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Am Vormittage des 20. Januar kam Franz Albrecht von Sachsen-Lauenburg in Pilsen an und wurde sofort von Wallenstein empfangen. Er entschuldigte sich wegen seines Hustens und erzählte, er habe drei Tage in Schlackenwerth krank gelegen. Das sei ein Hundenest, er werde zeitlebens daran denken.

Soviel er Franz Albrecht kenne, sagte Wallenstein gutmütig, werde er sich den Jammer nach Möglichkeit versüßt haben.

Was das betreffe, sagte Franz Albrecht lächelnd, so habe er freilich eine reizende Wirtin gehabt. Sie sei dermaßen besorgt um ihn gewesen, daß es einem Barbaren das Herz hätte rühren müssen, habe ihn auch begleiten wollen, um ihn unterwegs zu pflegen. Er habe aber diesmal, in Ansehung der Importanz des Geschäftes, das utile nicht mit dem dulce vermischen wollen.

Wallenstein nickte und fragte nach Franz Albrechts Bericht. Ob Arnim bald komme?

Alles sei im besten Gange, sagte Franz Albrecht. Arnim habe den Kurfürsten schon auf die Beine gestellt und warte nur noch auf Wallensteins letztes Kommando, um ihn ins Rutschen zu bringen.

Es liege viel daran, daß Arnim bald komme, sagte Wallenstein.

Franz Albrecht versprach, noch am selben Tage aufzubrechen, dann solle Arnim sofort nach Berlin, um dort abzuschließen. Arnim und der Kurfürst wären so voll Freuden, daß Arnim sich besoffen hätte, der Kurfürst habe ihn in seiner eigenen Kutsche heimfahren lassen.

Franz Albrechts Bruder, Herzog Franz Julius, sei auch da, berichtete Wallenstein, letzte Woche von Dresden gekommen.

Er habe in Dresden mit ihm gesprochen, sagte Franz Albrecht. Ja, mit den Instruktionen könne man bis zum Jüngsten Tage auf den Frieden warten.

»Es ist ihnen in Wien nicht Ernst«, sagte Wallenstein. »Die Ware, mit der Euer Liebden Herr Bruder hausieren geht, ist nur zum Anschauen, nicht zum Gebrauch.«

Dann wurde von den Schweden und Bernhard von Weimar gesprochen, und Wallenstein sagte, es liege ihm schwer im Sinn, daß er diesem nicht trauen könne.

Sobald er in Dresden fertig sei, sagte Franz Albrecht, wolle er in Person mit ihm verhandeln. Bernhard sei ja sein Vetter, er kenne ihn von Kindesbeinen; zwar sei er ein harter Schädel und Grillenfänger, aber solch ein Narr sei er doch nicht, daß er den Herzog von Friedland nicht lieber zum Freunde als zum Feinde haben wolle.

Während Franz Albrecht, um sich für die Reise zu stärken, schwitzend im Bette lag, besuchte ihn sein Bruder Franz Julius und wollte wissen, warum er es so eilig habe. Ihm, Franz Julius, komme es überhaupt je länger, je wunderlicher in Pilsen vor. Truppen würden zusammengezogen, als ob Krieg ausbrechen sollte, und doch habe der Kurfürst von Sachsen die besten Vertröstungen wegen des Friedens gegeben.

Franz Julius werde sich wohl nicht einbilden, sagte Franz Albrecht, daß der Frieden auf die Art zustande käme. Solange der Kaiser die Schweden draußen ließe und die exulierenden Böhmen als Rebellen traktierte, sei keine Verständigung möglich. Johann Georg mache keinen einseitigen Frieden, nur mit einem Universalfrieden sei ihnen geholfen.

Ob es denn wahr sei, daß es Wallenstein mit den Schweden halte? fragte Franz Julius. Franz Albrecht solle ihm einmal rein einschenken; er werde doch nicht fürchten, daß der Bruder den Bruder verriete?

Franz Albrecht lachte. Was da weiter zu verraten sei? fragte er. Solange der Kaiser es mit Wallenstein redlich meine, tue Wallenstein desgleichen. Übrigens habe Wallenstein das Recht, über Krieg und Frieden zu verhandeln.

Warum denn aber soviel Heimlichkeit unterlaufe, wenn er im Rechte sei? fragte Franz Julius.

»Wenn die Politik mit offenen Karten spielte,« lachte Franz Albrecht, »so wären Bären und Wölfe die feinsten Diplomaten. Sind unsere Früchte erst reif, so werden sie jedermann wohlschmecken und gut bekommen.«

Nachdem die Schwitzkur beendigt war, stand Franz Albrecht auf und nahm in Gesellschaft des Grafen Rietberg ein Abendessen ein, der, obwohl Protestant, weil er wegen seiner Lehen mit dem Landgrafen von Hessen-Kassel im Streite lag, kaiserlichen Dienst angenommen hatte. Sie sprachen von der Absetzung Wallensteins, die nach Franz Albrechts Aussage ganz gewiß in Wien beschlossen sei. Der Kurfürst von Bayern habe es durchgesetzt, es sei kein Zweifel, es werde nur noch gewartet, ob er etwa freiwillig abdanke. Damit sei es nun freilich nichts, nachdem sich die Offiziere förmlich an Wallenstein gebunden hätten.

Es sei vielleicht doch nur ein Geschwätz mit der Abdankung, meinte Rietberg. Nein, nein, erwiderte Franz Albrecht, er wisse genau Bescheid; wer sich mit den Weibern gut stehe, erfahre alles. Im Grunde sei es gut, daß sich einmal die Parteien sonderten. Das müsse er gestehen, daß der Piccolomini ihm nicht gefallen wolle.

Auf Piccolomini, sagte Rietberg lebhaft, könne sich Wallenstein verlassen wie auf keinen andern. Er sei gleichsam Wallensteins Bruder und würde sich eher den Kopf vom Rumpfe schlagen lassen als sich von Wallenstein trennen.

So, so, sagte Franz Albrecht, Rietberg kenne ihn vielleicht besser. Ihm mache Piccolomini den Eindruck eines kalten, falschen welschen Schurken.

Rietberg entgegnete empfindlich, daß Piccolomini ein Herr von feinsten Sitten und von fleckenloser Ehre sei; Wallenstein wisse wohl, warum er ihm soviel vertraue.

Ach, sagte Franz Albrecht leichthin, es möchte Wallenstein schwerfallen, einen Grund für alle seine wetterwendischen Launen anzugeben. Er verlasse sich ja auch unbedingt auf Arnim. Warum? Ein jeder wisse, daß Arnim schlüpfrig wie ein Aal sei. Er, Franz Albrecht, sei allemal froh, wenn er ihn fest gepackt hätte. Wallenstein scheine ihn für einen Felsen anzusehen.

»Von Arnim wollen wir nicht reden«, sagte Rietberg. Aber Piccolomini sei das Muster eines edlen Helden, tapfer, mäßig, offen, habe etwas Erhabenes an sich und sehe in allen Dingen nur auf die Ehre.

Ihm solle es recht sein, sagte Franz Albrecht gleichmütig, wenn er nur Wallenstein keinen Streich spiele. Er, Franz Albrecht, halte ihn wie alle Welschen für einen kaltschnäuzigen, schlangenhäutigen Schelm; aber er müsse ja nicht in einem Bett mit ihm schlafen.

*

Schaffgotsch verließ Pilsen in freudig erregter Stimmung: der General hatte ihn mit Auszeichnung behandelt, ja ihm Vertrauen bewiesen, als ob er ein alter verdienter Offizier wäre, so daß er zuweilen das Gefühl gehabt hatte, als hänge Wallenstein mehr von ihm ab als umgekehrt. Das konnte nur davon kommen, daß Wallenstein körperlich einen so hilflosen Eindruck machte; Schaffgotsch vergaß darüber nicht, wie schnell seine herablassende Stimmung umschlagen konnte und wie er, Schaffgotsch, noch kürzlich vor seinem Zorne gezittert hatte. Immerhin hatte sich das Glück, das ihm angeboren zu sein schien, bewährt. Diese kapriziöse Dame liebte ihn nun einmal, vielleicht weil er hübsch und liebenswürdig war; jedenfalls konnte er es sich gefallen lassen. In solchen Betrachtungen war er, als sein Kammerdiener, Konstantin von Wegner, an seine Seite ritt und ihn fragte, ob es an dem sei, daß Breslau erledigt und ganz Schlesien frei und evangelisch würde?

Schaffgotsch drehte sich um und zögerte ein wenig mit der Antwort. So weit sei es noch nicht, sagte er dann. Woher Wegner das habe?

Er habe in Pilsen dergleichen gehört, wisse ja nicht, was daran sei, erwiderte dieser. Ob der Kaiser und Wallenstein wirklich auseinander wären?

Das wären nur Mißhelligkeiten, sagte Schaffgotsch, die sich wohl wieder zuzögen. Der Kaiser könne sich nicht rühren ohne Wallenstein, müsse doch zuletzt nachgeben. Das ganze Heer halte wie ein Mann zum General, das habe sich jetzt klar gezeigt.

Wegner sagte, vielleicht wolle Gott sich Wallensteins bedienen, um das Evangelium zu retten. Schaffgotsch solle aber doch auf der Hut sein, es sei kein Treu und Glauben bei Wallenstein.

Wieso? fragte Schaffgotsch schnell. Er, Schaffgotsch, tue ja nichts Unrechtes, gehorche nur seines Generals Befehlen.

Es gehe aber ein ungleiches Gerede über den Revers, den die Offiziere unterschrieben hätten. Er habe sagen gehört, sie hätten es sich nicht unterstehen dürfen, es sei Rebellion.

Schaffgotsch fuhr zusammen und wurde rot. Sie hätten ja alle unterschrieben, sagte er, auch Piccolomini; da hätte er sich doch nicht ausschließen können.

Das Gespräch hatte ihn nachdenklich gemacht; denn in Wahrheit waren auch ihm in Pilsen allerlei Bedenken aufgestiegen, die die vielen Geschäfte und Vergnügungen zurückgedrängt hatten. Besonders hatte es ihm geschienen, als wiche Piccolomini, dessen Ansicht er doch so gern erfahren hätte, einer vertraulichen Unterredung mit ihm aus. Er nahm sich vor, mit Gallas zu sprechen, den er in Glogau treffen würde; alleinstehen wollte er nicht, sondern für alle Fälle durch die höchsten und angesehensten Offiziere gedeckt sein.

