Arno Holz
Ignorabimus
Arno Holz

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Georg: (der in seiner Erregtheit die Wirkung seiner Worte auf sie nicht mehr registriert; sich noch immer steigernd) Aber durch Ungeheuerlichkeiten, wie du sie jetzt annimmst, durch die gehirnlichen Sankt Veitstänze, die Onkel Ludwig sich vormacht, durch Deutungsversuche in diesem Genre wird der Kuddelmuddel, den wir Welt nennen, und an dessen Entknäulung wir uns abrackern, seit wir unsre amüsanten, grotesk schichtweis unterschiedlichen, sämtlichen Schleimpilz-, Infusorien-, Mollusken-, Haifisch- und Schnabeltierstadien glücklich hinter uns gelassen haben, und auf diesem pompös-fulminanten, angenehm rundgedrehten Ball hier als sogenannte »Ebenbilder Gottes« kulturfreudig aufrecht auf zwei Beinen rumwandeln, nur noch zehntausendmal verkuddelmuddelter!

Marianne: (ihm nachblickend; klagend-vorwurfsvoll) Und an dieses . . . Leben . . . an diese . . . »Riesensinnlosigkeit« . . . die dir schon rein intellektuell . . . jetzt kaum noch ertragbar scheint . . . suchst du mich nun . . . mit aller Kraft und Gewalt . . .

Georg: (den Kopf in beiden Händen; verzweifelt) Könnte ich s . . . allein . . .

Marianne: (ausholend; schwer) Auch ich . . . seit Jahr und Tag schon . . . trug s . . . nicht . . . leicht! . . . Aber . . . seit . . . heute . . . seit heute früh . . .

Georg: (ganz überrascht-verdutzt stehngeblieben) »Seit . . .?«

Marianne: (seine unausgesprochne Frage ihm beantwortend) Seit . . . plötzlich . . . dieser . . . Fremde . . .

Georg: (dem es dadurch aus einmal wie Schuppen von den Augen fällt; Tonfall noch perplexer) Ma-rianne!!

Marianne: (durch seine wie »entsetzte« Verwundrung unwillkürlich zu noch weiteren Details gedrängt) Der mich . . . unterwegs . . . für Mariette hielt . . . und der dann später . . . in dieses Haus drang . . .

Georg: (sie groß anstarrend; stärkst) Du hast . . . alles gewußt?!

Marianne: (in wieder wachsender Erregung; mit ausgebreiteten Armen) Ich habe alles . . . gewußt und . . . was ich dann auch . . . tat . . .

Georg: (wie vorhin; nur noch gesteigert) Du hast . . . alles gewußt?!!

Marianne: (nickend; mit letzter Kraft) Alles!!

Georg: (mit einem jähen Ruck seinen Gang wieder aufnehmend; schnellste, sich fast überstürzende Sprechweise) Dann war dieser ganze Spuk . . . dieser ganze, sich so hypertranszendental gebärdende Schwindel . . . alles, was uns in dieser lächerlichen, kläglichen Sitzung so raffiniert diabolisch spitzfindig foppte, narrte und prellte, nichts als das bizarr irreführende, phantastisch aufgestutzte, zwitterhafte Produkt deiner unterbewußt automatisch aus sich selbst reagierenden Psyche! (wieder nach ihr zurückgedreht) Und du mußt einsehn . . .

Marianne: (schmerzlichst, fast mitleidig lächelnd) Wenn dir das . . .

Georg: (in seinem Satz, um so eindringlicher, weiter) Daß deine hartnäckig widerspenstige Autosuggestion . . .

Marianne: (achselzuckend; ähnlich wie vorhin) Wenn du glaubst . . . wenn du dir einbildest, daß unser menschliches Unterbewußtsein . . .

Georg: (noch prononziert-akzentuierter; voll überzeugt und wie befreit aufatmend, nun doch, was ihm im Moment wie eine Lösung des Rätsels vorkommt, gefunden zu haben) Grade das, ausgerechnet unter diesen Umständen und speziell in diesem Fall, erklärt mir jetzt mit einem Ruck, als ob durch Nacht, Nebel und Dunkel auf einmal jäh ein Scheinwerfer gefallen wäre . . . alles!!

Marianne: (ausholend; im Gegensatz zu ihm langsame, jedes Detail besonders heraushebende und unterstreichende Sprechweise) Auch . . . daß in jener Todesnacht vor drei Jahren mir Mariette erschien? . . . Auch . . . daß sie den heutigen Tag mir prophezeite und daß sich diese Prophezeiung . . .

Georg: (nachdem er nach der Uhr gestarrt, die in diesem Moment Dreiviertel geschlagen; wieder, erbittert, auf und ab) Du kannst nicht sagen, daß sie sich schon erfüllt hat!

Marianne: (wie vorhin) Auch . . . daß dein kleiner Sohn . . .

Georg: (unruhig-betroffen; mit einem jähen Seitenblick) Was  . . . soll . . .

Marianne: (auf seine Frage nicht reagierend; in ihrem Satz weiter) Den wir bereits vollkommen wieder frisch und gesund gepflegt hatten . . . nach sieben Wochen plötzlich . . . ohne, daß die auf deinen eignen Wunsch vorgenommene Obduktion auch nur die geringste, erkennbare Todesursache ergeben hätte . . .

Georg: (ablehnend-heftigst) Üblich handwerkliche Unfähigkeit und Unwissenheit der Ärzte! Du wirst doch nicht behaupten . . . ? (mit der flachen Linken sich vor die Stirn schlagend) Es wäre doch einfach gar nicht auszudenken . . .

