnden Spion so straflos habe abziehen lassen, und Terzka stimmte sogleich ein: Spione wären bei allen zivilisierten Völkern verachtet und als schnödester Auswurf des Menschengeschlechts angesehen gewesen; man hätte ihm einen ordentlichen Denkzettel auf den Weg geben sollen.

Man hätte ihn überhaupt nicht abziehen lassen, rief Illo, man hätte ihn in einem rechtschaffenen Duell abstechen sollen. Er hätte es sich zur Ehre angerechnet, seinem General diese lästige Fliege wegzuklatschen.

Wenn ein solcher Schelm nur Ehre hätte, sagte Terzka; er habe ihm absichtlich mit Sticheleien aufgewartet, aber es habe ihn wohl nicht gejuckt, oder er habe das Schwert zum Kratzen zu scharf gefunden und sich lieber hinter den Ofen retiriert.

Piccolomini sagte, nach seinem Dafürhalten dürfe man sich an einem Abgesandten des Kaisers nicht vergreifen, und er zweifle nicht, daß die Herren Kameraden das gleichfalls bedacht hätten; aber es sei ihm allerdings auch lächerlich vorgekommen, daß Schlick so viel mit seinen Kriegstaten geprahlt habe, von denen er glaube, daß sie dem Feinde am meisten genützt hätten.

Wallenstein lachte behaglich. Der Herr tue sich etwas darauf zugute, sagte er, daß er seinerzeit den alten Markgrafen von Baden in den Sund gejagt habe. Dieser alte Fürst sei ein wackerer Bücherleser und Schreiber, aber jämmerlicher Stratege und Feldherr gewesen, und ein jeder ungewaschene Fähnrich wäre auch mit ihm fertig geworden. Es mache ihn lachen, wie diese windigen Lorbeeren in Wien begossen und beschüttet würden, damit sie ein leidliches Aussehen bekämen. Übrigens habe er nur Diffikultäten mit dem Schlick gehabt, jetzt ernte er den Dank dafür ein, daß er ihn so lange mitgeschleppt habe.

Mit den toskanischen Prinzlein wäre es auch nicht anders geworden, sagte Scherffenberg; der Fürst habe zuviel auf sich, als daß er die Amme und Garderobefrau für alle eitlen und müßigen Großmäuler in Europa machen dürfte.

Er schicke sich überhaupt nicht mehr zum Kommandostabe, sagte Wallenstein, seit die Verleumder und alten Vetteln des Kaisers Ohr gewonnen hätten. Vielleicht dächte der Schlick, er stände ihm selber an, obgleich er doch wissen sollte, daß der König von Ungarn schon lange Finger danach machte. Er möchte nur die Sprünge sehen, die manch einer dann machen müßte, und was für Gesichter er dazu schnitte. Er sei der Intrigen und Widerwärtigkeiten oft von Herzen überdrüssig; wem zuliebe kämpfe er eigentlich gegen diese Sündflut, anstatt sich in eine trockene Arche zurückzuziehen und gemächlich dem Schwall und Ersaufen zuzusehen!

Was? rief Illo aufspringend. Nein, sie ließen ihn nicht. An seinem Namen hange das Kriegsglück! Er habe das Heer geschaffen, es gleiche einer aus dem erwärmten Boden gezauberten Frühlingssaat, die, wenn die Sonne vom Regiment abträte, erfrieren müsse. Der General solle die schwarzen Gedanken fahren lassen, die der hundsföttische Schlick aufgerührt habe; wäre die Welt auch voll Verräter und Verleumder, so gäbe es doch treue und redliche Herzen, die empfangene Wohltaten nicht vergäßen.

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