Dieser Entschluß stellte seine Stimmung wieder her, und er richtete Gallas fröhlich aus, was Wallenstein ihm aufgetragen hatte: daß Gallas nach Pilsen ins Hauptquartier kommen und er, Schaffgotsch, inzwischen das Kommando übernehmen sollte. Gallas blieb eine Weile still und sagte dann, er werde gehorchen. Wie Schaffgotsch denn den General und überhaupt alles in Pilsen angetroffen habe?

Der General sei krank, sagte Schaffgotsch, und habe sich mit der Absicht getragen, abzudanken. Das hätten sie ihm ausgeredet und auch ein Verbündnis gemacht, sich nicht von ihm zu trennen, sofern er das Steuer behielte. Das sei wegen der Intrigen am Wiener Hofe geschehen, wovon Gallas wohl Bescheid wisse. Gallas sagte, daß er durch Piccolomini davon unterrichtet sei.

Nun erinnerte sich Schaffgotsch eines Briefes, den Piccolomini ihm für Gallas anvertraut hatte, zog ihn aus der Tasche und gab ihn ab. Während Gallas las, setzte er sich ans Fenster, blickte hinaus und hörte den in der Sonne schmelzenden Schnee vom Dache tropfen; unwillkürlich klopften seine Finger den lustigen Marschtakt mit.

Er bekomme hier die Nachricht, sagte Gallas endlich, daß Schaffgotsch sich nach Ohlau zurückziehen und Colloredo das Oberkommando in Schlesien führen solle.

Schaffgotsch sprang auf und fuhr sich durch die blonden Haare. »Sind wir denn alle närrisch geworden?« rief er. »Verzeihe mir der Herr Kamerad,« fuhr er fort, »aber das tritt den Befehl mit Füßen, den ich empfangen habe.«

Der General habe wohl seinen Sinn geändert, sagte Gallas; Schaffgotsch werde hoffentlich nicht zweifeln, daß es so sei, wie er gesagt habe.

Nein, sagte Schaffgotsch, das unterstehe er sich nicht. Aber ob ein solcher Widerspruch Gallas nicht auch absonderlich vorkomme?

Es gingen mehr absonderliche Dinge vor, sagte Gallas.

Schaffgotsch horchte auf und sah Gallas aufmerksam, fast bittend an. Ob Gallas glaube, daß es zu einem Bruch zwischen dem Kaiser und Wallenstein kommen werde? fragte er.

Hoffentlich lasse es sich vermeiden, antwortete Gallas zögernd.

Es kam Schaffgotsch vor, als wäre Gallas nie so einsilbig gewesen wie heute. Die Offiziere, begann er wieder, schienen sämtlich mit Leib und Seele an Wallenstein zu hängen. Er, Schaffgotsch, habe bis jetzt die Maxime verfolgt, dem General unbedingt zu gehorchen. Was ein Offizier von Ehre auch sonst tun könne? Ob Gallas es ebenso hielte?

»Ja, soweit es sich mit dem Dienst des Kaisers verträgt«, sagte Gallas.

»Das ist selbstverständlich«, sagte Schaffgotsch schnell; und während er im Zimmer auf und ab ging, redete er weiter: Der leidige Konflikt! Genau betrachtet sei es ihm lieb, daß er das Oberkommando nicht führen müsse; um so weniger Verantwortung habe er und brauche nur zu gehorchen wie ein gemeiner Soldat.

Aus Gallas war nichts anderes herauszubringen, auch scheute sich Schaffgotsch, mehr zu fragen. Wer konnte ihm bürgen, daß diese Herren nicht Wallenstein hinterbrachten, was er sagte, um ihm zu schaden? Schien doch Wallenstein wiederum Mißtrauen gegen ihn geschöpft zu haben! Solange Wallenstein Generalissimus war, konnte es ihm nicht übel ausgelegt werden, wenn er seine Befehle ausführte. Wurde er vor die endgültige Wahl gestellt, stand es ihm immer noch frei, sich nach Gutdünken zu entschließen. Befand er sich doch auch in Schlesien, mitten unter Landsleuten und Glaubensgenossen, die an ihm hingen, und hatte ein ergebenes Regiment, das ihn schützen würde; er brauchte sich nicht von schwarzen Gedanken ängstigen zu lassen.

*

Im Auftrage des Kaisers überbrachte Herr von Walmerode Piccolomini seine von Wallenstein beantragte Ernennung zum Feldmarschall und ein am 24. Januar ausgestelltes Patent über Wallensteins Entfernung vom Kommando. Von dort begab sich Walmerode nach Passau zu Aldringen, der ihn mit untertäniger Beflissenheit empfing. Das habe er gewußt, sagte er, daß es an Piccolominis Treue und Ergebenheit nicht fehlen würde. Piccolomini sei kürzlich in Passau gewesen und habe solchen Abscheu gegen die Wallensteinische Empörung bezeugt, wie er selbst dann ihn nicht stärker empfinden könnte. Hier an dieser selben Stelle hätten sie zusammen gesessen, als Piccolomini gesagt hätte, er trüge kein Bedenken, Hand an den General zu legen, wenn es für den Dienst des Kaisers notwendig wäre.

Ja, bestätigte Walmerode, er habe einen wahrhaft löblichen und heroischen Diensteifer an den Tag gelegt, der Kaiser werde die Diensteifrigen aber auch zu belohnen wissen. Übrigens sei Wallenstein in diesem Augenblicke nicht mehr General, er habe das Patent über seine Kassierung mitgebracht, das der Kaiser seinen Getreuen anvertraue, damit sie geeigneten Gebrauch davon machten.

Aldringen riß das Blatt aus Walmerodes Händen und las. Und es wisse noch niemand darum außer Piccolomini und Gallas? fragte er.

Nein, sagte Walmerode, noch niemand, Wallenstein selbst habe keine Ahnung davon. Der Kaiser habe ihm seitdem noch ein paar gnädige Handbrieflein geschrieben, um ihn in der Unwissenheit zu erhalten.

Aldringen nickte billigend. Nun müsse man aber unverzüglich zur Aktion schreiten, sagte er. Der Kaiser kenne Wallenstein nicht genug, der habe seine Spione, sei wahrscheinlich längst von allem unterrichtet und brüte ungestört die Rache aus. Man müsse ihm zuvorkommen.

Ganz ebenso habe sich Piccolomini vernehmen lassen, fiel Walmerode ein. Er habe vorgeschlagen, man solle die schwedischen und sächsischen Unterhändler abfangen und den Arnim und den Lauenburger als die Hauptverräter auf der Stelle niedermachen. Er besorge aber, dem Kaiser werde das zu geschwind vorkommen.

Das Zögern könne ihnen allen verderblich werden, sagte Aldringen aufgeregt. Man solle sich doch nur ausmalen, mit was für teuflischen Plänen Wallenstein wahrscheinlicherweise umginge, wenn er die Absicht des Kaisers und die wahre Meinung seiner Offiziere kennte. Er für sein Teil halte sich des Lebens nicht mehr sicher, und dasselbe hätten Gallas und Piccolomini zu fürchten. Sie würden ja gewiß gern ihr Leben für den Kaiser in die Schanze schlagen, aber es solle doch auch erklecken. Wenn sie sich nun aber umsonst opferten und der Kaiser doch noch in den tobenden Höllenrachen stürzte!

Es grause einem, wenn man das bedächte, sagte Walmerode.

Aldringen nahm das Patent wieder zur Hand, durchlas es und schüttelte den Kopf.

Das führe nicht zum Schluß, sagte er, indem er es auf den Tisch warf. Da wären ja nicht einmal die Rebellion und sonstige Verbrechen des Herzogs aufgezählt. Das gäbe ja denjenigen nicht einmal die rechte Sicherheit, die sich mit Aufopferung ihres Lebens an die Exekution machten. Freiwillig werde Wallenstein die angemaßte Gewalt nicht herausgeben; wie solle man sich denn verhalten, wenn er sich widersetzte? Da könnten treue Diener der Majestät in des Teufels Küche kommen. Der Kaiser müsse sich deutlicher herauslassen.

In das Patent blickend, sagte Walmerode, von der Seite habe er es noch gar nicht angesehen. Übrigens wären alle Wohlmeinenden in Wien der Ansicht, daß der Kaiser zu kunktatorisch vorgehe. Am besten würde es sein, wenn Aldringen selbst nach Wien käme, um dem Kaiser die Augen zu öffnen und ihn vor dem unvermeidlich platzgreifenden Untergang zu warnen.

*

Es war Nacht, und der Wind blies um die Bartholomäuskirche auf dem Markte von Pilsen. Gallas saß bei Piccolomini und hielt eine geleerte Flasche an das Licht mit der Bemerkung, es sei kein Tropfen mehr darin, Piccolomini solle mehr Wein bringen lassen. »Du hast genug,« sagte Piccolomini ablehnend, »du willst in der Frühe reisen.«

Ohne Wein halte er die Nacht nicht durch, sagte Gallas, Piccolomini solle ihn um Gottes willen trinken lassen. Wenn er wüßte, was er, Gallas, den Tag über ausgestanden hätte!

Nun, erwiderte Piccolomini, er sitze auch auf Dornen und müsse noch länger bleiben. Ein Diener brachte eine volle Flasche, Gallas schenkte sich ein, goß das neugefüllte Glas hinunter, schüttelte sich und lehnte sich tief in seinen Sessel zurück. Der Daniel in der Löwengrube sei besser daran gewesen, sagte er. Mit dem General vertraulich umzugehen und das Absetzungsdekret in der Tasche zu tragen, sei schon etwas seltsam für einen Kavalier; man komme sich vor wie ein Schelm.

»Warum?« sagte Piccolomini; »er ist so gut wie ein anderer Feind des Kaisers.«

Gallas starrte dumpf vor sich hin. Ja, ja, sagte er, aber man stecke doch mitten im Käfig zwischen Löwen und Tigern, die einen jeden Augenblick in Stücke reißen könnten.

Das wohl, sagte Piccolomini; aber der Löwe sei krank, und es scheine auch, als ob er noch keinen Argwohn gegen sie geschöpft habe. Er überhäufe sie ja mit Freundschaftsbezeigungen.

Es könnte auch falsches Spiel sein, meinte Gallas, das würde ihm gleichen.