Marianne: (von seinem Einspruch völlig unberührt geblieben) Auch . . . daß dieser . . . Fremde . . . durch dessen unheilvolle Dazwischenkunft der Knoten sich überhaupt erst schürzte . . . ohne dessen seltsames Auftauchen ich über das, was Mariette in den Tod getrieben, die letzte Sicherheit und Klarheit niemals bekommen, erlangt und erhalten hätte . . . und ohne dessen schließliche Teilnahme an unsrer Sitzung wahrscheinlich nichts an den Tag gekommen wäre . . . auch daß dieser Fremde . . . nachdem wir schon voneinander Abschied genommen . . . gradezu fast bis auf die Minute pünktlich . . .

Georg: (kurz, scharf, abweisend-kühl) Zufall!

Marianne: (mit unwillkürlich etwas erhobnerer Stimme; immer eindringlicher) Auch . . . daß diese Sitzung . . . vor der mein »Unterbewußtsein«, wie du es nennst, uns doch alle beide gleichzeitig, und zwar noch dazu auf das allernachdrücklichste gewarnt und abgemahnt hatte, dann grade dadurch, daß du diese Warnung in ihr Gegenteil deutetest, obgleich ich mich mit aller Macht, Kraft und Gewalt dagegen sträubte und wehrte, und obgleich du deinen Willen infolgedessen schon so gut wie aufgegeben hattest, schließlich trotzdem und dennoch . . .

Georg: (durch die Gewalt ihrer Gegengründe wankend geworden; veränderter Tonfall; fast bereits wieder verzweifelt) Wie soll ich dir das alles . . .

Marianne: (noch stärker als vorhin; die Maschen ihres Netzes immer enger ziehend) Und auch . . . daß dann in und während dieser Sitzung mein angebliches Dublum, Doppelwesen oder zweites Ich so über alle Maßen und überhaupt jeden Begriff einfältig, kindisch und töricht gehandelt haben soll, daß es mit Hilfe dieses tückisch abscheulichen Schleiers, den es, ohne daß ich etwas davon wußte und ahnte . . .

Georg: (zerquält; unter der logischen Unerbittlichkeit ihrer Argumentation sich fast »windend«) Laß den . . .

Marianne: (von seinem Zwischenruf kaum unterbrochen, noch immer sich steigernd) Daß es grade das . . . was ich in unserm allereigensten Interesse, wachend, um keinen Preis dir verraten haben würde, euch allen durchsichtig, verschlagen arglistig offenbarte, bis es sich dann endlich und schließlich so haßerfüllt giftig perfid und bösartig gab, daß es dich zwang . . .

Georg: (stehngeblieben; zu ihr rüber; flehendlichst) Hab Mitleid! Hab . . .

Marianne: (in ihrer grausamen Aufrollung weiter) Daß es dich zwang . . . obwohl alles in dir wußte, obwohl du dir keinen Moment lang verhehlen konntest, was für dich und mich dabei auf dem Spiel stand . . . obwohl du dir vollkommen darüber klar warst . . .

Georg: (wie vorhin; fast von Sinnen) Hab Erbarmen!!

Marianne: (in ihrer Erregung wieder kein Mitleid kennend; noch nachdrücklicher; ihre Stimme nimmt einen beinahe ehernen Klang an) Daß es dich zwang . . . sinnlos auf mich zuzustürzen . . . um ohnmächtig blind . . . nach deinem dir auch zugleich und im selben Moment spurlos entgleitenden Todfeind zu packen . . . der niemand anders gewesen war, als . . .

Georg: (unter ihrem wie rächend auf ihn gerichteten Blick fast erstarrt) »Als?«

Marianne: (letzte ehernste Wucht; einen Moment fast wieder wie die Erscheinung im dritten Akt) Als . . . Mariette?!

Georg: (der unter diesem Wort heftigst zusammengezuckt war; ausbrechend; wieder auf und ab) »Mariette!!« . . . »Mariette!« Mariette, oder nicht . . . mein Verstand steht hier still . . . mein Gehirn versagt . . . mein Intellekt kann nicht mehr mit, und ich erkläre mich vollkommen unfähig, an diesen Komplex . . .

Marianne: (nach ihrer furchtbaren Erregung wie zusammengebrochen; schmerzlichst) Es hat also . . . nichts . . .

Georg: (in der Mitte der Bühne stehngeblieben; mit letzter Bestimmtheit; fast feierlich-ernst) Nein! Das Opfer, das du mir gebracht . . . ist unter jedem Gesichtspunkt, nach jeder Hinsicht und in jedem Betracht absolut ganz und gar nutzlos und vergeblich gewesen!

Marianne: (wie vorhin; nur noch klagend-erschütterter) » Absolut ganz und gar . . .«

Georg: (immer machtvoller sich steigernd) Nutzlos und vergeblich gewesen! Ja! Unser ganzem Suchen und Wissen . . . je leidenschaftlicher und tiefer wir uns in die Dinge wühlen . . . ist ein einziger, spiegelnder Irrgarten! Und mit jedem neuen Schritt, mit jeder neuen Biegung . . . je trostloser wir uns in ihm verrennen . . . immer wieder . . . stiert uns grinsend an . . . nichts . . . als unsre verzerrte . . . Fratze!!

Marianne: (entsetzt-kläglichster Jammer) Und mit . . . diesem Bekenntnis . . .

Georg: (noch immer in der Mitte der Bühne; mit gekrampften Fäusten etwas von ihr abgewandt; voll nach dem Zuschauerraum; herbste, ehernste Wucht) Mit diesem Bekenntnis negiere ich alles, wonach ich bisher gestrebt, gebe ich jede Hoffnung, mich aus dem Uferlosen, in dem ich schwimme, auf die kleine, dürre Sandinsel, auf der mein Leben mir noch einen Sinn und mein Dasein mir noch etwas wie einen Zweck gehabt zu haben schien, je wieder zurückzuretten, endgültig und definitiv auf und weiß . . . (noch immer sich steigernd; jetzt die Augen unwillkürlich, schmerzlichst, geschlossen) daß die große Verzweiflung, die noch alle gepackt, die sich auch nur den tausendsten Teil eines Millimeters über das regulär Übliche hinausgewagt haben, in vielleicht . . . (die Augen wieder groß auf, die Fäuste noch immer gekrampft, wie visionär vor sich hin) bereits ganz kurzer Zeit . . . in allernahster Zukunst . . . auch über mir zusammenschlagen wird!

Marianne: (nach einer kleinen Pause; sich aufrichtend; Blick nach der Uhr; seltsam langsam und rhythmisch-feierlich) Öffne . . . die Tür dort . . . und lösch . . . die Lampe aus!

Georg: (nach einem Moment sprachlosen Entsetzens; durch ihren Stimmklang wie aus sich selbst aufgeschreckt; mit stockendem Atem) Wo-zu? . . . Wes-halb?

Marianne: (ähnlich wie vorhin; fast rauh-befehlend) Die schwüle Zimmerluft . . . bedrückt mich . . . und das Licht . . .

Georg: (sie noch immer groß anstarrend; einen Augenblick fast wie hilflose Kopfbewegung nach der Tür rechts) Soll ich nicht doch . . . nach deinem Vater . . .

Marianne: (klagend-schmerzlichst; die Augen, halb abgewandt, jetzt einen Moment lang ebenfalls geschlossen) Tut mir weh!

Georg: (nach einem raschen, verzweifelten Blick nach der Uhr) Sofort! . . . (mit bereits instinktiv halb ausgestreckter Rechten schnell um den Schreibtisch und dort . . .) Gleich! (. . . das Licht ausschaltend; nachdem er die mittelsten Gardinen hastig zurückgezogen, auch Mariannes zweiten Wunsch erfüllend; aus dem Hintergrund wieder nach ihr zurückgedreht; weichster, hellster Mondschein; durch die nächtliche Stille zwei sich in diesem Moment kreuzende Autos; Nachtigallen) . . . Deine Stimme . . .

Marianne: (wieder fast wie befehlend; tiefster Stimmklang; Geste etwas vor ihr nach links) Komm!

Georg: (nachdem er wieder nm den Schreibtisch gegangen; beschwörend) Nimm . . . alle . . .

Marianne: (ihn voll anblickend, fest) Du . . . versprichst mir . . .

Georg: (über ihre Worte hinweg; noch gesteigert-eindringlicher) Nimm alle . . . Kraft zusammen!

Marianne: (mit noch erhobnerer Stimme nochmals) Du gibst mir dein Wort . . .

Georg: (wieder wie vorhin; als hätte er ihre befehlend-auffordernde Bitte gar nicht gehört; allerstärkst) Alle . . . Kraft!

Marianne: (noch gesteigertst-eindringlicher) Du . . . schwörst mir zu . . .

Georg: (verhalten-verzweifeltst) Ich . . . könnte dies Leben . . .

Marianne: (noch immer als hätte er gar nicht gesprochen, in ihrer Linie unerbittlich weiter) Daß du morgen früh . . . wenn ich . . . dann nicht mehr bin . . .

Georg: (noch näher auf sie zu; ausbrechend-flehendst) Geh nicht . . . von mir!! . . . Geh nicht . . . von mir!! Ohne dich . . .

Marianne: (nach einem neuen, angstvollen Blick auf die Uhr; schluchzend-klagend, fast rührend-kindlich) Nur . . . Nur noch . . . wenige Minuten! Nur . . .

Georg: (vor ihr zusammengebrochen; auf den Knieen) Ma- . . . rianne!!

Marianne: (mit aller Kraft noch beherrscht; stockend-langsam; trotz ihres schmerzlichsten Stimmklangs fast wie aus einem leisen, heimlichen Glück) Ich . . . hätte doch nicht gedacht . . . daß mir der Abschied von dir . . .

Georg: (noch erstickt-herzzerreißender) Marianne!!

Marianne: (noch weicher) Daß mir . . . der Abschied von dir . . .

Georg: (der ihre beiden Hände ergriffen und sie fest in seinen hält; zu ihr auf) Ich flehe dich an! Ich bitte dich! Ich bitte dich auf den Knieen! Sprich nicht so!

Marianne: (jetzt fast in Tränen) So . . . schwer fallen würde!

Georg: (sich von neuem zusammenraffend; immer eindringlich-flehender) Reiß die dumme, törichte Einbildung, mit der du dich und mich jetzt zermarterst und von Sinnen bringst . . .

Marianne: (wieder erschreckt-angstvoll) Die . . . »dumme . . .«

Georg: (noch stärker, wenn auch schon fast wieder am Rand seiner Kraft) Reiß dich von ihr los, und . . .

Marianne: (noch unterdrückt-angstvoller; mit einem neuen hastigen Blick nach der Uhr) Die »dumme, törichte Einbildung« wird dir und . . . mir . . .

Georg: (noch immer vor ihr auf den Knieen; wie gefoltert, fassungslost) Marianne!!