Nein, sagte Piccolomini entschieden, bis jetzt sei kein Trug dabei. Wallenstein habe nun einmal Vertrauen zu ihnen und sei eigensinnig in seinen Gemütsneigungen; er halte sie für ebensolche Verräter, wie er sei. Terzka und Illo freilich, die würden ihnen gern ein paar Banditen über den Hals schicken.

Gallas fuhr zusammen; er wollte ein Rascheln an der Haustür gehört haben. Nicht doch, sagte Piccolomini, der Wind scheppere mit den Schindeln auf den Dächern. Übrigens wären nur zuverlässige Leute im Hause. Piccolomini solle doch einmal aus dem Fenster sehen, bat Gallas, er habe es zu deutlich gehört. Piccolomini stand auf und öffnete das Fenster, daß der Wind hineinfuhr und die schweren Vorhänge hin und her bog. Es sei alles still, sagte er; ein paar Männer kämen über den Platz von Wallensteins Hause her, er könne sie nicht erkennen. Gallas zog sich in die Tiefe des Zimmers zurück; denn bisweilen flögen auch Kugeln durchs Fenster, sagte er, man müsse sehr auf der Hut sein.

Zum Überfluß wolle er die Haustür doppelt besetzen lassen, sagte Piccolomini, unterdessen solle Gallas sich schlafen legen, Mitternacht sei längst vorüber, und er wolle früh aufbrechen.

Die Unruhe lasse ihn nicht schlafen, sagte Gallas; sie müßten ja auch noch verabreden, wie sie es halten wollten.

Sobald er Nachricht von Aldringen erhielte, daß eine klare Resolution gefaßt sei, sagte Piccolomini, wolle er auch abreisen und dazu das Ausbleiben des Gallas zum Vorwande nehmen.

Vorher müsse er aber das Patent veröffentlichen, erinnerte Gallas.

Natürlich, sagte Piccolomini, er wolle für alles Sorge tragen. Gott werde ihn beschützen.

Gallas seufzte tief. Lieber wäre es ihm gewesen, wenn Wallenstein sich wieder mit dem Kaiser versöhnt hätte. Aber die Rebellen hätten ihn im Garn, man könne ihn nicht mehr herauswickeln.

Plötzlich wurde er sehr müde, warf sich auf ein Ruhebett und schlief ein. Bevor die Sonne aufging, brach er nach Linz auf, wohin Piccolomini ihm nach fünf Tagen folgte. Er langte bei Nacht an und wurde von Gallas mit einer Umarmung empfangen. »Das ist ein Wiedersehen, Bruderherz!« rief dieser. Piccolomini werde ermüdet sein, müsse ihm aber doch das Wichtigste erst melden.

Die letzten Tage wären ihm heiß geworden, sagte Piccolomini, er wolle es nicht leugnen.

»Das will ich glauben!« rief Gallas. Er selbst sei erst in Linz wieder zum Manne geworden. Und ob alles gut expediert sei? Ob Piccolomini das Patent habe anschlagen lassen?

Er habe es an die gutgesinnten Offiziere verteilt, antwortete Piccolomini, mehr habe er nicht wagen dürfen.

Gallas nickte nachdenklich. Ja, sie hätten ihr Leben genug ausgesetzt, sagte er. Das würde jetzt aber einen Tumult in Pilsen geben. Und was nun werden solle? Ob sie den General in Pilsen belagern wollten?

»Jetzt steht alles auf des Schwertes Spitze«, sagte Piccolomini. »Es kommt alles darauf an, daß in Wien ein heroischer Beschluß gefaßt wird.«

Aldringen habe viel Einfluß in Wien, sagte Gallas, und werde seine ganze Dexterität aufbieten.

Inzwischen hatte sich Piccolomini ein wenig erfrischt und erholt und kam auf sein Verhalten in Pilsen zurück. Gallas werde hoffentlich nicht zweifeln, sagte er, daß er bereit gewesen wäre, Wallenstein dort gefangenzunehmen. Auf sein Regiment hätte er sich ja verlassen können. Aber ohne bestimmten Befehl aus Wien hätte er sich das doch nicht anmaßen dürfen.

Der Ausgang wäre auch zweifelhaft gewesen, sagte Gallas; man müsse das gewaltige Ansehen des Generals im Lager bedenken.

Wie dem auch sei, sagte Piccolomini, er würde es gewagt haben.

Nach einem kurzen Schweigen erkundigte sich Gallas, wie Wallenstein seine Entschuldigung, daß er krank sei, aufgenommen habe?

Die Krankheit komme ihm ungebührlich vor, habe er gesagt, die sich so unzeitig einstelle, erzählte Piccolomini, worauf er mit aller Unbefangenheit geantwortet hätte, sie habe Gallas schon in Pilsen molestiert, und der General sei ja selbst damit behaftet. Da habe er ihn mit dem präzisen Befehl, Gallas zu holen, nach Linz geschickt.

Gott scheine seine Hand im Spiele zu haben, sagte Gallas, daß der Knäuel so glatt abliefe, wie sie ihn gewickelt hätten.

Er müsse ihnen aber noch ferner beistehen, fügte Piccolomini hinzu; denn der Hauptschlag solle noch geführt werden.

*

Am selben Tage war Aldringen in Wien, wohnte jedoch der Heimlichkeit wegen nicht in der Stadt, sondern in einer kleinen Herberge vor dem Tore, wo er am späten Abend den Besuch des Bischofs von Wien empfing. An der Tür schüttelte der Bischof den Schnee von Mantel und Kapuze und ließ sich von seinem Diener trockene Schuhe anlegen. Er sei, um jeden Argwohn zu vermeiden, ein Stück vor dem Hause abgestiegen, sagte er erklärend und fügte hinzu, es scheine Tauwetter einfallen zu wollen; dann würde er bis an die Knie im Schmutz waten müssen.

Es wisse jeder, sagte Aldringen, daß der Bischof keine Gefahr und Mühe scheue, um dem gemeinen Wohl zu nützen. Hoffentlich bringe er gute Nachricht.

Ja, sagte der Bischof, indem er sich in Aldringens kleinem Zimmer an den Kachelofen setzte und mit einer Zange im Feuer stocherte, Aldringens Besuch habe Wunder gewirkt und das ungare Projekt zur Reife gebracht. Es sei ein neues Patent aufgesetzt, worin die Exekution nach Maßgabe der Umstände auszuführen befohlen sei. Mündlich habe der Kaiser gesagt, Blutvergießen solle nach Möglichkeit vermieden werden, und es werde ja wohl niemand gutheißen, wenn der Justiz ohne Not vorgegriffen würde, zumal es dem Kaiser übel ausgelegt werden könne.

Aldringens Augen hingen begierig an den Zügen des Bischofs. Ob ausdrücklich im Patent stehe, man solle Wallenstein tot oder lebendig fangen? fragte er.

Er könne es selbst lesen, sagte der Bischof. Der Kaiser sei jetzt recht auf ein promptes und nachdrückliches Geschäft erpicht, nun er die entsetzliche Gefahr erkannt habe, in der er mit seinem ganzen Hause schwebe. Ihm selbst, dem Bischof, wären die Augen erst recht aufgegangen.

Ja, sagte Aldringen, hätte man ihm rechtzeitig geglaubt, so hätten viel Übel vermieden werden können. Wallenstein habe es niemals redlich mit dem Kaiser gemeint, er habe es immer gesagt, aber niemand ihm glauben wollen.

Er bekenne sich schuldig, sagte der Bischof traurig, er sei zu vertrauensvoll gewesen. Aber er stehe nicht allein, der Unglücksmann habe viele einsichtige und treue Diener des Kaisers auf schlaue Weise verblendet. Er hätte sich's nicht träumen lassen, daß Wallenstein mit so höllischen Attentaten schwanger gehe. Jedermann sei voll Dank und Liebe für Aldringen; Schlick, Slawata und viele andere schickten ihm viel tausend inbrünstige Grüße und Wünsche für Erfolg und gutes Glück.

Aldringen sagte, daß er das Verdienst nicht für sich allein beanspruche, der Kurfürst von Bayern habe sich der Sache auch ernstlich angenommen.

Der Bischof bestätigte das; man müsse zugeben, daß es ohne den Kurfürsten nicht so weit gekommen wäre. Der Richel, der sich seit dem Dezember in Wien aufhalte, habe wacker geklopft, bis das Fleisch mürbe gewesen sei; man hätte dem dürren Männlein nicht zugetraut, daß solch ein Metzger in ihm stecke. Wenn nur der Kurfürst nicht immer mit Frankreich schaukeln wollte! Jetzt habe er wieder Frankreich als Friedensvermittler vorgeschlagen, recht zum Despekt des Kaisers. In der Wallensteinischen Sache sei es ihm auch viel um seine Person zu tun.

Es laufe beim Kurfürsten von Bayern viel Eifersucht mit unter, gab Aldringen zu; allein er sei doch ein wahrhaft katholischer Fürst, ernst und eifrig, der sich der Geschäfte annehme. Die Jesuiten möchten nicht in allem zu loben sein; aber der Ketzer wegen könne man sie doch nicht entbehren, sie wären Hunde und Jäger zugleich.

Der Bischof, welcher sich bewußt war, der jesuitischen Partei vielfach entgegengearbeitet zu haben, stimmte eifrig zu. Gott verteile seine Gaben verschieden, sagte er, ihn, den Bischof, habe er mehr zu innerlicher Theologie und Verehrung als zum Kampfe geschaffen. Sein Gewissen sei stets seine einzige Richtschnur gewesen, und das mache ihn jetzt zu Wallensteins Feind, wie er früher sein Freund gewesen sei. Luzifer müsse den Unglückseligen verführt haben.

Vom Hochmutsteufel sei er sicher besessen, sagte Aldringen. Und worauf sei er eigentlich so stolz? Sein Geld habe ihm viel geholfen. Er, Aldringen, habe seine Laufbahn ohne einen Heller in der Tasche begonnen, und wenn er bedächte, wie weit er es gebracht hätte, könnte er sich vielleicht deswegen aufblähen; allein er gebe Gott die Ehre, sei nur ein tapferer, redlicher Soldat gewesen.

Aldringens Verdienst sei weltberühmt, sagte der Bischof, ins Feuer starrend, das sein runzliges Gesicht rot färbte. Wenn man sich nur immer bewußt wäre, daß Gott jegliche Herrlichkeit nach kurzer Frist in Asche stürzte. Ob der Weg über einen Thron oder über einen Misthaufen ginge, er führe immer ins Nichts.