Marianne: (mit wieder veränderter Stimme; zutraulich-weichst; von neuem ausholend) Lieber Georg!! Wenn ich morgen früh . . . (mit stürzenden Tränen) Wenn du dann ganz allein bist . . .

Georg: (energischst wieder aufgestanden und vor ihr mit ingrimmigst geballten Fäusten) Dann werde ich den Hund . . .

Marianne: (ihn groß anstarrend; beschwörendst-flehend) Du sollst deine Schuld . . .

Georg: (in fast unveränderter Haltung; maßlos) Und wenn ich sie zu einer tausendfachen machte, und wenn ihr euch alle . . .

Marianne: (wie nach Luft ringend) Du . . . sollst deine Hand . . .

Georg: (haßerfülltst; fast knirschend durch die Zähne) »Wie du mir . . . so . . .«

Marianne: (ihre Worte nur noch mühsam, mit letzter Energie aus sich herausstoßend) Du . . . sollst sie nicht . . . mit Blut beflecken!

Georg: (hoch aufgerichtet; jeder Nerv gespannt) Marianne! . . . Ich schwöre dir zu . . . ich gebe dir mein Wort . . . ich verspreche dir . . . ich würde das rächende Gericht . . . morgen früh . . .

Marianne: (wieder verzweifelst-klagend, die Augen geschlossen, fast wie in der Szene vorher) Noch eh . . . die Sonne . . .

Georg: (in seinem Satz weiter; letzte, eisernste Entschlossenheit) Über ihn abhalten . . . und die gleiche Hand . . . mit der gleichen Waffe . . . noch am gleichen Tag . . .

Marianne: (in seine Atempause; mit halb brechender Stimme) Sprichs nicht . . .

Georg: (noch immer sich steigernd; wie vorhin) Würde das gleiche . . . rächende Gericht . . . mit der gleichen . . . kalten Ruhe und unbarmherzigen Sicherheit . . .

Marianne: (beide Hände am Herzen; unter seinen Worten sich fast windend) Sprichs nicht . . . aus! Ich . . .

Georg: (versichernd-wuchtigst; noch immer in seinem selben Satz) Sei überzeugt . . .

Marianne: (die Hände, wie ohnmächtig, schlaff über beide Lehnen; zerquält-verzweifeltst; die Augen wieder geschlossen) Ge-org!!

Georg: (mit ausgebreiteten Armen, den Kopf zurück, seinen Satz machtvollst schließend) Auch . . . über mich . . . abhalten!

Marianne: (in letzter, sichtbarster Seelenqual; fast wimmernd) Das . . . darf nicht . . . sein! Das . . . das darf nicht geschehn! Das . . . Das . . . So . . . grausam kann Mariette . . .

Georg: (ihre letzten Worte unbarmherzig aufnehmend und jeden Akzent unterstrichendst betont) So . . . grausam hat Mariette . . . mein Los . . .

Marianne: (von seiner Eröffnung fast zermalmt; die Augen wieder qualvollst geschlossen) Georg!!

Georg: (in seinem Satz, jedes Wort wie aus Erz, weiter) Mein Los mir vorausgesagt, und unser beider Schicksal, verlaß dich drauf, geht in Erfüllung, wenn du nicht jetzt endlich . . .

Marianne: (nach einem Moment peinvollsten, letztinnerlichsten Ringens mit sich selbst; sich mit aller Macht und Gewalt aufraffend) Ich werde . . . alle . . . meine Kraft zusammennehmen! Alle . . . meine Kraft! Ich werde die dumme . . . törichte Einbildung . . .

Georg: (zu ihren Füßen, überwältigt, fast schuchzend) Liebe! . . . Süße!

Marianne: (nach ihrer beider furchtbarer Erschüttrung fast wie durch Tränen bereits lächelnd) Und wir wollen beide . . . hoffen . . .

Georg: (noch ähnlich wie vorhin; aus tiefster, seelischster Ergriffenheit) Hab Dank! Hab Dank! Nun . . .

Marianne: (weichst; wärmst; seligst) Du hast . . . mich immer . . . geliebt!

Georg: (der jetzt alles um sich vergessen; leidenschaftlichst; beide Arme wieder weit ausgebreitet) Vom . . . ersten . . . Augenblick! Vom . . . ersten . . . Augenblick!

Marianne: (noch gesteigerter als vorhin; tastend, stockend) Du hast . . . mit dir gekämpft . . . und hast . . . gelitten!

Georg: (einen Moment wieder wie schmerzlichst; jedes Wort von stärkstem Gefühl durchtränkt und schwerst betont) Mehr . . . als du glaubst! . . . Mehr als du . . . ahnst und glaubst! Oft . . .

Marianne: (die ihn voll verstanden; von sich aus ebenso) Ich habe . . . alles gewußt! Ich habe alles gewußt! Und oft . . .

Georg: (der ihre beiden Hände wieder ergriffen; aus letztem Empfinden; noch inniger als vorhin) Liebe!! . . . Süße!!

Marianne: (nach einer kleinen Pause; ruhiger) Weißt du noch . . . was du mir damals . . . im Garten . . .

Georg: (wie vorhin; nach ihrem vor Glück fast bebend ausgesprochenen Namen auf ihren Händen seine Lippen) Marianne . . . !!

Marianne: (zu ihm herabblickend; jetzt wirklich mit einem leisen Lächeln) »Mariette« . . . sagtest du zu mir! . . . »Mariette!«

Georg: (seligst-schmerzlichst; wie durch dieses Wort aus einen Augenblick in die Erdenwelt wieder zurückversetzt) »Mariette!!«

Marianne: (in ihrer Erinnerung immer seelischer) Und als ich . . . das Kettchen . . .

Georg: (schmerzlichst-leidenschaftlichst) Hättest du . . . mir doch damals . . .

Marianne: (in einem Moment völligster Selbstvergessenheit; mit geschlossnen Angen) Hätt ich s doch! . . . Hätt ich s!

Georg: (durch ihr Bekenntnis erschüttert; voll zu ihr aufblickend; fast jubelnd) Marianne!!

Marianne: (ihm melancholisch-zärtlichst lächelnd durchs Schläfenhaar fahrend) Grau! . . . Grau!! . . . Vor Schmerz und Kummer grau!! Und damals . . .

Georg: (schmerzlichst; schwer) Damals!! . . . Damals!!

Marianne: (letzte, seelischste Innigkeit) Vom ersten . . . Augenblick! . . . Auch . . . ich!  . . . Auch  . . . ich!

Georg: (ihr Geständnis in sich trinkend) »Vom ersten . . .«

Marianne: (womöglich noch gesteigert) Augenblick! . . . Und als . . . du dann gegangen . . . der dunkle . . . Abendgarten um mich schwieg . . . deine letzten Worte . . . klangen mir noch im Ohr . . . (immer schmerzlicher, immer schwerer) ich stand . . . und rang mit mir! . . . Soll ich . . . vor Mariette treten? . . . Soll ich . . . ihr alles . . . bekennen? . . . Soll ich . . . Ich . . . mußte dich . . . ihr lassen!

Georg: (der vor erstickten Tränen kaum noch fähig ist, auch nur diese drei Worte zu stammeln) Du . . . mußtest mich . . .

Marianne: (letzte Trauer, letzter Schmerz) Ihr lassen! . . . (sich aufraffend; von neuem; jedes Wort wie ein schwerster, fallender Tropfen) Aber . . . schon damals . . . damals schon . . . fühlte . . . und . . . wußte ich . . . nie . . . nie . . . nie . . . würde . . . dein Bild . . .

Georg: (unterdrückt seligster Jubel) Liebe!! . . . Süße!! . . . Liebe!! . . . Liebe!!

Marianne: (vor Glück trunken; beide haben Zeit und Welt um sich vergessen, und es scheint einen Moment fast in der Tat, als ob »der Kelch« wirklich an ihnen »vorübergehen« sollte) Immer . . . dies Wort! Immer . . . dies Wort!

Georg: (den Kopf selig in ihren Schoß vergrabend) Und nie . . . genug!! Nie . . . genug!!

Dufroy: (durch die Tür rechts; die beiden aus ihrem »Traum« schreckend; ganz verblüfft-überrascht, das Zimmer in diesem halbhellen Monddämmer zu finden) Was . . . ?

Georg: (der sich sofort erhoben; fragend-unwillig nach ihm rüber) Wie-so . . . ?

Marianne: (unterdrückt-entsetzt, als ob sie den eben Eingetretenen, der in diesem Moment noch an der Tür steht, nicht sofort erkannt hätte) Vater!!

Dufroy: (zögernd-angstvoll näher) Du tust . . . so erschreckt . . . ?!

Marianne: (die Linke wieder am Herzen, die Augen starr auf die Tür) Mir . . . war . . .

Georg: (dem der jähe Schreck, der durch sie gegangen, noch in allen Gliedern liegt; sich mit Gewalt in seine alte Art und Haltung ruckend) Wünschst du . . . daß ich das Licht . . . ?

Marianne: (die ihn gar nicht gehört; noch gesteigerter als vorhin) Als ob durch die Tür . . . (plötzlich zu Georg, der in diesem Augenblick die Lampe wieder aufgedreht hat, mit entsetzt schützend vorgestreckten Händen, qualvollst) Nicht!! . . . (noch verstört- entsetzter, obgleich Georg die Lampe bereits, sofort, wieder ausgedreht hat) Nein!!!

Dufroy: (um sie bemüht; fast fassungslos) Kind!! . . . Kind!!!

Georg: (ähnlich; wenn auch etwas bezwungner) Marianne!!

Marianne: (schwach, lasch; wie nach einem schwersten Anfall) Es . . . ist schon . . . (mit dem Versuch, sich wieder aufzuraffen) Euch . . . so . . .

Georg: (besorgt-vorwurfsvoll) Du hast mir . . . versprochen . . . dich zusammenzunehmen!

Dufroy: (ihm, milder, assistierend) Du mußt also . . . auch dein Versprechen . . .

Georg: (noch immer vergeblich Gefaßtheit und Ruhe markierend) Du darfst jetzt nicht . . . bei jedem Luftzug . . .

Marianne: (weich, rührend; fast wieder klagend-schmerzlich) Habt . . . ein bißchen . . . Geduld mit mir! . . . Geduld . . . und ein bißchen . . . Nachsicht!

Dufroy: (mit aller Kraft den innern Aufruhr, der in ihm tobt, vor ihr zu verbergen trachtend; ihr zärtlichst übers Haar streichelnd) Herzl!!

Georg: (sich wieder in Gang setzend; selbst auch jetzt noch fast wieder mit einem Gemisch leiser Eifersucht) Liebster . . . Schwiegervater . . . du hättest ruhig . . .

Dufroy: (halb verwundert zu ihm rüber) Ich konnte doch unmöglich . . . drüben bleiben, während hier Marianne . . .

Georg: (der jetzt keinen mehr anblickt; mit aller Gewalt sich wieder sammelnd) Marianne . . . hat auf mein vernünftiges Zureden . . .