Ins Nichts? sagte Aldringen erschrocken. In aller Demut hoffe er doch durch Gottes Gnade und die Fürbitte der Heiligen den Himmel zu erlangen.

Der Bischof erklärte, er habe nur in bezug auf das Irdische gesprochen, welches zunichte werden würde, worauf sich das Gespräch wieder der nächsten Zukunft zuwandte. Nach einer Stunde brach der Bischof auf, und Aldringen ließ es sich nicht nehmen, ihn an seinem Arme zur Kutsche zu führen, während der Diener mit der Laterne voraufging. Es regnete in Strömen, und die kahlen Bäume, die die Landstraße besäumten, stöhnten im zügellos schweifenden Sturme. Dicht an den Bischof gedrängt, fragte Aldringen, wie es mit dem Gelde gehalten werden sollte? Das sei ein wichtiger Punkt, den sie noch nicht besprochen hätten. Treue Dienstleistung wolle bezahlt sein, der Mut der Soldaten würde jetzt auf eine harte Probe gestellt werden. Ob das etwa Vorhandene gleich benutzt werden könne?

Der Kaiser sei schon im Begriff, eine Kommission zur Konfiskation des Terzkaschen und Illoschen Vermögens einzusetzen, sagte der Bischof; es solle schleunig gearbeitet werden, die Herren sollten mit der Exekution auch nicht feiern, der Kaiser habe keine Ruhe, bis es erledigt sei.

Aldringen versprach, alles daranzusetzen. Wallenstein, sagte er, sei jetzt wie ein Stier, der das Wurfgeschoß im Nacken habe; es gelte Kampf bis zum Tode.

Indem er, den Diener beiseite schiebend, dem Bischof in den Wagen half und ihm die Hand küßte, bat er um seinen Segen. »Der Friede Gottes sei mit dir, mein Sohn«, sagte der Bischof in lateinischer Sprache und ließ seine Rechte einen Augenblick auf Aldringens tiefgeneigtem blondem Kopfe ruhen; dann verschwand die Kutsche im Getümmel der Elemente.

*

Mohr von Wald, der an den Wiener Hof abgeordnet war, stand an Wallensteins Bett, um seine letzten Aufträge entgegenzunehmen. »Der Herr hat schlechtes Reisewetter,« sagte Wallenstein freundlich, »ich habe nachts den Regen aufs Dach tropfen hören.«

Mohr von Wald antwortete, Regen sei besser als Glatteis; er und sein Pferd würden naß werden; aber sie wären es beide gewohnt.

»Ja, der Krieg ist ein guter Lehrmeister«, sagte Wallenstein und schwieg dann, wie wenn er den Faden verloren hätte; der Offizier stand wartend, da er den General nicht anzureden wagte.

»Ist der Herr noch da?« sagte Wallenstein plötzlich, den Kopf nach ihm wendend. Nun, er solle sich eilen und das Geschäft möglichst befördern. Er wolle Ruhe haben. Mohr von Wald könne es dem Kaiser selbst bezeugen, daß bei dem Verbündnis, das die Offiziere geschlossen hätten, keine rebellische Absicht gewesen sei, wie gewisse Verräter ihnen unterschieben wollten. »Verräter und Schelme sind hier bei mir gewesen,« rief er, in jähe Wut ausbrechend, »aber ihr böses Gewissen hat sie vertrieben.« Er hätte nicht geglaubt, setzte er etwas ruhiger hinzu, daß die Erde so gottlose Verräter behielte. Er hätte gemeint, die Hölle schlänge sie als ihr Erbteil hinunter.

In seinem grauen Gesicht flackerten die Augen wie ein letztes Feuerzüngeln aus der Asche.

Mohr von Wald könne bezeugen, fuhr er nach einer Weile fort, daß er schon vor Monaten bereit, ja willens gewesen sei, abzudanken; nur müsse es in Ehren geschehen. Wäre doch der Holzhauer froh, sein Bündel vom Rücken zu werfen; er müßte ja ein Narr sein, wenn er der übergroßen Last nicht gern ledig würde. Aber er ließe sich nicht wie einen untauglichen Diener ablohnen; er wolle nicht wie Belisar das Almosen an den Türen betteln.

Als Mohr von Wald an der Tür war, rief er ihn noch einmal zurück. Er habe nichts als den Frieden gewollt, das könne Mohr von Wald bei Gott bezeugen. Der Friede sei ihnen allen hochnötig. Die zum Krieg rieten, das wären die Judasherzen; um blutigen Mammons willen verrieten sie Kaiser und Reich.

Etwa eine Stunde lang lag Wallenstein still mit geschlossenen Augen da, dann ließ er Seni rufen. Der trat unwillkürlich einen Schritt zurück, als er des Generals Gesicht auf dem Kissen liegen sah. »Fürstliche Gnaden haben eine schlechte Nacht gehabt?« fragte er. Er habe viel geträumt, sagte Wallenstein. Wie die Zeichen am Himmel gewesen wären?

»Es war eine feuchte, schwarze Nacht«, sagte Seni zögernd. Die Mondsichel sei eine Viertelstunde lang sichtbar gewesen und habe wie ein leerer Kahn auf hoher Flut getrieben.

Wallenstein schloß die Augen wieder und schwieg. Wenn der Fürst ihn habe rufen lassen, um seine Meinung zu vernehmen, sagte Seni, so unterstehe er sich, von großen Unternehmungen abzuraten. Die Konstellation sei in dieser Zeit kriegerischen Aktionen widerwärtig.

Seni solle die nächste Nacht wieder achtgeben, ob der Jupiter sich sehen lasse, befahl Wallenstein.

Das Gestirn sei durchaus verfinstert, sagte Seni. Ihm scheine es fast, als wolle Gott dem Fürsten eine Warnung zukommen lassen.

Wallenstein seufzte tief, winkte Seni mit der Hand, sich zu entfernen, und schickte nach Kinsky. Ob der Arnim noch immer nicht da sei? fragte er.

Kinsky sagte, die Boten, die er nach Mies geschickt hätte, berichteten, daß sich noch nichts zeige.

Es müsse noch ein Brief an Arnim geschrieben werden, daß er sich beschleunige, sagte Wallenstein; es sei periculum in mora.

Der General sehe zu schwarz, sagte Illo, der eben ins Zimmer trat. Die Verräterei von ein paar meineidigen Schuften habe ihn perplex gemacht. Der Armee wären sie ja sicher und sollten nach seinem Dafürhalten nicht länger zögern. Den Arnim könnten sie in Prag erwarten.

Kinsky, der am Fenster stand, berichtete, daß Terzka eben über den Platz geritten komme. So wäre er gar nicht bis Prag vorgedrungen! sagte Wallenstein. Er könne unmöglich schon von dort zurück sein.

Als Terzka eintrat, erblaßte Kinsky, und Illo ballte die Hände vor Ungeduld. Was es gebe? schrie er. Ob Terzka einem Gespenst begegnet sei?

Schlimmer als das, sagte Terzka; Prag sei verloren, von Gallas und Piccolomini eingenommen. Ein Patent sei angeschlagen, daß Wallenstein abgesetzt und das Heer, des Gehorsams entbunden, an Gallas und Piccolomini gewiesen sei.

Illo schlug mit der Faust auf den Tisch. Er habe es immer gesagt, sie hätten nicht auf ihn hören wollen! Man hätte die Halunken nicht lebendig aus Pilsen kommen lassen sollen! Hernach hätte man sich sofort auf Prag stürzen müssen. Aber er wollte es ihnen eintränken! Die Lust, wenn er ihnen das falsche Herz aus dem Leibe stückeln könnte! Wenn er ihnen erst den Daumen auf die lügnerische Kehle drückte!

Terzka ließ sich erschöpft auf einen Stuhl fallen. Er habe sein Pferd fast zuschanden geritten, sagte er, sei froh, daß er das Leben davongebracht habe.

Ob man etwa von Arnim auch Verrat zu besorgen hätte? fragte Wallenstein. Kinsky erwiderte, er halte ihn für sicher und wolle ihn sogleich durch einen Brief zu größerer Eile antreiben.

Und daß er durch des Kurfürsten von Sachsen Land, nicht durch die obere Pfalz reisen solle, sagte Wallenstein. Und ob vom Lauenburger noch keine Nachricht da sei?

Er könne kaum in Regensburg angelangt sein, sagte Illo. Er wolle ihm aber einen Boten nachsenden, damit er nicht auf Prag zöge.

Während Wallenstein es für rätlich hielt, Arnim entgegenzugehen, schlug Illo vor, in Pilsen zu bleiben. Er sei überzeugt, sie könnten sich in Pilsen halten. Kinsky stimmte dafür, daß man sich näher nach Sachsen ziehe; allein Terzka schlug sich auf Illos Seite; blieben sie in Pilsen, so bestehe mehr Aussicht, mit schwedischer Hilfe Prag wiederzunehmen. Wallenstein gab nach; im Laufe des Nachmittags jedoch beschloß er plötzlich, Pilsen aufzugeben und sich nach Eger zu wenden. Es liege günstiger für die Konjunktion mit Schweden und Sachsen; auch sei die protestantische, gewaltsam zum Katholizismus reformierte Bürgerschaft dem Kaiser abgeneigt, und er fühle sich dort sicherer.

Am folgenden Tage wurde aufgebrochen und die Nacht in dem Illo gehörigen Schlosse Mies gerastet. Ein rubinfarbenes Morgenrot stand am trüben Horizonte, als Wallenstein mit Illo, Terzka und Kinsky aus dem Tore trat, um in seine Sänfte zu steigen. Er fühle sich wohler, seit er Pilsen hinter sich habe, sagte er, fürchte nur den holperigen Weg wegen des Podagras; aber in Eger könne er ja ausruhen.

In Plan verabschiedete sich der Kanzler Eltz von Wallenstein, um sich in seinem Auftrage zum Markgrafen von Kulmbach zu begeben. Wallenstein schärfte ihm ein, keine Zeit zu verlieren und dem Markgrafen, der eine dicke Haut habe, gehörig einzuheizen.

Der Herzog könne sich auf ihn verlassen, sagte Eltz, seine Zunge sei ein guter Blasebalg. Er werde dem Markgrafen erklären, wie jetzt der Augenblick da sei, die evangelische Religion und deutsche Libertät auf alle Zeit sicherzustellen, und werde ihm ein Licht über die spanisch-papistischen Mordprojekte anzünden.

Er solle auch behutsam sein, wenn er etwa unterwegs aufgehoben würde, sagte Wallenstein.

Lieber würde er sich mit glühenden Zangen zerreißen lassen, beteuerte Eltz, als daß er seinen Herrn verriete. Aber er sei gewiegt, werde schon ein Loch im Netze finden.

Wie er dem weiland braunschweigischen Minister nachblickte, sah Wallenstein auf der von Taus einmündenden Straße Bewegung von Wagen und Reitern. Es fuhr ihm blitzschnell durch den Sinn, daß es Feinde sein könnten, die ihn einfangen, nach Wien schleppen und als einen Malefikanten vor ein Kriegsgericht stellen würden; Piccolomini, Carretto, Gallas, fluchwürdige Verräter, Schlick, der kriechende Hund, würden ihn inquirieren und ihm den Fuß auf den Nacken setzen. Angstschweiß trat ihm auf die Stirn, und mit Anstrengung bog er sich aus der Sänfte, um sein Gefolge zu rufen, als ein Illoscher Adjutant angesprengt kam und meldete, daß Buttler mit seinem Regiment im Anmarsch sei, willens, nach Prag zu ziehen. Der General wolle sich belieben lassen, ihm andere Order zu erteilen.

Wallenstein atmete erleichtert auf und wunderte sich über seine Zerstreutheit; wie hatte er hier Feinde vermuten können, wo Buttler ihnen notwendig den Paß abgeschnitten hätte! Als Buttler, der soeben flüchtig von den letzten Vorfällen unterrichtet worden war, sich unter tiefen Verbeugungen der Sänfte näherte, reichte der Herzog ihm freundlich die Hand und forderte ihn auf, sich zu ihm zu setzen, damit sie sich besprächen. Was er denn zu der abscheulichen, frevelhaften Verräterei gesagt habe? Die er am meisten begnadigt, ja wie Brüder gehalten hätte, die übten so meuchlerischen Undank. Gott sei Dank habe er noch Macht genug, die Treuen zu belohnen. Es sollte keiner bereuen, die Soldatenpflicht geleistet zu haben.

Buttler sagte, er hätte eher den Einsturz des Himmelsgewölbes als solchen Abfall für möglich gehalten. Was der General nun beschlossen habe?

Er ziehe sich auf Eger zurück, sagte Wallenstein, wo er an dem Kommandanten Gordon einen treuen Freund habe und im Schoße der redlichen Bürgerschaft sich sicher fühlen könne. Er müsse ja nun, da er vom Kaiser geächtet sei, sein Haupt vor Meuchelmördern schützen. Übrigens mache er den Kaiser nicht verantwortlich, er wisse wohl, wer der Feind sei, dem der Kaiser ihn preisgegeben habe, und er hoffe, daß Gott ihn hier und dort strafen werde.

Was ihn anbelange, sagte Buttler, so sei er seiner Pflicht eingedenk; der General werde hoffentlich nicht daran zweifeln.

Nein, antwortete dieser, er traue Buttler und liebe ihn und wolle es ihm einst noch besser zeigen. Er halte es für ein gutes Zeichen, daß sie sich hier getroffen hätten.

Nachdem Buttler sein Pferd wieder bestiegen hatte, paßte er auf seinen Beichtvater, der, ein Irländer wie er, in Kutte und Schlapphut, mit großem rotem Barte, zwischen ein paar Offizieren ritt und lebhaft gestikulierend lustige Geschichten erzählte. Da Buttler ihm winkte, nickte er jenen zu, daß er den Schwank bei Gelegenheit zu Ende bringen werde, und eilte an seines Obersten Seite, um ihn sogleich mit Fragen zu bestürmen, was die veränderte Marschrichtung zu bedeuten habe. Buttlers Erzählung hörte er unter vielen Ausrufungen an und sagte zum Schlusse fröhlich, so erfülle sich nun Buttlers trübe Ahnung doch nicht, daß er in Prag im schmählichen Kampfe sein Leben lassen müßte. Ja, die Eiterblase hätte einmal aufbrechen müssen; er hätte doch nicht gedacht, daß es so bald geschähe.

Man hätte den Skorpion eher zertreten sollen, sagte Buttler halblaut. Jeder Schritt, den er weiter tue, bringe dem Kaiser Gefahr.

Sie ritten jetzt durch Wald, in dem es dämmerte, obwohl es erst Mittag war; kaum hörte man den Huf der Pferde im nassen Moose. Taaffe, so hieß der Beichtvater, trieb sein Tier nahe an Buttlers heran und flüsterte: »Gott erleuchte Euer Gnaden! Wir sind in des Teufels Schlinge gefallen.«

»Umgekehrt,« sagte Buttler, »Gott hat ihn in meine Hand gegeben.«

Ja, ja, sagte Taaffe, die Begegnung habe sicherlich Gott herbeigeführt. Aber was könne Buttler tun? Er könne nun und nimmermehr mit seinem Regiment gegen das ganze Wallensteinsche Heer bestehen. Wie viele denn noch bei dem General wären?

Etwa 5- bis 6000 Mann, antwortete Buttler, an einen Kampf sei also nicht zu denken; dergleichen habe er auch nicht im Sinn.

Freilich, freilich, stimmte Taaffe ein, mit Gewalt sei da nichts auszurichten. Was Buttler denn mit dem General gesprochen hätte?

Wie er ihn in der Sänfte erblickt hätte, sagte Buttler ganz leise, sei ihm durch den Kopf geschossen, daß er aussehe wie eine Leiche im Sarge. Den Gedanken habe ihm Gott eingegeben.

Der Beichtvater verneigte sich ehrerbietig; der Bewußte sei ja wohl schwer krank, sagte er.

Er halte es für das böse Gewissen, was in seinen hohlen Augen grassiere, sagte Buttler.

Heilige Mutter Gottes, flüsterte Taaffe, die gefalteten Hände erhebend, zu denken, daß der Erzluzifer sich so gleichsam selbst ausgeliefert habe! Gott habe Großes mit Buttler vor, das trage ihm seine Frömmigkeit ein.

Ja, erwiderte Buttler, jetzt wolle er beweisen, daß er ein treuer Diener des Kaisers und der heiligen Kirche sei. Wenn die Gelegenheit erforderte, daß er des Bösewichts Blut vergösse, so könne Gott ihm das doch nicht als Mord anrechnen?

So wenig wie dem heiligen Georg, sagte Taaffe, daß er den Drachen erlegte. Aber ihm sei doch ängstlich zumute, Buttler solle um Gottes willen nichts Unbedachtes wagen. Wallenstein habe in so unermeßlicher Gunst beim Kaiser gestanden, dessen Sinn könne sich plötzlich ändern und Buttler seine heroische Tat anders ausgelegt werden. Er, Taaffe, habe sein Herz an Buttler gehängt und bekümmere sich um ihn. Er solle eine so schwere Sache vorher mit anderen bereden.

Auf der anderen Seite sei ebensoviel Gefahr, sagte Buttler. Wenn er nichts täte, lüde er den Schein auf sich, dem Verräter anzuhängen. Was würden Piccolomini und Gallas von ihm denken, wenn sie hörten, daß er sich Wallenstein angeschlossen hätte! Und doch sei kein Entrinnen möglich.

Taaffe bedachte sich eine Weile und machte dann das Anerbieten, er wolle eilig nach Prag reiten, um Gallas und Piccolomini von Buttlers Lage in Kenntnis zu setzen und sie um bestimmte Weisung zu bitten. In einer so vertraulichen Sache könne Buttler nicht jeden schicken, in seiner Brust sei das Geheimnis fest versiegelt. Gott werde um eines so heiligen Zweckes willen seine Kraft verdoppeln, damit er unversehrt und schnell mit dem erhaltenen Bescheid zu Buttler zurückkehrte.

Buttler erklärte sich einverstanden. Da noch keine unmittelbare Gefahr sei, könne er warten. Einstweilen wolle er die Schlinge um seine Beute legen, damit er sie im Notfalle sofort zuziehen könne.

*

Um drei Uhr stieß die Spitze des Zuges auf die ersten Vorposten des Terzkaschen Regiments, das in Eger lag, und bald darauf erschien Gordon, der Kommandant, um Wallenstein zu geleiten. Er habe nicht so bald auf das Glück gehofft, den General wiederzusehen, sagte er demütig; auf der Festung sei alles in Ordnung, des Generals Quartier sei im Pachelbelschen Hause am Markt hergerichtet, wo er im Jahre 1630 gewohnt habe. Es sei mit allen Bequemlichkeiten wohl versehen.

Das höre er gern, sagte Wallenstein. Er habe den Tag über mehr als sonst an seinem alten Übel gelitten, bedürfe der Ruhe.

Im Schoße Gottes könnte er nicht besser aufgehoben sein, sagte Gordon.

Ob Arnim gekommen sei? fragte der Herzog. Sie hätten wichtige Traktaten vor.

Nein, er wisse nichts von Arnim, antwortete Gordon; und durch des Generals ungewöhnliche Freundlichkeit ermutigt, fuhr er fort, vielleicht werde Arnim durch das Wetter zurückgehalten. Der Himmel sei wunderlich gefärbt, als solle es einen Schneesturm geben. Auch wären hie und da die Wege verschneit, so daß man sich im Dunkeln leicht verirren könnte.

Wie sich die Bürgerschaft verhalte? fragte Wallenstein.

Es sei überall Gehorsam und Willigkeit zu spüren, berichtete Gordon. Ketzer wären nicht mehr vorhanden, außer ein paar alten Weibern und Bettlern, die man laufen ließe.

Auch Terzka freute sich, als die graue Masse der Festung am Horizont erschien; die Kehle sei ihm trocken geworden nach dem scharfen Ritt, sagte er, den Abend wolle er ordentlich zechen.

Kinsky, der neben ihm ritt, blickte mißmutig nach dem das dunkle Mauerwerk gelblich umrahmenden Himmel. Es sei eine seltsame Laune des Generals, sich da einzuschließen, sagte er. Die Stadt gleiche einem Spinngewebe, in dem das Schloß die Spinne sei.

Terzka drehte sich erstaunt nach seinem Schwager um. »Du hast Gesichte wie ein Prophet«, sagte er. »In Pilsen wolltest du ja auch nicht bleiben.«

Nein, sagte Kinsky, man hätte den Feind auch wohl in Prag belagern können. Bei solchem Spiel sei er lieber draußen als drinnen.