Marianne: (in ihren halb somnambulen Zustand schon fast wieder zurückverfallen; skeptisch-schmerzlichst-ironisch) »Auf dein . . . vernünftiges . . .«

Georg: (wie vorhin; noch gesteigert) Auf mein vernünftiges Zureden . . . ihre fixe Unglücksidee aufgesteckt . . . und wir dürfen jetzt alle . . . zuversichtlich . . .

Dufroy: (trotz des erst eben noch halb versteckten Protests von Marianne, über den er mit Absicht hinweggehört, unwillkürlich ans tiefstem Herzen aufatmend) Gott sei . . . gelobt und . . . gedankt!

Georg: (mit einem wieder halb angstvollen und doch dabei jetzt wie bereits halb zuversichtlichen Blick nach der Uhr) Noch . . . wenge . . .

Dufroy: (um so eindringlich-hartnäckiger; nach Marianne wieder zurückgedreht) Noch eine kurze . . . Zeit . . . und du wirst sehn . . .

Marianne: (wieder schmerzlichst; Blick vor sich hoch wie ins Leere; somnambul) »Sehn . . .!!«

Georg: (von neuem, nervös, auf und ab; fast wieder gereizt-heftig) Daß deine ganze, törichte Eigensuggestion, mit der du dich unnütz gequält hast . . .

Dufroy: (vermittelnd; von einem zum andern) Sie . . . sieht s ja . . . ein! Sie . . .

Georg: (wieder stehngeblieben und nach ihr zurück; mit jedem Wort sich überstürzend-eifriger) Solche Fälle kommen nicht vor! Solch ein Fall liegt außer aller Erfahrung! Solch ein Fall . . . Hier steht dein Vater! Dein Vater wird dir sagen . . . Dein Vater . . .

Dufroy: (als ob er aufs felsenfesteste davon überzeugt wäre) Aber ganz gewiß nicht! Ganz und gar gewiß nicht! Marianne . . . denkt nicht mehr daran!

Marianne: (durch die es wieder wie ein Hoffnungsstrahl zuckt; sich mühend, aus ihrem Sessel aufzustehn) Ob ich s . . . versuche? . . . Vielleicht . . .

Georg: (während Dufroy ihr dabei behilflich ist; allereifrigst; jede Bewegung der beiden gespanntst verfolgend) Versuchs! Versuchs! . . . Vielleicht . . . Vielleicht . . .

Dufroy: (das Vergebliche, jedenfalls aber zum mindesten Verfrühte ihrer vereinten Bemühungen bereits einsehend) Du bist . . . doch noch . . .

Georg: (noch gesteigerter-eindringlicher; als ob der suggestiv-aufstachelnd-zuredende Ton seiner Worte ihr plötzliche Kräfte verleihen könne) Versuch s! Versuch s!

Marianne: (in ihren Sessel wieder zurücksinkend; matt) Ich bin . . . doch noch . . . zu . . . müde!

Georg: (noch immer an seinem Platz; auch jetzt noch sich steigernd; mit aller Kraft und Gewalt ihr und sich Zuversicht einredend) Was tut s? Was tut s? In einer kleinen Viertelstunde . . .

Dufroy: (einfallend; noch stärker) Ist alles wieder gut! Aber ohne jeden Zweifel! Ohne jeden Zweifel!

Marianne: (der jetzt vor Dank und »Glück« fast wieder die Tränen kommen) Ihr seid . . . Beide . . . Ihr seid . . . zu mir . . . alle Beide . . .

Dufroy: (mit beiden Händen ergriffen ihre Linke drückend) Liebling!

Georg: (der jetzt ebenfalls bei ihr, ähnlich wie Dufroy, mit beiden Händen ihre Rechte hält) Marianne!

Marianne: (von einem zum andern hoch; »glücklich«) Vater! . . . Georg! . . . (nach einer kleinen Pause, während der man fühlt, daß Georg und Dufroy, die einen stummen, vollsten Blick gewechselt, jetzt völlig miteinander ausgesöhnt; fernes Auto, Nachtigallenschlag; leise Kopfbewegung nach dem Garten hin) Nun ist . . . Onkel Ludwig . . . (abbrechend) Nicht wahr? . . . (langsam-innigst) Wir haben ihn alle . . . lieb gehabt!

Dufroy: (warm) Ja! . . . Und es war . . . seine schönste Tat . . .

Marianne: (in seinem Satz weiter) Sich zu bezwingen . . .

Dufroy: (wie sie) Und der alten Frau . . .

Marianne: (die ersten Worte zu Dufroy, die letzten zu Georg hoch) Jetzt . . . werden wenigstens . . . seine letzten Tage . . .

Georg: (ablenkend-einfallend; von neuem Auto) Hoffen wir s!

Marianne: (wieder nach der offnen Balkontür; die mild-frische Nachtluft wie in sich schlürfend) Der . . . herrliche . . . Mondschein!

Dufroy: (der die halbe Drehung, die Marianne dabei machen muß, für sie nicht ganz bequem hält) Sitzst du nicht . . .

Georg: (beide Hände bereits auf der Lehne) Soll ich dir . . . den Stuhl . . .

Marianne: (Geste; leicht ablehnend) Danke! . . . Nein! . . . Ich kann . . . wenn ich . . . den Kopf . . . (Dufroy, von beiden unbemerkt, wieder Blick nach der Uhr; nochmals Auto).

Georg: (in das »Mondbild« einen Augenblick fast »versunken«; langsam) Nachtigallen . . . und Automobile!

Marianne: (ähnlich) Nachtigallen . . . und . . . (plötzlich jäh zusammengeschreckt und, wie irr, um sich blickend).

Dufroy: (ebenso; ganz entsetzt) Was hast du? Was ist dir?

Georg: (dem fast der Atem stockt; ähnlich) Was war?!

Marianne: (mit groß angstvoll aufgerissnen Augen, noch gesteigerter als vorhin) Habt ihr . . . nicht gesehn?

Georg: (allerstärkst; sich vergeblich im Raum umblickend) Was?!

Dufroy: (ebenso; matteres Echo) Was?

Marianne: (vorgebeugt; lauschend) Habt ihr . . . nicht gehört?

Dufroy: (ganz ratlos; zu Georg rüber) Ge-hört?

Georg: (zu Dufroy; ähnlich; nur noch stärker) Ge-hört?!

Marianne: (immer verstörter, immer angstvoller) Es ist hier . . . außer euch . . .

Dufroy: (schon fast kopflos) »Außer . . . ?«

Georg: (noch mal allerstärkst) Wer?!

Marianne: (nach den betreffenden »Stellen«; sich permanent steigernd) In der Tür! . . . Am Kamin! . . . Aus der Ecke!

Dufroy: (sich entsetzt überall umblickend) Wo?

Georg: (noch verstärkt) Wo?!

Marianne: (mitten vor sich in den Zuschauerraum; mit schlotternd vorgestrecktem Zeigefinger) Dort! . . . Dort!

Georg: (schärfst ebendorthin blickend) Dort?!

Marianne: (von Grauen in ihren Sessel wieder halb zurückgeworfen; als ob sie das Geschilderte leibhaft vor sich sähe) Aufrecht! . . . Schwebend! . . . In einem fahlen . . .

Dufroy: (sich unwilligst zusammenruckend) Du fieberst!

Georg: (noch stärker) Du delirierst!

Marianne: (von Angst geschüttelt; immer entsetzter) In einem fahlen . . . Schein! Die Augen . . . gebrochen! Die Lippen . . . bläulich! Das Kinn . . .

Georg: (von innerstem Grausen gepackt, mit dem vergeblichen Versuch, sie in die »Realität« wieder zurückzurufen) Marianne!!

Marianne: (mit geschlossen Augen, beide Hände zitternd gekrampft, in ihrem Sessel ganz zurück; wie sich vor ihrer grauenhaften Halluzination in sich selbst verkriechend) Wie . . . damals!! Wie . . .

Dufroy: (mit gesammeltster Energie; nochmals unwillkürlich in den Zuschauerraum) Ein leeres, wesenloses Trugbild!!

Georg: (ebenso; nur wieder noch stärker) Ein Nichts!!

Marianne: (die Augen wieder groß auf und den Blick von neuem vor sich auf den gleichen Fleck) Wie . . . damals!! (sich wie automatisch nach dem Kaminsims drehend) Nun wird gleich . . . die Uhr . . .

Dufroy: (zitternd um sie bemüht; gurgelnder Angstlaut zu Georg) Licht!!

Georg: (nach der Tür rechts stürzend und dort den elektrischen Schalter suchend, den er in seiner flatternden Hast und Angst nicht gleich im Moment findet; mit letzter, verweifeltster Energie, halb dabei nach ihr zurückgedreht, auf sie einredend) Denk, daß du leben sollst!! . . . Denk, daß du leben sollst!! . . . (in diesem Augenblick flammt über dem Schreibtisch die große Blumenkrone auf und das ganze Zimmer erscheint von ihrer blendenden Lichtflut wie durchtränkt) Denk . . .

Marianne: (noch nach der Uhr gedreht; die Linke wie abwehrend-schützend gegen das Licht gehoben, die Augen angstvollst auf dem blanken Zifferblatt) Nun wird gleich . . .

Dufroy: (die Augen unwillkürlich ebenfalls wieder nach der Uhr; verzweifeltst-fassungslos) Kind!!

Georg: (nach einem schnellen, ebenfalls wie verstörtesten Blick auf die Uhr; schon wieder bei ihr; noch gepeinigst-erschütterter) Marianne!!

Marianne: (jammerndst-flehendst; mit erhobnen Händen) Du . . . gibst mir . . . dein Wort!! Du . . . gibst mir . . . dein Wort!! Ich . . . kann nicht sterben, wenn du mir nicht . . .

Georg: (vor ihr niederbrechend; beide Hände von ihr packend und sie sich verzweifelt auf seinen Kopf pressend, den er in ihren Schoß gräbt) Marianne!!!

Dufroy: (ihr entsetzt angstvollst-betunlichst Schultern und Arme streichelnd; suggestivst auf sie einsprechend) Du darfst nicht sterben!! Du darfst uns nicht sterben! Du . . .

Georg: (ihre beiden Hände wieder in seinen; zu ihr auf) Denk, daß du leben sollst!! Denk . . .

Marianne: (immer schmerzlicher; immer angstzerquält-bettelnder) Gib mir dein Wort!! Gib mir dein Wort!!

Georg: (beide Hände um ihre Handgelenke, die er jetzt weit auseinanderhält; wie vorhin; gepeinigt-eindringlichst) Ich gebe dir mein Wort, wenn du . . .

Marianne: (in ihrer furchtbaren, qualvollen Seelennot sich fast physisch windend) Ich kann nicht mehr leben!! Ich will nicht mehr leben!! Ich . . . Wie soll ich jetzt sterben, wenn du mir nicht . . .

Dufroy: (mit einem wie mahnend-flehenden Blick zu ihm; tiefst erschüttert) Georg!