Terzka zuckte die Schultern. Nach Prag könne man immer noch, sagte er, wenn man durch Schweden und Sachsen verstärkt sei.

Auf dem Markte war es so still, als wenn schon Nacht wäre. Vor dem Hause, wo Wallenstein abstieg, standen der Bürgermeister und einige Ratsherren und begrüßten ihn ehrerbietig. »Wo ist der Pachelbel, dem das Haus gehört?« fragte er. Er sei seit Jahresfrist nicht mehr am Leben, erwiderte der Bürgermeister vortretend; einstweilen habe die Stadt das Haus in Sequester. Und wo der andere Pachelbel sei, der gewesene Bürgermeister? fragte Wallenstein. Er verharre steif im Unglauben und sei nach Wunsiedel gezogen, berichtete der Bürgermeister, solle verräterischen Umgang mit den Schweden pflegen. Gott werde wohl nicht lange mit der Strafe zögern.

Wallenstein antwortete nicht; aber im Weitergehen sagte er halblaut zu Terzka, das wäre nun sein Schaden, daß er die Stadt auf Betreiben des Kaisers reformiert hätte: die Guten wären ausgezogen und Heuchler und Schelme zurückgeblieben.

Als Wallenstein schon eine Weile im Bette lag, läutete er noch einmal dem Kammerdiener; er höre ein Rauschen, das ihm den Schlaf störe, man solle es abstellen.

Der Kammerdiener sah aus dem Fenster und sagte, es sei ein laufendes Brünnlein im Hof, das so plätschere; er wisse nicht recht, was dagegen zu tun sei.

»Weißt du nicht, wie man einen Brunnen verstopft, du Hund?« rief Wallenstein ungeduldig; worauf der Diener erschrocken davonlief und das Geräusch nach wenigen Augenblicken verstummte.

*

Buttler, Gordon und der Wachtmeister Leslie saßen auf dem Schlosse beim Wein und besprachen Wallensteins Abfall vom Kaiser. Die Offiziere wären nun in heikliger Lage, sagte Buttler, bei der bekannten Tyrannei des Herzogs wage man sein Leben, wenn man sich gegen ihn auflehne. Und doch sei es auch nicht ohne, dem Kaiser den schuldigen Eid zu brechen.

Leslie und Gordon pflichteten Buttler bei. Was sie denn auch gegen den Kaiser ausrichten könnten, da die Armee fast ganz auf seine Seite getreten sei? Nur etwa 6000 Mann habe Wallenstein noch; sie würden alle gefangen werden und den schimpflichen Tod der Rebellen erleiden.

Eben darum suche Wallenstein jetzt sein Heil bei den Schweden, erklärte Buttler.

Dadurch würde das Übel noch größer für sie, sagte Gordon. Er möchte um alle Welt nicht gemeine Sache mit den ketzerischen Schweden machen.

Ja, dabei setzte man die ewige Seligkeit zugleich aufs Spiel, sagte Buttler. Er sei als ein Edelmann entschlossen, dem Kaiser die Treue zu halten.

Gordon und Leslie fielen mit ähnlichen Beteuerungen ein. Gordon schlug vor, sie könnten sich noch in dieser Nacht davonmachen und nach Prag reiten; er habe ja den Schlüssel.

Nein, ihm stehe das nicht an, entgegnete Buttler. Dabei wagten sie ihr Leben, ohne der gemeinen Sache zu nützen.

So solle Buttler etwas anderes vorschlagen, sagte Gordon. Ach Gott, sie wären da in eine Klemme geraten, aus der sie schwerlich die Glieder heil herausbrächten.

»Wenn wir nur wollen,« sagte Leslie leise, sich über den Tisch beugend, »so ist der Tyrann in der Klemme. Der Kaiser und viele Fürsten werden es uns danken, wenn wir ihn kaltmachen.«

»Man könnte meinen, Bruder,« sagte Buttler, indem er seine Hand auf Leslies Arm legte, »du habest meine Gedanken gelesen. Was du sagst, das war von allem Anfang an mein Wille.«

Gordon erbleichte. Nein, das wolle er nicht wagen, sagte er, bevor es ihm von den Häuptern anbefohlen sei. Wie sie es denn auch ausführen sollten? Der Illo sei ja auch da und der Terzka! Sie würden im Kampfe sicher den kürzeren ziehen.

Indem kam ein wachhabender Soldat und meldete, es werde stark ans Tor geschlagen; der Kommandant müsse kommen. Die drei Offiziere sprangen auf und wechselten erregte Blicke. Es könnte Arnim oder der von Weimar sein, sagte Buttler, den müßten sie abfangen. Um Gottes willen, fiel Gordon ein, zur Zeit sei der Generalissimus Herr in der Festung; er getraue sich keines Ungehorsams.

Nun wurde der Soldat zurückgeschickt mit der Frage, wer draußen sei, und kam mit der Antwort wieder, es sei ein Bote von Gallas aus Prag, an den Kommandanten abgefertigt.

Der bringe vielleicht die Achtserklärung, meinte Buttler. Wenn Gordon durchaus nicht zu öffnen wage, so solle er immerhin den General entscheiden lassen, damit sei ja nichts verloren.

Er selbst sei es nicht imstande, sagte Gordon. Ob Leslie zum General gehen und fragen wolle?

Leslie erklärte sich ohne Zögern bereit; er werde sich dabei gleich die Gelegenheit gründlich ansehen.

Nachdem auf Wallensteins Befehl der Bote eingelassen war, der in der Tat das Patent über des Generals Entsetzung und Ächtung brachte, machte sich Leslie wieder auf, um es ihm abzuliefern. Sie wollten inzwischen beten, sagte Buttler, daß Gott das rebellische Gemüt des Bösewichts bekehre.

Eine halbe Stunde verging, bis Leslie atemlos zurückkam. »Jetzt ist's beschlossen,« sagte er, »wir müssen ihn töten.« Die beiden drängten sich begierig an ihn heran, um zu hören, wie es abgelaufen sei. Der General, berichtete Leslie, habe das Patent gelesen und auf den Boden geschmissen. So sollten denn die Folgen über den Kaiser kommen, habe er gerufen. Seinen treuesten Diener überhäufe er mit Schimpf statt mit Dank, der Bayer habe es ihm eingegeben. Eintränken wolle er's ihnen. Nun sei kein Zweifel mehr, die Notwendigkeit sei da. Es solle sofort ein Bote an Bernhard von Weimar abgeschickt werden, er sei zum Bündnis mit den Schweden entschlossen. Bei den Ketzern werde er mehr Dank und Lohn finden als bei dem Kaiser, dem er die Krone gerettet.

Er, Leslie, habe sich sofort verabschiedet, um den Befehl wegen des Boten auszuführen. Bis zur nächsten Mitternacht müsse die Tat vollbracht sein. Er habe einen fröhlichen Eifer dazu, weil es ein gutes Werk sei, dies schwarze Gemüt zur Hölle zu senden.

Buttler reichte dem Erhitzten ein volles Glas Wein, das er in einem Zuge leerte. Wie der Unverschämte das kaiserliche Patent auf den Boden geschmissen habe, sagte er, da hätte er ihm am liebsten auf der Stelle die Kehle abgeschnitten.

Buttler lobte die Besonnenheit, mit der er die preiswürdige Aufwallung unterdrückt hätte; denn sie dürften nicht losschlagen, bevor sie Maßregeln für die Sicherheit getroffen hätten. Es müßten Soldaten in die Stadt, Regimenter lägen ja draußen, um etwaigen Widerstand zu unterdrücken. Auch müßten sie die übrigen Rebellen, namentlich Terzka und Illo, unschädlich machen; am besten wäre es, alle miteinander umzubringen.

Nein, das könne er nicht zulassen, rief Gordon. Es würde ein Aufruhr und allgemeines Blutvergießen entstehen. Zuletzt würde es ihm, als dem Kommandanten, zur Last gelegt.

Ein Aufruhr würde vermieden, entgegnete Buttler, wenn man die Häupter in der Stille abtäte. Sein Vorschlag wäre, sie auf das Schloß zu einem Bankett zu laden und auf ein gegebenes Zeichen, vielleicht wenn sie schon betrunken wären, niederzumachen. Der General freilich ginge nicht aus, müsse im Bett überfallen werden; das habe aber keine Schwierigkeit, wenn die anderen zuvor erledigt wären. Den Kinsky könne man nicht ausschließen, er sei ja auch ein Schelm wie die anderen und ein Ketzer dazu. Zuvörderst komme es indessen darauf an, ob sie genug Geld hätten, um die gemeinen Soldaten zu gewinnen, die zu dem Geschäft gebraucht würden.

Geld? sagte Leslie. Der Friedländer sei ja der reichste Mann in der Christenheit.

Gordon stützte die Arme auf den Tisch und bohrte die Fäuste in die Schläfen. Leslie möge wohl so reden, jammerte er, er sei nur Oberwachtmeister, aber er, als der Kommandant, trage die Verantwortung. Über ihn werde es hergehen, wenn es mißglückte. Oder wenn der Kaiser etwa gar anderes Sinnes würde?

Leslie und Buttler schoben ihm das Patent hin und schlugen mit der Hand darauf. Sie hätten es ja schwarz auf weiß, riefen sie; wenn sie jetzt zugriffen, würden sie reich und angesehen, ja bis auf die späteste Nachwelt berühmt werden. Beschlossen sei es, Gordon müsse sich entscheiden, ob er für oder wider sie sein wolle.

Wenn es denn nicht anders sein könne, sagte Gordon, in dessen Händen das Patent zitterte, so wolle er treu zu ihnen halten. So oder so wagten sie ihr Leben; es solle wenigstens für Ehre und Pflicht geopfert sein.