Marianne: (die ihre beiden Hände inzwischen wieder von ihm befreit hat; klagendst-herzzerreißend) Gib mir dein . . .. Wort!!!

Dufroy: (der diesen Kampf zwischen den beiden länger nicht mehr ertragen kann; wieder suggestivst auf sie einredend) Er . . . hat es dir ja . . .

Georg: (wieder vor ihr aufgestanden; ringend wie sie; mit verzweifeltst geballten Fäusten) Nein!! Nein!!

Marianne: (immer herzzerreißender; mit flehend-krampfhaft gefalteten Händen) Hab . . . Erbarmen!!

Georg: (wie vorhin; noch ohnmächtig-verzweifelter; stärkst) Nein!!!

Marianne: (zu Dufroy; letztes jammerndstes, hilfebettelndstes Flehen) Vater!!

Dufroy: (zu Georg; qualvoll-resigniert-schmerzlichster Blick von Marianne nach der Uhr rüber) Du siehst . . . daß jetzt alles . . .

Georg: (nochmals, mit allerstimulierendst-verzweifeltster Glut und Kraft zu ihr) Du sollst nicht sterben!!! Du darfst nicht sterben!!! Du . . .

Marianne: (über sein suggestivst-eindringliches Flehen hinweg; noch immer sich steigernd) Gib mir dein Wort!!!

Georg: (den seine »Besinnung« fast bereits verläßt; halb schon beinah wie irr und verstört) Du sollst leben!!! Du sollst leben!!! Du sollst . . .

Marianne: (nochmals; mit äußerster Kraft) Gib mir dein Wort!!!

Dufroy: (seine letzte, in diesem Augenblick gradezu fast übermenschliche Selbstlosigkeit zusammenraffend; sein ganzes männlich-entsagendes, wuchtiges, moralisches Übergewicht in die Wagschale werfend; fest) Er . . . hat dir . . . er hat dir sein Wort . . .

Marianne: (halb noch wie fragend, halb schon fast selig) Er . . . hat mir . . . sein Wort . . .

Georg: (der sich nochmals gegen sie wehren will; kaum mehr fähig, auch nur noch diesen einen Laut aus sich herauszuschleudern) Ich . . .

Dufroy: (noch stärker als vorhin; halb zu ihr, halb zu Georg; allersuggestivst) Er hat es dir ja . . . gegeben!!

Marianne: (die wie aus dem Tiefsten aufgeatmet; visionär-verzückt) Er . . . hat es mir . . . er . . . hat es mir . . . (plötzlich, mitten in ihrem Satz, stockend und sich halb aus ihrem Sessel erhebend; fast herrisch-abwehrende Geste gegen Georg und Dufroy mit der erhobnen Linken; mit angstvollst groß aufgerissnen Augen nach der Uhr hin) Still! . . . Still!! . . . Still!!! (in diesem Moment, von draußen her alles still, deutlichst vernehmbar, das schnurrend-häßliche Anrucken des Uhrwerks) Habt ihr . . . gehört? . . . Habt ihr . . . (plötzlich mit qualentstellten Zügen, die Augen starr nach oben vor sich hin, mit beiden Händen, daß man wieder deutlich deren doppeltes Aufklappen vernimmt . . .) Mariette!!! (. . . nach ihrem Herzen greifend und in den Sessel, die Arme zwischen beiden Lehnen schlaff herabhängend, mit letztem Streckruck, zurück- und zusammensinkend).

Georg: (zurücktaumelnd, wie irr, als ob er über sich in der Luft noch etwas zu erblicken glaubte, nach oben stierend) »Ma . . .?«

Dufroy: (der mit aller Kraft und Gewalt bis zum letzten Moment durchgehalten; einen kurzen Augenblick sein Ohr an ihrem Herzen; sich, erschütterst, wieder aufrichtend) Ihr . . . Herz . . .

Georg: (ganz atemlos-starr; wie das vor seinen Augen eben Geschehne noch nicht fassend und begreifend) Ihr . . . Herz . . .

Dufroy: (ihr die noch immer, glanzlos, nach oben gerichteten Augen zudrückend) Sie . . . ist . . . (nicht fähig, weiterzusprechen).

Georg: (unwillkürlich etwas vorgebeugt; den Blick stier auf der Toten; verhalten-stärkst) Un-möglich!!

Dufroy: (halb abgewandt) Sie . . . (die Linke, wie schützend, über die Augen; etwas leiser; gebrochen) ist . . .

Georg: (völlig zermalmt und zerschmettert vor der Toten niederbrechend; letzter, herzzerreißendster Verzweiflungsschrei) Marianne!!! (den Kopf wieder in ihrem Schoß).

Dufroy: (der seine Linke inzwischen wieder schlaff hatte sinken lassen; die Rechte vor der Stirn, die Augen geschlossen, den Kopf zurück; in jetzt plötzlich schmerzlich-klagendster Zurückerinnerung an die ihm gewordene Prophezeiung) »Geschlagner, als . . .«

Georg: (jetzt wiederaufgestanden; mit gekrampften Händen vor der Toten zurück bis in die Mitte der Bühne; Blick fest auf die Uhr; mit letzter, von neuem wieder gesammeltster Energie) »Morgen früh . . . (in diesem Moment beginnt, fein, silbern und schnell, der Uhrschlag; Georg, wie grade durch dieses » Memento« nur noch gesteigert; mit jedem Wort eiserner und entschlossner) noch bevor die Sonne . . . voll . . . aufgegangen . . . sein wird!« (während die letzten fünf Schläge verklingen, sinkt langsam der Vorhang).


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