*

Im Dome von Regensburg predigte der weimarische Hofprediger über den Universalfrieden. Die Blicke Franz Albrechts von Sachsen-Lauenburg wanderten behaglich den schönen bunten Schein entlang, der durch ein Fenster auf eine figurengeschmückte Säule fiel, und blieben an dem schmalen, dunkeläugigen Gesicht seines Vetters, des Herzogs Bernhard, hängen. Er sah sehr ernsthaft aus und schien aufmerksam zuzuhören. Ob er als ein Nachahmer Gustav Adolfs den Heiligen spiele, dachte Franz Albrecht, oder ob sein Gemüt in Wirklichkeit so theologisch beschaffen sei? Franz Albrecht fand seinen bärenhaften Ernst und überhaupt seinen ganzen Schulmeisterbetrieb nicht kavaliermäßig; aber er nahm sich vor, da er ihn für seine Pläne gewinnen wollte, augenblicklich mit dieser Ansicht zurückzuhalten. Nur wollte er ihn gelegentlich einmal fühlen lassen, daß er die Heldentaten, auf die er so stolz war, namentlich die Eroberung Regensburgs, nicht sosehr seinem martialischen Ingenium als Wallensteinischer Laune zu verdanken habe, der ein Interesse an seinen Fortschritten hätte. Etwas mehr Bescheidenheit konnte nach seinem Dafürhalten Bernhard nichts schaden, der schon anfing, sich als den deutschen Alexander aufzuspielen.

Die Vettern begrüßten sich, als sie miteinander aus der Kirche traten; denn Bernhard hatte sich sogleich nach seiner Ankunft aus Straubing in den Gottesdienst begeben.

Er habe ihn mit Ungeduld erwartet, begann Franz Albrecht, höchste Eile tue not. Bernhard müsse schleunig mit ganzer Macht auf Pilsen rücken, um sich mit Wallenstein zu konjungieren, so wäre sein und des Reiches Glück gemacht.

Bernhard warf einen mißbilligenden Blick auf den Sprecher, indem er sagte, er könne nicht begreifen, wieso Franz Albrecht ihm noch einmal die alten Schlingen legen möchte. Auch ein Blinder ginge nicht wieder hinein.

Bernhard hielte ihn, seinen Vetter, einen Fürsten, doch nicht für einen Possenreißer? fragte Franz Albrecht vorwurfsvoll.

Vielleicht sei er selbst verblendet und betrogen, sagte Bernhard; darauf wolle er sich nicht einlassen.

Franz Albrecht blieb auf dem von heller, kühler Sonne beschienenen Platze vor der Kirche stehen. Eben hätten sie die schöne Predigt über den Universalfrieden andächtig gehört. Ob denn das nur ein Gaukelwerk gewesen sei? Nun sich die Gelegenheit biete, den edlen Frieden zu effektuieren, wolle er es an sich fehlen lassen?

Bevor noch Bernhard geantwortet hatte, trabte ein Reiter über den Platz, sprang ab und näherte sich Franz Albrecht. Feldmarschall Illo schicke ihn mit einem eiligen Brief an den Herzog, sagte er.

Franz Albrecht erbrach und las das Schreiben hastig, reichte dem Boten ein Trinkgeld und hieß ihn, sich in einer halben Stunde bereit zu halten; inzwischen solle er sein Pferd tränken und einen Imbiß nehmen. Dann schob er seinen Arm in den Bernhards und bat ihn, mit in seine Herberge zu kommen: die Neuigkeit, die er eben erhalten habe, werde Bernhards Sinn ändern.

Der Brief sei aus Mies, erzählte er, Wallenstein sei auf dem Wege nach Eger, Prag zum Kaiser abgefallen. Nun werde Bernhard nicht mehr zweifeln.

Sie waren inzwischen im Gasthause angekommen, und Bernhard setzte sich gleichmütig auf einen Stuhl am Fenster. Was mehr? sagte er trocken. Verriete Wallenstein den Kaiser wirklich, wolle er um so mehr auf der Hut sein, nicht betrogen zu werden.

Franz Albrecht sprang auf und schlug die Hände zusammen. Was für ein ungläubiger Thomas! rief er. Er solle doch um Gottes willen nach Eger gehen und die Hand in die Wundmale legen. Er lade eine schwere Verantwortung auf sich, wenn er die Gelegenheit vorübergehen ließe! Ob er zweifelte, daß er, Franz Albrecht, es ehrlich meinte?

Bernhard wiederholte, er habe nicht im Sinn, seines Vetters Ehre anzugreifen. Er möge immerhin wie die anderen vom Friedländer bezaubert sein. Er, Bernhard, sei für diese satanische Kunst unzugänglich. Mit einem so gottlosen Menschen wie Wallenstein wolle er sich nicht einlassen.

Gottlos? rief Franz Albrecht aus, indem er die Augen weit öffnete. Wo er doch so viele Klöster und Kirchen gegründet hätte!

Gottlos sei es, beharrte Bernhard, seine Handlungen von den Sternen anstatt vom Willen Gottes abhängig zu machen.

Das hätten die großen Helden des Altertums auch getan, verteidigte Franz Albrecht, und es könne einer deshalb doch ein guter Feldherr und Staatsmann sein. Der fromme Gustav Adolf habe sich auch nicht bedacht, mit Wallenstein zu traktieren. Bernhard solle ihm keinen Dienst leisten, vielmehr Vorteil aus ihm ziehen für das liebe Vaterland.

Bernhard wurde nachdenklich. Allerdings könne durch Gottes Allmacht das Böse in den Dienst des Guten gestellt werden. Er wolle auch wohl glauben, daß Wallenstein wirklich vom Kaiser abgefallen sei, nicht aber, daß das ganze Heer mit rebellierte. Eine Handvoll armer Teufel lasse sich wohl kaufen, die meisten aber würden Ehre und sicheren Vorteil nicht im Stiche lassen. Was hätte er, Bernhard, aber davon, wenn Wallenstein mit ein paar hundert Mann zu ihm überliefe? Und wer bürge ihm, rief er, von einem plötzlichen Einfall ergriffen, daß Wallenstein ihn nicht nach Eger abziehen wolle, um Nürnberg zu überfallen, das ihm zweifellos anstehen würde?

Da Franz Albrecht sah, daß nichts auszurichten war, schrieb er an Illo, er habe alles glücklich erledigt, Bernhard werde unverzüglich nach Eger aufbrechen, um sich mit Wallenstein zu verbinden; mit welcher Botschaft er die Estafette abfertigte, damit Wallenstein vertröstet und hingehalten würde.

Nachdem er noch mehrmals auf Bernhard eingeredet hatte, begab er sich unverrichteter Sache nach Pfirt, wo er eine zärtliche Verbindung angeknüpft hatte, und machte sich am Sonntag nach Eger auf, bequem in eine Kutsche gelehnt, um den in der Nacht versäumten Schlaf nachzuholen. Er wachte auf, als sein Wagen um die Mittagszeit vor einem Gasthause hielt, und stieg aus, um etwas zu sich zu nehmen. Während er aß, erzählte der Wirt, in der Nacht habe ein Sturm gewütet, wie seit Menschengedenken keiner erlebt sei. Es habe getönt, als ob die Posaunen zum Jüngsten Gericht riefen, in seinem Garten sei ein alter starker Birnbaum mit der Wurzel ausgerissen. Er habe nichts gehört, lachte Franz Albrecht, so süß sei er von Morpheus' Arm umfangen gewesen. Dann nahm er den entwurzelten Baum in Augenschein, dessen verkrümmte Zweige sich hilfesuchend in die Luft zu krallen schienen, und schlenderte pfeifend seiner Kutsche zu, den Blick im lieblich schwebenden, gleichsam von einem Kinderlächeln überhauchten Himmel verloren.

Er hatte schon wieder eine Weile geschlafen, als er laute Stimmen und das Schnauben und Trappeln von Pferden vernahm. In der Meinung, sich gegen Räuber wehren zu müssen, sprang er aus dem Wagen und zog eine geladene Pistole aus dem Gürtel; aber ein junger Offizier trat ihm höflich entgegen mit der Meldung, er sei Leutnant vom Terzkaschen Regiment und habe Befehl, ihn, den Herzog, einzuholen. Er werde in Eger mit Ungeduld erwartet.

»Um so besser«, sagte Franz Albrecht, indem er die Pistole wieder einsteckte. Wo sie denn wären? Er habe wohl den ganzen Tag verschlafen.

Sie wären bei Tirschenreuth vorüber, sagte der Leutnant.

Franz Albrecht stieg wieder in die Kutsche, die nun von Bewaffneten umringt war. Nach einer halben Stunde tauchten die braunen Mauern von Eger auf, tief in den zartblauen Himmel schneidend. Soeben kam der Leutnant an die Kutsche geritten und fragte munter, wie es Franz Albrecht vorkommen würde, wenn er ihn in Kaisers Namen gefangennähme?

Der Lauenburger verwies ihm den ungebührlichen Scherz und fragte, wie der Herzog von Friedland sich befinde?

»Sehr wohl,« lachte der Leutnant, »er ist gestern nacht ermordet worden und liegt kalt wie eine Kröte auf der Burg.«

Er habe nicht übel Lust, sagte Franz Albrecht, dem Herrn über sein unverschämtes Maul zu fahren.

Das solle er lieber bleiben lassen, sagte der Leutnant. Er habe Befehl, Franz Albrecht als Verräter an der kaiserlichen Majestät gefangen einzubringen.

Franz Albrecht bedachte sich. Wenn es wahr wäre, sagte er ruhig, daß Wallenstein ermordet wäre, so müßten die es verantworten, die es getan hätten. Ihn, den Herzog von Sachsen-Lauenburg, zu verhaften, sei wider das Völkerrecht; er sei kursächsischer Feldmarschall und traktiere in kurfürstlichem Auftrag mit dem kaiserlichen Generalissimus über den Frieden. Es würde denen teuer zu stehen kommen, die sich an ihm, einem Reichsfürsten aus uraltem Geschlecht, vergriffen.

Das werde sich zeigen, sagte der Leutnant, es geschehe alles auf kaiserlichen Befehl.

Man solle ihn augenblicklich aufs Schloß zum Grafen Terzka oder zum Grafen Kinsky führen, rief Franz Albrecht aufgebracht.

Das zu tun sei er im Begriff, antwortete der Leutnant lachend, sie lägen ermordet auf der Burg, wären mit dem Hauptrebellen zur Hölle gefahren.

Jetzt erblaßte Franz Albrecht ein wenig. Wenn das wahr wäre, sagte er, so hätten die Mörder mehr als er zu besorgen. Ein so abscheuliches Blutvergießen würde die ehrliebende Welt nicht unbestraft lassen.

Als die Kutsche über den Markt fuhr, kamen ihnen ein paar von Soldaten geführte Pferde entgegen, in denen Franz Albrecht die ausgezeichnet schönen Apfelschimmel erkannte, um die jedermann Terzka beneidet hatte. Ein unbehagliches Gefühl überlief ihn, und er dachte mit einem Seufzer an die letzte Nacht in Pfirt. Warum war er nicht dort geblieben, wozu er doch so große Lust verspürt hatte? Nun trug er die Folgen seines unzeitigen Pflichteifers.

*

In der Hofburg besprachen Schlick und Trauttmansdorff mit dem Kaiser Wallensteins Ermordung und verschiedene damit verknüpfte Geschäfte, unter anderem, wie die Täter am füglichsten zu belohnen wären. Sie hätten ja, sagte Schlick, nicht nur die Person des Kaisers, sondern das gesamte Erzhaus aus höchster, dringendster Lebensgefahr befreit und müßten, um andere zur Nacheiferung anzufeuern, stattliche Auszeichnungen erhalten.

Es sei ihm wirklich jetzt um vieles leichter zumute, sagte der Kaiser. Die Dankgebete in allen Kirchen wären doch angeordnet? Und wie der unverhoffte Todesfall im allgemeinen aufgenommen würde?

Schlick sagte, zunächst herrsche noch Konsternation und Perplexität vor. Man müsse nun dazu schreiten, den Grund der Sache öffentlich zu explizieren. Dann kam er auf die Belohnungen zurück: zunächst kämen die in Betracht, die selbst Hand angelegt hätten, damit dort keine Unzufriedenheit Platz griffe.

Ob nicht anzunehmen sei, schaltete Trauttmansdorff ein, daß die guten Leute sich schon selbst leidlich bezahlt gemacht hätten?

Buttler frage eben an, sagte Schlick, ob das bei dem justifizierten General gefundene Geld zur Befriedigung der gemeinen Soldaten gebraucht werden könne? Piccolomini, Gallas und Aldringen wären mit Gütern zu befriedigen, außerdem habe Gallas angedeutet, daß ihm das Illosche Silberzeug sehr wohl anstehen würde; Leslie begehre den Grafentitel, und für die erledigten Regimenter wären auch Liebhaber da.

Ja, da werde man zuletzt viertausend Mann mit sieben Broten speisen müssen, sagte der Kaiser.

Schlick beruhigte, es sei mehr als genug vorhanden. Von dem unermeßlichen Reichtum Wallensteins abgesehen, wären ja Terzkas und Illos Güter da, und der alte Terzka sei auch häßlich in die Sache verwickelt gewesen. An des Schaffgotsch Schuld sei ebensowenig zu zweifeln; übrigens sei eine Klage von Schaffgotschs Verwalter eingelaufen, daß der Carretto sich Pferde und Gespann des Grafen angeeignet habe und auf offenem Markte damit paradiere.

Der Spitzbube! rief der Kaiser, das sei doch allzu vorlaut! Der Schaffgotsch sei noch gar nicht prozessiert; gar so täppisch dürfe man nicht zugreifen, sonst werde die kaiserliche Justiz schimpfiert. Dem Carretto wolle er fest auf die Finger klopfen.

Trauttmansdorff stimmte zu: es müsse alles seine Ordnung und seinen Grund haben.

Und Pferde anbelangend, fuhr der Kaiser fort, müsse vor allen Dingen sein Sohn, der König von Ungarn, berücksichtigt werden. Das friedländische Gestüt habe er ihm schon fest zugesagt. Es sollte aber den Kommissionen größte Genauigkeit und Redlichkeit eingeschärft werden, der Gerechtigkeit solle einmal kein Abbruch geschehen. Die Beweise könnten doch hoffentlich vorgebracht werden, daß es mit der Rebellion und Verschwörung wirklich an dem gewesen sei?

Leider, leider, sagte Schlick, sei der schelmische Friedländer zu schlau gewesen, etwas Schriftliches von sich zu geben, in Mies habe er noch alle gefährlichen Briefe verbrannt, daß der ganze Kamin voll Asche geworden sei. Aber von den vielen Gefangenen, die durch Gottes Gnade gemacht wären, würde man schon etwas herausbekommen.

Ja, man wisse schier nicht Käfige genug für die losen Vögel aufzubringen, sagte Trauttmansdorff scherzend. Den Eltz, den kalvinischen Erzketzer, habe man nun auch erwischt. Freilich beteuerten sie einstweilen alle ihre Unschuld.

Schlick lachte. In dem Punkte wären die ärgsten Malefikanten wie die Jungfrauen vor der Hochzeit, sagte er; aber es gebe gottlob Mittel, ihnen beizukommen.

Nachdem die Hauptpunkte erledigt waren, fragte der Kaiser, was denn eigentlich davon zu halten sei, daß aus des Friedländers Kehle bei seinem Verscheiden schwefliger Rauch ausgefahren wäre?

Einige von den Soldaten, berichtete Schlick, die bei der Tat zugegen gewesen wären, wollten allerdings vor dem Fenster den Teufel gesehen haben, der auf die entweichende Seele gelauert hätte und mit ihr davongefahren sei. Auch draußen vor dem Hause hätten ihn etliche im Sturme bellen gehört; aber er, Schlick, wolle es dahingestellt sein lassen.

Der Kaiser meinte, es sei nicht unglaublich, da der Friedländer ja von vielen längst für einen Ketzer ausgegeben sei, und Trauttmansdorff fügte hinzu, es pflege sich eben im Tode die Wahrheit zu offenbaren. So solle der König von Schweden im Sterben lästerliche Kalumnien und Injurien gegen Gott ausgestoßen haben.

Der Kaiser seufzte und sagte, Gott müsse wissen, wozu er dem Teufel so viel freie Hand auf Erden ließe. Der Herzog von Friedland sei anfangs gewiß ein treuer Diener gewesen.

Ihn habe der Satan beim Hochmut gegriffen, sagte Schlick. Den leidigen Ehrgeiz zu weiden, sei ihm seine Seele nicht zu kostbar gewesen.

In Anbetracht der früher geleisteten Dienste, sagte der Kaiser, möchte er wohl eine Anzahl Messen für seine Seele lesen lassen. Vielleicht wäre er mit der Zeit aus dem Höllenfeuer zu retten.

Trauttmansdorff und Schlick fanden, daß Wallenstein so viel Klemenz nicht um den Kaiser verdient habe, doch wollten sie das kaiserliche Gnadenbächlein nicht verstopfen und es Gott anheimstellen, wie er jenseits mit dem bestraften Sünder weiter prozedieren wolle.

Unterdessen warteten im kaiserlichen Vorgemach der bayrische Gesandte von Richel, Eggenberg, Werdenberg, Christian Wilhelm, der ehemalige Administrator von Magdeburg, und mehrere andere Herren, um die Glückwünsche wegen des vollzogenen Strafgerichts abzulegen.

Eggenberg drückte Richel wiederholt die Hand und bat ihn, dem Kurfürsten auszurichten, wie glücklich er sei, daß der Verräter den verdienten Lohn empfangen habe. Nächst Gott habe der Kaiser dem Kurfürsten und dessen rüstigem Vertreter Richel seine Rettung zu verdanken. Richel solle auch nicht vergessen, den Kurfürsten wissen zu lassen, wie eifrig er sich die Beförderung dieser Angelegenheit von allem Anfang an habe angelegen sein lassen.

Über Richels derbem Gesicht lag pfiffiges Behagen ausgebreitet. Sein Herr werde alles erfahren und alle belohnen, sagte er. Übrigens habe es jetzt fast das Ansehen, als hätte jeder mit gleichem Verlangen auf des gottlosen Rebellen Ende gewartet. Dabei stieß er den Administrator vertraulich mit dem Ellenbogen in die Seite und zwinkerte nach Werdenberg hin, der sich ihm unter verlegenen Reverenzen zu nähern suchte.

Zu Eggenberg sich wendend, sagte er, er habe mit Bedauern vernommen, daß Seine Gnaden bedenklich erkrankt sei, und bewundere seine Selbstüberwindung, daß er sich dennoch hervorgewagt habe, um der kaiserlichen Majestät bei dieser Gelegenheit aufzuwarten.

Es sei nur sein altes Podagra, sagte Eggenberg, das ihn so mörderisch angepackt habe und ihm wohl auch bald den letzten Stoß geben werde.

Im Gegenteil, sagte Richel, die gute Botschaft von Eger werde ihn völlig wiederherstellen.

Christian Wilhelm mischte sich ein und sagte, er habe allerdings nicht einmal bei der Geburt eines Sohnes solche Freude verspürt. Er habe fast den ganzen Tag mit Gebet am Altare zugebracht, und wenn er eben aus der Kirche gekommen sei, habe er geschwind wieder umkehren müssen, um von neuem zu danken und zu loben. Es müsse einer ein zu Felsen verhärtetes Herz haben, wenn er jetzt nicht einsähe, daß das Erzhaus unter Gottes besonderem Schutz stände. Auch das könne man lernen, wie Gott noch täglich zum Schutze der Seinen Wunder tue; denn als ein Wunder sei es billigerweise anzusehen, wie der Tyrann, vor dem der Erdkreis gezittert habe, so geschwind und still hätte umgebracht werden können.

Gott müsse den mutigen Männern beigestanden haben, fiel Werdenberg ein, die das Werk unternommen hätten. Er könne aber als ein Kavalier von Ehre schwören, daß er ebenso gehandelt hätte, wenn er zur Stelle gewesen wäre.

Richel stieß den Administrator wieder mit dem Ellenbogen in die Seite und grinste.

Er könne nicht anders als Tränen vergießen, nahm Christian Wilhelm wieder das Wort, wenn er bedächte, in welcher Gefahr der Kaiser gestanden und wie wunderbar er errettet sei, und wie herrlich Gott überhaupt alles hinauszuführen pflege. Was hätte Gott nicht alles angestellt, die ganze Stadt Magdeburg in Feuer aufgehen und zu Asche werden lassen, einzig um ihn, Christian Wilhelm, der damals noch blind im Dunkeln getappt sei, aus der Finsternis in das Licht zu führen. Daß er nunmehr auch diesen Luzifer gestürzt habe, von dem er, Christian Wilhelm, freilich selbst nicht geglaubt hätte, daß er sich so heillose Abscheulichkeiten würde einfallen lassen, sei als ein schönes Vorzeichen anzusehen, daß Gott nunmehr alle Sektierer, Ketzer und Heiden teils bekehren, teils ausrotten wolle, und dann würde es auch mit dem lieben Frieden nicht lange mehr anstehen.

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